Mehr als Arbeitsunfälle vermeiden: Die Präventionsarbeit der gesetzlichen Unfallversicherung im Wandel
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Buchvorschau
Mehr als Arbeitsunfälle vermeiden - Jürgen Lempert-Horstkotte
Autoren
1
Einleitung
Im Zuge des im November 2008 in Kraft getretenen Unfallversicherungsmodernisierungsgesetzes (UVMG) ist insbesondere die Organisationsstruktur der Unfallversicherungsträger (UVT) in Bewegung geraten. Nachdem sich die beiden ehemaligen Spitzenverbände der gesetzlichen Unfallversicherung (GUV) - der Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften (HVBG) und der Bundesverband der Unfallkassen (BUK) - bereits im Juli 2007 zur Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) zusammengeschlossen haben, ist bis Ende des Jahres 2009 mit einer Fusionswelle bei den Berufsgenossenschaften und den Unfallkassen zu rechnen.
Außer einer Reihe von im UVMG beschlossenen Neuerungen (z.B. hinsichtlich der Rentenlast-Verteilung, des Vermögensrechts und der Einführung von Altersrückstellungen) gilt aus präventionspolitischer Sicht neben den Fusionen der ebenfalls mit dem UVMG gesetzlich fixierten Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) das Hauptinteresse. Die Partner der GDA - der Bund, die Bundesländer und die UVT - haben sich auf eine Konzeption verständigen können, mit deren Umsetzung die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten erhalten, verbessert und gefördert werden soll.
Während bezüglich der Fragen der Organisationsstruktur und der GDA jeweils ein Konsens gefunden werden konnte, musste die ursprünglich auch auf der Reformagenda stehende Modifizierung des Leistungsrechts der GUV aufgrund nicht in Einklang zu bringender Interessen verschoben werden.
Themen der Umsetzung und Weiterentwicklung der Präventionsarbeit tauchten erst gar nicht auf der Reformagenda auf. Dabei hat die Expertenkommission »Die Zukunft einer zeitgemäßen betrieblichen Gesundheitspolitik«¹ (EK) in ihrem Abschlussbericht (Bertelsmann Stiftung, Hans-Böckler-Stiftung 2004) auch Empfehlungen an die überbetrieblichen Akteure formuliert. Danach gilt es u. a. auszuloten, welcher Präventionsträger welchen Beitrag an der Realisierung einer betrieblichen Gesundheitspolitik leisten kann - und wo Überschneidungen vorkommen, die entweder vermieden werden müssen oder ein gewünschtes Wettbewerbsfeld für die Besetzung von Leitkompetenzen in der betrieblichen Präventionsarbeit bieten.
Eine im Rahmen der EK erstellte Expertise untersuchte als Ergänzung zu den allgemeinen Empfehlungen der EK die strategisch-konzeptionelle Verarbeitung des erweiterten Präventionsauftrags der GUV und dessen Umsetzung in der Praxis. Als ein wichtiges Ergebnis wurde festgehalten, dass die Erweiterung des Präventionsauftrags von den UVT nicht nur deklaratorisch aufgegriffen wurde, sondern dass im Laufe der 90er Jahre auch partiell neue Organisationsstrukturen und Handlungskonzepte eingeführt wurden (Lenhardt 2003).
Einschränkend wurde jedoch resümiert: »Im klassischen gesetzlichen Präventionsauftrag der UVT ist also ein Arbeitsschutzverständnis angelegt, welches weitgehend auf Unfall- und BK (Berufskrankheiten, Anm. d. Verf.) -relevante Problemaspekte fokussiert und damit einen großen Bereich gesundheitsrelevanter Dimensionen ausblendet« (Lenhardt 2003: 21).
Vor diesem Hintergrund erscheint es folgerichtig, dass der im Jahr 2005 aus der EK hervorgegangene »Initiativkreis betriebliche Gesundheitspolitik« anregte, die Präventionspotenziale der GUV im Zuge der Diskussion zum UVMG erneut einer Prüfung zu unterziehen und Möglichkeiten einer Weiterentwicklung darzustellen.
Zu diesem Zweck initiierten die Bertelsmann Stiftung und die Hans-Böckler-Stiftung das Projekt »Die gesetzliche Unfallversicherung im Reformprozess: Umsetzung und Weiterentwicklung des Präventionsauftrages in der Arbeitswelt«. Für eine Zusammenarbeit konnten die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) sowie die Berufsgenossenschaft Metall Nord Süd (BGM Nord Süd) gewonnen werden. Die folgenden Ausführungen fassen die wichtigsten Ergebnisse und die daraus abgeleiteten Empfehlungen zusammen.
Die Fragestellungen des Projektes bezogen sich nur auf eine Teilfunktion der Unfallversicherung: die Prävention. Für die Konzentration auf die Prävention sprachen ihre zunehmende gesundheitspolitische Bedeutung und das bisher nicht ausgeschöpfte Präventionspotenzial der Sozialversicherungsträger auf diesem Gebiet. Themenschwerpunkte waren die Einschätzung des UVMG-Reformprozesses, das Präventionsverständnis und deren Ausrichtung, Standards für Präventionsarbeit, Qualifikation, Anreize, das Verhältnis von Beratung und Kontrolle, die Versicherten- und Unternehmensnähe und die Verbesserung der Koordination und Kooperation mit anderen Präventionsakteuren.
Als allgemeiner Referenzpunkt diente das von der EK formulierte Verständnis einer zeitgemäßen betrieblichen Gesundheitspolitik. Es wird in Kapitel 2 als Rahmenkonzept komprimiert zusammengefasst. In Kapitel 3 erfolgt die Darstellung der GUV als Akteur in der betrieblichen Gesundheitspolitik. Beschrieben werden Schlaglichter ihrer Geschichte, wichtige Regelungsdimensionen sowie Organisations- und Strukturmerkmale. Außerdem werden die Prävention als Hauptaufgabe der GUV und wesentliche Kooperationspartner in der Prävention vorgestellt.
Während in den Kapiteln 2 und 3 die Frage im Mittelpunkt steht, welches Verständnis und welche Akteure die betriebliche Gesundheitspolitik prägen, wird in Kapitel 4 nach den fördernden und hemmenden Bedingungen guter Praxis berufsgenossenschaftlicher Präventionsarbeit gefragt. Anhand von Unternehmensfallbeispielen werden gelungene - d.h. den Vorstellungen der EK nahekommende - Interventionen beschrieben. Gleichzeitig soll anhand von Fallstudienergebnissen in Berufsgenossenschaften erklärt werden, wie es dort zur Entwicklung entsprechender Ansätze gekommen ist. Daraus abgeleitet werden Faktoren, an denen sich die Präventionsarbeit der Berufsgenossenschaften ausrichten kann.
Kapitel 5 stellt von verschiedenen Akteuren formulierte präventionspolitische Reformvorstellungen für die GUV und Aussagen zu den präventionsrelevanten Inhalten des UVMG zusammen. Dabei wird auf die in Kapitel 4 herausgearbeiteten Faktoren zurückgegriffen. Als Resultat dieser Zusammenstellung werden in Kapitel 6 Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Prävention durch die GUV gegeben.
2
Das Rahmenkonzept: betriebliche Gesundheitspolitik
Betriebliche Gesundheitspolitik ist ein etablierter Fachbegriff, jedoch kein Rechtsbegriff. Kein Unternehmen bzw. kein Unternehmer kann dazu verpflichtet werden, betriebliche Gesundheitspolitik zu betreiben. Dennoch steigt die Anzahl der - vor allem großen - Unternehmen immer weiter, die betriebliche Gesundheitspolitik als ein strategisches Handlungsfeld bzw. als Teil der Unternehmensstrategie für sich entdecken.
Gerade der Bezug zur Unternehmensstrategie legt nahe, dass es sich bei der betrieblichen Gesundheitspolitik um mehr als ein gemeinsames Dach bzw. um mehr als einen Oberbegriff aller in den verschiedenen Gesetzen angelegten Vorschriften zur betrieblichen Prävention handelt. Die überbetrieblichen Präventionsakteure werden sich an die jeweils für sie geltenden Rechtsvorschriften halten und versuchen, sie mit Inhalten, Konzepten und Maßnahmen zu füllen bzw. umzusetzen. Entscheidend wird jedoch sein, welche inhaltliche Ausrichtung durch die innerbetrieblichen Akteure angestrebt wird.
Den breitesten Konsens über das, was zeitgemäße betriebliche Gesundheitspolitik ausmacht, kann den Ausführungen der EK entnommen werden (Bertelsmann Stiftung, Hans-Böckler-Stiftung 2004). Nach dem Bericht der EK soll durch betriebliche Gesundheitspolitik festgelegt werden, »wie das Thema Gesundheit in einer Organisation behandelt werden soll: mit welchen Grundsätzen und Zielen. Sie legt die Entscheidungswege, Zuständigkeiten und den Ressourcenverbrauch fest sowie den erforderlichen Qualifikationsbedarf« (Bertelsmann Stiftung, Hans-Böckler-Stiftung 2004: 113). Darüber hinaus werden die Vision, das Leitbild und die Ziele der betrieblichen Gesundheitspolitik benannt.
- Die Vision lautet: Gesunde Arbeit in gesunden Organisationen. Die hierfür erforderlichen Investitionen seien in erster Linie von den Unternehmen selbst zu tragen. Die Kommission - und dieses Verständnis hat besondere Relevanz für die GUV - sieht die zukünftigen Herausforderungen nicht nur an der Mensch-Maschine-Schnittstelle, sondern vornehmlich an der Mensch-Mensch-Schnittstelle. Damit wird ein Umdenkungsprozess - auch bei der GUV - eingefordert, der zum jetzigen Zeitpunkt zwar von einer Reihe von Akteuren wahrgenommen wird, jedoch wahrscheinlich erst in Anfängen zu tatsächlich spürbaren Handlungsänderungen geführt hat.
- Nach dem Leitbild müssen die gesundheitlichen Probleme in erster Linie am Ort ihrer Entstehung präventiv und nicht nachträglich kurativ angegangen werden - also gerade auch in den Unternehmen. Betriebliche Gesundheitspolitik muss gleichzeitig Führungsaufgabe und partizipativ ausgerichtet sein - und sich außerdem differenziert an den Bedürfnissen von Branchen und verschiedenen Unternehmensgrößen orientieren. Maßgeblich für eine gelungene Umsetzung des Leitbildes sind die Kennzeichen der gesundheitsförderlichen Arbeitssituation. Hierzu gehören (a) die technisch sichere und ergonomische Gestaltung, (b) Lernförderlichkeit und persönliche Entwicklungsperspektiven, (c) transparente Betriebsabläufe, (d) hinreichende Entscheidungs- und Gestaltungsspielräume, (e) die angemessene Förderung von Routine, Kreativität und Motorik, (f) weitestgehende Störungsfreiheit, (g) vorhersehbare und als gerecht empfundene materielle und immaterielle Anreize, (h) ein Klima gegenseitiger Unterstützung und schließlich (i) die Erfassung und Nutzung gesundheitsrelevanter Daten zur weiteren Optimierung der Arbeitsplatzsituation. Die Umsetzung dieses Leitbildes muss nach Ansicht der EK die folgenden Ebenen einbeziehen: Arbeitsmittel und Arbeitsumgebung, Arbeitszeit, Arbeitsorganisation, Sozialbeziehungen, individuelle Anpassungen und ein unterstützendes Umfeld (Rosenbrock et al. 2003).
- Die Ziele der betrieblichen Gesundheitspolitik sieht die EK in (a) der Förderung von Wohlbefinden und Gesundheit der Beschäftigten, (b) der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen, (c) der Überwindung von Reformblockaden und der finanziellen Stabilisierung der sozialen Sicherungssysteme sowie (d) in der Anpassung an europäische und internationale (gesetzliche) Vorgaben.
Vor dem Hintergrund des demographischen Wandels wird die zentrale Herausforderung formuliert, dass betriebliche Gesundheitspolitik einen Beitrag zum gesünderen Älterwerden leisten müsse, damit Behandlungsbedarfe, Frühinvalidität und Frühberentung vermieden werden und somit das Renteneintrittsalter erhöht werden kann. Vor dem Hintergrund der Heraufsetzung des offiziellen Renteneintrittsalters auf 67 Jahre wird diese Herausforderung nochmals unterstrichen.
Eine weitere Präzisierung dessen, was mit betrieblicher Gesundheitspolitik gemeint ist, wird mit der Beschreibung des »neuen Interventionstyps« geliefert. Im Kern geht es darum, dass die Fachkräfte der betrieblichen Prävention bisher überwiegend von extern auf die Unternehmen eingewirkt haben - »mit der Folge, dass weder beim Management noch bei den Beschäftigten die Notwendigkeit gesehen wurde, sich für eine aktive betriebliche Gesundheitspolitik einzusetzen« (Bertelsmann Stiftung, Hans-Böckler-Stiftung 2004: 43).
Ein Umdenken im Sinne der Stärkung des dezentralen, betrieblichen Handelns und der Qualifizierung der dortigen Akteure ist unabdingbar. Es ist eine Instrumentenentwicklung zu forcieren, die den Unternehmen verdeutlicht, welchen Beitrag die betriebliche Gesundheitspolitik zum Unternehmenserfolg leistet. Jedes Unternehmen sollte in der Lage sein bzw. dazu befähigt werden, eigene, individuelle Lösungen von gesundheitlichen Problematiken zu entwickeln und in einem prozessualen Vorgehen zu verwirklichen.
Schließlich benennt die EK fördernde und hemmende Bedingungen für die Fortentwicklung einer betrieblichen Gesundheitspolitik. Als fördernde Faktoren werden der demographische Wandel, die vorhandenen gesetzlichen Grundlagen und die Nutzen stiftenden sowie kostensenkenden Wirkungen angeführt. Die schon angedeuteten hemmenden Faktoren liegen in der Unterbewertung von Sozial- und Humankapital durch die Unternehmensführungen, in der vorherrschenden Kultur der Reparatur und Kompensation, in der fehlenden Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse und in der Nichtberücksichtigung weicher Faktoren in der Unternehmensbewertung.
Die Sozialpartner, die auch in der EK vertreten waren, haben durch ihre Dachverbände Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) und Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) in einer gemeinsamen Erklärung die Handlungsempfehlungen der EK aufgegriffen und ihre Mitglieder aufgerufen, in diesem Sinne tätig zu werden (BDA, DGB 2004). Bei allen Differenzen in Details unterstreicht dies die Dringlichkeit und Einigkeit, mit der die betriebliche Gesundheitspolitik vorangetrieben werden muss.
Nach der gemeinsamen Erklärung von BDA und DGB lässt sich die betriebliche Gesundheitspolitik wie folgt definieren: »Beide Gestaltungsfelder, der verpflichtende Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie die den Arbeitsschutz ergänzenden freiwilligen Maßnahmen der Gesundheitsförderung, gehören zu einer zeitgemäßen betrieblichen Gesundheitspolitik. Betriebliche Gesundheitspolitik umfasst alle Strategien, in die Humanressourcen unserer Wirtschaft zu investieren. Sie zielt darauf ab, die Mitarbeiter/innen² gesund und leistungsfähig zu erhalten. Betriebliche Gesundheitspolitik kann so dazu beitragen, die Innovationskraft und Produktivität zu erhöhen« (BDA, DGB 2004: 2).
Daraus spricht die Überzeugung, dass Investitionen in die Gesundheit und wirtschaftlicher Erfolg grundsätzlich keine Gegensätze sind, sondern sich vielmehr gegenseitig bedingen. Es sind demnach die Handlungsfelder betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) und Arbeits- und Gesundheitsschutz (AGS), die gleichwertig unter dem Dach der betrieblichen Gesundheitspolitik zu subsumieren sind. Ergänzt werden muss aus heutiger Sicht das Handlungsfeld des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM), das Mitte 2004 gesetzlich verankert wurde (§ 84 Abs. 2 SGB IX). In neueren Publikationen wird entsprechend von drei Säulen bzw. Handlungsfeldern der betrieblichen Gesundheitspolitik ausgegangen (Kohte 2008; Wellmann 2007).
Ein wesentliches Kennzeichen der Funktion des AGS und zugleich ein Unterscheidungsmerkmal zur BGF bilden die gesetzlichen Normierungen, insbesondere durch das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) und diverse Rechtsverordnungen, deren Nichteinhaltung im Zweifelsfall juristische Strafen nach sich ziehen kann. Es gibt also auf Seiten der Arbeitgeber die Verpflichtung zum Handeln. Hierzu zählen im Wesentlichen die Erstellung von Gefährdungsbeurteilungen, die Festlegung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes, ihre kontinuierliche Überprüfung, Verbesserung und Dokumentation. Die Kosten hierfür sind - im Gegensatz zur BGF - ausschließlich vom Arbeitgeber zu tragen.
Inhaltlich lassen sich der AGS und die BGF durch die Betrachtung des Menschen als schutzbedürftiges Wesen im AGS (Defizitmodell, schwächenorientiert, pathogenetisches Grundverständnis) bzw. als autonom handelndes Subjekt in der BGF (Potenzialmodell, stärkenorientiert, salutogenetisches Grundverständnis) voneinander abgrenzen. Daraus resultieren unterschiedliche Aufgaben und Ziele hinsichtlich verhältnis- und verhaltensorientierter Maßnahmen (Ulich 2002). In der Praxis dürften sich der AGS und die BGF (sowie das BEM) nicht nur systematisch ergänzen, sondern auch eine Reihe von unterschiedlichen Schnittstellen aufweisen.
Damit wird deutlich, dass der AGS als ein nicht immer eindeutig zu umreißender Teilbereich der betrieblichen Gesundheitspolitik zu verstehen ist, für den folglich auch die im obigen Leitbild hervorgehobene exponierte Position der Mensch-Mensch-Schnittstelle eine Rolle spielen muss. Entscheidend ist dabei, dass diese Positionierung nicht gleichzusetzen ist mit einer generell größeren Wichtigkeit im Vergleich zur Mensch-Maschine-Schnittstelle. Es soll vielmehr betont werden, dass sich die Belastungsfaktoren in diese Richtung verschieben und somit die bisher eher vernachlässigte Mensch-Mensch-Schnittstelle dringend einer Aufwertung bedarf. Die Konsequenz für die Präventionsarbeit der GUV wäre, die Verhütung arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren als einen Oberbegriff und als die Kernaufgabe zu betrachten.
Die Implementierung und Sicherstellung der für die betriebliche Gesundheitspolitik notwendigen Strukturen und Prozesse ist eine Managementaufgabe - konkret: die Aufgabe des betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM), das im Idealfall in das übrige Management des Unternehmens eingebunden ist. BGM dient somit der »Entwicklung integrierter betrieblicher Strukturen und Prozesse, die die gesundheitsförderliche Gestaltung von Arbeit, Organisation und Verhalten am Arbeitsplatz zum Ziel haben und den Beschäftigten wie dem Unternehmen gleichermaßen zugutekommen« (Badura, Ritter und Scherf 1999: 17).
Abschließend gilt es, die Begriffe »betriebliche Prävention« und »betriebliche Präventionsarbeit« einzuführen. Bei ihnen handelt es sich um alle Aktivitäten, Maßnahmen und Leistungen, die zur Realisierung der betrieblichen Gesundheitspolitik und des BGM beitragen.
3
Die gesetzliche Unfallversicherung als Akteur in der betrieblichen Gesundheitspolitik
Die GUV hat sich in ihrer 125-jährigen Geschichte zum größten überbetrieblichen Präventionsakteur der betrieblichen Gesundheitspolitik entwickelt - gemessen am Finanzvolumen, das sie im Vergleich mit anderen Präventionsträgern hierfür ausgibt. In Kapitel 3.1 werden einige Schlaglichter ihrer Geschichte aufgeführt, während es in den Kapiteln 3.2 bzw. 3.3 um ihre Regelungsdimensionen bzw. um ihre Organisation und Struktur geht. Kapitel 3.4 leuchtet die Aufgabe der Prävention näher aus. Abschließend werden in Kapitel 3.5 wichtige Kooperationspartner der gesetzlichen Unfallversicherung beschrieben.
3.1 Schlaglichter der Geschichte der gesetzlichen Unfallversicherung
Die GUV zählt zusammen mit der Renten- und Krankenversicherung zu den