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Seniorenschlägerei: Heitere Geschichten für Alt und Jung
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Seniorenschlägerei: Heitere Geschichten für Alt und Jung
eBook291 Seiten3 Stunden

Seniorenschlägerei: Heitere Geschichten für Alt und Jung

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Über dieses E-Book

Heitere Alltagsgeschichten - aus der Sicht der Verfasserin als mehrfacher, erfolgreicher Buchautorin von Krimis, Kochbüchern und landeskundlichen Publikationen sowie als Juristin, Ehefrau und Mutter - für Alt und Jung, aus der schleswig-holsteinischen Historie, Literaturgeschichte, mit Reiseerlebnissen, Episoden aus dem Gerichtssaal, Vorkommissen in der Küche, mit Kleinkinderanekdoten, Eheerfahrungen und Autobiografischem.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum11. Aug. 2016
ISBN9783961120383
Seniorenschlägerei: Heitere Geschichten für Alt und Jung

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    Buchvorschau

    Seniorenschlägerei - Antje Erdmann-Degenhardt

     Antje Erdmann-Degenhardt

     Seniorenschlägerei

     Heitere Geschichten für Alt und Jung

    ©2016, Antje Erdmann-Degenhardt

    ISBN: 9783961120383

    Die Verfasserin, Juristin im Ruhestand und überwiegend Autorin von zahlreichen, landeskundlichen Büchern, hat jahrelang heitere Alltagsbegebenheiten beobachtet, welche sich in ihrem Umfeld privat und beruflich ereignet haben. Sie verschönern das tägliche Leben und lassen es durch eine positive Sichtweise mit fröhlichem Gleichmut ertragen und bewältigen.

    Ob es um Situationen in der älteren Generation, in ehelichen und nicht ehelichen Beziehungen oder um junge Mütter mit Kleinkindern geht, ob es sich um die Darstellung von männlichen Personen aus der unterschiedlichsten Perspektive handelt, um lustige Ereignisse in Verbindung mit Essen und Trinken, um Reiseerlebnisse oder Anekdoten über einige Schriftsteller des Landes – immer hat Antje Erdmann-Degenhardt versucht, mit einem kleinen Augenplinkern und nicht allzu ernst, den Dingen eine lebensbejahende Einstellung abzugewinnen.

    Wie in ihrem Nordsee-Krimi „Mord zwischen Flut und Ebbe" (Nordstrand, 2012, demnächst auch als E-Book), will die Autorin vor Allem das vielseitige und reizvolle Schleswig-Holstein und seine Bewohner, inner- und außerhalb des Landes, den Einheimischen, Zugereisten und Touristen nahe bringen.

    Als gedrucktes Taschenbuch ISBN 978-3-944854-08-3 erschienen im M.-G.-Schmitz-Verlag/Nordstrand,kontakt@schmitz-verlag.de

    Inhaltsverzeichnis

    Vorwort

    Fröhlich im Alter

    Seniorenschlägerei

    Das Gebiss im Wattenmeer

    Aufgebratenes

    Die Erb-Uhr

    Die Selbstüberschätzung

    Der Pfefferminzbonbon

    Die Welt ist voller Tanten

    Alle Jahre wieder

    Winterkartoffeln

    Aachener Printen

    Großmütter

    Schwerhörig

    Höchst ungelegen

    Ein christliches Haus

    Der reiche Mann

    Die gute Tat

    Der alte Deichgraf

    Ein unverhoffter Fall

    Hommage an einen siebzigjährigen Buchhändler

    Unwiderstehliche Männer

    Die Jugendliebe

    Kurschatten gefällig

    Die Hosen des Herrn von B.

    Der hanseatische Tischherr

    Die Ein-Mann-Küche

    Der Handkuss

    Das Tauschgeschäft

    Der Förster und die Märzbecher

    Ausgelaufen

    Feuchte Weihnachten

    Männer sind auch Menschen

    Nur ein Kind

    Brustbonbons

    Ohne Männer geht es nicht!

    Niederlagen

    Verliebt, verlobt, verheiratet

    Leidvolle Erfahrung

    Wir winden dir den Jungfernkranz

    Hohe See

    Die Traumhochzeit

    Ein Zentrum der Hebammen

    Der fürsorgliche Ehemann

    Die verblühte Blondine

    Die Kuckucksuhr

    Ein gewisses Lächeln

    Das Adventsgesteck

    Heimatflug

    Goethes Sesenheim

    Das Mittagessen

    Dumm gelaufen

    Alibi gesucht

    Höhere Bildung

    Die Witwe in spé

    Wahrheit aus Kindermund

    Unser willensstarke Julia

    Die Hausfassade

    Der Talar des Pastors

    Das Frokodil

    Viele Weihnachtswünsche

    Frische Luft

    Die Balletteinlage

    Junge Bauherren

    Im Kindergarten

    Holsteiner Kuchen

    Stinklangweilig

    Die Radtour

    Nestflüchter

    Hausfrauenschicksal

    Die perfekte Dithmarscherin

    Halbe Socken

    Gardinenpredigt

    Behütet

    Und das vor Weihnachten

    Taschentuch-Parade

    Blauer Dunst

    Kaffeeklatsch

    Die Kunst zu kochen

    Der Schornsteinfeger

    Familiensilber

    Süßer Kreislauf

    Kuchenbacken gegen Frust

    Die schönsten Jahre

    Kleine Oberhemden-Revue

    Weihnachtspost

    Vordrängeln

    Sonderangebote

    Auch eine Frau

    Pflaumenkuchen

    Essen und Trinken landauf und landab

    Frikadellen

    Berliner Pfannkuchen

    Holsteiner Delikatessen für Goethe

    Ein kleines Versehen

    Krabben, frische Krabben…

    Geräucherte Sprotten – ganz frische Ware

    Krabbenomelett

    Eierlikörtorte

    Teepunsch

    Champagnerhähnchen

    Kleine Stollenbäckerei

    Eine einsame Krabbe

    Die Trümmer-Torte

    „Knobi" lässt grüßen

    Der Pastor auf Hooge

    Reiselust

    Ein Engländer in Flensburg

    Wenn einer eine Reise tut

    Schlechte Wege

    Im schaukelnden Wochenwagen

    Sandumflutetes Neumünster

    Fontane in Kiel

    Wanderer, kehre um!

    Fontane auf Föhr

    Oh, sancta Justitia

    Rattenjagd

    Die Hauptverhandlung

    Frühe Mandantschaft

    Der Antrag des Staatsanwaltes

    Das Plädoyer

    Timm Kröger und der Brandstifter

    Gerechtigkeit

    Kunst und Kultur in Schleswig-Holstein

    Nicht gerade ladylike

    Flensburger Deutsch

    Kieler Arbeitsmoral

    Wo liegt Holkenäs?

    Unter dem gestirnten Himmel

    Kleine Schweinerei

    Vernissage einer Künstlerin

    Vorwort

    Das Land Schleswig-Holstein, dieses kleine Land zwischen zwei Meeren, diese schmale Brücke zwischen Mittel- und Nordeuropa, dieser Appendix der Bunderepublik Deutschland, bietet nicht nur ein gerütteltes Maß an feuchten Niederschlägen und viel Wind (…und ist es nicht Wind, so ist es Sturm!) sowie eine gewisse Herbheit, sondern ebenfalls viel Charme und Leichtigkeit des Seins, auch, wenn der Fremde es anfangs nicht vermutet. Wer sich mit Land und Leuten beschäftigt, stellt fest, dass zwischen Deich, Marsch, Geest und dem östlichen Hügelland viele Originale lebten und leben, die teilweise sowohl in die Geschichte, wie auch in die Literatur eingegangen sind oder die man einfach in der Alltagskultur des Landes wiederfindet.

    Die Stadt Mölln wird landesweit als „Eulenspiegelstadt bezeichnet. Die Schalk-Figur des Till Eugenspiegels soll hier mehrere Jahre gelebt haben und im Jahre 1350 an diesem Ort verstorben sein. Doch nicht nur in Mölln, sondern in unserem gesamten kleinen Bundesland finden und fanden sich Menschen, welche mit Witz, Geistesblitzen, Sozialkritik und der Darstellung von menschlichen Unzulänglichkeiten ihren Mitmenschen einen Spiegel vorhielten und so zum „Eulenspiegel wurden. Oder sie waren selbst Opfer der „Eulenspiegeleien". Sich mit diesen aus volkskundlicher Sicht zu beschäftigen, ist seit Jahren mein Anliegen, wobei ich zumeist eine heitere Perspektive bevorzuge.

    Vielleicht meint manche der Leserinnen und mancher der Leser, sich hierin wiederzufinden. Doch ich möchte nicht – schon aus juristischen Gründen – auf den üblichen Zusatz verzichten, dass Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen, soweit sie nicht namentlich genannt sind, ganz zufällig und nicht beabsichtigt sind. Vielleicht haben nur einige Menschen einfach einen Doppelgänger!

    Glücksburg, im März 2014 Die Verfasserin 

    Fröhlich im Alter

    Seniorenschlägerei

    Der altertümliche Gerichtssaal des kleinen Amtsgerichtes ist an diesem Tage gut gefüllt. Zwei Schulklassen haben sich in die schmalen Bänke für die Öffentlichkeit gequetscht und lauschen amüsiert der Strafverhandlung.

    „Also, wiederholt die junge Richterin die Ausführungen des ältlichen, schmächtigen Angeklagten, „Sie haben sich nach dem Krieg hier in unserem Städtchen wiedergefunden, Sie und Ihr Schulfreund und er hat Ihnen in den nächsten Jahren oft bei Ihrem Fischhandwerk geholfen? Aber dann gab es zwischen Ihnen beiden an einem Nachmittag eine Auseinandersetzung? – Hatten Sie Alkohol getrunken?

    „Jawohl! erwiderte der angeklagte Fischer leise mit unverkennbar ostpreußischem Akzent. „Ich hatte uns beiden zuvor in meiner Fischerhütte einen Grog gemacht. „Einen? „Es können auch zwei – oder vielleicht sogar drei gewesen sein.

    „Und wie stark machen Sie den Grog? „Na ja, so, wie man ihn hier macht, nach dem Motto Rum muss, Zucker kann, Wasser braucht nicht! Doch ich hatte schon einen tüchtigen Schuss heiß Wasser zugetan. – Und dann ging er plötzlich mit Fäusten auf mich los! „Wer, der Zeuge? Der Sie angezeigt hat wegen Körperverletzung? Das haben Sie bei der Polizei aber nicht gesagt! „Es war aber so! Nur, ich wollte meinen alten Freund nicht schlecht machen. Aber, wo das jetzt zur Anklage gekommen ist, nun will ich denn man auch die Wahrheit sagen. Ja, und denn hat er mich richtig verdroschen. Grün und blau bin ich am nächsten Tag gewesen. – Und meine Prothese ist auch dabei kaputt gegangen.

    Unerwartet langt der Angeklagte mit seiner einen Hand in den Mund. Offensichtlich will er das gute Stück herausnehmen, um den Schaden zu demonstrieren.

    „Danke! sagt die Richterin. „Behalten Sie Ihr Gebiss drinnen! Ich glaube Ihnen das! – Herr Staatsanwalt, haben Sie noch Fragen an den Angeklagten? Herr Rechtsanwalt Doktor Müller, als Vertreter des Nebenklägers, den wir ja vorerst als Zeugen hören wollen – haben Sie zurzeit Fragen an den Angeklagten? Und Sie, Herr Verteidiger, Fragen an Ihren Mandanten?

    Nachdem der Zeuge und Nebenkläger hereingerufen worden und auf seine Wahrheitspflicht hingewiesen worden ist, wendet sich die Richterin an ihn:

    „Herr Zeuge, der Angeklagte hat uns soeben erzählt, dass Sie mit der Schlägerei angefangen haben und ihn grün und blau geschlagen haben. Außerdem soll dabei seine Zahnprothese beschädigt worden sein. Stimmt das?"

    Der Zeuge, ein sportlicher, alter Mann, der den Angeklagten keines Blickes würdigt, schüttelt bei den Fragen der Richterin immer wieder kräftig mit dem Kopf. „Nein, so war es überhaupt nicht! Ich sitze nichtsahnend bei einem Glas Grog, da schleicht er sich in seiner Fischerhütte von hinten an mich heran und ruft: ´Du hast mich überall im Dorf schlecht gemacht. Das wirst du mir jetzt heimzahlen!` Und dann hat er immerzu mit seinen Fäusten auf mich eingeschlagen. Irgendwann musste ich mich doch dann verteidigen! Es war reine Notwehr! Sonst hätte er mich totgeschlagen!"

    „Ist es richtig, Herr Zeuge, setzt die Richterin ihre Befragung fort, „wenigsten habe ich das den Akten entnommen, dass Sie vor dem Zweiten Weltkrieg Landesmeister im Fünfkampf waren. Stimmt das? „Jawoll! „Stimmt es denn auch, dass Sie immer noch sehr sportlich sind? „Jawoll! „Kann es denn sein, dass Sie dem Angeklagten körperlich überlegen sind? Wenn ich mir den Angeklagten so anschaue, sieht er nicht unbedingt kräftig aus. „Jawoll! Ik dörf doch mal?"

    „Ja, was dürfen Sie, Herr Zeuge?"

    Doch statt einer Antwort, entledigt sich der Zeuge demonstrativ seines Jacketts, zieht zwei hölzerne Bürostühle zu sich heran und vollzieht auf beiden Lehnen einen „Schweizer Handstand, beide Beine gerade und hoch in die Luft hebend und die Hände auf den zwei Stuhllehnen abstützend. Sein wohlbeleibter Prozessbevollmächtigter, mit dickem Bauch, dickem Goldring und einer flotten Haartolle auf dem weißhaarigen Kopf, wird sichtlich blass um die Nase. Ob aus Neid, wegen dieser demonstrativ zur Schau gestellten Sportlichkeit oder weil er den Verfahrensausgang bereits ahnt, vermag die Richterin nicht zu beurteilen. Auch sie ist von dieser körperlichen Hochleistung des Zeugen beeindruckt. Und ehe Doktor Müller seinen Mandanten daran hindern kann, fragt dieser, nachdem er mit Schwung wieder auf die Beine gekommen ist: „Ik dörf doch noch wat? „Ja, was denn noch, Herr Zeuge? Daraufhin stellt sich dieser in Positur, erhebt beide angewinkelten Arme in Boxstellung, ballt die Fäuste und bewegt sie kräftig in Richtung eines imaginären Gegners. Dazu ruft er immer wieder aus: „Un denn hev ik emm, un denn hev ik emm immer nochmal! Bis he to Boden güng!

    Sichtlich zufrieden wendet er sein Gesicht der Richterin zu, so als ob er deren Beifall erwarten würde. Kaum kann sie sich ein Lächeln verkneifen ob dieser kraftvollen, körperlichen Darstellung, als sowohl zuerst der Staatsanwalt und später der Verteidiger des Angeklagten einen Freispruch beantragen. Das Plädoyer des Nebenklägervertreters auf Verurteilung wegen vorsätzlicher schwerer Körperverletzung fällt zuvor nur schwach aus.

    Den beiden Anträgen auf Freispruch ist die Richterin dann nachgekommen – im Namen des Volkes!

    Das Gebiss im Wattenmeer

    „Nichts ist so verbindend in einer Alt-Ehe, erklärte mir als Studentin einmal ein älterer, sehr charmanter Arbeitgeber, bei dem ich in den Semesterferien auf einer Messe jobbte, „als wenn man gemeinsam abends die Gebisse in ein Glas Wasser legt. Ich konnte das damals, gerade zwanzigjährig, noch nicht unbedingt nachvollziehen. Mittlerweile hat sich in der Zahnheilkunde eine Menge getan und ich hoffe, dass ich in ferner Zukunft um diesen Akt der ehelichen Verbundenheit herumkomme!

    Vor einigen Jahren traf ich auf einer der Nordseeinseln eine ältere Dame, die ich noch aus meiner Schulzeit kannte, da wir damals jahrelang im Urlaub zeitgleich an der Nordsee waren. Sie und ihr Mann machten hier immer noch Ferien, nun mit den Enkelkindern. Ihren Ehemann, einen gut bestallten Rechtsanwalt, konnte ich nicht sogleich begrüßen, da er noch in den Wellen schwamm. Als er dem kühlen Nass entstiegen war, lief seine Frau rasch auf ihn zu, wandte mir den Rücken zu und flüsterte etwas, begleitet von nicht auszumachenden Handbewegungen, was ich wohl unbedingt nicht mitbekommen sollte. Dann kehrte sie, verlegen lächelnd, zu mir zurück.

    „Wissen Sie, erzählte sie nun, „eigentlich soll das ja niemand erfahren, aber mein Mann nimmt vor dem Schwimmen jetzt immer seine Prothese aus dem Mund. Im vorigen Sommer, am Ende der Ferien, wurde sie ihm nämlich hier beim Baden heraus gespült. Das war ja nun zu ärgerlich, denn er sollte an den nächsten Tagen wichtige Gerichtstermine wahrnehmen. Das wäre ja nun gar nicht gegangen und der Zahnarzt hätte einige Zeit gebraucht, bis das neue Gebiss fertig gewesen wäre. Stellen Sie sich doch die Honorareinbuße vor! Doch wir hatten Glück! Bei der nächsten Ebbe fanden wir die Prothese am Abend zwischen Tang und Muscheln im Watt.

    Aufgebratenes

    Die Vorweihnachtszeit ist besonders geeignet, um zu Senioren zu fahren und diesen eine Visite abzustatten.

    Ein Pastor auf dem Lande zwischen Itzehoe und Hohenwestedt fuhr an einem frühen Adventsabend zu einem einsamen Gehöft, um dort die Altbäuerin zu besuchen, die es kräftemäßig nicht mehr schaffte, mit ihrem Fahrrad am Sonntag zu ihm zum Gottesdienst zu kommen. Und ihr Sohn oder die Schwiegertochter hatten, bedingt durch die viele Arbeit auf dem Hof, nur selten Zeit, sie mit dem PKW dorthin zu fahren. Die Sonne ging gerade blutrot unter und die Kälte kroch spürbar aus der gefrorenen Erde. Der Seesorger parkte sein Kraftfahrzeug neben der Scheune und näherte sich dem altertümlichen Wohnhaus. Aus dem geöffneten Küchenfenster quoll der appetitliche Duft nach „Aufgebratenem heraus. „Aufgebratenes, das ist in dieser Region alles, was vom Mittag übrig geblieben ist: in Scheiben geschnittene Buchweizenklöße, Pellkartoffeln, Zwiebeln, Speck und im Winter auch Grünkohl. Alles wird zusammen in einer eisernen Pfanne recht scharf angebraten.

    In dem Theologen stiegen all seine leckeren Kindheitserinnerungen hoch, denn auch er stammte aus dieser Gegend von einem kleinen Bauernhof. „Aufgebratenes"! Wie lange hatte er das nicht mehr gegessen! Wohl Jahrzehnte nicht, da seine Ehefrau aus Schwaben stammte und ihre kulinarischen Spezialitäten Knöpfle und Spätzle waren.

    Nun kam der Bauer aus dem Schweinestall, zog vor der Eingangstür seine lehmigen Gummistiefel aus und sagte: „Na, Pastor, das ist ja schön, dass du mal wieder kommst, um meine Mutter zu besuchen! Willst du mit uns Abendbrot essen?" Der Theologe nahm die Einladung freudig an und

    folgte dem Hausherrn in die Küche. Hier saßen auf den zwei Bänken mittlerweile schon alle zusammen: die Bäuerin, ihre drei Kinder und die alte Großmutter. Mitten auf dem gescheuerten Esstisch stand auf einem Untersatz die

    dampfende Pfanne. Jeder bediente sich tüchtig daraus. Oh, wie schmeckte es dem Pastor! Und er langte ebenfalls kräftig zu.

    Plötzlich verspürte er ein kleines, hartes Stück Speckschwarte zwischen zwei Backenzähnen, das er mit der Zunge nicht herausbekam. Hilfesuchend schaute er sich um. Gab es hier irgendwo Papierservietten? Natürlich nicht! Ehe er in seiner Hosentasche nach seinem Taschentuch greifen konnte, mümmelte die zahnlose Großmutter mit vollem Mund:

    „Na, Pastor, hast d u jetzt das Stück Schwarte bekommen? Leg` es man wieder zurück in die Pfanne. Das habe ich vorhin auch so gemacht!"

    Die Erb-Uhr

    Auf einem sehr alten, verschnörkelten, silbernen, kleinen Messer mit stählerner, rostiger Klinge und auf einer passenden silbernen Gabel mit verrosteten Zinken, die sich in unserem Eigentum befinden, stehen jeweils die Initialen „A.D." Dieses einzelne Besteck stammt offensichtlich noch aus dem achtzehnten Jahrhundert. Ich werde die Stahlteile, so unansehnlich sie auch sind, nicht durch zeitgemäße Stücke aus Cromargan ersetzen, auch wenn ich sie nun nicht mehr mit zum Essen aufdecken kann, weil Klinge und Zinken einfach zu unschön aussehen und diese beiden Vorlegeteile

    nur noch von musealem Wert sind. Vielleicht hat man sie früher zum Abschneiden von Käsescheiben benutzt. Ich weiß es nicht. Denn zum Essen sind sie zu klein.

    Die eingravierten Initialen müssen die der angeheirateten Urgroßtante Albertine Dehn sein. Sie stammte von einem stattlichen Marschhof an der Westküste. Meine Cousine Nicole ist ihre Urgroßenkelin. Nicole ist mit einem jungen, dynamischen Juristen an einem nahen Obergericht verheiratet. Und auch er, mit dem passenden Vornamen Justus, ist von bäuerlichem Geblüt.

    Der eine Großonkel von Justus heißt Julius. Er ist ein eingefleischter Junggeselle, der auf einem ererbten Hof sitzt. Der Besitz ist nicht groß, doch ernährt er seinen Eigentümer und dessen Haushälterin. Zum Mobiliar gehört aus dem Familiennachlass eine eichene, kleine Truhe und eine dazu passende Wanduhr aus dem 18. Jahrhundert. Hierbei handelt es sich nicht um irgendeine Wanduhr, sondern um eine, welche die Sonnen- und Mondfinsternisse anzeigt und zahlreiche Melodien aus vergangener Zeit spielen kann. Justus kommt jedes Mal ins Schwärmen, wenn er von dieser Uhr spricht. Und er weiß es genau: Eines Tages wird er sie erben. Vielleicht wird der Onkel, der auch noch sein Patenonkel ist, sie ihm sogar noch zu Lebzeiten schenken. Versprochen hat dieser es zwar nicht. Doch an wen soll die Uhr schließlich gehen, wenn nicht an Justus?

    „Justus, habe ich schon mehrmals warnend gerufen, „Justus, kaufe deinem Großonkel die Uhr ab, jetzt, in den nächsten Tagen. Wer weiß, was noch geschieht! Alte Leute sind unberechenbar!

    Doch Justus hat jedes Mal abgewinkt Spätestens bei Erbonkels Tod wird er Eigentümer dieser seltenen Uhr

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