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Der Kardinal: Bekenntnisse eines Priesters
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eBook220 Seiten2 Stunden

Der Kardinal: Bekenntnisse eines Priesters

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Über dieses E-Book

Benno Rüttenauer (2.2.1855 – 1.11.1940) war ein deutscher Schriftsteller und Übersetzer.

Sein Werk umfasste Essays zu Kunst und Literatur, Erzählungen mit autobiografischem und lokalem Hintergrund und historische Romane.

Bekannt ist Rüttenauer heute vor allem für seine Übersetzungen von Honoré de Balzac und Stendhal.

Der Kardinal wurde erstmals 1912 veröffentlicht.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum2. Nov. 2015
ISBN9783739203843
Der Kardinal: Bekenntnisse eines Priesters
Autor

Benno Rüttenauer

Benno Rüttenauer (2.2.1855 – 1.11.1940) war ein deutscher Schriftsteller und Übersetzer. Sein Werk umfasste Essays zu Kunst und Literatur, Erzählungen mit autobiografischem und lokalem Hintergrund und historische Romane. Bekannt ist Rüttenauer heute vor allem für seine Übersetzungen von Honoré de Balzac und Stendhal.

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    Buchvorschau

    Der Kardinal - Benno Rüttenauer

    Inhaltsverzeichnis

    Der Kardinal

    Vorbemerkung

    Gefangenschaft und Flucht

    In der Verbannung

    Der Bekenntnisse erstes Stück

    Der Bekenntnisse zweites Stück

    Der Bekenntnisse drittes Stück

    Der Bekenntnisse viertes Stück

    Der Bekenntnisse fünftes Stück

    Impressum

    Der Kardinal

    Dieses Buch ist 

    Meiner Freundin 

    der Frau Hofrätin 

    Edith von Térey 

    in Budapest 

    gewidmet

    Vorbemerkung

    (die zu lesen aber nicht nötig ist)

    Die Denkwürdigkeiten des Kardinals von Retz gehören in einzelnen Teilen zu den erstaunlichen Selbstbekenntnissen, womit wenige außerordentliche Männer die Weltliteratur zu bereichern den Mut hatten, und worin dieselben zur Naturgeschichte des Menschen, insofern er ein moralisches Wesen ist, unersetzliche und unvergleichliche Dokumente geliefert haben, deren ewige Bedeutung längst erkannt ist.

    Denn es haben diese kostbaren Hinterlassenschaften ein Spezifisches, das ihnen in einer gewissen Richtung eine Bedeutung gibt weit über alle andern literarischen Dokumente hinaus.

    Mehr als alle philosophischen Systeme zusammen und mehr auch als alle noch so dokumentierten objektiven Darstellungen von Menschengeschichten und Weltgeschichten, sind diese Bekenntnisbücher und persönlichen Beichten ein Spiegel der menschlichen Natur, ein Geheimkabinett (das dennoch jedem offen steht) zu einem besonders intimen Studium des interessantesten Objekts unserer höheren Neugierde: des Menschen.

    Darum neigen gewisse selbständige Beurteiler literarischer Werke, die zugleich leidenschaftliche Erforscher alles Menschlichen sind, immer mehr dahin, etwa das ganze Werk eines Heiligen Augustinus gern hinzugeben gegen seine »Konfessionen«, wie das des unheiligen Jean-Jaques gegen die seinigen, und ist vielen Verehrern des ehrwürdigen Montaigne dessen Werk vor allem um der darin enthaltenen (und off gar nicht ehrwürdigen) Selbstbekenntnisse so über allen Vergleich teuer.

    Die drei genannten Namen, nebst einigen andern, stehen längst mit riesigen, für jedermann sichtbaren Lettern eingeschrieben im Buch der Weltliteratur.

    Nicht so der Name des Kardinals von Retz. Und das trotz der Kraft und Originalität seines Stils, worin er Rousseau und Montaigne kaum nachsteht, von dem rhetorischen Augustinus nicht zu reden.

    Und trotzdem er ganz andere Verbrechen (und Schwächen) zu beichten hat als keiner von jenen dreien.

    Aber er ist der geringere Künstler. Und was seinem Buch am meisten schadet: es ist zu einem großen Teil rein politische Geschichte, nämlich eine Darstellung der Bürgerkriege (der sogenannten Fronde) in der Zeit der Minderjährigkeit des vierzehnten Ludwig. Da ist also der Kardinal in erster Linie Geschichtsschreiber, Erzähler eines Stücks Weltgeschichte, die er selber gemacht hat. Xenophon und Cäsar haben so Geschichte geschrieben. Für Leser mit tiefergehendem historischen Interesse ist Retz auch in diesen Partien in hohem Grad lehrreich. Auch hier entbehrt sein Stil nicht der originellen Würze.

    Aber wie hoch man auch den Kardinal von Retz als Geschichtsquelle stellen mag, unendlich größer ist doch die literarische Bedeutung derjenigen Teile seines Werks (etwa ein Fünftel des Ganzen), wo er ausschließlich »Bekenner« ist, wo dieser Priester und Fürst der Kirche sich zeigt in seiner ganzen »menschlichen und allzu menschlichen« Nacktheit.

    Und also war man hier darauf bedacht, das Politische und Historisch-Äußerliche, kurz, das Unpersönliche auf das Nötigste zusammenzuziehen und dafür den menschlichen Inhalt in die wirksamste Beleuchtung und Gruppierung zu rücken, ja aus einer Reihe von gleichzeitigen Memoiren und Briefwechseln (Tallemand des Réaux, Saint-Simon, Sévigné, Bussy-Rabutin und anderer) abrundend zu ergänzen.

    Dieses Verfahren entkleidet mein Unternehmen der sogenannten »Wissenschaftlichkeit«, die nicht beabsichtigt war, keineswegs aber der dokumentaren Echtheit.

    Denn auch einen Roman daraus zu gestalten, lag mir fern, im Unterschied zu meiner »Prinzessin Jungfrau« (München, Verlag Georg Müller), womit sich der Kardinal im Stofflichen vielfach berührt.

    Dieses Buch will also kein Roman sein. Sollte es sich dennoch wie ein solcher lesen, umso besser.

    Gefangenschaft und Flucht

    Der Kardinal von Retz an die Marquise von Sévigné.

    Rom, den 19. Mai 1656

    Verehrte Freundin, liebe Base.

    Die schönen Worte, die Ihr mir über meine Reise von San Sebastian über Florenz nach Rom schriebt, waren mir ein neuer Beweis Eurer aufrichtigen Freundschaft und Ergebenheit.

    Heut' melde ich Euch die Erwählung des neuen Papstes, des früheren Kardinal Chigi, der den Namen Alexander VII. angenommen hat.

    Wenn ich mich nur nicht in seiner Person getäuscht habe. Denn so viel darf ich mir schmeicheln, dass der Mann ohne meine umsichtige Politik niemals zu der hohen Würde gelangt wäre. Er weiß das selber nur zu gut.

    Und so viel ist sicher, dass noch niemals eine Papstwahl so allgemeinen Beifall gefunden hat, und das Betragen des neuen Papstes im ersten Augenblick schien diesen unverhehlten Beifall durchaus zu rechtfertigen. Für mich war sein Verhalten nur ein neuer Beweis von jener seltsamen Schwäche der menschlichen Natur, die bewirkt, dass der Mensch über das Eintreten des Außergewöhnlichen umso mehr erschrickt, je ungeduldiger seine Erwartung danach stand. Der Papst zeigte so wenig Freude und Genugtuung über seine Erhebung, dass es fast den Anschein gewann, sie erfülle ihn einzig mit Schmerz und Betrübnis. Er weinte bitterlich, als das Skrutinium, das ihn zum Papst machte, verlesen wurde, und als er bemerkte, dass ich, der ihm zunächst stand, mich darüber verwunderte, umarmte er mich wie in plötzlicher Rührung.

    »Verzeiht,« sprach er, »diese Schwäche einem Manne, der seine Nächsten immer herzlich geliebt hat und sich nun auf einmal so hoch über sie hinweggesetzt und von ihnen getrennt sieht.«

    Merkwürdige Worte, nicht wahr? Man begab sich unter den üblichen Zeremonien von der Palastkapelle hinunter nach dem Sankt Peter. Hier setzte sich der Papst, nicht ohne Affektation, an der äußersten Ecke des Hochaltars nieder, obwohl ihm der Zeremonienmeister zu verstehen gab, dass nach Sitte und Herkommen sein Platz in der Mitte des Altars sei. Er empfing die Adoration des Heiligen Kollegiums mit mehr Bescheidenheit als stolzer Würde, mit mehr Niedergeschlagenheit als Triumph, und als an mich die Reihe kam, ihm die Füße zu küssen, umarmte er mich von neuem und sprach: Signor Kardinal de Retz, ecce opus manuum tuarum. (Herr Kardinal von Retz, Ihr kniet vor dem Werk Eurer eignen Hände.) Er sprach dies so laut, dass die Botschafter von Spanien und Venedig, sowie der Connetable Colonna es deutlich hörten. Und denkt nur, welche Wirkung die Worte tun mussten. Die Botschafter wiederholten sie den nächststehenden und in wenigen Augenblicken liefen sie von Mund zu Mund durch die ganze ungeheure Kirche.

    Ich sollte unterdessen bald erfahren, wie wenig ein Wort in dem Mund eines Souveräns zu bedeuten hat. Man feiert hier nach altem Herkommen alljährlich zu Sankt Johann im Lateran eine Seelenmesse für Heinrich den Vierten, an der die Botschafter von Frankreich wie auch sämtliche Kardinäle der französischen Partei teilzunehmen pflegen. Wenige Tage vor dieser Gedächtnisfeier ließ der Kardinal von Este, der Söldling Mazarins, öffentlich erklären, dass er meine Gegenwart bei dieser Feier nicht dulden werde. Ich ließ hierauf den Papst um eine Audienz bitten. Er verweigerte sie mir unter dem Vorwand, unpässlich zu sein. Ich ließ darauf Seine Heiligkeit um ihre Befehle bitten. Einem ausdrücklichen Verbot des Papstes zu gehorchen und auf Grund eines solchen Befehls der Feier fern zu bleiben, konnte nichts Schimpfliches für mich haben. Aber ich brachte aus dem Papst nichts heraus als zweideutige und ausweichende Antworten.

    Ich durfte aber nicht von mir aus mich selber als französischen Kardinal degradieren, indem ich mich von einer Sache ausschloss, wozu mich die Pflicht des Patrioten vor allen berief. Und also begab ich mich mit einem großen und wohl bewaffneten Gefolge nach dem Lateran und nahm meinen Platz ein. Ich grüßte meine Kollegen aufs höflichste, nicht ausgenommen die französische Partei, die sich damit begnügte, meinen Gruß unerwidert zu lassen. So lief durch die Zaghaftigkeit dieser Herren die Sache noch gut ab. Sie hätte aber auch, denn ich war mit meiner Mäßigung zu Ende, einen bösen, ja blutigen Ausgang, nehmen können, und ein solcher wäre allein dem Papst und seinem feigen Verhalten gegen mich zur Last gefallen.

    Ebenso schwankend zeigte sich Papst Alexander in einer andern Angelegenheit. Der französische Botschafter in Rom hatte allen französischen Untertanen im Namen des Königs (sollte heißen des Ministers) verboten, mir die meiner Stellung schuldigen Ehren zu erweisen, als insbesondere auf der Straße vor mir anzuhalten und das Knie zu beugen.

    Diesen Affront musste ich mir von allen königlichen Würdenträgern wohl oder übel gefallen lassen, da ich es mir zum Prinzip gemacht hatte, jede Feindseligkeit zu vermeiden, die als direkt oder indirekt gegen die Person des Königs gerichtet ausgelegt werden konnte. Gegen Privatpersonen aber, ohne Schild und Banner des Königs, hielt ich mich für verpflichtet, den Respekt vor dem Purpur, wenn es sein musste, mit Gewalt zu ertrotzen. Und so zeigte ich mich in der Öffentlichkeit nur noch im Gefolge von sechs Karossen und zahlreichen bewaffneten Mannschaften. Da jedoch wirkliche Gewalttätigkeiten, sowohl gegen meine Grundsätze wie meine angeborenen Neigungen gehen, schärfte ich meinen Leuten ein, niemanden persönlich ein Leids zu tun, sondern nur den Pferden die Flechsen zu durchschneiden, sobald eine fremde Karosse nicht vor mir anhielt. Diesem Schimpf wollte sich niemand aussetzen. Die Mehrzahl der Franzosen zog es vor, anzuhalten, und diejenigen, die da glaubten, dem Botschafter vor allem gehorchen zu müssen, vermieden es ängstlich, mir zu begegnen.

    Von diesen Vorgängen hörte der Papst. Er ließ mich zu sich rufen und meinte, dass ich Unrecht tue, die Untertanen meines Königs zu bedrohen; als ich ihn aber frei heraus fragte, ob es seine Meinung sei, dass ich die Würde des Purpurs in meiner Person ungestraft beschimpfen lassen solle, wurde er verlegen und schien seinen Tadel zurückzunehmen, höchst ärgerlich, dass ich ihn, wie er sich ausdrückte, fortgesetzt dem französischen Minister gegenüber in peinliche Verlegenheit brächte.

    Ich fuhr nichtsdestoweniger in meinem Betragen unverändert fort, und alle meine Freunde beglückwünschten mich über mein kühnes und von Erfolg gekröntes Auftreten.

    Unter allen Akklamationen aber, die ich bis jetzt von den verschiedensten Seiten erhielt, steht ein Brief der Fürstin von Rohan-Guémené obenan. Ich glaubte meine Beziehungen zu der alten Freundin so gut wie abgerissen. Ihr enthusiastisches Schreiben vom dreizehnten Mai belehrte mich eines Besseren. Immerhin mochte es sein, dass ihre Liebe unter der Asche der Jahre seit lange nur noch schwach glomm, nun aber durch den Sturm großer persönlicher Ereignisse, die ich in den letzten Monaten durchschritt, zu neuer Kraft angefacht wurde. Die Großmütige hat es sogar fertiggebracht, ich begreife selbst nicht, wie es ihr gelungen, mir die Summe von zehnmalhunderttausend Talern zur Verfügung zu stellen, da sie mit Recht annahm, dass der Kredit eines politischen Flüchtlings auf schwachen Füßen stehe.

    Und nun ein Wort von dem weiteren Inhalt des Pakets. Das dicke Manuskript ist die Geschichte meiner Einkerkerung im Turm zu Vincennes und auf der Burg zu Nantes, sowie meine Flucht aus dem letzteren Orte. Euch, verehrte Freundin, sind diese Vorgänge mehr oder weniger bis in die Einzelheiten bekannt. Ich habe darum das Opuskulum für mein Patenkind, Eure Tochter, bestimmt. Sie kann es jetzt noch nicht verstehen. Aber ich denke, sie wird sich eines Tages, wenn ich vielleicht nicht mehr sein werde, ein wenig freuen, dieses Dokument und Andenken von ihrem unglücklichen Paten zu besitzen.

    Mit den besten Wünschen für Eure und der Eurigen Gesundheit bin ich

    Euer allzeit ergebener und getreuer Diener 

    Kardinal von Retz.

    Beilage zu dem voranstehenden Briefe.

    Mein liebes, teures Patenkind, herzlich verehrtes Bäschen.

    Das Manuskript, das ich Dir hier schicke, wirst Du vielleicht erst lesen, wenn Dein Pate schon nicht mehr unter den Lebenden weilt. Was Du darin finden wirst, ist freilich nur ein Fragment, und Du musst Dir von der Frau Marquise, Deiner Mutter oder von wem es sonst sei, erzählen lassen, wie die Dinge gekommen sind:

    Wie im Jahr 1648 der Kardinal Mazarin durch unmäßige und ungerechtfertigte Steuer das Parlament und die Bevölkerung von Paris zum Aufstand gegen die königliche Regierung reizte und wie ich als geistlicher Hirte des Volkes dessen Partei nahm und den Bürgerkrieg einleitete;

    wie ich als Coadjutor von Paris und Vertreter des kranken Erzbischofs meines Onkels im Pariser Parlament Sitz und Stimme nahm, mit dessen Zustimmung ich Kontributionen ausschrieb und eine geregelte Bewaffnung der Bürgerschaft vornehmen ließ;

    wie ich auf eigene Kosten ein Regiment auf die Beine stellte, das ich nach meinem Bistum in partibus das Korinther Regiment nannte;

    wie sich der erzbischöfliche Palast rasch in ein tumultvolles Kriegslager verwandelte und wie ich in kurzer Zeit fast alle Gewalt in meine Hände bekam;

    wie der Hof in der Nacht vom sechsten auf den siebenten Januar (1649) sich mit dem König in heimlicher Flucht aus der Stadt entfernte;

    wie man sich schon nicht mehr scheute, im Parlament den furchtbaren Namen Republik auszusprechen und in hohem Grad geneigt schien, das Beispiel Englands nachzuahmen;

    wie ich, gleichsam von Macht zu Macht, mit Spanien unterhandelte und die verlockendsten Zusagen erhielt;

    wie der König, will heißen der Kardinal, seine gute Stadt Paris durch jenen berühmten Bourbonen, den Fürsten Condé, einschließen und belagern ließ und wie das Parlament auf meinen Vorschlag den Vetter des Belagerers, den Fürsten Conti zum Generalissimus der Pariser Verteidigungsarmee machte, der sich alsbald der Bastille und der übrigen Staatsgefängnisse bemächtigte;

    wie der Königin-Mutter die Anmaßungen des großen Condé unerträglich wurden und der Kardinal Schritte tat, sich mit mir zu versöhnen;

    wie die beiden königlichen Hoheiten Condé und Conti verhaftet und nach Havre gebracht wurden und infolgedessen der Herzog von Orleans offen auf unsere Seite trat:

    wie ich die Königin, die nach Paris zurückkehrte, in ihrem eigenen Palast als Gefangene bewachen ließ;

    wie ich mit offener Gewalt die Befreiung der beiden Bourbonen aus ihrer Kerkerhaft zu Havre durchsetzte und mit diesem Erfolg den Kardinal zwang, in das Gebiet des Kurfürsten von Köln zu entweichen.

    wie das Parlament ihn ausdrücklich aus dem Königreich verbannte, aller seiner Ämter und Würden verlustig erklärte, alle seine Güter einzog, und wie unsere Truppen unter der amazonenhaften Anführung der jungen Herzogin von Monpensier sich der Stadt Orleans bemächtigten, die Stadt Bordeaux aber freiwillig in unser Bündnis eintrat;

    wie mich Papst Innozenz der Zehnte zum Kardinal ernannt und ich mir, ohne erst die Zustimmung des Königs abzuwarten, den Namen eines Kardinals von Retz beilegte;

    wie die Truppen unserer Partei unter der Anführung des Fürsten Condé, wieder nicht ohne die phantastische Mitwirkung jener Amazone von Monpensier, das von Turenne verteidigte Paris eroberten;

    wie aber durch die Schwachheit und Uneinigkeit der öfter genannten bourbonischen Fürsten in Paris und in den Provinzen große Verwirrung und Unordnung entstand, infolgedessen sich die Bürgerschaft der Hauptstadt von unserer Sache abwandte und der landflüchtige Kardinal fast unter dem Jubel des Volkes nach Frankreich zurückkehren konnte, allwo nun, von einer Art Märtyrertum verklärt, sein Ruhm lichter strahlte als je zuvor und seine Macht und Willkürgewalt erst recht alle Dämme niederriss;

    wie der König, eben volljährig geworden, uns den Frieden anbot und allgemeine Amnestie versprach, mit welchem Zeitpunkt mein folgendes Memorandum einsetzt.

    *

    Die königliche Amnestie war in dem Lit de justice vom 22. Oktober 1652 feierlich verkündet worden und obwohl ich dabei nicht ausdrücklich mit Namen genannt war, durfte ich mich doch für darin eingeschlossen halten. Dennoch fuhr ich fort, mich nicht ohne ein zahlreiches bewaffnetes Gefolge in der Öffentlichkeit zu zeigen.

    Nur in der Ausübung meines geistlichen Amtes glaubte ich mich jeder Befürchtung überhoben, und da die heilige Adventszeit herannahte, traf ich meine Vorbereitungen, entschlossen, wenigstens jeden Sonntag in einer der großen Kirchen von Paris persönlich die Predigt zu übernehmen. Ich begann damit am Allerheiligentag in der Kirche von Sankt German, zu deren Pfarrei der Louvre gehört, und ihre Majestäten erwiesen mir die Ehre, der Predigt beizuwohnen.

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