Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Aufstieg einer Heldin
Aufstieg einer Heldin
Aufstieg einer Heldin
eBook466 Seiten6 Stunden

Aufstieg einer Heldin

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Der strahlende Held Rafahello Feeheroo hat eine Mission – die in einem pinken Turm gefangene Capuzine zu befreien. Diese ist jedoch des langen Wartens auf Helden müde und schreitet selbst zu Tat. Mit Unterstützung ihres gerade erwachten Erfindergens gelingt Capuzine die Flucht.
Währenddessen hat ihr Held ganz andere Probleme – er muss in einem Wald mit einer fleischfressenden Pflanze um sein Leben kämpfen und überlebt nur dank der Hilfe eines Gottes in Ausbildung.
Die Wege von Capuzine und Rafahello sollen sich erst in einer Stadt der Elben kreuzen – und dieses Treffen steht unter keinem guten Stern, denn auch die Elbenprinzessin hat ein Auge auf Rafahello geworfen und will ihn für sich allein.
Capuzine bleibt nichts anderes übrig, als um ihren Helden zu kämpfen ...

Ein humoriger Fantasy-Roman von Mark Staats
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum22. Mai 2016
ISBN9783940036780
Aufstieg einer Heldin

Ähnlich wie Aufstieg einer Heldin

Ähnliche E-Books

Fantasy für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Aufstieg einer Heldin

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Aufstieg einer Heldin - Mark Staats

    Aufstieg einer Heldin

    Ein Afaga-Roman

    Mark Staats

    © 2012 Verlag Torsten Low

    Rössle-Ring 22

    86405 Meitingen/Erlingen

    Besuchen Sie uns im Internet:

    www.verlag-torsten-low.de

    Alle Rechte vorbehalten.

    Cover und Illustrationen:

    Chris Schlicht

    Lektorat und Korrektorat:

    M. Low, F. Low, T.Low

    eBook-Produktion:

    Cumedio Publishing Services – www.cumedio.de

    ISBN (Buch):978-3-940036-14-8

    ISBN (mobi):978-3-940036-77-3

    ISBN (ePub):978-3-940036-78-0

    v. 1.0

    Aufstieg

    einer Heldin

    Ein Afaga-Roman

    von

    Mark Staats

    Fantasy-Parodie

    Inhalt

    Prolog

    Feuer & Schwert

    Der pinke Turm

    Im Elbenwald

    Die Erfindung des Sprengstoffes

    Helden sind Trottel

    Auf der Flucht

    Mensch, Zwerg und Drachen

    Verrat, Vergnügen, Verurteilung

    Befreiung

    Freiheit und Einkäufe

    Inferno

    Von Köchen und Kavernen

    Die Flucht

    Mitgefangen, mitgehangen

    Von Töchtern, Plüschsocken und Eichhörnchen

    Heiler und Schläfchen

    Vorbereitungen

    Flugversuche

    Der Anfang vom Ende

    Das Ende

    Neubeginn und Epilog

    Danksagung

    Autor

    Lesetipps

    Für alle Heldinnen und Helden,

    Salami- und Bockwurstliebhaber

    Prolog

    25. Tag im Mond des Gottes Golaf 1569 nach Afaga

    Der Junge ritt im strammen Galopp durch das Tor. Brachte das Pony vor den Stallungen zum Stehen und versuchte, abzuspringen. Er blieb im Steigbügel hängen und schlug klirrend auf dem Kopfsteinpflaster auf.

    »Doofes Kettenhemd! Vielleicht sollte ich doch Barde werden«, fluchte er. Bedienstete stürzten herbei, um ihm zu helfen, doch er hob die Hand und sie blieben stehen. Der Junge rappelte sich hoch und klopfte dem Pony auf den Hals. »Maddin, das war ein tolles Abenteuer bei diesem Vampir. Ich hoffe, dass dein Fohlen Detlef mal genauso großartig wird wie du. Vielleicht ein wenig größer. Ich für meinen Teil weiß allerdings nicht, ob ich nicht doch lieber Laute spielen mag.«

    Das Pony wieherte dem Jungen hinterher, als dieser zum Haupthaus ging. Auf dem Weg zu seinem Zimmer zog er sein Kettenhemd aus und ließ es achtlos auf den Boden gleiten. Anschließend stürmte er in sein Gemach, verschloss die Tür und verkroch sich unter der Decke seines Bettes. Der Junge starrte die Wand an und dachte nach.

    Barde oder Kämpfer? Barde oder Kämpfer? Nach Stunden kippte er müde zur Seite, schlief ein und begann zu träumen.

    Er stand auf einer Wiese im Osten seines Heimatlandes Afaga. Hier gab es nur saftige Ebenen und geschwungene Hügel. Es war das Reich der Menschen. Eine rosa Wolke machte neben ihm »Puff« und hustend schälte sich eine kleine dicke Gestalt daraus hervor. Die Gewandung farblich passend zur Wolke. »Ich hasse diese ›Ich bin Dir ihm Traum erschienen Nummer‹«, murmelte die Gestalt.

    »Huch, wer bist du denn?«, fragte der Junge und schaute den kleinen Dicken verdutzt an.

    »Sagen wir mal, ich bin ein Freund.« Die Gestalt war immer noch dabei, ihre Gewandung glatt zu streichen.

    »Und was willst du in meinem Traum, Freund?«

    Das letzte Wort kam sehr langezogen über die Lippen des Jungen. Er musterte die Gestalt aufmerksam und konnte sich nicht des Eindrucks erwehren, dass er jemand vor sich stehen hatte, dessen Augen nicht ganz so hervorragend arbeiteten. Zumindest was das Farbsehen anbelangte.

    »Willst du wirklich Barde werden?«, fragte die rosa Gestalt.

    »Ja, warum nicht?«

    »Komm mit, ich zeige dir was!« Die Gestalt reichte dem Jungen die Hand, der neugierig, aber auch zögerlich danach griff.

    »Komm aber nicht auf den Gedanken mich zu entführen. Mein Papa ist ein wirklich wichtiger Mann. Er würde dich überall finden.«

    »Ja, klar wird er das, daran habe ich keinen Zweifel«, antwortete der Dicke geheimnisvoll. »Schneller als du denkst ist seine Zeit abgelaufen und dann ist er sowieso bei uns«, fügte er murmelnd hinzu. Dann flatterte er mit der freien Hand wie ein Vogel.

    Die beiden hoben ab.

    »Ich kann fliegen«, meinte der Junge überrascht.

    »Es ist dein Traum.«

    Sie flogen nach Norden. Unter ihnen veränderte sich die Landschaft. Hohe Berge kamen in ihr Blickfeld, Gebirge soweit das Auge reichte. Der komplette Norden war eine einzige felsige Masse. Die beiden landeten in einer Stadt der Zwerge, die in den monumentalen Bergen wohnten. Der gemeine Afaganer sagte: »Ganz schön verschwenderisch die Götter, so hohe Berge zu bauen. Hätten das Material lieber in Steinbrüche packen sollen.«

    Die Stadt war wunderschön. Überall strahlte der Marmor. Plötzlich sah der Junge einen Ritter, der gewisse Ähnlichkeiten mit ihm besaß, nur war dieser älter. Er kämpfte mit zehn Zwergen vor einem Rattenburger-Stand.

    »Bin ich das?«, fragte der Junge

    Die Gestalt nickte. »Hier kämpfst du gegen üble Burschen. Du gewinnst und wirst geachtet bei den Zwergen, weil du ihrem König das Leben gerettet hast.«

    Der Junge drehte sich im Kreis, überall gab es Ratten zu kaufen.

    »Scheint die Lieblingsspeise der Zwerge zu sein.«

    »Ja, niemand ist perfekt. Ich geb dir einen Tipp: Verzichte drauf. Die machen nur Blähungen«, nickte der Dicke.

    »Gibt es hier nur Zwerge?«

    »Und Menschen.«

    »Keine Elben?«

    »Nein.«

    »Mögen Elben keine Zwerge?«

    »Das ist es nicht. Die Elben stoßen sich einfach immer die Köpfe, wenn sie hier sind. Darum kommen sie so selten.«

    »Ich verstehe.«

    Der Junge lauschte den Gegnern seines Alter Egos, doch konnte er kein Wort verstehen. Fragend schaute er zu seinem Begleiter. »Warum reden die Zwerge so komisch. Wenn Zwerge uns besuchen, reden die immer normal.«

    »Das liegt an der Luft hier oben. Wenn Zwerge sich in Höhen über tausend Schritt aufhalten, zieht sich auf Grund ihrer Grö… ähm … Kleine ihr Lungenvolumen zusammen und dann sprechen sie ziemlich komisch.«

    Der Junge verlor das Interesse an dem Kampf.

    »Treffe ich auch Elben in ihrem riesigen Wald?«

    »Einige in ihren Gestaden im Westen. Aber sein wir mal ehrlich, was willst du von Elben? Sie sind langlebig, in euren Augen arrogant und …«

    »Und?«

    »Verfressen. Ich frage mich, wie man soviel in sich hineinstopfen kann.« Der Dicke lachte amüsiert.

    Das Bild verschwamm und plötzlich kam eine Lichtung mit einem Turm in Sicht.

    »Was ist das?«, fragte der Junge neugierig. Er verschwendete keinen Gedanken mehr an die Elben.

    »Och, nichts weiter«, sagte der Dicke und machte eine wischende Handbewegung. Wieder verschwamm das Bild.

    Sie standen an einem Strand. Das Ortschild des nahen Dorfes zeigte den Namen ›Edgarstad‹. Dort sah er sich abermals als Erwachsenen. Er stand mit dem Hauptmann der Stadtwache dort. Neben ihnen lag ein weißes fischähnliches Ungeheuer. Mindestens acht Schritt lang. Jemand hatte Brus auf seine Schuppen geschrieben. Der Junge hörte sich sagen: »Das habt ihr gut gemacht, Hauptmann Martinus Bodisky. Ich weiß es zu schätzen, dass ihr diese Aufgabe für mich übernommen habt. Mein Dank gilt auch Euren zwei Freunden.«

    »Gern geschehen, Herr …«

    Das Bild wanderte weiter. Schlanke Schönheiten sonnten sich am Strand. Der Junge glotzte, seine Zunge hing ihm bis zur Brust.

    »Das auch?«

    »Ja klar, du bist ein Held. Du kannst alles haben.«

    Nicht, dass die Schönheiten nackt waren, denn das war in Afaga nicht erlaubt. Aber ein Stofffetzen als Bikini von nur 0,1 Quadratschritt, welcher verzweifelt versuchte, die weibliche Brust von der Größe einer Melone zu bedecken, hatte fast die gleiche Wirkung auf ihn.

    Wieder verschwamm das Bild und zeigte den Turm auf der Lichtung.

    »Hey, das kenn ich schon. Was ist das?«

    »Nichts Wichtiges, glaub mir.« Abermals die wischende Handbewegung. Plötzlich standen sie im stickigen Sumpf im Süden des Landes. Überall Morast. Düster und gefährlich. Wieder sah sich der Junge als Erwachsener. Er kämpfte mit Monstern, die jeglicher Beschreibung spotteten.

    Noch einmal veränderte sich das Bild. Als Erwachsener ritt er durch eine Straße. Links und rechts standen Menschen, meist junge Frauen. Sie warfen ihm Blumen zu. Einige ihre Leibchen.

    »Cool, das alles kann ich haben?«

    »Ja, du wirst berühmt und geachtet und alle lieben dich«. Die Gestalt lächelte, verzog aber sofort das Gesicht. »Aber du kannst auch das bekommen ...«

    Plötzlich sah sich der Junge mit einer Laute in einem Raum stehen. Ein Stofftuch mit einer Nummer prangte auf seiner Brust. Er versuchte etwas zu spielen. Und hörte Lachen. Er sah in die Gesichter einer Frau, eines Glatzkopfes und eines braungebrannten Kerls mit blonden Haaren. Dieser schien der Wortführer zu sein, während die Anderen still wie Mäuschen waren. Rafahello hörte wie die personifizierte Selbstbräunungscreme-Werbung sagte: »Ich glaub, die Laute verstimmt sich absichtlich. Die weigert sich, mit dir zu kooperieren.« Seine Stimme bewegte sich dabei an der Grenze zum Ultraschall und der Junge sah sein eigenes Ich mit zugehaltenen Ohren, nahe am Nervenzusammenbruch. In dem Traum bewegte sich die Fratze des braungebrannten Kerls plötzlich als diffuser übergroßer Nebel auf ihn zu und der Junge begann schrecklich zu schreien. »Neeiiiiin!«

    Schweißgebadet wachte er auf. Nun wusste er, was er werden wollte.

    Aus dem Nichts hörte er ein Geräusch, das nach »Puh« klang.

    Feuer & Schwert

    16. Tag im Mond des Gottes Ragnul 1595 nach Afaga.

    Der Reiter ritt die staubige Straße entlang, die Kapuze seines Mantels tief ins Gesicht gezogen. Die wenigen Menschen, die noch unterwegs waren, wichen dem Pferd aus. Eine unheilvolle Aura umgab den Verhüllten. Vor einer schäbigen Taverne zügelte er sein Reittier und saß ab. »Mist!«, fluchte er bei dem schmatzenden Geräusch, welches die brauneschwarze Masse unter seinem Stiefel erzeugte. Er schaute sich um und sah auf den Betrunkenen, der neben der Eingangstür schnarchte. Der Verhüllte lachte höhnisch unter seiner Kapuze, griff dann ein Stück der Tunika, die den Schlafenden kleidete und wischte sich den Pferdedreck von der Sohle. »Ich komme gleich wieder«, sagte er zu seinem Reittier. Das Pferd stellte kurz die spitzen Ohren auf und soff dann aus einem Bottich.

    Rauch verbarg die Sicht auf den kompletten Innenraum der Taverne. Doch selbst der Dunst schien die unheimliche Aura zu spüren und wich rasch zur Seite. Der Vermummte blieb kurz stehen und sah sich um. Er suchte nach anderen vermummten Gestalten und fand sie über mehrere Bratgänse gebeugt in der hintersten Ecke der Taverne. Er ging darauf zu und setzte sich. Gäste, die ihn beim Durchschreiten beobachtet hatten, wandten zitternd den Blick von ihm.

    »Und?«, begann der Verhüllte, ohne die Gruppe zu begrüßen. »Wie stehts mit der Waffenlieferung?«

    »Grump ...lles … grumpf …stellt«, sagte eine in einen blauen Mantel gekleidete Gestalt und schob sich ein weiteres Stück Gans in den Mund.

    »Was?«

    Der Angesproche schluckte hastig alles runter. »Ich sagte, alles bestellt.«

    »Was hat dir deine Mutter beigebracht? Nicht mit vollem Mund reden.«

    »Entschuldige, Opa.«

    »Du sollst mich nicht Opa nennen.«

    Die Anderen kicherten, doch eine ruckartige Bewegung mit dem verhüllten Kopf brachte sie zum Schweigen.

    »Und was ist mit dem Attentäter? Ist er ausreichend konditioniert?«

    Einer in einem grünen Mantel schaute von seiner Gans auf, eine halbe Keule lugte unter der Kaputze hervor. Hastig zog er sie nach vorne und legte sie auf den Teller. »Ja, Meister, er wird nicht wissen, was er tut. Wenn der Fürst seinen morgendlichen Spaziergang auf dem Waldboden unternimmt, wird er ihn für einen Menschen halten, der die Natur zerstören will. Eure Foltermethoden und Tränke haben ihn gefügig gemacht. Außerdem haben wir ihn so beeinflusst, dass er einen bestimmten Menschen im Fürsten sieht.«

    Er zauberte eine Pergamentrollensammlung mit dem Titel »Hurra« hervor und deutete auf die Titelseite, auf dem ein Mann in Rüstung stand. »Ich glaube der Anblick der Zeitschrift hätte schon ausgereicht. Es wird also keine Schwierigkeiten geben.«

    »Gut«, sagte der Verhüllte, »dann schlagen wir bald zu.« Er erbob sich und verließ die Taverne, so schnell wie er gekommen war. »Verfressenes Pack», dachte er und ritt Richtung Wald.

    Viele Meilen über Afaga – in einem Bereich, wo weder Raum noch Zeit zählten, nur guter Wein – versammelten sich alte Männer mit Bart und schöne Frauen in einem Zimmer, das von Bodennebel geflutet war. Sie trugen weiße Togas oder weiße Miniröcke – je nach Geschlecht – und ihre Häupter zierten goldene Lorbeerkränze. Der Älteste unter ihnen, also zwei Milisekunden vor den anderen aus dem Nichts erschienen, erhob das Wort.

    »Was hast du uns zu zeigen, Gott in Ausbildung?«

    Eine kleine dickliche Gestalt trat hervor. Ihre Gewandung entsprach nicht gerade dem Dress-Code solch eines Unternehmens. Das rosa Tutu bildete den vollen Gegensatz zum restlichen Weiß des Pantheons.

    »Heute will ich Euch eine Liebesgeschichte zeigen. Sie ist schon lange vorbestimmt.«

    »Ich hoffe, es gibt ein wenig Action«, sagte eine Schönheit, die einen kleinen Bogen in der Hand hielt.

    »Es gibt alles«, versprach der Gott in Ausbildung, »es ist eine klassische Geschichte.«

    Die Götter nickten beruhigt und ließen sich auf den weißen Bänken nieder. Sie starrten auf den roten Vorhang, der sich langsam auseinanderzog. Das Geraschel von Popcorn und das Schlürfen von Wein ertönte.

    Das Bild zeigte ein Stück Land im Meer.

    Wolken zogen gelassen über Afaga, als ob nichts unter ihnen sie etwas angehen würde. In der kleinen Burg nahe der Stadt Remingier, im Osten, herrschte schon hektische Betriebsamkeit, obwohl die Sonne immer noch mit sich haderte emporzusteigen.

    Millionen Jahre alte physikalische Gesetze trieben sie aber aus ihrem Himmelbett.

    Es würde ein schöner Tag werden, soviel war für die Bewohner der Burg sicher. Kühe wurden gemolken, Schweine auf die Weide getrieben und gelegentlich hörte man den Schmied schmerzerfüllt schreien, wenn er versuchte die Hufe der frisch beschlagenen Pferde von seinen Füßen zu entfernen.

    Sir Rafahello Feeheroo, größter Held des Landes und der Herr über diese Burg, schritt gerade fröhlich pfeifend durch ein kleines Seitentor. Auf seiner Schulter ruhte ein fünf Schritt langer und einen halben Schritt durchmessender Baumstamm. In einer Hand trug er eine wuchtige Säge. Da es schon lange keine Orks mehr zum Erschlagen gab, hatte er diese Beschäftigung gewählt, um seine Muskeln zu stählen. Ja, er hielt seinen Körper fit. Fit für den Kampf gegen die Kampflosigkeit, denn die Unholde und Feinde des Landes blieben zusehends aus. Die meisten starben schon auf der Überfahrt nach Afaga durch die Urgewalten des Meeres oder den gierigen Schlund eines Seeungeheuers. Oder sie wurden von den Raubfischen für Angler und Fischer gehalten. Niemand konnte diese Frage je beantworten. Denn die wenigen an den Strand gespülten Körper waren nie in einwandfreiem Zustand und Fragen konnten sie schon gar nicht mehr beantworten.

    Keine einzige Fettfalte bildete sich auf seinem Körper, während er den Baumstamm an die Wand der Burgmauer lehnte. Dafür traten die Muskelberge umso deutlicher hervor. Dieser gestählte Körper hatte ihm nun auch die Ehre gebracht, in der Jugendzeitung »HURRA« als lebensgroßer Starschnitt zu erscheinen.

    Seitdem überlegte er, ob er nicht im Nachbarland an der Wahl zum Herrn des Universums teilnehmen sollte. Er hatte sich schlau gemacht und Gemälde der Teilnehmer gesehen. Selbst der mehrmalige Gewinner A. Dunkelzerkleinerer, sah gegen ihn wie ein Hänfling aus.

    Die jungen Edeldamen des Landes wie auch die einfachen Bauerntöchter meinten, dass Rafahello äußerst attraktiv sei und nutzten jede Gelegenheit in seiner Nähe zu sein. Meist mussten sie aber vor den Burgmauern warten. Doch sobald er sich auch nur irgendwie zeigte, fingen die jungen Frauen an zu kreischen, hielten Holzbretter hoch, in die sie in mühevoller Kleinarbeit solche Sätze wie »Rafi, ich will ein Kind von dir« oder »Eheliche mich« eingraviert hatten. Auf dem Weg zum Abort schmunzelte er, als er daran dachte, wie neulich erst ein paar der jungen Frauen in Ohnmacht gefallen waren, als er ihnen von der Burgmauer zugewunken hatte. Eine hielt sogar noch am Boden ein Holzschild mit der Aufschrift »Ich liebe Dich« in der Hand.

    Rafahello war begeistert von dem Schild, denn es war aus einer seltenen Holzart und hatte lange im Kamin gebrannt. Er war ein Star, ohne jedoch Starallüren zu haben.

    Sein Weg führte ihn die Wendeltreppe im Haupthaus hoch. Hier war sein Reich: Voraus der Abort, links sein Schlafzimmer, in dem er bis auf einmal, alleine schlief. Noch heute war ihm das peinlich. Es geschah nach einer kleinen Feier – siebenhundertfünfundsechzig geladene Gäste, fünf getrunkene Hektoliter Ale, achtunddreißig verspeiste Ochsen und vierundfünfzig verspeiste Schweine – zu Ehren der Götter. Rafahello erwachte im Bett mit vier Schönheiten im Arm und konnte sich an keinen der Namen erinnern. Nicht, dass er kein Namensgedächtnis hätte, doch dies hatte nach dem fünfzehnten Ale einen Kurzurlaub angetreten. Sein getreuer Burgvogt Angus Hutsohn sorgte anschließend dafür, dass dieser Fehltritt nie bekannt wurde. Sowas machte sich einfach nicht gut für den Ruf eines Stars.

    Wie viel Gold den Besitzer gewechselt hatte, blieb immer ein Geheimnis, doch plötzlich eröffneten die Familien der vier Schönheiten Gasthaus- und Tavernenketten.

    Seine Gedanken kehrten ins Jetzt zurück. Denn dringende Geschäfte warteten auf ihn.

    »Ich hoffe, die zwei Kilo Pflaumen haben geholfen«, dachte er, während er die Tür vor sich öffnete. Der Abort war ein kleiner Raum innerhalb des Palas und mit allen Annehmlichkeiten ausgestattet, die sich ein Held nur wünschen konnte. Eine automatische Spülanlage – das gemeine Volk musste sich da mit Eimern behelfen –, eine große Waschschüssel, Fliesen und Handtücher farblich aufeinander abgestimmt. Es gab sogar Papierrollen mit ganz vielen Einzelblättern, dreilagig, auf denen ein großer, fetter Bär eingeprägt war. Das gemeine Volk musste nehmen, was es zwischen die Finger bekam. Ein kleiner Tisch, auf dem Pergamentrollen und zeitschriftenähnliche Papiersammlungen lagen, rundete das Bild ab. Nur am Duft des Raumes, der auf Fliegen wirkte, wie Chanel No 5 auf betagte Damen, musste noch gearbeitet werden.

    Rafahello machte es sich bequem. Da er von den letzten Tagen wusste, wie lange es dauern konnte, griff er zu einer siebzehn Jahre alten Zeitschrift. Sie trug den Titel »Feuer & Schwert«, hatte seinem verstorbenen Vater gehört und handelte von Drachen und Helden. Hier wurden die neuesten Waffen vorgestellt und Drachenarten besprochen. Allerdings ging es in erster Linie nicht um das Verhalten von Drachen, sondern um deren Schwachstellen und welche Waffe für die jeweilige Drachenart am besten geeignet war, sie in den Drachenhimmel zu befördern. Es gab sogar eine Rubrik »Biete gebrauchte Waffe« und vieles mehr. Die Artikel waren recht interessant und reichlich illustriert.

    Mit hochrotem Kopf, die Pflaumen wirkten doch nicht wie die Bader versprachen, blätterte er bis zu den Rettungsgesuchen der Jungfrauen.

    Wie die Herausgeber an die entsprechenden Informationen kamen, blieb im Dunkeln. Wahrscheinlich, dachte Rafahello, ritt einer der Mitarbeiter zu solch einem Gefängnis, sei es Turm oder Höhle, zeigte seinen Ausweis vor und bat um ein Interview. Und der Drache, oder wer auch immer diese Jungfrauen bewachte, dachte: »Warum nicht, je mehr Helden und Ritter auf eine Anzeige reagieren, desto mehr Spaß und Fressen.«

    Aufmerksam las er jede Einzelne, vielleicht sorgte das für die nötige körperliche Entspannung. Denn mittlerweile schnaufte er schon, jedoch wollte sich sein kleines verdauungstechnisches Problem nicht lösen.

    »Rette mich aus den Händen dieser verrückten Zwerge, die hier im Wald leben«, lautete eine der Anzeigen.

    ›Och nee‹, meldete sich Rafahellos Gehirn, ›die ist mit Sicherheit keine Jungfrau mehr.‹

    Der Ritter schüttelte den Kopf und las weiter: »Wenn du das Losungswort kennst, lass ich mein Haar vom Turm herab.«

    ›Weißt du, was das für Kosten an Haarwaschmittel sind, die bei solch langen Haaren auf uns zukommen?‹, fragte sein Gehirn.

    Der Ritter las die nächste Anzeige: »Hast du den passenden Schuh, dann heirate ich dich.«

    ›Die hat bestimmt riesige Quadratlatschen‹, merkte sein Gehirn an. Rafahello nickte. Nein, alles uninteressant oder finanziell tödlich.

    Er blätterte auf die nächste Seite um, als ihm gleich die einzige Anzeige auf dieser Seite ins Auge stach. Jemand musste unheimlich viel Geld investiert haben, um eine ganzseitige Anzeige zu schalten. Es gab nur zwei Möglichkeiten. Verdammt reich oder verdammt verzweifelt.

    Das kleine Bild zeigte ein wunderschönes Mädchen mit langen blonden Haaren und blauen Augen. Er schätzte ihr damaliges Alter und kam zu der Erkenntnis, dass sie beide heute ungefähr gleich alt sein mussten. Dann las er den Text, vergaß dabei sogar sein Stöhnen. Pure Entspannung überwältigte seinen Körper.

    »Verzweifelte Sie,

    bewacht von zwei Drachen, wartet auf Rettung.

    Ich suche den ganz normalen Helden,

    keinen Traummann, der mich aus den Klauen

    der Bestien befreit. Ich spreche zwei Sprachen,

    langweile mich aber sonst zu Tode.

    Bin belesen und kann mich eloquent ausdrücken.

    Wenn du dich angesprochen fühlst,

    findest du mich in einem pinken Turm, der auf

    einer Lichtung im großen Wald steht.

    Ich warte auf dich! C.«

    Diese Anzeige war nun siebzehn Jahre alt, doch ein unglaublicher spiritueller Drang durchflutete den Helden. Vielleicht waren es auch die Hormone. Jedenfalls wusste Rafahello genau, was er zu tun hatte. Denn er fühlte geradezu mit jeder Faser seines durchtrainierten Körpers, dass es noch niemand geschafft hatte, dieses Mädchen zu befreien.

    Er war Rafahello Feeheroo, Held von Afaga. Er würde sich dieser Sache annehmen. Vorausgesetzt, er kam wegen der Verstopfung, unter der er litt, innerhalb der nächsten Minuten vom Abort. Denn sonst würde er hier ersticken.

    Es rumorte plötzlich füchterlich in seinem Bauch und drei Minuten später erhob er sich erleichtert vom Abort, wusch sich die Hände und riss dann die Seite mit der Anzeige aus der Zeitschrift, um sie in seiner Hose zu verwahren. Erleichtert, dass er für die nächsten Tage eine heldenhafte Aufgabe hatte und erleichtert, dass seine Verstopfung vorbei war, verließ er den Abort und ging frühstücken.

    Nach dem leichten Frühstück, bestehend aus einem gebratenen Huhn, gebratenen Speck und zwei Eiern, betrat er die Hauptburg und blinzelte mit seinen klaren, grüngrauen Augen in die Sonne. Eine leichte, kühlende Brise strich durch sein kurzes braunes Haar und brach sich dann heulend an der Wand des Bergfrieds.

    »Marschall, sattelt meinen Hengst«, rief er zu dem kleinen Mann hinüber, der mit dem Gärtner in ein Gespräch vertieft vor den Stallungen stand. Rafahello strich sich mit seinen gepflegten Händen über das glatte Kinn und begann zu lächeln. Kleine Falten bildeten sich um seine Augen und die zwei Grübchen am Ende der Mundwinkel sagten: »Hallo.«

    Der kleine Mann schrak hoch, nickte dann und verschwand im Stall.

    »Und ich nehme Rüstung und Waffen mit. Wir wollen mal sehen, ob der alte Klepper beladen noch so schnell rennen kann, wie früher. Nur leichte Bewaffnung und Rüstung. Den Bi-Händer, die zwei Einhänder, den Anderthalbhänder, den Speer und den Schild, den Helm, die Schuppenrüstung, das Kettenhemd, die Plattenhandschuhe und die Arm- und Beinschienen.«

    »Wieher, Wieher, wieh«, drang es fröhlich als Antwort aus dem Stall.

    Rafahello schien zu überlegen, ob er etwas vergessen hatte, als sein Marschall verwirrt aus der Tür schaute, dann mit den Schultern zuckte und wieder im Stall verschwand, um das Pferd für den Ausritt fertig zu machen.

    In der Zeit, in der der Ritter auf sein Pferd warten musste, setzte er sich auf die Treppe, die zur Eingangstür des Wohnhauses führte. Oft saß er hier und dachte über sein noch recht junges Leben nach.

    Früher wollte er immer Barde werden. Dies änderte sich allerdings schlagartig. Von einem Tag auf den anderen war der Wunsch wie weggeblasen. Rafahello konnte sich bloß nicht mehr erinnern, was der Grund dafür war.

    Der junge Mann konnte viele Dinge. Drachen töten, mit einem Hieb einer Hydra drei Köpfe abschlagen, eine Übermacht Feinde in Angst und Schrecken versetzen, nur singen konnte er nicht. Allerdings versuchte er es immer wieder, wenn er im Badezuber lag. Das war der Moment, wo alle, inklusive der jungen Frauen vor der Mauer, dringend etwas erledigen mussten und zwar mindestens vier Meilen von der Burg entfernt.

    Die Burg, auf der Familie Feeheroo lebte, gehörte zu den kleineren dieser Bauwerke.

    Sämtliches Mauerwerk erstrahlte, wie es sich für das Heim eines Helden gehörte, in dem weißesten Weiß, das je ein Mensch gesehen hatte. So weiß, dass die reflektierte Sonnenenergie ausreichte, auch bei zwanzig geschorenen Eichhörnchen¹ Außentemperatur auf dem Vorplatz zum Wohnhaus eine angenehme Temperatur von fünfzehn Eichhörnchen zu erzeugen. Im Sommer schwitzten die Leute dann schon mal bei fünfundsechzig Eichhörnchen und das Wasser im Brunnen fing an, leichte Blasen zu werfen.

    In dem Moment führte der Pferdemarschall den Rapphengst Detlef aus dem Stall. Der Ritter stemmte seinen muskulösen, durchtrainierten Körper geräuschlos in die Höhe und schritt auf das Pferd zu.

    Mit einem Stockmaß von 1,7 Schritt und einem Gewicht von einer Tonne war dieses Kaltblut eine beeindruckende Erscheinung. Das Fell glänzte im Sonnenlicht, der lange Schweif verscheuchte ein paar Fliegen. Der große Ramskopf mit den langen Ohren saß auf einem relativ kurzen Hals. Die beschlagenen Hufe am Ende der langen, kräftigen Beine verursachten Funken auf dem steinernen Boden der Hauptburg, als das Tier zu tänzeln anfing. Die Nüstern blähten sich auf. Das Pferd wusste instinktiv, dass etwas in der Luft lag oder bald liegen würde. Just in diesem Moment entwich ein Schwall Gase geräuschvoll seinem Hinterteil.

    Der Marshall sprang zurück und hielt sich die Nase zu. Er schnappte nach Luft und drückte Rafahello die Zügel in die Hand.

    »Ich muss mich noch um andere Dinge kümmern, Herr«, sagte er und verschwand so schnell es ging in den Stall.

    »Wieher Wieher«, wieherte das Pferd, »der Kohl von gestern Abend war nicht gut für mich.«²

    »Ruhig mein Alter«, wisperte Rafahello dem Pferd ins Ohr, strich über das Fell des kompakten Rumpfes und versuchte dabei, so wenig wie möglich zu atmen.

    »Ich bin ruhig«, meinte Detlef wiehernd, «ich habe nur Blähungen.«

    Detlef sah mit der Ausrüstung ein wenig aus, als würde er unter Rückenproblemen leiden.

    Der Vorteil: Niemand konnte nach hinten abrutschen, weil der Rücken eine leichte Kuhle bildete. Auch in Afaga galten die Gesetze der Schwerkraft, und dies bedeutete, dass die »leichte Bewaffnung« aufgrund ihrer Masse von der Erde angezogen wurde.

    Nachdem Rafahello alles festgezurrt hatte, ergriff er die Zügel, setzte einen Stiefel in den Steigbügel und zog sich auf das Pferd. Das Sonnenlicht ließ ihn blinzeln und er schaute nach oben.

    Eine weiße Taube flog vorbei und wünschte ihm mit einem besonderen Geschenk Glück. Leider konnte sie nicht sehr gut zielen und das Geschenk zerplatzte mit einem »Platsch« auf dem Kopfsteinpflaster der Hauptburg.

    Kurz rieb sich Rafahello über seine schmale Nase, überlegte, ob das, was er tun wollte auch richtig war. Er kam zu der heldenhaften Erkenntnis, dass ein Held tun musste, was er eben tun musste.

    »Ich bin in ein paar Tagen zurück«, rief er Angus Hutsohn zu, der gerade mit einem Becher Kaffee zurückkehrte und dabei in Gedanken nochmal bei der Nacht mit Rosi Back verweilte. Geistesabwesend nickte der Burgvogt. Feeheroo stieß seine Stiefel in die Flanken von Detlef.

    Der Hengst verfiel aus dem Stand in einen leichten Trab, seine Nüstern weiteten sich und dann wieherte er kraftvoll. Freude lag in dem Geräusch, Freude über einen Ausritt mit seinem Herrn. Als sie die Burg verließen, kreischten die wartenden Edeldamen und liefen Rafahello noch ein Stück hinterher. Unbeirrt setzte der Ritter seinen Weg fort und als sie an den Feldern der Bauern vorbei waren, gab Rafahello Detlef ein Zeichen. Sofort grub dieser seine Hufe kraftvoll in den Boden und stieß sich ab. Eine Staubwolke hinter sich lassend, preschte er im Galopp über die Ebene. Rüstung und Schwerter klapperten trotz der festgezurrten Lederriemen am Sattel. Rafahello zuckte mit den Schultern und suchte in seiner kleinen Gürteltasche nach Ohrstopfen. Er fand keine.

    Der Weg führte Ross und Reiter über saftiges, grünes Gras. Sanfte Hügel und vereinzelte große Bäume begleiteten den Weg der beiden. Eine prächtige Landschaft zum Ausreiten.

    Stundenlang führte sie ihr Weg gen Westen, trieben sie Herden von Rindern auseinander, lachten bzw. wieherten dabei.

    Noch immer zogen die Wolken gemächlich am Himmel entlang und machten sich ab und an einen Spaß daraus, die Sonne zu verdecken, als der junge Ritter beschloss, eine Rast zu machen. Nicht wegen sich selbst, sondern wegen Detlef.

    Rafahello hatte das Gefühl, der alte Hengst pfiff nach dem anstrengenden Ritt aus allen Löchern. Ein bedrohliches Keuchen war aus dem Maul des Pferdes zu hören. Und ab und an auch aus seinem Hintern.

    Die beiden entdeckten eine kleine Baumgruppe. Ein Bach plätscherte in der Nähe. Sie ritten darauf zu, Sir Rafahello sprang vom Pferd und ließ sich im Gras nieder. Das Tier tat es ihm gleich. Die fünfzehn Schritte bis zum Bach waren zuviel für den Hengst, der die Nacht unerkannt auf der Weide mit den Stuten verbracht hatte. Er schnaufte und keuchte wie eine alte Dampflok und Rafahello, der zwar nicht wusste, was eine Dampflok war, aber das Geräusch sehr gut kannte– sein Vater hatte kurz vor seinem Tode so geschnauft und gekeucht. Rafahello hatte von Anfang an gesagt, dass sein Vater zu alt für drei Frauen gleichzeitig war, aber er wollte ja nicht hören, und dann war er im Bett gestorben –, hoffte, dass das alte Pferd sich später wieder erhob.

    Das hoffte Detlef auch. Doch die Nacht war es wert gewesen. Rafahello schaute kurz zu Detlef und ließ sich dann an einem knorrigen Baum nieder. Er faltete die Hände vor dem Bauch und schloss die Augen. Kurze Zeit später schlief der Mann ein, während Detlef, das Schlachtross, neben ihm schnaufte und versuchte, ein paar Grashalme mit seinen alten Zähnen aus dem Boden zu ziehen. Rafahello träumte von der jungen Frau und von den beiden Drachen. Doch es war kein schöner Traum. Mutig kämpfte er mit den Drachen und verlor.

    Er erwachte und schrie.

    Es war nur ein Traum gewesen, dennoch schaute sich der Ritter vorsichtig um und wischte den Schweiß von seiner Stirn. Gedankenfetzen kehrten langsam zurück. Gedanken daran, wo er sich befand und von was er geträumt hatte.

    Sir Rafahello wusste, was er zu tun hatte. Erst die Kontaktanzeige, dann dieser Traum. Hier war ein Held gefragt. Denn nur Helden konnten Drachen besiegen. Oder als gegrilltes Würstchen enden. Die Chancen für normale Menschen, den Kampf mit einem Drachen zu überleben, standen zehn Milliarden zu eins. Die der Helden zehn Millionen zu eins.

    Also die besten Voraussetzungen. Er stand auf und lockerte seine Muskeln, dann versuchte er, Detlef dazu zu bewegen, aufzustehen. Eine halbe Stunde später und als frischer Besitzer von mehreren blauen Flecken saß er auf dem alten Pferd.

    Einige Zeit später rieb sich Rafahello immer noch die Stellen am Bein, wo Detlef ihn gebissen und getreten hatte.

    »Blödes Vieh!«, dachte der junge Mann, »Warte nur, bis der Seifenmacher kommt.«

    Er merkte es erst nicht, zu sehr war er noch mit den blauen Flecken beschäftigt, doch dann nahm er die Veränderungen war. Die Graslandschaft des Westens wich langsam zurück und an ihrer Stelle wuchsen Moose und Bäume. Rafahello hat die Grenze zum Elbenland überschritten. Hier am Rande waren die Bäume noch Bäume und keine Giganten wie im nahen Dschungel. Es gab noch Siedlungen, deren Häuser auf dem Boden standen. Doch je näher Rafahello dem großen Wald kam, desto mehr bestanden die Siedlungen aus Gasthäusern und Tavernen. Die Elben liebten gute Küche und das bescherte so manchem Wirt Reichtum. So eine Siedlung steuerte der junge Ritter nun an. Es war Zeit, einen Ruheplatz für die Nacht zu finden.

    Das Dorf, in das er nun hineinritt, bestand aus wenigen Lehmhütten und einem Steinhaus. Er steuerte das Steinhaus an, denn daran hing ein Schild, welches darauf hindeutete, dass es sich um ein Gasthaus handelte. Rafahello stieg vor der Eingangstür ab und band Detlef an einen Pfahl. Dann betrat er das Haus durch die alte knarrende Tür und torkelte vor dem Geruch zurück. Ein Gemisch aus Schweiß, Tabak und Schweinefleisch stieg ihm unangenehm in die Nase. Einen Brechreiz unterdrückend schaute er sich im Raum um. Der Raum schaute zurück. Alle Augenpaare richteten sich auf den Neuankömmling, für kurze Zeit verstummten die Gespräche. Es lag keine direkte Feindseligkeit in der Luft, eher so was wie: »Heute Nacht hauen wir dir die Rübe ein, Bürschchen und klauen dein Geld«. Doch diese Schwingung reichte, dass sich Rafahellos Nackenhaare aufrichteten. Er zog sein Schwert etwas aus der Scheide und ließ es gleich wieder verschwinden. Der junge Ritter hoffte, dass die Anwesenden die Warnung verstanden hatten. Mussten sie wohl, denn sie starrten gleich darauf Rafahello nicht mehr an, sondern steckten die Köpfe zusammen.

    Das Gasthaus hatte schon bessere Tage gesehen, viel bessere. Bei den wild geflickten Stühlen fragte sich der Held, wie sie überhaupt noch das Gewicht eines Menschen aushalten konnten. Die Wände waren vergilbt und hätten einen neuen Anstrich vertragen können. Vielleicht war es auch gewollt, dass die Farbe der Wände das Licht der verstaubten Kerzen, die in rostigen Haltern steckten, schluckte. So konnten einige der Anwesenden im Zwielicht nicht erkannt werden. Der Boden war bedeckt mit einer Patina aus Staub, Fett und Asche. Schädel toter Tiere hingen an den Wänden. Sie machten den Eindruck, als blickten sie anklagend in Richtung Theke. Die dazugehörigen Felle waren achtlos auf Bänke drapiert und hatten so viele Löcher, dass sich der Held fragte, wie viele tausende Generationen Motten sich von ihnen ernährt hatten. Alles in allem war dieses Gasthaus nicht gerade ein Anwärter für einen Platz im Buch »Die 500 besten Tavernen und Gasthäuser in Afaga«. Auch der Held strich dieses Gasthaus von der Liste seiner besuchbaren Tavernen. Heute Nacht würde es reichen müssen. Als Held durfte er nicht pingelig sein, sich nicht fragen, ob die vorherrschende Mischung der verschiedenen Düfte vielleicht tödlich war. Rafahello ging langsam, doch mit einer Würde, die Macht ausstrahlte, zur

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1