Bernhard, Jandl, Jelinek: Österreichische Musikzeitschrift 05/2015
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Buchvorschau
Bernhard, Jandl, Jelinek - Hollitzer Wissenschaftsverlag
IMPRESSUM
Österreichische Musikzeitschrift (ÖMZ) | Jahrgang 70/05 | 2015
ISBN 978-3-99012-216-7
Gegründet 1946 von Peter Lafite und bis Ende des 65. Jahrgangs herausgegeben von Marion Diederichs-Lafite
Erscheinungsweise: zweimonatlich
Einzelheft: € 9, 50
Jahresabo: € 44 zzgl. Versand | Bestellungen: vertrieb@hollitzer.at
Förderabo: ab € 100 | Bestellungen: redaktion@oemz.at | emv@emv.or.at
Medieninhaberin: Europäische Musikforschungsvereinigung Wien (EMV)
ZVR-Zahl 983517709 | www.emv.or.at | UID: ATU66086558
BIC: GIBAATWWXXX | IBAN: AT492011129463816600
Herausgeber: Daniel Brandenburg | dbrandenburg@oemz.at
Frieder Reininghaus (verantwortlich) | f.reininghaus@oemz.at
Redaktion: Johannes Prominczel | j.prominczel@oemz.at
Judith Kemp | j.kemp@oemz.at
Julia Jaklin (Assistenz) | j.jaklin@oemz.at
Adresse für alle: Hanuschgasse 3 | A-1010 Wien | Tel. +43-664-186 38 68
redaktion@oemz.at | inserate@oemz.at | www.oemz.at
Werden Sie FreundIn der ÖMZ: Unterstützen Sie die Europäische Musikforschungsvereinigung Wien (EMV) oder ihren deutschen Partner Verein zur Unterstützung von Musikpublizistik und Musik im Donauraum e. V. (VUMD) | info@emv.or.at
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Verlag: Hollitzer Verlag | Trautsongasse 6/6 | A-1080 Wien
Tel. +43-1-236 560 54 | office@hollitzer.at | www.hollitzer.at
Coverbild: Elfriede Jelinek | © Ursula Stock, Zeichnung 2004
Layout & Satz: Gabriel Fischer | A-1150 Wien
© 2015 Hollitzer Verlag. Alle Rechte vorbehalten. Die Redaktion hat sich bemüht, alle Inhaber von Text- und Bildrechten ausfindig zu machen. Zur Abgeltung allfälliger Ansprüche ersuchen wir um Kontaktaufnahme.
Gedruckt mit freundlicher Unterstützung von
Liebe Leserinnen und Leser,
die Redaktion dankt allen, die an der Leserumfrage (Beilage zu ÖMZ 4/2015) teilgenommen haben, z. T. gewürzt mit Komplimenten, Kritik und Verbesserungsvorschlägen. Hier eine erste kurze Übersicht: Die meisten Einsendungen kamen von 50- bis 65-Jährigen, 62, 7 % aus Österreich (37, 3 % international), ein Drittel von Leserinnen. Offensichtlich sind sie mehrheitlich von Erfahrungen in Schulen, Musikschulen, Orchestern etc. geprägt. Fast alle interessieren sich für Das andere Lexikon und die Thementeile – mit unterschiedlichen Akzentsetzungen. Als »besonders interessant« hervorgehoben werden die Hefte zur Musik im Donauraum, zu Mahler und Cage, zur Musik 25 Jahre nach der »Wende«, zum Regisseurstheater sowie Clavierland Österreich und Wie (a-)sozial ist die Musik; am meisten geschätzt: Abenteurer (6/2014) und Aufhören! (4/2015). Am wenigsten Akzeptanz fanden Übergänge (1/2011), Oper in Osteuropa sowie Ungarische Musik heute. Dass wir uns mit exklusiven Beiträgen zum Musikleben in den östlichen Nachbarländern auf ein Terrain mit wenig kulinarischen Aspekten begeben, war abzusehen. – Niemand wünscht sich »mehr Wissenschaftlichkeit« in der ÖMZ (aber: Fußnoten sind akzeptiert, »wenn es die Redlichkeit gebietet«). Die Erwägung, »mehr Stars« bzw. »buntes Allerlei« zu präsentieren, stößt auf einhellige Ablehnung (»Nein, bitte kein Larifari!«). Erhebliches Interesse wird für Neue Musik im Diskurs bekundet. Berichte und Rezensionen sind für alle wichtig – ein älterer Opernsänger plädiert für »etwas mehr Biss«. Durchweg gefordert werden größere, bessere und möglichst auch farbige Bilder. Da sagen wir von Herzen: Gerne! Allerdings fehlen die Sponsoren, die die Aufstockung unseres mehr als bescheidenen Etats um die Mehrkosten ermöglichen. Aus Salzburg kommt am Rande notiertes Lob: »Die neue ÖMZ mit ihrem Team hat dazugewonnen«, aus Berlin eine »Gratulation zum hohen Niveau«. Aus dem 14. Bezirk werden Themenschwerpunkte zu »Symphonien weniger bekannter Komponisten« angeregt und aus Linz »mehr Musikschulthemen«. Ein langjähriger Leser fordert »Konzentration auf österreichische Themen«. Hingegen fehlt einer Abonnentin aus dem Rheinland »der internationale Weit-Blick« und ein Abonnent aus Niederösterreich meint: »Mehr Europa könnte nicht schaden«.
Was tun? Ist doch ganz klar: Die ÖMZ als eierlegendes Wollmilchschwein fortführen! Mit einem europäischen Rüssel und vier Wiener Musikmägen, mit hinreichend Borsten und einem ironischen Bürzel. Kommen da Bernhard, Jandl, Jelinek und ihre Verhältnisse zur Musik nicht wie gerufen? Da die Musen der Literatur und der Musik sich in diesem Heft thematisch die Hände reichen, haben wir Musenbilder von Hans Wallner als schöne Begleiterinnen ausgewählt.
Wenige Tage nach Absenden seines Manuskripts starb Hans Winking am 18. 8. völlig überraschend im Alter von 67 Jahren. Sein Extra-Essay zu Heimito von Doderer – durch höhere Fügung zu einem Schlusswort geworden – bildet jetzt den Auftakt der Texte zu Literatur und Musik. › Das Team der ÖMZ
Inhalt
Bernhard, Jandl, Jelinek
Hans Winking: »Lauschen – nicht Lärmen!« Musik und Musiker bei Heimito von Doderer
Liesbeth Bloemsaat-Voerknecht: »Die Musik war meine Bestimmung!« Thomas Bernhard und die Musik
Frieder Reininghaus: Die Kunst-Welt – ein hohles Ei Die Uraufführung von Thomas Bernhards und Gerhard Lampersbergs rosen der einöde in der Bundeskunsthalle Bonn 1995
Theda Weber-Lucks: Sprachkomposition bei Bernhard und Jandl
Julia Hinterberger: »a musical present« Ernst Jandl und die Musik
Pia Janke: Musik als »reinste und gläsernste Abstraktion« Kompositionen, Texte für Kompositionen und Libretti von Elfriede Jelinek
Irene Suchy: Die Klavierlehrerin Literarisch-musikalische Überlegungen zu einer verachteten Figur
Fokus Wissenschaft
Friederike Wißmann: Deutsche Musik?
Neue Musik im Diskurs
Mit der Wahrnehmung die Wahrnehmung widerlegen Der Komponist und Klangkünstler Peter Ablinger im Gespräch mit Rainer Nonnenmann
Berichte Großes Theater
Salzburger Festspiele (Peter Hagmann)
Bregenzer Festspiele (Anna Mika)
Festival d’Aix en Provence
Ruhrtriennale
Hans Heiling im Theater an der Wien (Frieder Reininghaus)
Aus Österreichs Hain und Flur
Musiksommertheater (Johannes Prominczel)
Innsbrucker Festwochen (Ursula Strohal)
Tiroler Festspiele Erl (Ursula Strohal)
Styriarte (Ulrike Aringer-Grau)
Carinthischer Sommer (Willi Rainer)
Kleines Format
Kammermusikfest Lockenhaus (Marcus Stäbler)
Musiktheatertage Wien (Magdalena Pichler)
Rezensionen
Bücher
CDs und DVDs
Statt eines Lexikoneintrags
Bleistiftmusik (Gerhard Rühm)
News
Platz an der Sommersonne
Zu guter Letzt
Die Kunst, Uhren anzuhalten (Frieder Reininghaus)
Autoren dieser Ausgabe, Vorschau
THEMA
Hans Wallner: Klio, die Muse der Geschichtsschreibung.
»Lauschen – nicht Lärmen!«
Musik und Musiker bei Heimito von Doderer
Hans Winking
Er bleibt mir der Held und Mann überhaupt und ich lieb’ ihn aus meinem Dreck heraus auf meine Art und so gut ich’s kann. (Heimito von Doderer, 1923)¹
»Der Kerl«
Auf die Frage, was denn nun Heimito von Doderer an der Gestalt Ludwig van Beethovens so fasziniert habe, antwortete Dietrich Weber, der erste Dissertant über Doderer (1963): »der Kerl«! Das Unangepasste, Selbständige, ja: Unbehauste an Beethoven sei für Doderer immer das leuchtende Beispiel eines Künstlers gewesen, der unbeirrt von den Zeitläufen des Alltags durch sein Leben schreitet. Gemessen an diesem Anspruch muss man sagen, dass Doderer gescheitert ist. Seine ideologischen Konturen mit ihrem vorgegebenen Autoritätsglauben passten sich nur allzubestens in eine Zeit ein, da es galt, wieder etwas zu sein und für eigene Probleme andere namhaft machen zu können: zum Beispiel »die Juden«.²
Und es trifft Doderer gerade zu einer Zeit, da er auf der Suche war. Aus der Kriegsgefangenschaft kam er 1920 zwar mit dem Entschluss, Schriftsteller zu werden, zurück; doch war dies zunächst, insbesondere in den Augen des gestrengen Vaters, eine reine Absichtserklärung. Aber schließlich überwog bei Doderer trotz aller Versuche, beim Entstehen einer neuen Zeit mit von der Partie zu sein und von der Zerschlagung einer jüdischen Überherrschaft im Presse- und Literaturwesen nach dem Ersten Weltkrieg zu profitieren, doch der Eigensinn. Und auch wenn er bereits 1933 in die NSDAP eintrat, so hat er sich nie auf Parteiebene betätigt und galt dem Regime eher als ein Mitläufer, der sich spätestens nach dem »Anschluss« 1938 still, aber grundlegend abgewendet hatte.
Wie so viele andere – man denke nur an die Musikprominenten des »Dritten Reichs« Richard Strauss und Wilhelm Furtwängler – nahm Doderer für sich in Anspruch, ein »Unpolitischer« zu sein. In der Tat sind in seinem publizierten Werk kaum Spuren seiner anfänglichen Sympathie für den Nationalsozialismus abzulesen.
Der Gefangene (Heimito von Doderer) zeigt den Autor in russischer Kriegsgefangenschaft, Holzschnitt von Erwin Lang, 1920. Bild: galeriehochdruck.com
Musik in Doderers Biographie
Meine Beziehung zur Musik war in den Jahren der Jugend bis zur Verblödung ausgeartet: aber eben dieser Exceß führte mich auf den richtigen Weg. (Heimito von Doderer, 1952)³
Wie in großbürgerlichen Wiener Haushalten um die Jahrhundertwende üblich spielte Musik auch im Hause Doderer eine wichtige Rolle, auch wenn die Eltern in diesem Fall nicht selbst musizierten. Heimitos ältere Schwester Helga war als Pianistin wie als Sängerin auf dem Weg zu einer professionellen Karriere, die jedoch durch Selbstmord 1927 ein jähes Ende fand. Heimito erhielt während seiner Gymnasialzeit von einem Mitglied der Wiener Philharmoniker Violoncello-Unterricht. Wie weit seine technischen Fähigkeiten reichten, lässt sich nur erahnen; immerhin schienen die Orchester in den Kriegsgefangenenlagern Sibiriens auf einem Niveau gewesen zu sein, bei dem er nicht mithalten konnte – ein Umstand, den er dann prompt in der ihm eigenen Weise als angehender Schriftsteller zu dem Diktum umbog, der Musik eigne etwas so Dämonisches an, dass sie ihn als Schriftsteller blockieren würde.⁴
David Ramirer, hingestrudlt. Tinte auf Papier, 2013.
»Kaskadierend« – Die Strudlhofstiege im 9. Wiener Gemeindebezirk, die zur Namensgeberin für Doderers berühmten Roman wurde.
Aber Musik blieb für Doderer ein bedeutender Bestandteil seines Lebens. So zeigen seine Tagebücher, dass er in den 1920er-Jahren ein eifriger Konzert- und Opernbesucher war, der sich vor allem immer wieder für das Werk Ludwig van Beethovens begeisterte und eine erstaunlich detaillierte Kenntnis an den Tag legte – von Fidelio über die Symphonien bis zu den späten Klaviersonaten und Streichquartetten. Im diesbezüglich noch nicht vollständig gesichteten Nachlass Doderers existieren zahlreiche Beethoven-Partituren.
Weniger bekannt ist, dass Doderers Œuvre auch Anlass zu Vertonungen gab. So existieren Kompositionen nach Doderer-Texten u. a. von Walter Abendroth und Hans Erich Apostel. Carl Senn, der den jungen Schriftsteller durch seinen Sohn Walter kennengelernt hatte, war es, der dann bei Doderer Texte in Auftrag gab, um sie zu vertonen (Symphonische Phantasie. Der Abenteurer), und zwar angeregt durch die frühe Erzählung Die Bresche (s. u.). Laut Doderers Tagebüchern gab es auch einen Plan für einen Zyklus von sechs Gesängen für Sopran und Streichquartett. Offenbar ist aus all diesen Plänen nichts geworden. Allerdings befinden sich im Nachlass Doderers drei nicht wesentlich voneinander abweichende Fassungen dieser Symphonische Phantasie – Doderers einzigem Text, der konkret zur Vertonung geschrieben wurde.⁵ »Die Musik zog überall in goldenen Bändern ihre Ornamente um den Tisch und die Lachenden und Sprechenden.«
Musik als Gegenstand der Handlung
Musik und Musiker spielen eine zentrale Rolle im literarischen Werk Doderers – wie so oft realen Personen und Situationen seines Lebens abgelauscht. An vier Punkten soll dies exemplarisch aufgezeigt werden.
Folie: Musik, auf der sich wie auf einer Folie eine »Handlung« abspielt, ist die Sonate für Klavier in fis-Moll op. 11 von Robert Schumann in dem Roman