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Die Mätresse des Sonnenkönigs
Die Mätresse des Sonnenkönigs
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eBook339 Seiten4 Stunden

Die Mätresse des Sonnenkönigs

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Über dieses E-Book

Die junge Louise de la Valliere kommt an den Hof des Sonnenkönigs Ludwigs XIV. Der, obwohl verheiratet, möchte die junge, unschuldige Louise de La Valliere zu seiner Mätresse machen. Die Affäre, die Louise nach einigen Zögern eingeht, entwickelt sich zu einer echten Leidenschaft auf beiden Seiten. Es ist Louises erste Beziehung, und sie ist ein unschuldiges, religiös denkendes Mädchen, das weder mit Koketterie noch mit Eigennutz auf die Beziehung schaut, die gewissenhaft vertuscht wird. Intrigen, Schuldgefühle und höchstes Liebesglück bis zum bitteren Ende der Liebe werden durchlebt. Schlussendlich entsagt Louise dem Hof und geht zu den Karmelitinnen ins Kloster.
SpracheDeutsch
HerausgeberReese Verlag
Erscheinungsdatum11. Nov. 2015
ISBN9783944621869
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    Buchvorschau

    Die Mätresse des Sonnenkönigs - Dora Duncker

    Sonnenkönigs

    I.

    Ein wundervoller Augusttag des Jahres 1661 neigte sich seinem Ende zu. Über den Türmen und den alten Befestigungsmauern des Schlosses La Vallière spann sich der Himmel mit zarten Rosawölkchen. Ein bezaubernder Duft von Frische, ein sanfter Hauch des Friedens lag über dem stillen Schlosspark mit seinen weiten grünen Wiesenflächen, seinen Weihern und leise rinnenden Wassern, seinen dunklen, schattenden Eichenbäumen.

    Hinter einem der Boskette in der Nähe des großen Teiches girrte und schwirrte es von lustigen jungen Stimmen. Wie zwei weiße Tauben flatterten zwei junge Mädchen, dem Kindesalter kaum entwachsen, zwischen dem Grün hervor, ihnen nach ein paar wilde Knaben mit lautem fröhlichem Rufen.

    „Halt doch, Louise - Rosalie - stehen bleiben - wir fangen das Spiel von vorne an - hört ihr denn nicht!"

    Aber die beiden weißen Tauben waren davongeflattert wie der Wind, ohne sich auch nur nach den Knaben umzuschauen. Ärgerlich, dass der lustige Nachmittag auf La Vallière ein so rasches Ende haben sollte, hatten die jungen Leute kurz kehrtgemacht und waren dem Ausgang des Parks zu, auf der Straße nach Reugny, weitergeschritten.

    Heiß und ein wenig außer Atem ließen sich die beiden Mädchen auf einer Bank, nahe dem Schlossaufgang, niedersinken.

    „Warum eiltest du so, Louise? Das Spiel war doch so lustig! Ich spiele Blindekuh für mein Leben gern!", fragte die kleinere der beiden, ein hübsches frisches Geschöpf mit schwarzem Haar und dunklen, lebhaften Augen.

    „Die Mutter erwartet mich, Rosalie", gab die andere mit einem leisen Seufzer zurück, indem sie die wundervollen blonden Locken aus dem zarten ovalen Gesicht strich.

    „Sie hat mit mir zu sprechen. Ernstes, wie sie sagt." Die kleine Rosalie machte betrübte Augen.

    „Du wirst doch nicht schon wieder fortmüssen von La Vallière? Das wäre gar zu traurig! Der Vater freut sich schon so darauf, dir die neuen Pflanzen zu zeigen, die er eigens für dich gezogen hat und die in nächster Woche ihre ersten Blüten ansetzen werden. Was willst du schon wieder in Blois bei den Orléans?"

    Louise antwortete nicht gleich. Sie hatte den reizen den Kopf nachdenklich gesenkt und zog mit dem langen Stiel ihres Sonnenschirmes Figuren in den Sand.

    Dann nach einer Weile sah sie mit traurigen Augen zu ihrer Jugendgespielin auf.

    „Es ist ein Kurier vom Marquis de Saint Remi gekommen. Vielleicht hat er nichts Gutes für mich gebracht."

    Die Kleine trotzte auf.

    „Ich verstehe deine Mutter nicht, sagte sie ärgerlich, die junge Stirn in drollige Falten ziehend. „Ganz und gar nicht. Sie hat dich doch so lieb, weshalb denn richtet sie sich in allen Dingen, die dich betreffen, nach deinem Stiefvater?

    Louise lächelte ergeben.

    „Sie haben mich beide lieb, Rosalie. Der Marquis ist wie ein wirklicher Vater für mich. Er kann für Catherine nicht besser sorgen, als er es für mich tut."

    Die Kleine zog das Näschen kraus und zuckte skeptisch mit den runden Schultern.

    „Du kommst doch heute Abend noch mal zu uns herunter, Louise? Die Eltern würden sonst sehr traurig sein."

    Louise nickte. Dann sprangen sie beide auf, die kleine lustige Gärtnerstochter und die immer ernster gewordene Louise von La Vallière. Und während Rosalie munter über die weiten Rasenflächen in das hübsche alte Gärtnerhaus zwischen den Pappeln zurücksprang, stieg Louise langsam und nachdenklich hügelauf, dem alten Schlosse zu, über dessen Mauern die ersten Abendschatten krochen.

    Die Marquise von Saint-Remi erwartete ihre Tochter. Liebevoll strich sie dem jungen Mädchen über das reiche blonde Haar und nötigte sie auf ein Taburett zu ihren Füßen.

    „Mein liebes Kind, sagte sie ein wenig feierlich - wie es letzthin ihre Art war, seit sie die Gattin Saint-Remis geworden „der Marquis und ich sind nach wohlerwogenem Überlegen zu einem Entschluss gekommen, den ich dir gerade hier in der Stille von La Vallière mitteilen möchte, damit du ihn in Ruhe in deinem Herzen bewegen kannst. Du bist stets ein liebevolles, sanftes Kind gewesen, du wirst deinen Eltern keinen Widerstand entgegensetzen, denn du weißt, was sie tun, tun sie zu deinem Besten.

    Louise nickte stumm und hielt das blonde Köpfchen gesenkt. Erst als die Mutter wieder zu sprechen anfing und dabei über sie fort durch das geöffnete Fenster in die dämmernde Landschaft hinausblickte, hob sie die ausdrucksvollen blauen Augen mit traurigem gespanntem Blick zu ihr auf.

    „Du weißt, mein liebes Kind, weder die La Vallière noch die Saint-Remi gehören zu den reichen Leuten. So schön dein geliebtes La Vallière ist, so ist es, was seine Erträge betrifft, während der letzten Jahre immer wertloser geworden. Dein Vater war ein trefflicher Offizier, Ehre seinem Andenken, aber mit Glücksgütern war er nicht gesegnet, und Saint-Remis Einkünfte als Haushofmeister Gastons von Orléans reichen nicht aus, zwei erwachsene Töchter, wie du und Cathérine jetzt seid, standesgemäß zu erhalten und einen jungen Offizier, wie deinen Bruder François, angemessen zu unterstützen."

    „Ich weiß wohl, liebe Mutter! Ihr habt mancherlei Sorgen mit uns Kindern."

    Die Marquise nickte und fuhr noch um einen Grad feierlicher als zuvor in ihrer Rede fort.

    „Meine liebe Louise Françoise, du bist die Erste, ja die Einzige vielleicht, die diese unsere Sorgen lindem kann! Der Marquis hat gefunden, wonach er schon lange gesucht, eine zuverlässige und vertrauensvolle Persönlichkeit, die deine Zukunft und damit einen Teil der unseren in die Hand zu nehmen versprochen hat. Frau von Choisy hat dir im Verein mit der mächtigen Montpensier eine Stellung als Ehrendame am Hofe Madames ausgewirkt!"

    Louise sprang auf. Ihre Augen feuchteten sich. Ein schmerzliches Lächeln zog sich um ihren schön gewölbten Mund.

    „Ich soll fort, an den Hof? Fort von euch allen? Allein?" Ein Schluchzen brach aus ihrer jungen Brust. Die Marquise zog ihre Tochter fest in ihre Arme.

    „Es ist kein Grund zum Weinen, mein geliebtes Kind. Ein herrliches Leben erwartet dich am Hofe Madames m der Nähe des Königs und der jungen Königin! Eine glänzende Zukunft eröffnet sich dir. Gibt es Beneidenswerteres? Große Männer, berühmte Frauen wirst du kennen lernen, an der Quelle alles Hohen und Schönen wirst du sitzen! Die Pracht von Versailles, Saint Germain und Fontainebleau wird sich dir erschließen! Du, die du so gern in Bücher dich versenkst, wirst sie lebendig werden sehen, all deine Träume vom Leben ..."

    Aber Louise schüttelte traurig und verzagt den Kopf. „Ich gehöre nicht an den Hof, liebe Mutter - glauben Sie mir das."

    Die Marquise lächelte überlegen, indem sie ihre liebliche Tochter in der ersten Anmut ihrer knospenden Jugend betrachtete.

    „Besser, als du glaubst, kleine Torin."

    Und weiter sprach sie von allen Wundern, die das Kind erwarteten, das aus den engen Grenzen eines provinziellen, oft beinahe ärmlichen Lebens noch niemals herausgekommen war.

    „Und dann, fuhr die Marquise fort, „wenn es dir gelungen ist, dir Madames Gunst zu gewinnen, wenn im Laufe der Zeiten vielleicht ein gütiger Blick aus den Augen unseres herrlichen Königs auf dich fällt, vermagst du viel für die Deinen zu tun. Nicht nur, dass wir dich selbst wohl geborgen, nahe den Stufen des Thrones wissen, nein, auch deinem Bruder kannst du durch deine Fürsprache zu einer raschen, glänzenden Karriere verhelfen, deinem Stiefvater zu einer Stellung am Hofe, einträglicher und befriedigender als die bei Gaston von Orléans, vergraben in der Provinz, wie es ist. - Hörst du, was ich sage, Louise Françoise?

    Das Mädchen nickte stumm. Ihr Ohr hatte die Worte der Mutter wohl vernommen, aber ihr Herz verschloss sich ihnen. Das lag in ihren Augen, die sehnsüchtig durch das offene Fenster in das Land ihrer Jugend flogen. Auf den kleinen Fluss, der so friedlich zwischen den hohen Pappeln dahinflog. Auf die Mühle, die seine Wellen trieben. Auf den spitzen Glockenturm von Reugny, auf die Weingärten, die nun bald in der Pracht ihrer edlen Früchte stehen würden, auf die dunklen Eichenwälder, die die sanfte lichte Landschaft wie in einen ernsten Rahmen fassten.

    Zu all den frohen Spielen ihrer Jugend flog es zurück, dies bang schlagende Herz, deren Zeuge das geliebte La Vallière gewesen, zu den heiteren Gefährten, die diese Jugend bis zum heutigen Tage mit ihr geteilt, da sie mit der Mutter als Gast auf ein paar frohe Sommerwochen in der Heimat eingekehrt war.

    Das alles sollte vorüber sein - vorüber für immer!?

    Die Marquise war zu ihrer Tochter ans Fenster getreten und hatte den Arm um die zarten Schultern des gertenschlanken Geschöpfes geschlungen. Sie schien Louises Gedanken, so weit ab sie auch von den ihren gingen, erraten zu haben.

    „Du sollst nicht ganz allein in die Fremde ziehen, mein liebes Kind. Ein Stückchen Jugendfreundschaft soll dich begleiten. Ich werde gleich morgen mit Gilbert sprechen, dass er dir Rosalie als Kammermädchen mitgibt."

    Ein schwacher Strahl der Freude erhellte des Mädchens blasses Gesicht.

    „Auch sollt ihr die Reise nach Paris nicht allein machen. Der Marquis wünscht zwar aus diplomatischen Gründen nicht, dass wir dich begleiten - aber ein Kurier ist schon zu deiner alten Freundin Frau von Fleuvigny unterwegs. Ihr Gatte ist in geheimer Mission beim König. Es war die Rede davon, dass Frau von Fleuvigny ihm folgen sollte, um ein paar der großen Hoffeste mitzufeiern Sie wird sich sicherlich nicht weigern, dich unter ihren Schutz zu nehmen."

    „Oh, Suzette, sagte Louise, ein weniger ruhiger geworden, „die liebe kluge Suzette. Ihr vertraue ich mich gerne an.

    Frau von Saint-Remi küsste ihre Tochter auf die Stirn und schlug das Kreuz über sie.

    „Und nun geh mit Gott, liebe Tochter. Und wenn du unseren Entschluss überdenkst, so vergiss nicht, dass wir dabei in erster Stelle dein Glück und deine Zukunft im Auge haben. Kann sie am Hofe Louis’ XIV. anders als eine glänzende für dich sein?"

    Wortlos küsste Louise die Hand der Mutter. Dann verließ sie ein wenig schleppenden Ganges das Gemach.

    Einen Augenblick zog es wie Schatten über das Gesicht der Marquise, als sie ihrer Tochter nachsah. Aber die Schatten schwanden schnell. Obwohl Louise ein wenig lahmte, war sie bei den jugendlichen Tanzfesten der Orléans stets die graziöseste und begehrteste Tänzerin gewesen, bei allen Jagden die schneidigste Reiterin. Die Marquise lächelte. Es würde Louise Françoise am Hofe des galanten Königs nicht fehlen.

    Jean Gilbert, der alte Gärtner, der seit mehr als fünfundzwanzig Jahren im Dienst der La Vallière stand, der vor nun siebzehn Jahren die kleine Louise Françoise hatte auf die Welt kommen sehen, der sie mit seiner Rosalie zusammen auf den Knien geschaukelt hatte, stimmte freudig zu, dass seine Tochter das Fräulein begleitete.

    Wenn es denn ausgemachte Sache war, dass das arme, schöne, sanfte Ding von seinen geliebten Blumen fort an den Hof musste, sollte wenigstens die beherzte Rosalie an der Seite des Fräuleins bleiben, solange das Fräulein Louise sie behalten mochte. Rosalie war ein arger Strick und ein kleiner Wildfang, aber sie hatte Herz und Mund auf dem rechten Fleck und wusste genau was sie wollte. Das Fräulein aber war bei all seiner Schönheit und Liebenswürdigkeit viel zu gutherzig, weich und nachgiebig für die große Welt. Dem konnte es nicht schaden, wenn es ein so derbes gesundes Holz wie seine Älteste zum Anlehnen in der Nähe hatte.

    So meinte der alte Jean Gilbert, der das Leben zu kennen glaubte.

    Frau von Fleuvigny hatte ihre Ankunft in La Vallière für die Mitte des Oktobers festgesetzt.

    Es war beschlossen worden, nicht erst nach Blois zurückzukehren, sondern die letzten schönen Herbstwochen in der alten lieben Heimat zu verleben. Louise hatte Muße, sich an den Abschied von La Vallière und den Ihrigen zu gewöhnen. Allgemach fing sie sogar an, der Zukunft zuversichtlicher ins Auge zu blicken.

    Ihre immer rege Fantasie schuf sich die Bilder der Menschen, mit denen sie fortab leben sollte. Sie malte sich Madame und ihren Hof ein wenig in den Farben aus, mit denen die Mutter ihn geschmückt hatte.

    Sie fing an, sich die junge Königin vorzustellen, deren Anmut man ebenso laut pries wie ihren frommen, rechtlichen Sinn. Auch von Anne d’Autriche, von der die Orléans so oft gesprochen, begann Louise sich ein Bild zu machen. Wenn es so war, dass diese Königin nach allen Stürmen, die ihr Leben durchbraust hatten, jetzt nur noch dem Glück ihrer Kinder lebte, so mochte für ihr eigenes kleines schüchternes Herz am Ende kein Grund zum Bangen vor der mächtigen Frau vorhanden sein!

    Am wenigsten gelang es Louise, sich den König in irgendwelchen festen Umrissen vorzustellen. Sie hatte nie ein Bild von ihm gesehen, sie hatte nur gehört, dass er ein auffallend schöner, ritterlicher Mann sein sollte.

    Vergebens grübelte sie darüber nach, wir der allmächtige Herrscher Frankreichs in Wahrheit aussuchen, wie sein Wesen, seine Sprache sein mochte. Hatte sie ein mal ein Bild dafür gefunden, zerfloss es auch also gleich wieder. Am Ende tröstete sie sich. Was ging sie schließlich der König an, der schwerlich jemals etwas von der Anwesenheit der kleinen Provinzialin an seinem glänzenden Hof bemerken würde!

    Heute, an einem wundervoll milden Oktobertag, saß Louise unter den Eichen in der Nähe des großen Teiches, auf den die Herbstsonne glitzernde goldene Scheiben warf. Neben ihr auf der Bank lag ein neuer Roman Frau von Scuderys, aber sie blickte nicht hinein.

    Sie befand sich heute in einer besonders frohen Stimmung, der sie träumerisch nachhing. Briefe aus Blois waren gekommen, von ihrem Stiefvater und Catherine, alle voll von Freude und Dankbarkeit, dass die liebe Tochter und Schwester nun bald ihrer aller Wohl in Händen halten sollte! Louises schöne Augen leuchteten unter den langen dunklen Wimpern hervor. Ihr höchstes Glück war es von je gewesen, Glück bereiten zu dürfen.

    Auf der stillen Straße in ihrem Rücken, die von Reugny herüber führte, wurde plötzlich Pferdegetrappel laut. Dann ein kurzes scharfes Parieren. Der Reiter musste ganz in ihrer Nähe am östlichen Parktor gehalten haben.

    Schon hörte sie rasche Schritte sich ihrem Sitz unter den Eichen nahen. Sie hob das Auge. Im gleichen Augenblick fast gab eine Lücke in dem dichten Boskett den Blick auf einen jungen, schmal und schlank gewachsenen Mann frei, der mit blassem Gesicht und gespannten Mienen auf Louise zuschritt. Das junge Mädchen erhob sich rasch und ging dem Ankommenden entgegen.

    „Bragelonne, rief sie überrascht, „wo kommen Sie so plötzlich her?

    Der junge Mensch, bleicher noch geworden, da er Louise nun ganz nahe gegenüberstand, beugte sich auf die Hand des jungen Mädchens und küsste sie leidenschaftlich. Sanft entzog ihm Louise ihre Hand.

    Der Graf stammelte Unverständliches.

    „Wollen Sie sich nicht setzen? bat Louise. „Sie sind ja ganz außer Atem von dem schnellen Ritt.

    Er schüttelte den Kopf und sah sie aus seinen warmen dunklen Augen traurig an.

    „Ich habe keine Ruhe, sagte er mit leiser Stimme, in der die unterdrückte Leidenschaft zitterte, „bevor ich nicht weiß, dass das, was man mir gesagt, ein Irrtum ist. Sagen Sie, Louise - von Ihren eigenen Lippen muss ich es hören, wenn ich nicht verzweifeln soll - Sie - Sie gehen nicht an den Hof?

    Das junge Mädchen sah den Aufgeregten befremdet an. Dann schüttelte sie sanft den reizenden Kopf.

    „Es ist kein Irrtum, Graf. Ich gehe an den Hof, in wenigen Wochen schon. Ist das etwas so Fürchterliches, dass Sie bei dem bloßen Gedanken schon außer sich geraten?" Sie hatte sich langsam auf die Bank zurücksinken lassen.

    Bragelonne stürzte wie gefällt vor ihr auf die Knie. Mit beschwörenden Blicken sah er zu ihr auf. Mit eiskalten Händen griff er nach den ihren.

    „Sie dürfen nicht, Louise - ich beschwöre Sie! Sie nicht, so rein, so keusch, so unwissend, so vertrauensselig, an diesen Hof, an dem alles eitel Glanz, leerer Schein, Falschheit, Lüge ist! Ich beschwöre Sie, Louise, stehen Sie ab von diesem unglückseligen Plan, der Sie, mich, uns alle ins Verderben stürzen wird!"

    Mit rascher Bewegung machte Louise sich von Bragelonnes verzweifelten Griffen los und schüttelte unwillig den Kopf.

    „Wie dürfen Sie so sprechen, Graf! Wie dürfen Sie den Hof so lästern! Im Übrigen ist es beschlossene Sache und der Wunsch meiner Eltern."

    Bragelonne war aufgestanden und hatte die Lippen fest zusammengebissen.

    „Und Ihr eigener, Fräulein von La Vallière", murmelte er bitter.

    „Vielleicht, sagte sie und hob die zarten Schultern ein weniges. „Vielleicht ist er es geworden, seit ich mich an den Gedanken gewöhnt habe. Ist es nicht besser so, als wenn ich mit Abscheu ginge?

    Er sah von ihr fort und starrte finsteren Blickes auf den Teich hinüber, auf dem noch immer die goldenen Sonnenflecken spielten.

    „So sind Sie für mich verloren, Louise, auf ewig verloren!"

    Ihr Herz zitterte unter seinen verzweifelten Worten, beim Anblick seiner völlig zusammengebrochenen Gestalt. Sanft legte sie die Hand auf seinen Arm.

    „Nicht doch, Graf! Weshalb sollte ich Ihnen verloren sein? Der Weg zu mir steht Ihnen immer frei. Sie können mich besuchen! Die Ehrendamen Madames sind keine Gefangenen. Dann reden wir von der Heimat - und Sie bringen mir wieder Veilchen - wie sonst. Oder haben Sie die Veilchen heute vergessen, Graf?"

    Er lächelte trübe und griff in seine Brusttasche, wo wohlverwahrt in einer Papierhülle ein duftender Veilchenstrauß steckte. Louise nahm ihn aus Bragelonnes immer noch kalter, bebender Hand und versteckte ihr Gesichtchen in der zarten, duftenden Blütenpracht.

    „Dank, lieber Graf - und nicht wahr, Sie vergessen meine Veilchen und Ihre kleine Jugendfreundin Louise nicht?"

    Bragelonne erwiderte den Druck der schlanken, weißen Hand, aber er wandte den Blick. Er wollte Louise nicht sehen lassen, dass Tränen in seinen Augen standen.

    Eine lange Weile schwiegen beide. Dann wandte Bragelonne sich Louise wieder zu. Er schien ruhiger geworden zu sein.

    „Verzeihen Sie den ungestümen Ausbruch meines Schmerzes, Louise! Sie wissen seit lange, dass es für mich nur einen Gedanken auf der Welt gibt, für den ich lebe und sterbe, er heißt: Louise von La Vallière! Ich hoffte, wenn nicht im Sturm, so doch in treuer, ausdauernder Liebe mir Ihr Herz zu gewinnen - Ihre Freundschaft in Liebe verwandelt zu sehen. Heute begrabe ich diese Hoffnung auf ewig. Glänzendere Gestalten als die des armen Bragelonne werden fortab Ihre Wege kreuzen - der Jugendfreund wird auf immer vergessen sein!"

    Er konnte es nun doch nicht hindern, dass sie die Tropfen in seinem Auge sah.

    Auch Louise war tief bewegt durch den Schmerz, den sie dem Freunde zufügen musste. Was hätte sie darum gegeben, ihm diese traurige Stunde ersparen zu können! Aber so gern sie gewollt, sie hatte ihm, ehrlichen Herzens, keinen anderen Trost zu geben als den einen: dass sie ihn nie vergessen, dass sie ihm Freundschaft bewahren würde, was immer das Leben ihr bringen möge!

    Noch einmal küsste er ihre schlanken Finger, lange, heiß. Zugleich mit seinen Küssen brannten seine Tränen auf ihrer Hand. Dann schritt er, ohne sich noch einmal umzuschauen, dem östlichen Parktor wieder zu. Bald verschlangen die dichten Boskette seine schlanke, gebeugte Gestalt.

    Louise Françoise verbarg das blasse Gesicht in den Veilchen, den letzten, die der Jugendfreund ihr nach La Vallière gebracht. Und während sie dem harten Hufschlag des Pferdes auf der Straße nach Reugny nachhörte, fragte sie sich, nicht ohne Bangen: Wann und unter welchen Verhältnissen werde ich Bragelonne Wiedersehen?

    Während Louise Françoise ihre letzten Reisevorbereitungen traf, saßen die Marquise von Saint-Remi und Frau von Fleuvigny in ernstem Gespräch zusammen.

    Der schöne Oktobertag war längst in den Abend gesunken. In dem mächtigen Kamin des niederen, etwas düsteren Gemaches prasselten die Holzscheite und vermischten den Schein ihrer roten Glut mit dem bleichen Licht der Wachskerzen in den verschnörkelten Wandleuchtern.

    Die Marquise hatte der jungen Frau aufmerksam zugehört. Zuweilen war es wie nachdenkliches Bedauern über ihr Gesicht gegangen, immer wieder aber hatte die zuversichtliche Haltung den Sieg davongetragen.

    „Meine liebe Frau von Fleuvigny, meinte sie endlich, „es mögen viele Ihrer Bedenken zutreffend sein. Dennoch können weder der Marquis noch ich daran denken, von unserem Entschluss zurückzutreten. Es ist wahr, dass das Gehalt von sechshundert Francs, das die Ehrendamen Madames beziehen, längst nicht einmal für die geforderten Toiletten ausreicht. In unserem Fall ist Louise auf diesem Punkt durch das kleine Vermächtnis ihrer Patin sichergestellt -

    „Und der Ton am Hofe Madames?, fiel Frau von Fleuvigny lebhaft ein. „Ich kenne ihn leider sehr genau. Madame ist trotz aller Liebenswürdigkeit von unberechenbarer Launenhaftigkeit. Ihre Ehrendamen sind heute ihre Puppen und morgen, wenn es ihr so passt - ihre Dienstboten.

    Die Marquise lächelte überlegen.

    „Sie übertreiben wohl ein wenig, meine liebe Frau von Fleuvigny. Ihre Freundschaft für Louise lässt Sie zu schwarz sehen!"

    Frau von Fleuvigny seufzte.

    „Wollte Gott, es wäre so!"

    Dann brach sie das Gespräch, von dem sie überzeugt war, dass es doch zu nichts führen würde, ab. Es war von den letzten Reisevorbereitungen und den Abschiedsbesuchen die Rede, die in der Nachbarschaft noch gemacht werden mussten. Am Ende kam man auch auf die Bragelonne.

    „Es ist nicht nötig, dort Lebewohl zu sagen, meinte die Marquise. „Die alten Herrschaften sind noch auf Reisen, und der junge Graf hat sich schon selbst empfohlen, wie mir Louise gesagt.

    Die beiden Frauen sahen sich fragend in die Augen. Dann zuckte die Marquise von Saint-Remi die Achseln.

    „Ich habe keine Ahnung, wie die beiden stehen - wenn Sie, Louises vertraute Freundin, es nicht wissen!"

    „Louise ist sehr verschlossen."

    „Wenn Sie mich ehrlich fragen, ich glaube nicht, dass meine Tochter die stürmische Neigung des Grafen erwidert. Ich hätte es nicht ungern gesehen. Die Bragelonne sind vornehme Menschen, und wenn auch nicht gerade reich, so doch leidlich begütert. Am Ende wird sich am Hofe leicht eine bessere Partie für Louise Françoise finden. „Vielleicht auch entdeckt sie erst da ihr Herz für den prächtigen, jungen Menschen. Es wäre nicht das erste Mal, dass eine neue Welt die Augen für die verlassene alte erst erschließt.

    Eine Woche nach diesem Gespräch hielt der große, schon etwas altersschwache Reisewagen an der Haupteinfahrt von La Vallière. Louise barg ihr tränenüberströmtes Gesicht an der Brust der Marquise.

    „Leben Sie wohl, liebe, liebe Mutter, schluchzte sie, „vergessen Sie Ihre arme Louise nicht. Behalten Sie sie lieb. Und Dank, Dank für alles.

    Endlich war schweren Herzens der letzte Abschiedskuss getauscht. Louise nahm ihr schlichtes, graues Reisekleid zusammen und stieg zu Frau von Fleuvigny in den Wagen. Jetzt erst bemerkte sie, dass die ganze Dienerschaft von La Vallière bereitstand, ihr ein letztes Lebewohl zu sagen, allen voran der alte Gärtner Jean Gilbert mit einem mächtigen Korb der schönsten Blumen. Er hatte alle Gewächshäuser geplündert, um dem armen, lieben Fräulein von seinen kostbaren Schätzen mit auf den Weg zu geben.

    Rosalie, die auf dem Bock neben dem Kutscher thronte, hatte auch ihr Sträußchen an der Brust. Lustig lachten ihre schwarzen Augen auf die Abschiedsszene herunter. Der kleine Wildfang begriff es nicht, wie man weinen könne, wenn es hinausging in die schöne, weite Welt.

    Gerade wollte die schwerfällige Kalesche sich in Bewegung setzen, als auf der Straße ein halbwüchsiger Bursche auftauchte, der schon von weitem eifrig mit einem weißen Päckchen winkte. Als er näher kam, bemerkte die Marquise, dass er die graue Livree der Bragelonne trug. Atemlos gelangte er an den Wagenschlag und überreichte dem Fräulein von La Vallière das kleine, weiße Paket. Dann zogen die Pferde an.

    Louise lehnte sich weit aus dem Wagen; sie winkte den Zurückbleibenden mit der Hand sehnsüchtige Grüße zu. Dann, als bei einer scharfen Wegbiegung Schloss La Vallière mit seinen alten Türmen, seinen efeuumsponnenen Mauern, mit seinem Kranz von roten und bronzefarbenen Eichenwäldern verschwand, sank Louise Françoise schluchzend in den Fond des Wagens zurück.

    Ihr Herz zog sich in wildem Weh zusammen. Sie hatte ein Gefühl, als sei mit diesem Abschied von der geliebten Heimat das unschuldige Glück ihrer Jugend gestorben.

    Es war an einem frühen Nachmittag, als die Kalesche mit den beiden Damen und der lustigen Rosalie vor dem Tor eines geachteten Gasthofs in Tours hielt.

    Frau von Fleuvigny, ermüdet und hungrig, wollte ihr Zimmer nicht mehr verlassen und sich zeitig zur Ruhe begeben. Louise aber ließ es keine Ruhe, bevor sie Rosalie das alte Haus nicht gezeigt, in dem sie geboren worden war, und die Kirche von Saint-Saturin, in der sie einen Tag nach ihrer Geburt das heilige Sakrament der Taufe empfangen hatte.

    Das Hotel de la Crouzille in der Rue de Commerce Nr. 1 war nicht schwer zu finden. Louise erkannte es schon von weitem an dem großen Muschelornament an der Front, von dem ihr Vater ihr oft gesprochen hatte. Gaston von Orléans, dessen Gelehrsamkeit und reichen Bücherschätzen Louise mancherlei Kenntnisse verdankte, hatte ihr erzählt, dass die Baumeister der Renaissance gern dergleichen griechische Motive verwandt hätten, vornehmlich das Muschelmotiv, das auch an den meisten Bildwerken der wellenentsteigenden Venus

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