Das Kloster: Tragödie in vier Akten
Von Emile Verhaeren und Stefan Zweig
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Über dieses E-Book
Verhaeren studierte Rechtswissenschaft an der Katholischen Universität Löwen, wo er 1879 erste eigene Artikel in Studentenzeitschriften veröffentlichte.
Beeinflusst durch Schriftsteller und Künstler der Avantgarde entschied er sich früh, seine juristische Laufbahn aufzugeben und Schriftsteller zu werden.
Stefan Zweig, der dieses Werk übersetzte, war ein großer Bewunderer Verhaerens.
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Buchvorschau
Das Kloster - Emile Verhaeren
Inhaltsverzeichnis
Das Kloster
Personen
Erster Akt
Zweiter Akt
Dritter Akt
Vierter Akt
Impressum
Das Kloster
Tragödie in vier Akten
Nachdichtung von Stefan Zweig
Personen
Der Prior
Dom Balthasar
Dom Marc
Thomas
Dom Militien
Isebald
Theodul
Mönche
Gläubige, Volk
Erster Akt
Der Klostergarten. Regelmäßige Blumenbeete, Gesträuch, Lauben, eine Sonnenuhr. Rechts im Vordergrunde der Klostergang, links das romanische Eingangsportal zur Kapelle. Im Hintergrunde Mönche, die mit Kugeln spielen, Netze stricken und die Gartenwerkzeuge instand setzen. Einige von ihnen sitzen vorn auf einer Holzbank und disputieren.
Thomas
Ich sagte Euch doch: Gott kann nicht das Böse sein. Nun aber setzt die Furcht das Böse voraus. Warum also lehrt man: Die Furcht des Herrn ist aller Weisheit Anfang?
Dom Balthasar
Ihr grübelt zu viel!
Thomas
Die Frage ist wichtig. Beantwortet man sie falsch, so wird der ganze christliche Wandel falsch.
Dom Balthasar
Ich sage Euch, Ihr grübelt zu viel!
Dom Marc
Man soll Gott nicht fürchten, man soll ihn lieben.
Thomas
Ihr sprecht wie Basilides, der Erzketzer.
Dom Marc
Ich wie Basilides?
Thomas
Basilides sagt wortwörtlich, was Ihr behauptet.
Dom Marc
Der heilige Augustin sagt es ebenso.
Dom Militien
Dom Marc hat recht. Der heilige Augustin sagt wörtlich: »Liebe und tu, was du willst«.
Thomas
Oh, das ist nicht dasselbe. Der heilige Augustin verwirft nicht die Furcht. Man muss vielfältig sein in Gottes Verehrung, muss gleichzeitig zaghaft und zitternd und inbrunstvoll sein ...
Dom Balthasar ungeduldig.
Ihr grübelt zu viel ... Ihr grübelt zu viel ...
Thomas
Ihr verkennt, mein Bruder, die grenzenlose Mannigfaltigkeit der göttlichen Naturen und Gestaltungen.
Dom Balthasar jäh.
Ich brenne für Gott in verzehrender Glut,
Und die nur versteh ich, die fast mit Wut
Ihn bekennen und lieben, als hätt ihre Seele
Zu seinem Preise nur einen Schrei,
Nur einen, doch einen starken und reinen,
Der heilig macht wie der Taufe Quell!
Ein Schweigen.
Gott will ja keine Deutelei,
Will nicht beschrieben sein und nicht gemessen
In Büchern, die von Hochmut überquellen.
Thomas
Schlicht ist dein Glaube wie die Blumen. Doch er streift
Nur eben an des Gotteswesens erste Schwelle.
In unsern neuen, geistig so erstarkten Zeiten
Verbreiten Gott nur einzig die, die für ihn streiten.
Balthasar heftig.
Gott ist umso mehr Gott, als man ihn nicht begreift.
Nur dann, wenn Liebe und der Glaube müde zagen,
Den Heiland nackt und blutend durch die Welt zu tragen,
Dann erst beginnt man, klug ihn zu beweisen,
Verzettelt Zeit und Kraft mit schwanken Hypothesen.
Er aber lacht, wenn solche Hirngespinste
Von List und Hochmut gierig ihn umkreisen.
Ein Gräuel sind ihm diese Rechenkünste,
Die Schacher treiben und die seine Größe
Aus Wort und Zahlen klüglich auferstehen lassen.
Nein, Gott ist größer, als wir je erfassen,
Kein Senkblei taucht hinab in seine Tiefe,
An seiner Fülle schwinden alle Maße,
Und nur die Heiligen, die trunken in Ekstase
Voll Demut, Qual und Lust ihn brünstig riefen,
Gelangten manchmal wirklich an sein Herz.
Dom Militien
Das ist die Wahrheit!
Dom Marc überströmend auf Balthasar zutretend.
Mein Bruder, o mein Bruder!
Thomas wie überrascht.
Wahrlich, wir verdienten gezüchtigt und verworfen zu werden!
Zu den andern Mönchen sich wendend, die ihre Spiele unterbrochen haben und zuhören, ohne sich an der Diskussion zu beteiligen.
Dahin gelangten wir also seit dem heiligen Bonaventura und Thomas von Aquin!
Zu Dom Marc und Dom Militien.
Auch das sind Heilige, der euren wahrlich wert,
Diese Apostel, deren starke Stirn und Geister
Heiter und flammend glühten wie ein Gottesschwert.
In sicherem Denken sah ihr Herz die Flamme,
Um andre Seelen rein und mächtig zu begeistern,