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Einfach normal
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eBook282 Seiten3 Stunden

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Über dieses E-Book

Einfach normal, so beschreibt Laura mittlerweile ihren Traummann nach drei gescheiterten Beziehungen zu ganz besonders reizenden Exemplaren der Spezies Mann. Aber kann es so schwer sein, einen normalen Mann mit klassischen Werten in der heutigen Zeit einer immer narzistischeren Gesellschaft zu finden? Laura will die Hoffnung daran einfach nicht aufgeben und ist fest entschlossen, ihren Mann fürs Leben im neuen Jahr zu finden. Sie springt dafür über ihren eigenen Schatten und erlebt bei Blind Dates, bei einer Hochzeit der etwas anderen Art und beim Online-Dating die eine oder andere Überraschung. Bei ihrer Suche erkennt Laura, dass es im Leben immer anders kommt als man denkt und man sein Glück nur findet, wenn man endlich beginnt, seinen eigenen Weg zu gehen.
SpracheDeutsch
HerausgeberTWENTYSIX
Erscheinungsdatum24. Feb. 2017
ISBN9783740773779
Einfach normal
Autor

Sarah Berends

Sarah Berends, geboren 1981, wuchs im Rheinland auf. Nach ihrem Studium der Betriebswirtschaftslehre arbeitete sie viele Jahre erfolgreich in der Finanzbranche. Seit einigen Jahren lebt die junge Autorin in Wien und widmet sich ihrer großen Leidenschaft dem Lesen und Schreiben. "Einfach normal" ist ihr Debütroman.

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    Buchvorschau

    Einfach normal - Sarah Berends

    Neuanfang

    Kapitel 1

    Alle Jahre wieder

    Laura biegt langsam in die Einfahrt ein und stellt den Motor ab. Endlich zuhause. Das Haus ihrer Eltern erstrahlt wie jedes Jahr im vollen Glanze. Der Vorgarten sieht durch die vielen Lichter in den großen Sträuchern und die liebevoll mit roten Bändern verzierten Blumenkästen an den Fenstern schon von Weitem einladend aus. Die grüne Haustür ist mit dem großen Kranz aus grünen Tannenzweigen, roten Bändern und vielen kleinen Lichterketten festlich geschmückt. Laura öffnet die Autotür und ein kalter Wind weht ihr entgegen. Schnell zieht sie die Seiten ihrer Winterjacke enger zusammen und setzt die fellbesetzte Kapuze auf. Vielleicht gibt es ja doch noch Hoffnung auf weiße Weihnachten, geht es Laura durch den Kopf. Vollbepackt mit ihrem kleinen Koffer und mehreren Taschen mit Geschenken geht Laura zum Haus. An dem unteren, kleinen Sprossenfenster neben der Eingangstür drückt sich bereits Emma, der Hund ihrer Eltern, die Schnauze platt und wartet geduldig auf ihr Eintreten. Laura schließt die Haustür auf.

    »Ja, hallo, Emma. Hast du mich etwa schon gehört?« Laura setzt die Taschen ab und begrüßt den Hund, der mit dem vertrauten Schnurren seinen süßen Kopf zwischen ihre Beine drückt und vor Freude eifrig mit dem Schwanz wedelt.

    »Wo sind denn Mama und Papa?«, fragt Laura leise den Hund und steuert gemeinsam mit Emma das Wohnzimmer an.

    »Ist er nicht ein bisschen zu groß? Wir hätten vielleicht doch den anderen nehmen sollen«, hört Laura die Stimme ihres Vaters bereits im Flur aus dem Wohnzimmer.

    »Ach, Quatsch, Michael. Der Baum ist genau richtig.« Für Lauras Mutter kann der Weihnachtsbaum nie groß genug sein. »Wir haben doch Platz.« Zufrieden betrachtet sie das diesjährige Exemplar. Eine stattliche Nordmanntanne.

    »Die Spitze ist doch auch noch dran, dann kann er ja gar nicht zu groß sein«, hakt Laura beim Betreten des Wohnzimmers ein und stupst ihren Vater von der Seite mit einem Lächeln an. Er schmunzelt.

    »Da hast du natürlich recht.« Er umarmt Laura zur Begrüßung und drückt ihr einen Kuss auf die Wange.

    »Du bist ja schon da! Ich habe dich gar nicht reinkommen hören.« Sophia kommt freudestrahlend auf ihre Tochter zu und drückt sie fest an sich. »Schön, dass du da bist«, flüstert sie Laura ins Ohr. »Was meinst du? Haben wir dieses Jahr nicht einen schönen Baum?«

    Die Auswahl des Weihnachtsbaums war bereits in Lauras Kindheit jedes Jahr ein kleines Familienereignis. Unter den kritischen Augen von drei Frauen, Sophia und ihren beiden Töchtern Anna und Laura, wurden die unterschiedlichen Bäume geduldig nach Größe, Wuchs und Dichte in Augenschein genommen. Kommentare wie »Der ist aber mickrig« oder »An dem ist ja nichts dran. Da bekommen wir die ganzen Kugeln ja gar nicht alle unter« waren für den Verkäufer das Zeichen, den drei Frauen einen weiteren Baum zu zeigen. Geduldig wurde nach dem perfekten Baum gesucht. Je größer, desto besser.

    »Der passt. Ich habe ein gutes Augenmaß«, schloss Lauras Mutter die Suche häufig ab, nachdem der Baum nach mehrmaligem Drehen von allen drei Sander-Frauen als gut befunden wurde. Zufrieden wurde der Auserwählte dann mit meist offenem Kofferraum nach Hause gebracht und bis Weihnachten auf die Terrasse verfrachtet. Am 23. Dezember, dem Tag, an dem in der Familie Sander traditionell der Baum aufgestellt und geschmückt wird, war dann die Stunde der Wahrheit. Beim Auspacken auf der Terrasse kamen dann schon einmal die ersten Zweifel auf.

    »Oh, der ist doch ganz schön groß. Hatte ich irgendwie kleiner in Erinnerung«, rief Lauras Mutter dann häufig wirklich überrascht aus. »Aber das wird schon passen.« Mit vereinten Kräften wurde dann der Baum ins Wohnzimmer getragen und gleich neben dem Kamin und dem großen Bücherregal aufgestellt. Die Spur an der Decke, die die Baumspitze des Monstrums häufig hinterließ, führte jedes Jahr immer wieder zu Verwunderung.

    »Oh, Mama, sieh mal.« Anna und Laura begutachteten die Spur mit großen Augen und mit zunehmendem Alter mit belustigter Gelassenheit an der Decke. »Papa wird sich freuen.«

    »Ach, nicht so schlimm. Da pinseln wir gleich einfach kurz drüber«, hatte Lauras Mutter ihre Töchter immer beruhigt. »Es gibt noch Decken, da leben wir gar nicht mehr.« Lauras Mutter zeichnete sich wie auch ihre Mutter, Lauras Oma, schon immer durch einen gesunden rheinischen Pragmatismus aus. Kurzerhand wurde die Spur an der Decke mit Farbe überstrichen, der Stamm noch etwas abgesägt oder die Spitze einfach abgeschnitten und die Überreste mit einem Stern und Engelshaar gekonnt bedeckt, bevor Lauras Vater von der Arbeit nach Hause kam und den Baum bewunderte. Aber dieses Jahr schienen ihre Eltern, die nach dem Auszug ihrer beiden Töchter vor ein paar Jahren die ehrenvolle Aufgabe alleine haben, einen schönen Baum mit der richtigen Größe zu finden, ganze Arbeit geleistet zu haben. Laura betrachtet den Weihnachtsbaum von allen Seiten und nickt dann ihren Eltern mit einem Lächeln anerkennend zu.

    »Ein wahres Prachtexemplar. Den Baum habt ihr wirklich sehr gut ausgesucht.« Der Baum war wirklich schön. Gerade gewachsen, dicht, mit weichen und glänzend tiefgrünen Nadeln. Die roten Christbaumkugeln, die silbernen Anhänger, die roten Schleifen, die liebevoll auf einzelnen Ästen dekoriert wurden, lassen den Baum weihnachtlich erstrahlen. Durch die unzähligen kleinen Lichter funkelt der Baum von allen Seiten. Laura wird bei dem Anblick warm ums Herz. Sie hat schon als Kind Weihnachten geliebt. Der Duft von Tannennadeln, Orangen, Zimt und Nüssen in allen Räumen. Die kleinen Engelchen überall im Haus – auf dem Couchtisch, auf dem Kaminsims und auf dem Sideboard im Esszimmer. Für Laura ist Weihnachten das schönste Fest des Jahres. Schon als Kind hat sie gemeinsam mit ihrer Schwester das Weihnachtsfest die ganze Adventszeit mit Spannung erwartet. Einmal das Christkind mit eigenen Augen sehen. Mit leuchtenden Augen sind die beiden Schwestern nach der Kindermesse, die Lauras Mutter regelmäßig früher verließ, um das Christkind über die Terrassentür ins Haus zu lassen, mit Lauras Vater in freudiger Erwartung nach Hause gestürmt. Aber immer verpassten sie diese engelsgleiche Lichtgestalt, wie Laura sich das Christkind immer ausmalte, um wenige Minuten. Lediglich ein paar weiße Federn im Wohnzimmer oder ein paar Fußspuren im Schnee waren Beweise für den Besuch des Christkinds. Später, als die Illusion und der Zauber mit den Jahren leider verflogen, begeisterten Anna und Laura ihre Eltern jedes Jahr mit einem kleinen Programm vor der Bescherung. Gekonnt wurden die musikalischen Fortschritte auf der Blockflöte im Solo oder Duett, auf der Querflöte und Geige präsentiert. Sophia und Michael ertrugen stolz auch die schiefsten Töne mit einem Lächeln und tosendem Applaus am Ende einer Darbietung. Aufgelockert wurde das musikalische Programm durch den Vortrag von diversen Weihnachtsgedichten und -geschichten. Höhepunkt natürlich das Krippenspiel, bei dem Anna und Laura in ihrer Zwei-Mann-Besetzung kostümiert mit Bettlaken und wechselnden Tonlagen ihr Bestes gaben. Vor allem Anna verstand es, mit der nötigen Ehrfurcht und Ernst Herodes, Josef und einen der Heiligen Drei Könige gleichzeitig überzeugend zu spielen, während Laura versuchte den Gegenpart mit Maria mit dem Jesuskind auf dem Arm, die übrigen Heiligen Drei Könige und die Hirten zu übernehmen. Auch ihre Großeltern, die regelmäßig Heiligabend bei den Sanders verbrachten, schauten stolz und begeistert ihren Enkelkindern bei ihren Showeinlagen zu. Nach dem Essen kam für Laura dann immer die schönste Zeit, in der sich die ganze Familie bis Mitternacht oder länger den Geschenken widmete. Stundenlang wurde mit den ersten Puppen und den dazugehörigen Kinderwagen, dem Kaufladen oder mit dem Aufbau der neuen Errungenschaften von Playmobil oder Lego verbracht. Dabei stellten häufig Lauras Geschenke Lauras Eltern vor Probleme. So suchte beispielsweise in einem Jahr die gesamte Familie bis Mitternacht auf dem Boden im Wohnzimmer auf Knien oder liegend nach vier ominösen Eckstücken, die der Grundstein für die von Laura so heiß ersehnte Lego-Ritterburg mit Verliesen und Geheimgängen waren. Nach Stunden, in denen sie jeden Stein in der Verpackung genauestens inspiziert hatten, gaben sie einvernehmlich und mit einer enttäuschten Laura die Suche auf. Im Spielzeugladen erfuhr Lauras Vater nach den Weihnachtstagen umringt von anderen Vätern enttäuschter Kinder, dass die Produktionsreihe leider fehlerhaft war und die Eckstücke leider in allen Verpackungen nicht enthalten waren. Laura verließ somit mit einer neuen Lego-Waschstraße und mit einem Lächeln auf dem Gesicht den Spielzeugladen. Die Wahl stieß bei Anna, die immer mehr dem Bild eines typischen Mädchens entsprach, sichtlich auf Unverständnis. Aber Laura war so etwas schon immer egal. Und so folgten Jahre weiterer kleiner Pannen, in denen Laura Geduld zeigen musste, als zum Beispiel die speziellen Batterien für ihren ersten Lerncomputer wider Erwarten doch nicht bereits in der Verpackung enthalten waren oder ihre erste Hi-Fi-Kompaktanlage beim ersten Anschalten bereits mit einem Knall gleich wieder verstummte. Mit der Zeit ließ Lauras Pechsträhne in Bezug auf ihre Geschenke jedoch nach. Später, als Laura und Anna älter wurden, verbrachten die Sanders nach dem offiziellen Teil den gemütlichen Teil des Abends, wie sie es immer nannten, im Schlafanzug mit dem Spielen von Gesellschaftsspielen aller Art. Dies änderte sich auch nicht für Laura und Anna, als sich die meisten ihre Freunde an Heiligabend noch in einer Bar oder Club zum Feiern trafen. Laura und Anna zogen es immer vor, zuhause zu bleiben und die Zeit mit ihren Eltern zu verbringen. Und auch jetzt freute sich Laura auf ein paar Tage nur mit der Familie, an denen man die Zeit hat, sich in aller Ruhe alle Neuigkeiten zu berichten, in gemeinsamen Erinnerungen zu schwelgen und bei gutem Essen und dem einen oder anderem Glas Wein gemeinsam zu lachen und die gemeinsame Zeit einfach zu genießen.

    »Dann bekomme ich morgen wohl wieder keinen Kartoffelsalat mit Würstchen«, stellt Lauras Vater mit einem gespielt enttäuschtem Gesicht fest, als er sich zu Laura auf die Couch setzt und ihr ein Glas Wein reicht.

    »Wohl nicht«, entgegnet Laura ihm mit einem Lächeln. »Da musst du wohl warten, bis ich endlich vom Markt bin.«

    Michael lächelt seine Tochter an und prostet ihr zu. Seit Jahren hält Lauras Vater an seinem, wie er findet, sensationellen Vorschlag fest. »Wie wäre es denn mit Kartoffelsalat mit Würstchen? Das gab es bei uns zuhause immer Heiligabend.« Jedes Jahr bringt er dies in die Diskussion um das alljährliche Weihnachtsessen ein, als wenn ihm diese fantastische Idee gerade erst gekommen sei.

    »Wir sind doch nicht auf dem Campingplatz, Papa. Das ist doch kein richtiges Weihnachtsessen«, erwidert Laura dann immer wieder. »Lass uns doch lieber einen Braten machen oder doch lieber Fondue. Das können wir auch gut vorbereiten.« Vor vier Jahren durfte Lauras Vater dann zum ersten Mal hoffen, dass sein alljährlicher Vorschlag in Erfüllung geht. Das erste Weihnachtsfest ohne Kinder sollte für Lauras Eltern bevorstehen. Beide Töchter sollten den Heiligabend mit den Familien ihrer damaligen Freunde verbringen, da beide das Jahr zuvor mit ihren Freunden Heiligabend mit Sophia und Michael gefeiert hatten.

    »Man muss immer beide Seiten gleichbehandeln. Das ist nur fair«, hatte Sophia ihren beiden Töchtern gesagt. Wohl wissend, dass es ihr am Heiligabend nicht leichtfallen würde, alleine mit Michael und ohne ihre beiden Töchter zu sein.

    »Papa und ich werden es uns schon schönmachen. Auch wenn es natürlich komisch sein wird, ganz ohne euch«, hatte sie ihre Töchter und in erster Linie sich selbst besänftigt.

    Die Beziehung zu Eric, Lauras damaligen Freund, war jedoch schon angeschlagen und so ging die Beziehung kurz vor Weihnachten nach langen Streitereien doch in die Brüche und Laura verbrachte Heiligabend kurzerhand wieder bei ihren Eltern. »Ich bin dann wohl die einzige Konstante bei euch zu Weihnachten«, hatte Laura damals trocken ihren Eltern erklärt. Das ist jetzt vier Jahre her und vor ein paar Wochen ist Laura zweiunddreißig geworden.

    »Wann kommen Anna und David?«, fragt Laura ihre Mutter.

    »Sie kommen mit den Kindern am ersten Weihnachtsfeiertag. Ich denke, zum Kaffee werden sie da sein. Morgen feiern sie bei sich mit den Kindern zuhause und am zweiten Weihnachtstag sind sie bei den Schwiegereltern.«

    Lauras Schwester, Anna, ist zwei Jahre älter als Laura und seit vier Jahren glücklich mit David verheiratet. Sie haben sich vor acht Jahren bei der Arbeit kennen und lieben gelernt. Vor zwei Jahren haben sie ihr Familienglück mit der Geburt der Zwillinge Noah und Max vervollständigt. Laura freut sich für ihre Schwester und ihr Familienglück. Als Kind hatte Laura auch gedacht, dass sie in ihrem für sie damals unfassbar hohen Alter selbst schon eine eigene kleine Familie hätte. Aber der richtige Mann fürs Leben lässt bisher noch auf sich warten.

    »Also sind wir morgen wieder zu dritt«, stellt Laura mit einem Lächeln fest.

    »Du wirst den Richtigen auch noch finden.« Sophia, die wohl wieder Laura am Gesicht ablesen konnte, was sie gerade dachte, lächelt ihrer Tochter zuversichtlich zu. Sie drückt ihre Tochter an sich. »Da bin ich mir ganz sicher.«

    »Das hoffe ich doch«, entgegnet Laura trocken und freut sich auf die nächsten Tage mit ihrer Familie.

    Kapitel 2

    Die bisherige Ausbeute

    Als Laura später im Bett liegt, denkt sie über die bisherigen Männer in ihrem Leben nach. Daniel, ihre erste große Liebe. Eric, für den sie einmal fast nicht Heiligabend mit ihren Eltern verbracht hätte, und Lars, ihre letzte Beziehung, die genauso schnell zu Ende ging, wie sie begonnen hatte. Drei Freunde, die unterschiedlicher nicht sein konnten, doch eines gemeinsam hatten. Lauras Vater konnte keinen wirklich leiden. Jetzt kann man natürlich sagen, das ist doch normal für eine Vater-Tochter-Beziehung und Michael sei nur eifersüchtig gewesen. Aber dies trifft keinesfalls zu. Er bemühte sich redlich eine gute Beziehung zu den dreien aufzubauen und äußerte seine Zweifel nur gegenüber Lauras Mutter, die ihn immer wieder besänftigte. »Solange sie mit ihm glücklich ist.« Lauras Mutter versuchte, die guten Seiten der Männer hervorzuheben und sie bestmöglich in die Familie aufzunehmen. Aber leider hatte Lauras Vater bei allen dreien recht behalten.

    »Lieber Kerl. Aber der fährt doch mit angezogener Handbremse«, kommentierte Michael die Beziehung zu Daniel. Nach dreieinhalb Jahren Beziehung trennte sich Daniel auch ohne große Erklärungen von Laura, die bis dahin dachte, dass sie glücklich wären. Die Entfernung von rund dreihundertfünfzig Kilometer, die Laura und Daniel trennte, nachdem Laura ihr Studium nach dem Abitur im Süden Deutschlands aufgenommen hatte, waren nach Daniels Ansicht plötzlich wohl doch unüberwindbar. Obwohl er vorher Laura noch ermutigt hatte, dort ihr Studium aufzunehmen. Eine Woche nach der Trennung trafen Freunde von Laura Daniel bereits mit einer neuen Freundin. »Ihr seid einfach zu jung gewesen«, tröstete Sophia ihre Tochter. »Der muss sich noch die Hörner abstoßen.« Laura stürzte sich danach in ihr Studium und genoss nach einer längeren Trauerphase ihr Studentenleben in vollen Zügen. Der nächste Freund, Eric, war Michaels absoluter Favorit in der Unbeliebtheitsskala. »Ich kann nicht sagen, was mich stört. Aber ich kann ihn auf den Tod nicht leiden.« Mit Eric war die Beziehung von Anfang an anstrengend. Während Laura ein genügsamer Mensch ist und Harmonie liebt, diskutierte Eric zum Leben gern. Dabei brauchte er keinen wichtigen Anlass, er liebte es, zu diskutieren um des Diskutierens willen und machte damit sein Umfeld mürbe. Nach endlosen Diskussionen und Streitereien beendete Laura die Beziehung endlich nach zwei Jahren. Die letzte Beziehung zu Lars dauerte nur ein halbes Jahr. »Das ist doch ein Spinner. Der will nicht erwachsen werden«, äußerte sich Lauras Vater nach langem Schweigen auf der Autofahrt von Lauras Wohnung zum Haus der Sanders, nachdem Laura ihnen Lars kurz vor ihrem dreißigsten Geburtstag bei einem gemeinsamen Abendessen vorstellte. Und damit sollte Lauras Vater genau richtigliegen. Anfangs äußerst charmant, liebevoll und um Laura besorgt, musste Laura nach nur ein paar Monaten feststellen, dass sie wenig gemeinsam hatten. Laura verbrachte ihre Abende gerne mit guten Freunden bei einem guten Essen und einer Flasche Wein. Gerne auch nach einer anstrengenden Woche auf der Couch mit einem guten Buch. Lars war dagegen rastlos und liebte Partys, und das nicht nur immer mal wieder, wie es auch Laura gerne hatte, sondern am besten jeden Abend. Während Laura mit fast dreißig endlich ankommen wollte, dachte Lars noch lange nicht an eine feste Bindung. Die Vorstellung an eine Hochzeit in ein paar Jahren und Kinder war für ihn absolut zu früh. Er sei mit gerade dreißig noch zu jung, um sich darüber Gedanken zu machen, meinte er häufig zu Laura. In den nächsten Jahren will er lieber sein Leben noch in vollen Zügen genießen. Lars holte sich seine Bestätigung für sein Ego dabei insbesondere aus den Bekanntschaften mit dem anderen Geschlecht, und das auch während ihres Beziehungsversuches, wie Laura sich im Nachhinein leider eingestehen musste. Das Ende dieser Beziehung war somit absehbar und unausweichlich.

    »Das sind alles keine Männer zum Heiraten«, merkte Lauras Vater, nachdem die letzte Beziehung zu Lars in die Brüche ging und Laura bei ihren Eltern Trost suchte, an.

    »Super, das weiß ich jetzt auch«, hatte Laura trocken erwidert.

    »Du musst dir einen Soliden suchen«, gab Lauras Vater gerne als Rat.

    »So was wie dich, Papa?«, neckte Laura ihren Vater dann gerne.

    »Genau. Deine Mutter fährt damit schon seit Jahren sehr gut. Ich kann das gerne in die Hand nehmen und dir einen suchen«, bot Michael seiner Tochter bis heute immer wieder gerne an.

    »Schau nach vorne, der Richtige kommt noch. Ich war für meine Generation auch schon spät dran. Ich hatte das Thema Männer eigentlich schon abgehakt, als ich dann plötzlich euren Vater kennengelernt habe. Und jetzt sind wir schon seit sechsunddreißig Jahren glücklich verheiratet«, pflegt ihre Mutter aufmunternd zu sagen. Lauras Eltern waren tatsächlich auch nach so langer Zeit noch glücklich zusammen.

    »Wir sind ein Auslaufmodell«, wie Sophia und Michael gerne ihre Ehe kommentieren. Schon als Kind war Laura der Überzeugung, dass ihre Eltern die perfekte Beziehung führen. Sie gehen liebevoll miteinander um, sind aufmerksam und respektieren die Wünsche des jeweils anderen. Sie überraschen den anderen mit kleinen Aufmerksamkeiten und machen auch mal Dinge nur dem anderen zuliebe. Sie kennen sich so gut, dass sie sich mittlerweile blind verstehen, ohne aber die eigene Persönlichkeit aufzugeben. Sie vertrauen einander wie beste Freunde und sie können einfach wunderschön miteinander lachen. So erinnert sich Laura gerne an die Hochzeit ihrer Schwester. Michael forderte im Laufe des Abends seine Sophia zu ihrem Lied »Griechischer Wein« von Udo Jürgens zum Tanzen auf. Während Lauras Mutter eine begnadete Tänzerin ist, fehlt Lauras Vater auch nach mehreren Tanzkursen immer noch das nötige Rhythmusgefühl. Das hinderte ihn aber nicht mit Lauras Mutter über die Tanzfläche zu schweben und verliebte Blicke mit ihr auszutauschen. Ohne etwas zu sagen, fingen beide plötzlich an herzlich zu lachen und drückten sich noch enger aneinander. Dieser kurze Moment strahlte so eine Wärme und Vertrautheit aus. »Ob ich das auch jemals finden werde?«, hat Laura damals gedacht. Bisher leider nicht. Aber was noch nicht ist, kann ja noch werden.

    »Nicht, dass ich doch noch Papas Angebot annehmen muss. Das könnte ja etwas werden«, denkt Laura und schläft nach kurzer Zeit ein.

    Kapitel 3

    Heiligste Nacht

    Am nächsten Morgen erwacht Laura durch das Bellen von Emma im Garten. Noch etwas benommen, steht sie auf und geht zum Fenster ihres alten Kinderzimmers. »Oh, wie schön«, denkt Laura. Über Nacht hat es geschneit und der Garten ist dick mit Schnee bedeckt. Der Himmel erstrahlt in einem satten Blau und die Sonne verwandelt den Garten in eine wunderschöne Winterlandschaft. Da kommt plötzlich Emma mit ihrem massigen Körper und den großen Tatzen durch den Garten geflitzt. Das Objekt ihrer Begierde ist ein Eichhörnchen. Doch das Eichhörnchen ist schneller. Flink klettert es an einem Baum hoch. Hechelnd und etwas bedröppelt schaut Emma dem Eichhörnchen hinterher. Laura lacht. Unser Berner Sennenhund

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