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Die Stille am Ende des Flurs
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Die Stille am Ende des Flurs
eBook86 Seiten1 Stunde

Die Stille am Ende des Flurs

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Über dieses E-Book

Wohin sind die Eltern des Jungen verschwunden, und was ist zwischen ihm und der jungen Frau, die auf der Couch der elterlichen Wohnung schläft? Was geschieht mit dem Mädchen, das sich im Kino vor der leeren Leinwand einen Film über die letzten 20 Minuten seines Daseins vorstellt? Wen vermutet der Hotelgast hinter der Tür des anderen Zimmers, an die er klopft?

In Die Stille am Ende des Flurs agiert Philipp Röding wie der Regisseur eines Episodenfilms, ein Kameramann, der eine Reihe von Einstellungen liefert, die über Motive und indirekte Verweise miteinander kommunizieren. Dabei kommentiert Röding nie, formuliert keine Erkenntnisse: Er schreibt entlang der äußeren Erscheinung, entwirft Szenen aus dem Leben von Großstadtunbekannten, die allesamt Kinder der Nouvelle Vague sein könnten, ist manchmal ganz nah an seinen Figuren dran, mal zeigt er sie verwackelt und unscharf; und wenn man einen Moment nicht hinsieht, sind sie verschwunden. Aber was geschieht, wenn eine Figur aus der Anordnung bricht? Wenn sie sich mitten im Lauf umdreht, durch die Kamera den Betrachter ansieht und es kurz darauf dunkel wird?
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum8. Okt. 2013
ISBN9783902844644
Die Stille am Ende des Flurs

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    Buchvorschau

    Die Stille am Ende des Flurs - Philipp Röding

    978-3-902844-26-2

    Rost

    Er hat mir immer Sachen geschenkt, Sachen, die mich schützen sollten.

    Ich verstehe sie nicht.

    Habe von Anfang an nicht verstanden, warum sie wollte, dass ich noch eine Weile bleibe, mich zu ihr hinsetze und höre, was sie zu sagen hat, während es draußen langsam hell wird, diese grauweiße, ungesunde Helligkeit eines tiefliegenden Himmels ganz früh am Morgen, die in den Augen wehtut, die Gedanken in alle Richtungen laufen lässt, und die irgendwann zu Kopfschmerzen führt, sieht man zu lange in sie hinein.

    Am Abend zuvor hatte sie ein paar Leute zu sich eingeladen, hatte in ihrer großen Wohnung, in die ein mächtiger Dachbalken ragte, eine Party gefeiert, ein kleines Fest ohne Anlass, so alt waren wir noch nicht, dass wir einen Anlass brauchten, um zusammenzukommen.

    Alte und neue Freunde, flüchtige Bekannte, Fremde.

    Sie war eine gute Gastgeberin, umsichtig, ließ jemanden, der keinen kannte, nicht alleine im Abseits Stehen, unter dem schwankenden Licht vielfarbiger Lampions, sondern stellte sich zu ihm und wenn er nicht reden wollte, dann schwiegen sie eben beide, kauten auf ihren Strohhalmen herum und sahen schweigend dem Grüppchen zu, das hin und wieder ein lautes Lachen emittierte.

    Das war eine Fähigkeit, die mir auffiel an ihr: spontan und überall ein Außenseiter zu werden, ungeachtet der Situation.

    Sie schaute dann, als würde sie selbst niemanden kennen, als wüsste sie beim besten Willen nicht, wer diese Leute sind, die dort auf ihrer Couch beieinander sitzen, wessen Wohnung das überhaupt sei.

    Tief in der Nacht, als es schon ruhiger wurde und das Licht der heruntergebrannten Kerzen die Schatten lang und beweglich machte, fast alle waren gegangen, hatte Einer, der dafür bekannt war, morbide zu sein, vermutlich im Scherz gesagt, dass man sich an diesem Dachbalken gut aufhängen könnte.

    Man hat gelacht, den Dachbalken angesehen, und gesagt, ja, das stimmt, dafür eignet er sich.

    Länger als alle anderen hatte sie dann auf diesen Balken geschaut, vielleicht band sie im Kopf eine Schnur daran, eine Schlinge, an der sie zog, um die Behauptung zu überprüfen.

    Ich war betrunken irgendwann, wollte einschlafen und habe sie gefragt, ob ich hier übernachten könnte, keine Hintergedanken, ich war nur müde.

    Sie hat mir das Bett ihrer Mitbewohnerin angeboten, die nicht zu Hause war:

    Ein schönes kleines Zimmer, liebevoll eingerichtet, milchweiß, auf einem über der Tür festgeschraubten Regalbrett: verschiedene Souvenirs, ein Eiffelturm in Miniatur, ein kleiner roter Doppeldeckerbus, ein gerahmtes Foto, zwei lachende Gesichter, unscharf, weil die Kamera zu nah dran war.

    Ein Ort, dachte ich mir, als ich mich ausgezogen hatte und unter der Bettdecke lag, an dem man aufwachen möchte, wenn draußen der Schnee fällt und das Fenster beschlagen ist. Nur kurz die Erregung im Bett eines fremden Mädchens zu liegen: Ein emotionaler Reflex, der Pawlowsche Hund hört sein Glöckchen, hebt den Kopf.

    Hinter der geschlossenen Tür die Geräusche der übriggebliebenen, ein monotones Gemurmel, um diese Uhrzeit lacht kaum noch jemand, und wenn doch, dann ist es ein Lachen, dem nichts mehr zugrunde liegt und das die Umsitzenden irritiert.

    Irgendwann die ins Dunkel geflüsterten Verabschiedungen, die Geräusche von Leuten, die ihre Schuhe suchen, die ins Schloss fallende Haustür, dann Stille. Nacht.

    Jemand klopft, aber ich rühre mich nicht.

    Ich habe nicht mitbekommen, ob sie sich schlafen gelegt hat, im Zimmer nebenan, oder ob sie einfach wach geblieben ist, ob sie sich, als alle schon gegangen waren, in ihre Küche gestellt hat, um mit dem Abwasch anzufangen.

    Dort fand ich sie dann nämlich, als ich mit einem hämmernden Kopf aufgestanden war, noch immer betrunken: Ein zweiter Körper schaukelte in mir hin und her, warf sich gegen die Wände aus Haut, brachte mich aus dem Gleichgewicht.

    Sie saß an dem weißen Klapptisch, der in der Küche stand, trug noch immer das Kleid aus der Nacht zuvor, die Haare hatte sie hochgebunden, umgeben von leeren Flaschen und Dosen, irgendwo abgerissenen und zu Kugeln geformten Papierfetzchen, zerdrückten Zigarettenschachteln und Streichholzpackungen, liegen gebliebenen Feuerzeugen, die nicht mehr richtig funktionierten, während in halb ausgetrunkenen Gläsern die Kippen umhertrieben, kleine Schwimmer, wie von Kindern ins Wasser gesetzt.

    Sie hatte das schmale Küchenfenster geöffnet, einen alten Blumentopf dazwischen gestellt, damit es nicht gleich wieder zufällt. Von draußen der herbstkalte Wind. Ein Wind, der gut tat und kühlte und der den aus dem Aschenbecher aufsteigenden Rauchfaden kräuselte und verwehte, sobald dieser eine gewisse Höhe erreicht hatte. Von irgendwo meinte ich, das Geräusch ratternder Fahnen zu hören, aber das konnte genauso gut Einbildung sein.

    Sachen zum Schutz, verstehst du, damit mir nichts passieren kann.

    Ich wusste nicht, was sie meinte, was meinst du, Schutzkleidung, Schoner, solche Sachen?

    Nein, überhaupt nicht, sowas nicht, andere Sachen, einen Schirm, um im Regen nicht nass zu werden, oder dicke Wollsocken für den Winter, einen schönen breiten Strohhut im Sommer, damit ich mir nicht die Haut verbrenne, er wollte vor allem anderen, dass ich Acht gebe auf mich.

    Ich hatte mir mit Mühe eine Hose angezogen und zuerst mein T-Shirt nicht gefunden, weil ich es in der Nacht als Kopfkissen benutzt hatte, wusste auch gar nicht mehr, wo ich war, konnte anfangs das Zimmer nicht einordnen, nur ganz langsam und Stück für Stück setzte sich die Erinnerung wieder zusammen, ließ dabei große schwarze Flächen aus, über die ich nur mutmaßen kann, andere Stellen verschwommen, unsicher in ihrer Aussage wie eine verwaschene Zeichnung: Hatte sie mich an der Hand genommen, als sie mich ins Zimmer ihrer Mitbewohnerin geführt hatte, ist irgendwas gewesen zwischen uns, irgendwas, eine Annäherung unsrer Hände, ein betrunkenes Ineinanderhineinfallen (?)

    Ich erinnere mich nicht mehr daran, als ich mich in die Küche bewege und sie dort sitzen sehe, den Kopf in die Handfläche gelegt, mit der anderen Hand in einer Kaffeetasse herumrührend, ein perfektes Bild großstädtischer Melancholie,

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