Kindergesundheit (ELTERN Guide)
Von Ulla Arens, Ulrike Blieffert, Sebastian Bröder und
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Über dieses E-Book
Teil 1: beschreibt die häufigsten Beschwerden und Möglichkeiten der Behandlung - von Allergie bis Zähnekriegen, mit Schwerpunkt auf den ersten Lebensjahren.
Teil 2: hinterfragt gängige Lehrmeinungen und Therapien kritisch - von Antibiotika-Gabe bis Vorsorgeuntersuchungen.
Teil 3: antwortet knapp auf interessante Fragen, die Eltern von Babys und Kleinkindern sonst noch haben.
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Buchvorschau
Kindergesundheit (ELTERN Guide) - Ulla Arens
Gesund werden, gesund bleiben
ALLERGIE
Auf Angriff gepolt
Viele Kinder kommen heute mit einer allergischen Veranlagung zur Welt. Das lässt sich nicht ändern, muss aber auch kein schlimmes Schicksal bedeuten. Denn Eltern können eine Menge tun, damit ihr Kind gesund bleibt. Und betroffenen Kindern helfen, gut mit ihrer Allergie zu leben
Triefende Kindernasen, tränende Augen, juckende, wund gekratzte Haut oder Atemnot – das ist nichts, was man sich für sein Kind wünscht. Doch jedes fünfte Kind hat inzwischen eine Allergie, mitunter auch mehrere. Darüber hinaus sind über 40 Prozent der Drei- bis 17-Jährigen gegenüber mindestens einem Allergen sensibilisiert, zeigen aber (noch) keine auffälligen allergischen Symptome.
Warum das Immunsystem verrückt spielt und sich gegen so harmlose Stoffe wie Birkenpollen, Eiweiß oder Katzenhaare wehrt, ist immer noch ein Rätsel. Offensichtlich spielen dabei mehrere Faktoren eine Rolle:
Die Gene. Leidet Vater oder Mutter unter einer Allergie, wird auch das Kind mit einer Wahrscheinlichkeit von 30 Prozent Allergiker. Haben Vater und Mutter beide allergische Erkrankungen, steigt das Risiko auf 60 Prozent. Allerdings: Längst nicht jedes Kind mit Veranlagung zur Allergie entwickelt eine.
Die Umweltbedingungen. Man weiß, dass Kinder, die früh in Kinderkrippen kommen oder viele Geschwister haben, seltener Allergien ausbilden, ebenso Kinder, die auf einem Bauernhof groß werden. Das Immunsystem hat offenbar so viel zu tun, dass es gar nicht dazu kommt, sich zu „langweilen" und gegen Harmloses wie Wiesengras oder Haselnuss zu rebellieren.
Der Lebensstil. Eine Untersuchung an Erstklässlern ergab: Kinder, die unter guten äußeren Bedingungen bei gut verdienenden Eltern aufwachsen, haben eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit, Neurodermitis zu entwickeln, als Kinder, die in eher ärmeren Migrantenfamilien groß werden.
Die Seele. Einige Studien haben gezeigt, dass belastende Lebenssituationen bei Kindern zu stärkeren allergischen Reaktionen führen können. Ob schulischer Leistungsdruck darunterfällt, wurde noch nicht untersucht. „Ist aber anzunehmen, sagt Uwe Gieler von der Uniklinik für Psychosomatik und Psychotherapie in Gießen. „In Stress-Situationen schüttet der Körper Neuropeptide aus, die durch die Nervenbahnen zu den Organen gelangen und dort Entzündungen verstärken.
Und jetzt? Um Allergien vorzubeugen, sollte man Tabakrauch meiden, sonst kann man wenig tun: Maßnahmen wie langes Stillen, keine Kuhmilch im ersten Lebensjahr oder Parkett im Kinderzimmer haben sich als unwirksam oder sogar kontraproduktiv erwiesen (siehe unten: „Mythen"). Die moderne Strategie für Risikokinder lautet: Konfrontation ist besser als Meidung.
Ist die Allergie dagegen ausgebrochen, muss das Allergen gemieden werden. Wichtig dabei: die Diagnose. „Dazu gehört nicht nur ein Hauttest, sondern auch ein Bluttest und eine ausführliche Anamnese. Gefolgt von einer individuellen Beratung, sagt Sonja Lämmel vom Deutschen Allergie- und Asthmabund (DAAB). Sie rät dringend, sich von einem Allergologen oder Kinderarzt mit dem Zusatz „Allergologie
betreuen zu lassen.
Um die Symptome von Heuschnupfen, Asthma oder Neurodermitis in den Griff zu bekommen, hält die Schulmedizin heute viele gut verträgliche Medikamente bereit, wie Antihistaminika und bronchienerweiternde Sprays.
Für schweres Asthma steht mit dem sogenannten Anti-IgE eine relativ neue Behandlungsmethode (für Kinder ab sechs Jahre) zur Verfügung. Auch Kortison hat inzwischen seinen Schrecken verloren (siehe „Mythen"). Dazu gibt es bei Neurodermitis inzwischen eine Alternative mit den Wirkstoffen Pimecrolimus und Tacrolimus, den sogenannten Immunmodulatoren.
Die einzige Behandlung, die nicht nur die Symptome behandelt, sondern bei der Ursache ansetzt, ist Hyposensibilisierung oder Spezifische Immuntherapie (SIT). Sie ist vor allem bei Heuschnupfen, allergischem Asthma und Insektengift-Allergie effektiv. Die Forschung bringt hier stetig Neues. Bald soll die „Impfung" sogar bei Erdnuss-Allergikern möglich sein.
Auch Naturheilverfahren erzielen gute Erfolge. Pestwurz oder Quitte und Zitrone bei Asthma und Heuschnupfen – Roman Huber, Leiter des „Uni-Zentrums Naturheilkunde an der Universität Freiburg, weiß: „Es gibt Alternativen zur Schulmedizin. Allerdings: Bei schwereren Formen von Asthma kommt man zumeist nicht ohne sie aus.
Und die Homöopathie? Hier ist die Studienlage uneinheitlich. Huber: „Bei Allergien gibt es allgemein einen starken Placebo-Effekt. Wenn Eltern an eine Therapie glauben, spüren das die Kinder. Und da die Psyche einen außerordentlichen Einfluss auf Krankheiten hat, bessern sich die Beschwerden – zumindest kurzfristig."
Überhaupt, die Psyche: Unisono überzeugt sind Experten von Entspannungstechniken. Entsprechende Übungen sind Teil der unbedingt empfehlenswerten Schulungen bei Asthma und Neurodermitis, die fast alle von der Kasse übernommen werden. „Auch das Vorbild der Eltern ist wichtig. Wenn Mutter und Vater sich zu Hause genervt und gestresst zeigen, kann sich das auf die Kinder übertragen", sagt der Psychosomatiker Uwe Gieler. Das heißt nicht, dass zu Hause Konflikte unterdrückt werden sollten. Aber ein ruhiger, vernünftiger Umgang damit ist für Allergiekinder besonders nötig.
Uwe Gieler wünscht sich, dass Eltern insgesamt gelassener werden. „Wenn Eltern alle Infos über die Erkrankung aufsaugen und immer besorgt um das Kind herum sind, erhöht das die Ängste und den Stress des Kindes. Das Beste für ein Allergiekind ist, möglichst normal aufzuwachsen."
Allergie-Mythen und ihre Wahrheit
Es gibt viele Gerüchte rund um Allergien. Halbwahrheiten, die früher stimmten, heute aber überholt sind, und Aussagen, die schlichtweg falsch sind. Wir räumen mal ein bisschen auf
1. Hyposensibilisierung (SIT) ist nichts für Kinder
Stimmt nicht. Heute weiß man: Je früher mit Spezifischer Immuntherapie (SIT) begonnen wird, umso besser hilft sie. Die Entwicklung von Heuschnupfen zu Asthma – der sogenannte Etagenwechsel – kann mit einer Hyposensibilisierungs-Behandlung oftmals verhindert werden. Zugelassen ist SIT ab fünf Jahre – bei Insektengiftallergie auch schon früher.
2. Kortison hat starke Nebenwirkungen
Stimmt nicht. Die modernen Kortisonpräparate wirken lokal und sind mild dosiert. Nur bei einer zu langen Anwendung starker Kortisoncremes kann es zu einer Hautverdünnung kommen. Professor Ulrich Wahn, langjähriger Leiter der Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt Immunologie und Pneumologie an der Berliner Charité: „Ich kann den Müttern guten Gewissens sagen: Das moderne Kortison hat keine Nebenwirkungen." Wegen seiner stark antientzündlichen und antiallergischen Wirkung ist und bleibt Kortison immer noch ein wichtiger Bestandteil in der Allergietherapie.
3. Impfen kann Allergien auslösen
Stimmt nicht. Es gibt keine ernst zu nehmende Studie, die beweist, dass Schutzimpfungen und Allergien etwas miteinander zu tun haben. Das zeigt schon der deutsch-deutsche Vergleich. In der ehemaligen DDR lag die Impfrate höher als im Westen, aber es gab dort deutlich weniger Allergiker. Auch die Sorge vor anderen Substanzen, die im Impfstoff enthalten sind, zum Beispiel Konservierungsmittel, ist unbegründet. Nur nachgewiesen schwere Hühnereiweißallergiker müssen aufpassen: Manche Impfstoffe enthalten Ei-Bestandteile.
4. Mit Asthma geht kein Sport
Stimmt nicht. Sport führt bei Asthma sogar zu einer Verbesserung der Lungenfunktion. Besonders günstig ist Schwimmen – weil die Luft feucht und der Körper im Wasser viel leichter ist. Allerdings kann starke Chlorung die Bronchien reizen. Wichtig: Die Kinder sollten sich vor dem Sport ausreichend aufwärmen und nicht an ihre maximale Belastungsgrenze gehen. Das ist eigentlich kein Problem, wenn sie auf ihren Körper hören und rechtzeitig aufhören, auch wenn die anderen weitertrainieren. Tipp: In vielen Städten gibt es inzwischen Asthmasportgruppen für Kinder.
5. Bei Allergierisiko Parkett verlegen
Stimmt nicht. Wirklich staubfrei halten kann man glatte Böden nämlich nur, wenn man jeden Tag (nebel-) feucht wischt. Ein ordentlicher Aufwand! Selbst bei diagnostizierter Hausstaubmilben-Allergie ist Teppichboden laut Empfehlung des DAAB besser, wenn mit einem speziellen Feinstaubfilter (Hepa-Filter) gesaugt wird. Viel wichtiger als Parkett oder Laminat in der Wohnung sind Matratzen-Umhüllungen (Encasings) in den Betten und gutes Lüften.
6. Allergierisiko – im ersten Jahr auf Kuhmilch verzichten
Bitte nicht. Nahrungsmittel zu meiden hat nur Sinn, wenn ein Allergologe verlässlich eine Allergie diagnostiziert hat. Gerade kleine Kinder brauchen Milch als wichtige Kalziumquelle für ihr Knochenwachstum. Ziegen- oder Reismilch sind keine gleichwertigen Alternativen. Die Empfehlung bei Risikokindern lautet: ausschließliches Stillen bis zum vierten Monat. Ab dem fünften Monat soll man sie schrittweise an Beikost gewöhnen, denn Babys, die zu diesem Zeitpunkt mit anderen Lebensmitteln konfrontiert werden, sind besser geschützt als Kinder, die erst spät Breinahrung bekamen.
7. Trockene Haut braucht Fett
Stimmt nur bedingt. Grundsätzlich gilt: „Feucht auf feuchte (= nässende) Haut, „Fett
auf trockene Haut. Wie viel Anteil Feuchtes oder Fettes der Haut guttut, muss man ausprobieren, sofern der Arzt nicht eine Mischung aus der Apotheke verschreibt. Leider steht selten auf der Verpackung, wie viel Fettgehalt eine Creme hat. Auf manchen Produkten finden sich Bezeichnungen wie Ö/W (= wenig Öl in viel Wasser; das sind Lotionen oder Cremes) oder W/Ö (= wenig Wasser in viel Öl; Salben). Wichtig: Auch die Jahreszeit hat einen Einfluss. Bei kalten Temperaturen unter 10 Grad braucht Haut eher fette Pflege, bei warmen Temperaturen sind feuch-tere, dünnflüssige Cremes oder Lotionen besser.
8. Im Winter gibt es keinen Heuschnupfen
Stimmt nicht. Die Pollenflugzeit dauert in den letzten Jahren aufgrund des milden Klimas länger und fängt früher wieder an. Je nach Witterung kann es sein, dass im November die letzten Gräser- und Brennnesselpollen fliegen und im Dezember schon erste Haselnusspollen unterwegs sind. Wohnen Sie auf dem Land? Dann sollten Sie eher am Abend lüften, in der Stadt eher morgens. Die Pollenkonzentration ist in ländlichen Gebieten nämlich in den Morgenstunden am höchsten, in der Stadt dagegen abends. Legen Sie Straßenkleidung außerhalb des Schlafzimmers ab, und waschen Sie eventuell die Haare vor dem Zubettgehen.
9. Antihistaminika machen müde
Stimmt nicht. Zwar hatte die erste Generation der Antihistaminika eine dämpfende Wirkung. Bei der zweiten Generation ist das nicht oder kaum noch der Fall. Den Wirkstoff gibt es mittlerweile als Brausetablette, Saft oder Tropfen bei Heuschnupfen. Oder für Neurodermitiker als Creme, Gel oder Salbe.
10. Allergien sind nicht heilbar
Stimmt leider noch. Aber auf dem Gebiet wird unter Hochdruck geforscht. Neue Impfstoffe mit weniger Nebenwirkungen stehen vor der Marktreife, in den nächsten Jahren wird das Angebot deutlich zunehmen.
Wichtige Adressen
www.aktionsplan-allergien.de Infoplattform des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit
www.daab.de Der Deutsche Allergie- und Asthmabund vermittelt Fachärzte, Ernährungsberater und hilft kompetent am Telefon
www.aak.de Elternselbsthilfe: Arbeitsgemeinschaft allergiekrankes Kind
www.pina-infoline.de Informationsnetzwerk zur Vorbeugung von Allergien
www.neurodermitisschulung.de
www.asthmaschulung.de
AUGEN
Auge zu und durch
Schielen ist das häufigste Augenproblem bei Kindern. Fast sieben Prozent müssen zeitweise ein Augenpflaster tragen – das führt bei Eltern zu vielen Fragen. Hier sind die AntwortenWächst sich Schielen aus?
Wächst sich Schielen aus?
Nur das sogenannte Babyschielen, das bei relativ vielen Kindern im ersten Lebensjahr gelegentlich auftritt und Ausdruck des noch unreifen Seh-Systems ist. Alle anderen Schielformen müssen behandelt werden, sonst schwindet sie Sehkraft des schwächeren Auges. Gleichzeitig gerät die Fähigkeit, umfassend dreidimensional zu sehen, in Gefahr.
Warum schielen manche ganz plötzlich?
Kinder, denen von heute auf morgen ein Auge wegrutscht, haben wahrscheinlich auch vorher schon leicht geschielt (=latentes Schielen). Nur hat es keiner gemerkt, weil das Gehirn das Schielen weitgehend ausgleichen konnte. Unter zusätzlicher Belastung allerdings schafft es das Gehirn manchmal nicht mehr, die Augen parallel zu halten: Das Kind fängt an zu schielen. Oft nur vorübergehend, wie z. B. bei Müdigkeit. Manchmal aber auch dauerhaft; nach einer Gehirnerschütterung beispielsweise.
Was passiert beim Schielen?
Normalerweise geschieht Folgendes: Die beiden sich parallel bewegenden Augen fixieren dieselbe Stelle und liefern davon je ein zweidimensionales Bild an das Gehirn. Dieses fügt die beiden Seh-Eindrücke zu einem dreidimensionalen Bild zusammen. Gucken die Augen nicht auf denselben Punkt, sondern in verschiedene Richtungen, entstehen Doppelbilder, mit denen das Gehirn nichts anfangen kann. Es klickt eines davon weg. Folge: Die Sehverarbeitung dieses Auges wird im Laufe der Zeit schwachsichtig. Nicht die Sehverarbeitung wird schwachsichtig, sondern das Auge.
Welche Ursache hat Schielen?
Der häufigste Grund, warum kleine Kinder schielen, ist das sogenannte angeborene Schielsyndrom, bei dem das Gehirn von Anfang an nicht in der Lage ist, die von beiden Augen produzierten Bilder gleichzeitig zu verarbeiten. Als Auslöser dafür kommt neben familiärer Veranlagung vor allem eine starke Weitsichtigkeit infrage. Außerdem können auch Augenerkrankungen, wie z. B. Linsentrübung, sowie Sauerstoffmangel bei der Geburt ein angeborenes Schielsyndrom verursachen.
Merkt man es immer, wenn ein Kind schielt?
Nein. Die Sehachsen können so minimal voneinander abweichen, dass auch den aufmerksamsten Müttern und Vätern nichts auffällt. Zum einen kommt das beim schon erwähnten latenten Schielen vor, bei dem das Gehirn einfach stärker ist als die Kraft der auseinanderstrebenden Augen und weiterhin 3-D-Bilder produziert. Zum anderen beim sogenannten Mikrostrabismus – einer heimtückischen Schielvariante, bei der die unauffällig wirkenden Augen verschiedene Bilder ans Gehirn schicken – mit dem gleichen Effekt wie beim offensichtlichen Schielen: Ein Auge wird ignoriert, sein Sehapparat beginnt zu kümmern, es wird mit der Zeit schwachsichtig.
Auf welche Warnsignale können Eltern achten?
Bitte zum Augenarzt, wenn das Kind oft …
… ein Auge zukneift oder zuhält
… den Kopf schieflegt
… Dinge „mit der Nase" betrachtet
… danebengreift
… stolpert
… über Kopfweh klagt
… tränende Augen hat
… auf Rote-Augen-Fotos eine hellere und eine dunklere Pupille hat
Gibt es eine gesetzliche Augenversorgung?
Die gibt es, aber leider erst im