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Dorian Hunter 55 – Die Hexe am Lech
Dorian Hunter 55 – Die Hexe am Lech
Dorian Hunter 55 – Die Hexe am Lech
eBook327 Seiten4 Stunden

Dorian Hunter 55 – Die Hexe am Lech

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Über dieses E-Book

Auf Madagaskar will Jeff Parker, reicher Filmfinanzier und einer der engsten Freunde des Dämonenkillers Dorian Hunter, einen Dokumentarfilm über die Rituale eines religiösen Kults drehen. Seine Kontaktperson: Wu Gunma, eine schöne Hellseherin. Bald schon pflegt Jeff engeren Kontakt zu ihr, als gut für ihn zu sein scheint – denn als Dorian Hunter und Coco Zamis wenig später auf Madagaskar eintreffen, ist ihr Freund spurlos verschwunden …

Der 55. Band der legendären Serie um den "Dämonenkiller" Dorian Hunter. - "Okkultismus, Historie und B-Movie-Charme - ›Dorian Hunter‹ und sein Spin-Off ›Das Haus Zamis‹ vermischen all das so schamlos ambitioniert wie kein anderer Vertreter deutschsprachiger pulp fiction." Kai Meyer

enthält die Romane:
226: "Der Dämon von Madagaskar"
227: "Die Hexe am Lech"
228: "Das Kastell der Qualen"
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum1. Sept. 2014
ISBN9783955720551
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    Buchvorschau

    Dorian Hunter 55 – Die Hexe am Lech - Peter Morlar

    Die Hexe am Lech

    Band 55

    Die Hexe am Lech

    von Geoffrey Marks und David Steinhart

    © Zaubermond Verlag 2014

    © Dorian Hunter – Dämonenkiller

    by Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

    Titelbild: Mark Freier

    eBook-Erstellung: story2go | Die eBook-Manufaktur

    http://www.zaubermond.de

    Alle Rechte vorbehalten

    Was bisher geschah:

    Der ehemalige Reporter Dorian Hunter hat sein Leben dem Kampf gegen die Schwarze Familie der Dämonen verschrieben, seit seine Frau Lilian durch eine Begegnung mit ihnen den Verstand verlor. Seine Gegner leben als ehrbare Bürger über den gesamten Erdball verteilt. Nur vereinzelt gelingt es Dorian, ihnen die Maske herunterzureißen.

    Bald kommt Hunter seiner eigentlichen Bestimmung auf die Spur: In einem früheren Leben schloss er als französischer Baron Nicolas de Conde einen Pakt mit dem Bösen, der ihm die Unsterblichkeit sicherte. Um seine Sünden zu büßen, verfasste de Conde den »Hexenhammer« – jenes Buch, das im 16. Jahrhundert zur Grundlage für die Hexenverfolgung wurde. Doch der Inquisition fielen meist Unschuldige zum Opfer; die Dämonen, auf die de Conde es abgesehen hatte, blieben ungeschoren.

    Der Pakt galt, und als de Conde selbst der Ketzerei angeklagt und verbrannt wurde, wanderte seine Seele in den nächsten Körper. So ging es fort bis in die Gegenwart.

    Hunter wäre auf sich allein gestellt, blieben ihm nicht die engsten Mitstreiter im Kampf gegen die Dämonen: Zunächst wäre da die junge Hexe Coco Zamis, die früher selbst ein Mitglied der Schwarzen Familie war, der reiche Playboy Jeff Parker sowie Trevor Sullivan, früher ein hohes Tier beim britischen Secret Service und heute Leiter der Agentur Mystery Press, die Informationen über Fälle mit Dämonenbeteiligung aus der ganzen Welt zusammenträgt und auswertet.

    Ebenfalls zu Dorian Hunters treuen Gefährten zählt der frühere Puppenmann Donald Chapman, der kürzlich eine erstaunliche Verwandlung durchgemacht hat. Durch einen dämonischen Zauber erlangte Don endlich seine ursprüngliche Größe zurück. Gerade noch rechtzeitig wurde die magische Verbindung zwischen Donald und Dorian, die dem Dämonenkiller im Laufe des Vergrößerungsprozesses systematisch Kraft entzog, getrennt.

    Donald, der erst wieder lernen muss, mit seinen neuen Möglichkeiten umzugehen, hat sich vorerst zurückgezogen – um die »verlorenen Jahre« aufzuholen, wie er verkündet hat.

    Auch die Hexe Coco Zamis schwebte vorübergehend in großer Gefahr, da ihr von einem irrsinnigen Arzt in Schottland die »Tränen der Engel« verabreicht wurden, ein magisches Elixier, das eigentlich dafür gedacht war, Vampire von ihrem Blutdurst zu befreien. Aus Coco hingegen machte es zunächst eine blutrünstige Furie, bis die Wirkung einige Tage später abzuklingen schien. Doch noch kommt es immer wieder zu Rückfällen, und Dorian und Coco schwant, dass die Angelegenheit noch nicht endgültig bereinigt ist …

    Erstes Buch: Der Dämon von Madagaskar

    Der Dämon von Madagaskar

    von Geoffrey Marks

    1. Kapitel

    Keuchend drängte sich Wu Gunma mit ihrem dunklen Leib noch einmal an Jeff Parker und drehte sich dann weg. Jeff wollte nach der jungen Frau greifen, sie entschlüpfte jedoch seinen Händen und schwang sich aus dem Bett.

    Jeff seufzte, verschränkte die Hände im Nacken und beobachtete Gunma dabei, wie sie mit anmutigen Bewegungen ihr langes schwarzes Haar am Hinterkopf zu einem Knoten zusammenband. Ihre aufregenden Kurven zeichneten sich verführerisch vor dem Fenster ab, das von dem schummerigen Schein des tropischen Abends schwach erhellt wurde.

    Jeff hatte Wu Gunma während seiner Weltreise kennengelernt, die er in diesem Jahr mit seiner Luxusjacht unternommen hatte. Nun war er zu ihr nach Madagaskar zurückgekehrt. Er hatte diese exotische Frau einfach nicht vergessen können, die sich so aufregend von den anderen Liebschaften abhob, die er während seiner letzten Weltreise gehabt hatte.

    Durch das geöffnete Fenster drang ein kühler Lufthauch in das Zimmer, das lediglich mit einem französischen Bett und zwei Holzstühlen möbliert war. Das Moskitonetz war zurückgeschlagen und wallte wie ein fahler Nebelschleier hin und her.

    »Was ist?«, erkundigte Gunma sich. Ihre Zähne schimmerten im Halbdunkeln, als sie ihren Mund zu einem stummen Lachen öffnete. »Hat die Liebe dich etwa träge gemacht, Jeff? Wir haben heute Nacht noch einiges vor.«

    »Nicht träge«, erwiderte Jeff und richtete sich in dem Bett auf. Sein durchtrainierter, gebräunter Körper hob sich schemenhaft in der Dunkelheit ab. »Ich könnte mich die ganze Nacht mit dir in diesem knarrenden Bett vergnügen.«

    Wie eine Schlange glitt Gunma unter das Moskitonetz, kauerte plötzlich im Vierfüßlerstand neben Jeff auf der Matratze und verschloss seinen Mund mit einem Kuss.

    Als sie die Lippen wieder von ihm löste, sah sie Jeff mit ihren dunklen Augen unverwandt an. »Ich bin eine Wahrsagerin«, flüsterte sie. »Ich lasse mich nur mit Männern ein, wenn ihre leidenschaftlichen Umarmungen meine hellseherischen Fähigkeiten zu beflügeln versprechen. Aber das waren bisher nicht allzu viele, das kannst du mir glauben.« Sie lächelte hintergründig. »In deinen Armen werde ich zu einem Orakel, Jeff. Aber jetzt habe ich einen Job zu erledigen.«

    Jeff grinste geschmeichelt, und obwohl er sich nicht sicher war, ob Gunmas Worte ihn nur besänftigen sollten, verspürte er doch ein erhebendes Triumphgefühl in seiner Brust.

    Er griff nach Gunmas Brüsten, doch sie entzog sich ihm, verließ das Bett und schlüpfte in ihr schwarzes Seidenkleid. Dann warf sie sich eine weiße Stola über die Schultern und verbarg ihr Haar unter einem dreieckigen Kopftuch.

    Gunma deutete auf das Fenster, hinter dem ein karger, mit wenigen Bäumen bewachsener Hügel zu sehen war. Zweigeschossige Backsteinhäuser, deren Fenster vom Schein der Öllampen erhellt wurden, schmiegten sich an den Hang. Die Behausungen in den Dörfern auf Madagaskar waren keine primitiven Lehmhütten, wie sie in Afrika vorzufinden waren, sondern Häuser mit steilen Dächern, die kleine Gauben aufwiesen. Die Vorderfronten wurden von überdachten Balkonen beherrscht, die von quadratischen dünnen Säulen gestützt wurden. Rechts neben dem Hügel öffnete sich eine Ebene aus Reisfeldern, deren rechteckige Wasserflächen silbern in der hereinbrechenden Nacht schimmerten.

    »Der Vollmond geht gleich auf«, verkündete Gunma. »Wir müssen uns beeilen, Jeff. Und schärfe deinen beiden Mitarbeitern noch einmal ein, dass sie sich unauffällig verhalten sollen!«

    Jeff, der eingesehen hatte, dass er nicht länger im Bett bleiben konnte, erhob sich und begann sich anzuziehen. Er hatte sich in Tananarive, der Hauptstadt von Madagaskar, einen einfachen Anzug gekauft, da er mit den maßgeschneiderten, farbenfrohen Klamotten, die er sonst bevorzugte, unter den Eingeborenen nur unnötig aufgefallen wäre.

    Plötzlich stand Gunma vor ihm, stülpte ihm einen Strohhut auf den Kopf, trat zurück und musterte ihn aufmerksam von oben bis unten.

    »Perfekt«, beschied sie. »Du siehst wirklich wie ein amerikanischer Kaufmann aus und nicht wie ein Millionär, der sich auf eine verrückte Idee eingelassen hat.«

    Mit ihren Worten spielte Gunma auf Jeffs Vorhaben an, einen Dokumentarfilm über sie zu drehen. Es war jedoch nicht nur Gunmas ungewöhnliche Tätigkeit als Wahrsagerin, die ihn zu diesem Schritt veranlasst hatte. Ihm ging es vielmehr um die erschreckend realistischen Visionen, von denen Gunma ständig heimgesucht wurde.

    Während seiner Weltreise hatte Jeff sich zwei Wochen auf Madagaskar aufgehalten und die meiste Zeit an Gunmas Seite verbracht. Er hatte sie in der Hauptstadt kennengelernt, als sie die Träume eines madagassischen Geschäftsmanns deutete, bei dem Jeff zu Gast gewesen war. Zwischen Jeff und Gunma hatte es gleich bei ihrer ersten Begegnung heftig gefunkt. Es dauerte nicht lange, und die beiden fanden sich in Jeffs Bett auf seiner Luxusjacht wieder. Nachdem sie sich ausgiebig auf der komfortablen Liegestatt vergnügt hatten, waren sie schließlich Arm in Arm eingeschlummert. Doch Jeff wurde schon bald aus seinem Schlaf gerissen, denn Gunma hatte begonnen, sich unruhig hin und her zu werfen. Sie stöhnte, und ihr dunkler, nackter Leib war mit glitzernden Schweißperlen bedeckt.

    Jeff wollte Gunma wecken, um sie aus ihrem Albtraum zu reißen. Doch die junge Frau reagierte nicht auf sein sanftes Rütteln und Rufen. Schließlich begann sie zu murmeln. Gebannt lauschte Jeff den geflüsterten Worten; sie kamen wie ein Hauch über Gunmas Lippen und wandelten sich schließlich in einen Singsang, der wie eine fremdartige Beschwörung anmutete.

    Gunma erzählte im Schlaf von den üppigen Regenwäldern auf Madagaskar, von den großäugigen Lemuren, die sich von Ast zu Ast schwangen, von Nasenaffen und den schlanken Raubtieren mit ihren otterartigen, spitzen Gesichtern. Wispernd schilderte sie, wie der Himmel sich verdunkelte, wenn der gigantische Vogel Rock mit seinen mächtigen Schwingen durch die Lüfte streifte. Sie schilderte die Insel, wie sie gewesen sein mochte, bevor Madagaskar 1500 von portugiesischen Seefahrern entdeckt wurde. Die viertgrößte Insel der Welt war damals von tropischen Regenwäldern vollständig bedeckt gewesen. Tiere, die nur auf diesem Eiland vorkamen, tummelten sich in den Urwäldern, und in den Dörfern lebten Protomalaien, deren Wurzeln in Süd-China lagen, und von denen Gunma ihren eigenen Angaben zufolge direkt abstammte. Dieser Volksstamm vermischte sich später mit den Bantus aus Afrika, die die Straße von Mosambik überquerten und nach Madagaskar gelangten.

    In Gunmas Visionen hielten einige der malaiischen Ureinwohner grausame Riten ab. Sie versklavten die schwarzhäutigen Bantus, behandelten sie wie Vieh, und hin und wieder opferten sie einen von ihnen ihrem Gott, den sie ehrfürchtig Zana nannten.

    Jeff war geschockt, aber auch fasziniert, wie plastisch und detailliert Gunmas Schilderungen waren. Der Regenwald, seine tierischen Bewohner und sogar die blutrünstigen Eingeborenen erschienen ihm so real, dass er es durchaus für möglich hielt, durch Gunmas Vision einen Einblick in die dunkle Vergangenheit Madagaskars zu erhalten.

    Gunmas Träume wiederholten sich während Jeffs zweiwöchigem Zusammensein mit der Wahrsagerin siebenmal. Nach diesen Träumen war Gunma jedes Mal so erschöpft, dass sie bis zum Mittag durchschlief. Sie selbst konnte sich an ihre Visionen nicht erinnern und lauschte Jeff mit weit aufgerissenen Augen, während er ihr von seinem nächtlichen Erlebnis an ihrer Seite erzählte.

    Dann kam der Tag, an dem Jeff seine Weltreise fortsetzen musste. Es fiel ihm schwer, sich von Gunma zu trennen. Er war jedoch fest entschlossen, noch einmal nach Madagaskar zurückzukehren und Gunma zu besuchen.

    Die kommenden Wochen und Monate, während denen Jeff auf seiner Jacht die Weltmeere bereiste, ging ihm Gunma nicht mehr aus dem Kopf. Sie schlich sich sogar in seine Träume, in denen sie ihn in das alte Madagaskar entführte, das er durch ihre Visionen kennengelernt hatte.

    Langsam reifte während dieser Zeit in Jeff die Idee heran, über Gunma einen Film zu drehen. Er wollte sie, zusammen mit einem kleinen Team, auf Madagaskar begleiten und sie während ihrer Arbeit filmen. In einem Studio in Hollywood wollte er dann später die Szenen aus ihren Visionen drehen lassen und mit den Dokumentarszenen vermischen. Auf diese Weise würde ein spannungsreicher, ungewöhnlicher Film über eine bemerkenswerte Frau und die wilde, unbekannte Vergangenheit von Madagaskar entstehen.

    Plötzlich ergriff Gunma seine Hände und brachte ihn wieder in die Gegenwart zurück. »Was ist mit dir?«, erkundigte sie sich zurückhaltend. »Kommen dir jetzt doch Zweifel, ob du mich in dieser Nacht mit deinem Team begleiten sollst?«

    Jeff schüttelte lächelnd den Kopf. »Ich habe nur ein wenig in Erinnerungen geschwelgt.«

    Gunma wich vor Jeff zurück, um zu verhindern, dass er sie wieder in seine Arme schloss. »Wir müssen jetzt los«, ermahnte sie ihn. »Die Famadihana wird in einer halben Stunde beginnen!«

    Jeff nickte gefasst. Die bevorstehende Zeremonie, der er und seine Crew beiwohnen durften, sollte später einen zentralen Teil des Dokumentarfilms bilden. Die Famadihana war ein alter Brauch auf Madagaskar. Dabei wurde ein Toter aus seinem Grab geholt, in ein frisches Leichentuch gehüllt, durch das Dorf getragen und am Ende der Zeremonie wieder in das Grab zurückgelegt.

    Für gewöhnlich wurde eine Famadihana am Tag abgehalten und glich mehr einem fröhlichen Dorfspektakel als einer Trauerfeier. Diese Famadihana aber sollte in der Nacht stattfinden. Angeblich war der Tote, der umgebettet werden sollte, einem Eingeborenen im Traum erschienen und hatte diese nächtliche Vollmondfamadihana verlangt. Bei der Deutung dieses Traums hatte Gunma jedoch etwas geschummelt und dem Mann weisgemacht, dass der Tote während dieser Zeremonie zusätzlich die Anwesenheit von drei Amerikanern wünschte.

    Mit diesem kleinen Trick hatte Gunma es Jeff und seiner kleinen Filmcrew ermöglicht, die Famadihana zu begleiten. Die Film- und Tonaufnahmen mussten jedoch heimlich durchgeführt werden, was Jeffs Crew einiges Können abverlangte. Aber Jeff hatte für sein Vorhaben zwei der fähigsten Dokumentarfilmer engagiert, sodass er keine Schwierigkeiten erwartete.

    »Ich werde meinen Leuten Bescheid sagen«, verkündete er und verließ das Zimmer.

    Die Familie, dessen Oberhaupt die Famadihana veranlasste, hatte ihnen ein verlassenes Haus zur Verfügung gestellt, das sich am Rande des Dorfes befand. Jeff ging den dunklen Flur hinunter, klopfte an eine Tür und trat ein.

    »Können Sie nicht warten, bis man Sie hereinbittet?«, rief Morna Sydham, eine junge Brünette, gereizt. Sie saß auf dem Bett, hatte die Beine angezogen, ein Leinentuch um ihren schlanken Leib geschlungen und starrte Jeff missmutig entgegen.

    »Sie sind im Bett, Morna?«, wunderte sich Jeff. Er sah auf seine Armbanduhr. »Wir hatten abgemacht, dass Sie sich um kurz vor acht bereithalten sollen.«

    Ungeachtet der Tatsache, dass sie splitterfasernackt war, schleuderte Morna das Laken von sich und begann sich anzuziehen. Jeff wandte sich Rod Henderson zu, der am Fenster stand und mit seiner Kamera die dämmerige Landschaft filmte. Der hagere Mann setzte die Kamera ab, strich sich eine Strähne seines dunkelblonden Haars aus der Stirn und schenkte Jeff ein unverbindliches Lächeln.

    »Morna bekommt die tropische Hitze anscheinend nicht«, merkte er spöttisch an. »Sie denkt an alles andere – nur nicht an unseren Job.«

    »Mich wundert, dass jemand, der für Atmosphäre so unempfänglich ist wie du, Rod, ein so guter Dokumentarfilmer geworden ist«, warf Morna mit ätzender Stimme dazwischen. Sie war inzwischen vollständig angezogen und machte sich an ihrer Umhängetasche zu schaffen, in der sich ein Tonaufnahmegerät befand.

    Rod zuckte gelassen mit den Schultern. »Eine Toningenieurin wie du sollte wissen, dass diese Häuser dünne Wände haben und Geräusche über die flachen Ebenen der Reisfelder weit hinausgetragen werden. Wäre ich deiner nett gemeinten Aufforderung nachgekommen, mich mit dir zu paaren, hätte das ganze Dorf davon erfahren, denn wenn du Lust verspürst, kennst du keine Hemmungen, sie laut hinauszuschreien.«

    »Jeff und seine Wahrsagerin hatten jedenfalls keine Skrupel, verdächtige Geräusche von sich zu geben«, stichelte Morna beleidigt.

    Jeff räusperte sich verlegen, doch Rod beachtete ihn gar nicht. Er schob seine Kamera in eine Ledertasche, die er sich dann um die Schulter hängte. Durch ein verborgenes Loch in der Seite der Tasche konnte Rod bequem Aufnahmen machen, ohne dass die Kamera entdeckt wurde. Auf diese Weise hatte er spektakuläre Aufnahmen von einem wilden Amazonasstamm gemacht, mit denen er berühmt geworden war.

    »Von mir aus kann es losgehen«, sagte Rod in geschäftsmäßigem Tonfall.

    »Von mir aus auch«, erklärte Morna zerknirscht und drapierte ihr Haar über das linke Ohr, in das sie einen Knopflautsprecher gesteckt hatte. Dabei bedachte sie Jeff mit einem schmachtenden, neidischen Blick.

    Jeff hatte den Eindruck, dass sich, abgesehen von den Kindern, das ganze Dorf auf dem Marktplatz versammelt hatte. Die Eingeborenen standen dicht gedrängt, riefen durcheinander, drängelten und schubsten. Die Augen in ihren dunklen Gesichtern leuchteten dämonisch im Schein der Fackeln, die um den Platz herum im Boden steckten. Es roch betäubend nach Schweiß, ranzigem Fett und Alkohol.

    Vor einem Haus hatten sich Musiker aufgestellt. Die Töne und Rhythmen, die sie nun den Flöten, Trompeten und Trommeln entlockten, waren extrem schräg und disharmonisch. Jeff, der angenommen hatte, die Musiker würden sich noch aufeinander einstimmen, musste erkennen, dass sie bereits die Begleitmusik des Festzuges spielten, denn sie änderten ihr schräges Musizieren nicht, sondern bliesen nur noch lauter in ihre Instrumente und schlugen mit ihren Stöcken wie in Ekstase auf den selbst gebauten Trommeln herum.

    Der Lärm war ohrenbetäubend, schien den Einheimischen jedoch zu gefallen. Die Frauen begannen sich zu wiegen, und die Männer vollführten trippelnde Tanzschritte. Eine Frau tänzelte auf Jeff zu und reichte ihm einen Krug, aus dem zuvor schon eine Reihe anderer Dorfbewohner getrunken hatten.

    Jeff schüttelte lächelnd den Kopf und hob abwehrend die Hand, als ihm aus dem Krug der scharfe Geruch von selbst gebranntem Rum entgegenschlug. Leicht verärgert beobachtete er, wie Rod den Krug zwar ebenfalls freundlich ablehnte, Morna ihn sich aber schnappte und einen tiefen Zug trank, sodass ihr der Rum aus den Mundwinkeln rann und ihr Kinn hinabfloss. Als sie Rods vorwurfsvollen Blick auffing, gab sie den Krug zurück, grinste unverschämt und wiegte aufreizend ihre Hüften.

    Entnervt wandte Jeff sich ab und hielt unter den Eingeborenen nach Wu Gunma Ausschau, die er vorhin in dem Gewimmel verloren hatte. Er erblickte sie neben einem alten Mann mit dünnem Schnurrbart und einem Gesicht, das so faltig wie das Antlitz einer Schildkröte war. Plötzlich hob Gunma ihre Arme, stieß ein durchdringendes Trällern aus und klatschte im schnellen Rhythmus der Trommelschläge in die Hände.

    Ein Heulen und Bellen antwortete ihr aus der Menge, Klänge, die Jeff eine Gänsehaut über den Rücken jagten, denn er hatte plötzlich den Eindruck, sich in einer Horde wilder Tiere aufzuhalten. Während Gunma sich zusammen mit dem alten Mann und den Musikern in Bewegung setzte, rissen die Dorfbewohner die Fackeln aus dem Boden und schlossen sich ihnen laut johlend an.

    Im Gänsemarsch verließ die Prozession den Dorfplatz. Jeff, Rod und Morna blieben dicht zusammen. Rod hatte seine Ledertasche auf seine Schulter gestemmt und drehte sich nach links und rechts, als würde er sich zur Musik bewegen.

    In Wahrheit ließ er seine Kamera langsam hin und her schwenken, um den Festzug zu filmen. Die Szene wurde vom Fackelschein unheimlich beleuchtet und würde im Kino sicherlich gut zur Geltung kommen, wie Jeff befriedigt dachte. Als sein Blick auf Morna fiel, bemerkte er, dass ihre linke Hand in der Umhängetasche steckte, um die Tonaufnahme auszusteuern, was bei der infernalischen Musik und den schrillen Schreien der Einheimischen nicht ganz einfach sein dürfte.

    Da fielen Jeff plötzlich die skurrilen Schnitzereien auf, die die schlanken Säulen einiger Häuser zierten, an denen sie vorbeikamen. Starrende Dämonenfratzen und verzerrte Teufelsgesichter waren in das Holz gekerbt worden. In den Schatten der Gebäude huschte und flatterte es, und auch in den Baumkronen glaubte Jeff unheimliches Leben zu entdecken.

    Endlich traten sie zwischen den Häusern hervor und steuerten auf die Reisfelder zu, die das Dorf von den Grabstätten auf dem gegenüberliegenden Hügel trennten. In den rechteckigen Wasserflächen, die durch schmale Pfade voneinander getrennt waren, spiegelte sich silbern das Licht des Vollmondes. Als wollten die Dorfbewohner in dem Vollmondlicht baden, wiegten sie sich entzückt, während die gleißenden Strahlen wie Irrlichter über ihre Körper wischten. Die Schreie der Männer und Frauen wurden immer langgezogener, und auch die Musik glich immer mehr einem bestialischen Heulen.

    Jeff musste den Rumkrug noch dreimal unangerührt passieren lassen, ehe die Prozession die Reisfelder endlich verließ. Die Einheimischen hatten dem Alkohol inzwischen reichlich zugesprochen, und die Männer und Frauen in Jeffs Nähe wurden immer zudringlicher. Sie schrien ihm ins Gesicht, zogen Grimassen und betatschten ihn. Ihre Fingernägel waren lang und scharf wie Krallen. Sie kniffen ihn, kratzten über seinen Rücken und die Schenkel. Eine junge Frau leckte quer über Jeffs Gesicht und spie ihn an, als er sich den Speichel angewidert von seiner Wange wischte.

    Jeff war heilfroh, als sie die Grabstätten endlich erreichten. Das Gräberfeld erstreckte sich über die ganze Hügelkuppe und bestand aus einer Ansammlung großer Steine, die dunkel im Mondlicht schimmerten. Schwarze Hörner und geschnitzte Grabpfeiler ragten bizarr zwischen den Felsbrocken empor.

    Plötzlich tauchte Gunma neben ihm auf. »Die Pfeiler, die du hier siehst, sind mit Schnitzereien verziert, die von den Höhepunkten im Leben der Verstorbenen berichten«, erklärte sie. »Die Hörner stammen von den Wasserbüffeln, die während des Bestattungsfestes geschlachtet wurden.«

    »Wenn du mich fragst, sind diese Leute hier alle verrückt«, murrte Rod. Er wirkte sichtlich mitgenommen; sein Haar war zerrauft, eine blutige Kratzspur zierte seine Stirn.

    »Schscht«, fuhr Morna ihn an, da er die Tonaufnahme mit seiner Bemerkung gestört hatte. Morna schien das irre Gebaren der Eingeborenen sichtlich genossen zu haben. Da sie sich beim Trinken reichlich mit Rum bekleckert hatte, klebte der dünne Blusenstoff auf ihrer Haut und ihren Brüsten.

    Da schallte plötzlich ein tierischer Schrei über den Hügel. Als Jeff erschreckt in die Richtung sah, aus der der Schrei gekommen war, erblickte er den Alten mit dem Schildkrötengesicht. Er deutete auf einen stark verwitterten Grabpfeiler, warf den Kopf in den Nacken und stieß erneut einen markdurchdringenden Schrei aus.

    »Fokoholona hat das Grab des Ahnen gefunden«, sagte Gunma aufgeregt und setzte sich in Bewegung. »Dieser Leichnam muss schon viele Jahrhunderte alt sein. Angeblich gehört er einem der portugiesischen Seefahrer, die Madagaskar damals entdeckten.«

    Jeff und seine Filmcrew folgten ihr.

    »Dieser Alte dort soll von den Portugiesen abstammen?«, wunderte Jeff sich.

    Gunma warf ihm ein anzügliches Lächeln über die Schulter zu. »Du bist doch selber Seefahrer und weißt, wie gerne die sich mit einheimischen Mädchen paaren! Etwas von dem Blut dieses Portugiesen soll angeblich in jedem dieser Dorfbewohner weiterleben.«

    Die Grabstätte befand sich in einem Bereich, der von verwitterten Grabpfeilern geprägt war. Auch die Hörner der Zebus waren spröde und ausgebleicht. Einige kräftige Männer hatten die schwere Grabplatte neben dem Alten ergriffen und wuchteten sie zur Seite, andere leuchteten mit ihren Fackeln. Der Schein fiel in das rechteckige Loch im Boden. Ein dürres, längliches Etwas, in ein zerfleddertes, graues Leichentuch gehüllt, schimmerte ihnen aus der Tiefe der Grube entgegen.

    Ohne zu zögern, sprangen zwei Männer in das Grab, hoben den Leichnam auf und reichten ihn an zwei Dorfbewohner weiter. Diese betteten den Leichnam auf die Grabplatte und traten zurück.

    Gunma stellte sich neben den eingewickelten Toten hin, vollführte beschwörende Gesten und murmelte Worte, die Jeff nicht verstand. Dann gab sie den Frauen ein Zeichen. Zwei von ihnen lösten sich daraufhin aus ihrer Gruppe und knieten neben dem Leichnam. Mit geschickten Fingern begannen sie, das mürbe Leichentuch von dem Toten zu schälen.

    Jeff schluckte trocken. Dass nach all den Jahrhunderten noch so viel von dem Leichnam übrig war, verwunderte ihn. Angewidert beobachtete er, wie die beiden Frauen die sterblichen Überreste Stück für Stück von dem Seidentuch befreiten. Irgendetwas schien mit diesem Toten nicht zu stimmen. Sein Schädel war seltsam lang gezogen, und die Mundpartie glich eher einem Maul. Als die Frauen den Toten behutsam wendeten, sah Jeff am Steiß des Skeletts die verkümmerten Knochen eines Schwanzes.

    Und doch handelte es sich bei diesem Skelett unzweifelhaft um die Überreste eines Menschen, wie Jeff erkannte. Der Brustkorb, die Wirbelsäule und die Beckenknochen stammten eindeutig von einer aufrecht gehenden Kreatur. An den Knochen hingen eingetrocknete Fleischfetzen, an denen Reste eines Fells hafteten.

    Jeff ließ den Blick zu dem verwitterten Grabpfeiler schweifen, der Auskunft über das Leben des Verstorbenen geben sollte. Der Schaft des langen Stabes war mit magischen Symbolen bedeckt. Oben zierte eine Figur den Pfeiler. Obwohl das Holz rissig war, konnte Jeff die dargestellte Gestalt noch recht gut erkennen. Sie stellte einen Mann dar, der in gekrümmter Haltung dastand und

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