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Festung Glückstadt: Vorträge anlässlich des 200. Jahrestages der Belagerung Glückstadts 1813/14
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Festung Glückstadt: Vorträge anlässlich des 200. Jahrestages der Belagerung Glückstadts 1813/14
eBook322 Seiten2 Stunden

Festung Glückstadt: Vorträge anlässlich des 200. Jahrestages der Belagerung Glückstadts 1813/14

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Über dieses E-Book

2014 jährte sich die Belagerung und das Ende der Festung Glückstadt zum 200. Mal. Im Januar 1814 endete die Belagerung der Stadt Glückstadt durch die Gegner Napoleons. Anlässlich des 200. Jahrestages dieses wichtigen historischen Ereignisses, beschloss der Vorstand der Detlefsen-Gesellschaft im November 2012 unter Dr. Klaus-Joachim Lorenzen-Schmidt, eine Vortragsreihe zur Festungsgeschichte Glückstadts zu veranstalten. Die sechs Vorträge sollten an die Belagerung vor 200 Jahren erinnern und im Winter 2014 stattfinden.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum25. Apr. 2017
ISBN9783744842358
Festung Glückstadt: Vorträge anlässlich des 200. Jahrestages der Belagerung Glückstadts 1813/14

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    Buchvorschau

    Festung Glückstadt - Books on Demand

    Für Lori

    Inhalt

    Vorwort

    Klaus-J. Lorenzen-Schmidt

    Garnisonsleben in Glückstadt 1689–1813

    Christian Boldt

    Die Festung Glückstadt als wichtige dänische Landesfestung von ihrer Gründung bis in das Jahr 1813 und ihre Rolle in den militärischen Konflikten des dänischen Königshauses

    Reimer Möller

    Über den englischen Seekrieg in den norddeutschen Küstengewässern, insbesondere die Belagerung der Festung Glückstadt 1813/1814

    Ruth Möller

    Die Belagerung der Festung – Leiden der Einwohner

    Klaus-J. Lorenzen-Schmidt

    Die Belastungen der Zivilbevölkerung bei der Belagerung der Festung Glückstadt im Dezember 1813 und Januar 1814

    Ruth Möller

    Die Entfestung Glückstadts, die Schaffung der Anlagen und das Gedenken an die Belagerung in Worten und Objekten

    Vorwort

    Liebe Freundinnen und Freunde der Detlefsen-Gesellschaft, 2014 jährte sich die Belagerung und das Ende der Festung Glückstadt zum 200. Mal. Im Januar 1814 endete die Belagerung der Stadt Glückstadt durch die Gegner Napoleons. Anlässlich des 200. Jahrestages dieses wichtigen historischen Ereignisses, beschloss der Vorstand der Detlefsen-Gesellschaft im November 2012 unter Dr. Klaus-Joachim Lorenzen-Schmidt, eine Vortragsreihe zur Festungsgeschichte Glückstadts zu veranstalten. Die sechs Vorträge sollten an die Belagerung vor 200 Jahren erinnern und im Winter 2014 stattfinden. Laut Gästebuch kamen mehr als 800 Zuhörer. Besonders gefreut hat uns, dass dieses Jubiläum, nach Bekanntgabe in der Presse, von Vertretern aus Kultur, Gewerbe, Kirche, Stadt und Tourismus zum Anlass genommen wurde, eine Festungswoche zu veranstalten. Das Glückstadt Destination Management (GDM) organisierte historische Stadtrundgänge mit dem Schwerpunkt Festungsgeschichte, viele Glückstädter Gastronomen riefen die Festungsschmauswoche aus und das Detlefsen-Museum lud zu einem Vortrag zur Geschichte der Stadt ein. Das GDM hat die Organisation dieser Veranstaltungen übernommen und auch Flyer mit dem Programm drucken lassen, in denen auch unsere sechs Veranstaltungen gut beworben wurden. Einen herzlichen Dank an dieser Stelle dafür. Die lokale Presse begleitete die Aktionen wohlwollend und berichtete ausführlich über die einzelnen Veranstaltungen. Alle unsere Vorträge zur Festungsgeschichte erscheinen nun mit diesem Band, als Sonderpublikation im Rahmen unserer Vortragsreihe, den wir unserem 2015 verstorbenen Ehrenvorsitzenden Dr. Klaus-Joachim Lorenzen-Schmidt widmen.

    Die Detlefsen-Gesellschaft dankt an dieser Stelle Frau Claudia Boldt für die gelungene Gestaltung (Grafik u. Layout) des Bandes und Elke Witt und Sönke Loebert für die Korrektur einiger Aufsätze. Ferner gilt unser Dank all unseren Referenten und Förderern – nur durch ihre Beiträge konnte die vorliegende Publikation entstehen.

    Borsfleth im Winter 2016

    Christian Boldt M.A.

    Garnisonsleben in Glückstadt 1689–1813

    Klaus-J. Lorenzen-Schmidt

    Glückstadt war zu Beginn des 19. Jahrhunderts schon durch seine Funktion als Festungs- und Garnisonsstadt eine Ausnahme und im Rahmen der Herzogtümer Schleswig und Holstein vergleichbar eigentlich nur mit der Landeshauptfestung Rendsburg. Aber neben diesen beiden stark befestigten Städten, die sich ganz den militärischen Bedürfnissen unterwerfen mussten, gab es doch eine Reihe von offenen Städten und Flecken, die kurz- oder längerfristig als Garnisonsorte für das doch recht starke stehende Heer des dänischen Gesamtstaates zu dienen hatten.

    Über die Verhältnisse zwischen Bürger- und Einwohnergemeinde einerseits und der militärischen Besatzung andererseits in Glückstadt am Vorabend des Engagements der dänischen Monarchie in den Napoleonischen Kriegen sind wir vor allem durch Arbeiten von Carl Friedrich Rode¹, Gerhard Köhn² und Hans Reimer Möller³ informiert. Ich selbst habe die sehr aussagekräftige Volkszählungsliste von 1803 für die Stadt ausgewertet.⁴ Aber natürlich gibt es auf diesem Gebiet noch viel zu tun, wie jüngere, massiv quellenbasierte Forschungen für das dänische Reich zeigen.⁵ Gleichwohl soll hier ein historisch entwickelter Überblick über das Garnisonsleben bis 1813 gegeben werden.

    Offiziere des Königin-Leibregiments. Stadtarchiv Glückstadt, Köhn-Sammlung.

    Grenadiere des Königin-Leibregiments. Stadtarchiv Glückstadt, Köhn-Sammlung.

    Glückstadt 1803

    Die Volkszählungsliste von 1803 zeigt uns nicht nur die Zahl und Zusammensetzung der Glückstädter Zivilbevölkerung, sondern gibt uns auch wichtige Aufschlüsse über die Garnison. Die Stadt war damals die bedeutendste im Südwesten Holsteins. Sie hatte eine reine Zivilbevölkerung von ca. 3.200, während Itzehoe nur 2.600, Wilster nur 1.800 und Krempe nur gut 1.000 vorweisen konnte. In Glückstadt gab es nicht nur eine kopfstarke Garnison mit Offizierskorps, sondern auch die „Regierung" für Holstein – damals noch ungetrennt Verwaltung und Rechtsprechung. Mehrere Obergerichtsadvokaten waren hier ansässig. Natürlich machten sich in der Berufszusammensetzung der Stadt die beiden bedeutenden Nachfrager nach Gütern gehobener handwerklicher Produktion und des speziellen Handels bemerkbar.

    Tab.1: Gewerbetreibende nach Sparten auf 1.000 Bewohner in den südwestholsteinischen Städten 1803

    Vor allem Krempe und Wilster hatten ein beträchtliches Umland mitzuversorgen, denn das Landhandwerk war in den Herzogtümern bis zur preußischen Zeit (1867) stark beschränkt.

    Die dänische Heeresorganisation

    Die in den Jahren 1615 bis 1621 gegründete und ausgebaute Festung erhielt erst in den Jahren nach dem 30jährigen Krieg eine Garnison. Unter dem Druck des rivalisierenden Schweden entschloss sich Dänemark zur Errichtung eines stehenden Heeres. Ausschlaggebend waren dafür die leidvollen Erfahrungen des Zweiten Schwedischen Krieges (1655–1660), in dem Kopenhagen nur knapp dem schwedischen Zugriff entgangen war. 1659 bezog das neu errichtete Leibregiment der Königin zu Fuß seinen Garnisonsort an der Unterelbe, wo es bis 1848 seinen Standort behalten sollte (es wurde 1842 bei der Heeresreform in 17. Linieninfanterieregiment umbenannt).

    Die Einheiten des stehenden Heeres bestanden ganz überwiegend aus geworbenen Soldaten, von denen viele aus dem Inland kamen, mehr aber noch aus dem deutschen Ausland. Erst 1701 wurden sog. Nationale Regimenter (bestehend aus Infanterie und Landdragonern) in den drei Teilen der Monarchie (Norwegen, Dänemark und den Herzogtümern) eingerichtet, die nun aus wehrpflichtiger eingeborener Mannschaft bestanden; sie traten neben die geworbenen Verbände. 1733 gab es sechs nationale Infanterieregimenter zu je zwei Bataillonen, die je sechs Kompanien stark waren. Die Soldaten waren 18 bis 36 Jahre alt; die Dienstzeit betrug insgesamt sechs bis acht Jahre und setzte sich aus einer Grundausbildungsperiode, anschließend monatlichen Sonntagsübungen sowie jährlich mehrwöchigen Sommermanövern zusammen. Die Nationalsoldaten konnten also ihren Berufen während ihrer Dienstpflichtzeit nachgehen.

    Die Heeresreform, die unter dem Oberkommandierenden Claude Louis, Graf von Saint Germain, 1761–1767 angestoßen wurde, hatte das Ziel, 13 Infanterieregimenter zu je 1.000 Mann in zwei Bataillonen aufzustellen; von der Gesamtstärke sollten etwa 25 % Landrekruten, also Eingeborene, sein. Doch schon 1766 bestand das Heer der Monarchie aus zwei Leibgarden, sechs Kürassier- und vier Dragonerregimentern sowie 16 Infanterieregimentern, von denen in den Herzogtümern ein Regiment Infanterie in Glückstadt, sechs Infanterieregimenter in Rendsburg, ein disloziertes Infanterieregiment auf Helgoland, in Friedrichsort und Glückstadt sowie vier Kompanien Artillerie (der sog. Holsteinische Artillerieetat) in Rendsburg und Glückstadt garnisonierten. Die Mehrheit (ca. 65 %) der Soldaten stammte aus deutschen Landen und deshalb wurde folgerichtig 1772 das Deutsche die Kommandosprache im dänischen Heer. In der Folgezeit scheint sich das Verhältnis zwischen dänisch und deutsch gewandelt zu haben, denn 1788 stammten von den neu geworbenen Soldaten 4.400 aus Dänemark, während nur 4.000 aus Deutschland; insbesondere die Kavallerieeinheiten waren dänisch majorisiert.

    Die Landmilitär- und Remonteordnung von 1800 machte mit der Werbung von Soldaten im Ausland Schluss und etablierte die Wehrpflicht, ließ allerdings Stellvertreter für Wehrpflichtige zu, so dass in der Folgezeit eine gewisse Professionalisierung des Soldatenberufes in den Mannschafts- und Unteroffiziersrängen stattfand.

    Marine

    Die dänische Kriegsmarine machte seit der Zeit Christian IV. eine Entwicklung zu andauernd stehenden Einheiten durch. Für den Stadtgründer Glückstadts war ja die Gewinnung eines guten Nordseehafens als Basis seiner südelbischen Politik bedeutend. Die Marinegarnison im Rahmen des königlich-dänischen See-Etats entwickelte sich hier ebenfalls, wenngleich nicht mit großen Einheiten. Dazu gehörte ab etwa 1670 eine kleine Abteilung der See-Equipage (Ausrüstung). Glückstadt war als Marine-Garnison recht unbedeutend, denn man befürchtete keine Marineangriffe auf das südwestliche Holstein.

    Glückstadt als Garnison

    Zunächst muss betont werden, dass die historischen Nachrichten über das Zusammenleben von Zivil- und Militärbevölkerung der Stadt durch die Quellenlage verzerrt sind. Aktenmäßig niedergeschlagen haben sich die Problemfälle, nicht die normalen Alltagssituationen.

    Rangabzeichen der Glückstädter See-Equipage. Stadtarchiv Glückstadt, Köhn-Sammlung.

    a) Unterbringung der Soldaten

    Die Einquartierung der Mannschaften und Unteroffiziere erfolgte in den Häusern der Bürger. Allerdings wurden in begrenztem Umfang in den Radialstraßen Soldatenbuden gebaut, die vor allem verheirateten Mannschaftsdienstgraden (ab Gefreiten) und Unteroffizieren Unterkunft boten. Die Offiziere mieteten sich in gehobenen Bürgerhäusern ein.

    b) Uniformierung

    Die Uniformierung (einheitliche Gestaltung der Bekleidung und Montur) der Soldaten einer Großeinheit (Regiment) wird erst im 18. Jahrhundert möglich und dann ein Lieblingskind von Heeresreformern.

    Soldatenbuden in Glückstadt. Hier die Große Danneddelstraße mit den ehemaligen Soldatenbuden. Anfang der 1960er Jahre wurden sie abgebrochen.

    c) Dienst

    Der Dienst der Soldaten war sehr eingeschränkt. Es mussten täglich Wachen bezogen werden und zwar: an den drei Toren, an den beiden Hauptwachen, auf bestimmten Bastionen und bei den Pulvertürmen, auch beim Stockhaus (dem Militärgefängnis). Die Arbeit der Karrensträflinge musste bewacht werden. Die ganze Garnison oder einzelne Einheiten exerzierten wöchentlich auf dem Marktplatz oder auf dem Exerzierplatz vor dem Deichtor. Dort fanden auch die Schießübungen statt – allerdings wegen der Kostspieligkeit von Pulver und Kugeln nur selten in scharfer Form. Dieser Dienst forderte keinen der Soldaten allzusehr, so dass manche in früher erlernten Berufen Gelegenheitsarbeiten ausführten – zum Leidwesen der Handwerker der Stadt.

    Die gesamte Garnison rückte wenigstens einmal im Jahr zu einer mehrwöchigen Manöverperiode aus. Es wurden dann die in den Herzogtümern stehenden Verbände zusammengezogen und im Feld zu Übungen von Angriff und Verteidigung eingesetzt. In dieser Zeit übernahmen Bürger die Bewachung der militärischen Anlagen.

    Kam es in dem ruhigen Ablauf doch einmal zur Notwendigkeit, die gesamte Garnison unter Waffen zu haben, wurde der Generalmarsch geschlagen, d.h. die Tamboure der Einheiten gaben Trommelsignale in allen Straßen, auf welche hin die Sammlung und Aufstellung auf dem Marktplatz erfolgte.

    d) Besoldung

    Die Besoldung der Mannschaften und Unteroffiziere war schlecht. Festangestellte Offiziere erhielten standesgemäßes Salär, mussten aber oft genug auf Privatvermögen ihrer Familien oder auf Kredite bei Bürgern zurückgreifen, um nicht als „arm" angesehen zu werden. Insbesondere die Mannschaften und Unteroffiziere versuchten, ihr Einkommen durch allerlei Tätigkeiten (Dienstleistungen, handwerkliche Arbeiten) aufzubessern, was starke Spannungen mit den interessierten Zivilisten auslöste, die sich beim Rat der Stadt über diese Konkurrenz beschwerten. Schlechtes Einkommen vermehrte aber auch Diebstahlsvergehen.

    e) Religion

    Die meisten geworbenen Soldaten waren evangelisch-lutherischen Bekenntnisses. Es gab jedoch auch Reformierte⁹ und Römisch-Katholische unter ihnen, denn in Deutschland galt ja noch der Grundsatz des Augsburger Religionsfriedens „wessen die Herrschaft, dessen die Bestimmung der Religion seiner Untertanen". Für die Evangelischen wurde an die Stadtkirche die sog. Soldatenkirche (das zweite Schiff) angebaut, auch wenn die Garnison der Schlossgemeinde zugewiesen war. Aber das Schloss wurde ja bereits 1708 abgebrochen und damit die Schlosskapelle. Glückstadt als religiöse Freistatt machte dann auch für die Katholiken den Weg frei zur Bildung einer eigenen Gemeinde, die schließlich in der Namenlosen Straße ihr Gotteshaus erhielt.

    f) Justiz

    Die gesamte Garnison unterlag nicht der Rechtsprechung des Rates oder des im Ort ansässigen Obergerichts, sondern eigener Militärgerichtsbarkeit. Auditoren wurden die Militärrichter genannt und normalerweise hatte jedes Regiment seinen Auditor. Die Strafen waren denen der Zivilgerichte ziemlich ähnlich, doch war der Bereich der Disziplinarstrafen besonders. Ehrenstrafen waren das „Reiten auf dem hölzernen Esel oder Pferd, dessen Rücken scharfkantig gearbeitet war, also das Sitzen zusätzlich peinvoll machte, und das „Stehen vor dem Haus des Vorgesetzten in voller Montur – oft über einen vollen Tag. Auf schwerere Vergehen stand das „Spießrutenlaufen" durch eine Gasse von stockbewehrten Kameraden, die auf den Delinquenten einzuschlagen hatten. Damit es schmerzhaft genau wurde, ging dem armen Sünder ein Unteroffizier mit Sponton voran, der verhinderte, dass die Tortur zu schnell endete. Die Todesstrafe bei schwersten Vergehen wurde zumeist durch Erschießen, aber auch durch Enthauptung oder Hängen vollstreckt, wobei ein Platz vor dem Deichtor als Hinrichtungsstätte diente.¹⁰

    Der Fall des Musketiers Peter Tolsen von 1761 mag die Härte der Militärjustiz illustrieren.¹¹ Tolsen hatte das auf der Straße spielende sechsjährige Kind des Unterkanzleiboten Hahn erschossen, ohne dass er dafür einen Grund angeben konnte. Das militärgerichtliche Urteil lautete, dass der Täter in neun Wochen je einmal am Tötungsort ausgepeitscht und danach von unten herauf gerädert und anschließend bei lebendigem Leibe auf das Rad geflochten werden sollte. Die Hinrichtung erfolgte ohne Milderung am 8. Februar 1762 auf dem Marktplatz.

    g) Desertion

    Ein Hauptdelikt der geworbenen Soldaten bestand in der Desertion, also der Flucht aus dem Militärdienst. Dass viele zu diesem Mittel griffen, hatte etwas mit dem Stumpfsinn und der disziplinarischen Härte des Dienstes, aber auch mit den nicht einwandfreien Werbermethoden zu tun, bei denen Alkohol keine geringe Rolle spielte. Wurden Deserteure gefasst, erhielten sie zur Abschreckung drakonische Strafen, oftmals mehrfaches Spießrutenlaufen. Dennoch wagten viele Geworbene den gefährlichen Rückweg in das Zivilleben – mussten sich dann aber ins Ausland begeben.

    h) Sexualität

    Die meisten einquartierten Soldaten waren unverheiratet (1803 99,6 %) und zwischen 20 und 30 Jahren alt. Bekanntlich ist die Zeit zwischen dem 18. und 35. Lebensjahr die Spanne im Leben von Männern, in der das Bedürfnis nach Geschlechtsverkehr am größten ist. Wie konnten die unverheirateten Männer der Glückstädter Garnison diesem „Drang" nachkommen? Soweit die Quellen das erkennen lassen, gab es in der Stadt weder Bordelle noch eine Szene freier Prostitution – ohnehin war letztere kriminalisiert und wurde strafrechtlich verfolgt. Dem Dilemma durch Heirat zu entgehen, war angesichts der schlechten Besoldung Mannschaftsdienstgraden nahezu unmöglich. Blieb verdeckte Prostitution – etwa von jüngeren Witwen oder unverheirateten Dienstmädchen, auch wenn das Netz sozialer Kontrolle sehr engmaschig war. Im ländlichen Umland konnten Soldaten durchaus bei Mägden landen, denn der Soldat, v.a. der Unteroffizier und Offizier in seiner Uniform machte Eindruck – zumal, wenn er einem einfältigen Mädchen die Ehe versprach.

    Nähere Untersuchungen zum Zusammenhang zwischen Garnison, Umland und unehelichen Geburten fehlen. Ich selbst habe im Kremper und Hohenfelder Kirchenbuchmaterial mehrere Hinweise auf uneheliche Schwängerungen durch Soldaten im 18. und beginnenden 19. Jahrhundert gefunden. Eine systematische Durchsicht sowohl der Glückstädter wie der Umlandkirchenbücher würde sicher quantifizierbares Material zu diesem Komplex zu Tage fördern. Einen Fall von 1749 berichtet Otto Ulbricht in seinem grundlegenden Werk „Kindsmord und Aufklärung in Deutschland"¹² aus dem Marschgut Groß-Kollmar. Gesche Stötenpahl, 25 Jahre alt, Dienstmagd und unverheiratet, brachte am 14. März des Jahres heimlich ein Kind zur Welt, das sie tötete. Das Delikt wurde aufgedeckt und in der Kriminaluntersuchung sagte sie aus: „Den Vater ihres Kindes, den Tambour Bruhns … (habe sie) bei ihrer vorletzten Dienstherrschaft, der Gärtnerin Horops, kennengelernt. Er diente beim Bornholmischen Regiment, das in Glückstadt stationiert war." Bruhns hatte Stötenpahl – ihrer Aussage nach – die Ehe versprochen, worauf es einmal zum Geschlechtsverkehr gekommen war, war jedoch im Herbst 1748 bereits desertiert und verschwunden. Nachdem Gesche Stötenpahl den Kindsmord vor drohemder Folter zugegeben hatte, wurde sie zum Tode verurteilt – wir wissen aber nicht, ob das Urteil in Zuchthausstrafe umgewandelt wurde.

    Fälle wie dieser, aber ohne die furchtbare Konsequenz von Kindsmord und Todesurteil, müssen in Glückstadt und Umgebung keine Seltenheit gewesen sein und führten zu dem um 1790/1800 entstandenen Spottvers über die vier südwestholsteinischen Städte:

    „Itzehoe is dat hoge Fest,

    Krempe is dat Roddennest,

    Wilster isde Waterpool

    Glückstadt is de Horenschool."¹³

    Einquartierung 1803

    Die Festungsstadt Glückstadt beherbergte im Februar 1803 5.210 Menschen. Sie lebten in 698 Häusern und bildeten 948 Wohnparteien. Es wurden auch 29 Keller und 5 Säle, daneben eine Reihe von Buden bewohnt. Die Stadt selbst war verwaltungsmäßig in vier Quartiere (Stadtviertel) eingeteilt. Von der Bevölkerung waren 54,4 männlichen und 45,6 weiblichen Geschlechts.¹⁴ In der Stadt hielten sich 778 Militärpersonen auf, von denen das Gros der Gemeinen zwischen 20 und 30 Jahren alt war (Durchschnitt unter Berücksichtigung der älteren Offiziere und Unteroffiziere 33,46 Jahre).

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