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Das Buch von Wien-Venedig
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eBook189 Seiten2 Stunden

Das Buch von Wien-Venedig

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Über dieses E-Book

Aus spannungsreichen, mysteriösen, humorvollen, poetischen, knappen und weit ausformulierten Geschichten zusammengeführt, entsteht eine Geschichte über Wien-Venedig. Der zu nomadenhafter Häuslichkeit und Metamorphose verführende Archipel, ein Spiel der Reflexionen aus Meer und Sonne, ein Archetypus des Hic et Nunc reichen bis hin zur Tatsache, dass Venedig zeitgeschichtlich eine zu kanalisierende Problemstätte geworden ist. Reisende aus Wien, auf der Suche nach Veränderung, finden an diesem Ort die Möglichkeiten der Neugestaltung, ähnlich dem Bild von der Wiedergeburt des Phönix aus der Asche.

Es ist wie ein Archetypus der Reise, der seinen Ausdruck in der Sehnsucht nach nomadenhaft gelebter Häuslichkeit findet und darin eine Metamorphose der Sehnsucht nach Ver- und Umwandlung erfährt.
SpracheDeutsch
HerausgeberWieser Verlag
Erscheinungsdatum1. Sept. 2015
ISBN9783990470299
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    Buchvorschau

    Das Buch von Wien-Venedig - Ulrike Renner

    Miriam

    Das Veilchen, verpasst in Venedig

    Claudius hatte sich verirrt. Die engen Gassen sahen in der anbrechenden Dunkelheit einander ähnlich. Labyrinthisch schien ihr Verlauf. Das Labyrinth besaß eine ihm eignende, geordnete Aufgabenstellung. Eben seinen Ausgang letztendlich zu finden. Eine Aufgabe, die aufreizend zu beunruhigen vermochte, denn zwischendurch, bei all dem Gerenne, mochte der Gedanke entstehen, aus den kreisförmig anmutenden, scheinbar wiederholten, baulich gelenkten Richtungsabläufen den Ausgang nicht zu finden, ein dauerbewegtes Aufderstelletreten ohne bewusste Perspektive zu erleben. Die eng verschlungenen Gassen waren hier, an diesem besonderen Ort Venedig, nicht nach den Vorgaben eines Labyrinthes errichtet, sondern nach dem natürlich bedingt vorgefundenen Konglomerat eines Archipels aus 108 unterschiedlich großen Inselchen. Durch technikreiche bauliche Konstruktionen, ein hoch differenziertes Kanäle-, Brücken- und Gassensystem waren die Inselchen des delphinartig geformten Stadtganzen namens Venezia, Venexia miteinander verbunden worden.

    Möglicherweise war Claudius schon mehrmals an der Kirchentür vorbeigelaufen. Sie war just in diesem Moment in seine Aufmerksamkeit geraten, als jemand, kurz bevor er daran vorbeigelaufen wäre, sie geöffnet hatte und ein deutlich wahrnehmbares Duftgemisch aus Myrrhe, Patchouli und Zedernholz dem Kircheninneren entströmte und ein Schwall leise gespielter Töne, der sich mit dem orientalisch behauchten Duft in der calle vermengte. Die Marienvesper des Claudio Monteverdi. Rasch würde die Nacht über der Stadt hereinbrechen und es nicht einfacher machen, aus dem Gässchenwirrsal herauszufinden. Feiner Nebel zog durch die calle. An der Hausecke stand ein kleiner Herrgottswinkel mit angezündeten Kerzen, die müde flackerten. Die Stimmung zog Claudius magisch an. Venezianischer Nebel motivierte sein Alter Ego, den nomadischen Vorfahren, vitalisierte ihn. Nebel, Schnee, Regen, Gewitter, Sonne. Alle diese klimatischen Äußerungen bekamen hier, in Venedig, einen exemplarischen Status, entluden sich an diesem Ort ekstatischer, deutlicher, verheerender, pointierter als anderswo. Die Stadt, sie versank im Regen durch acqua alta, sie versank im Nebel, indem sie ihren palazzi Masken aus Nebelschwaden anlegte, hinter denen verheißungsreich angedeutet Hausfassaden ihren architektonischen, schönheitsbewussten, wandlungsfähigen Formenreichtum durchschimmern ließen. Sonne, Regen, Nebel, Schnee fanden in bella Venezia nicht bloß statt, kamen und gingen mit wetterbedingter Beliebigkeit wie in anderen Städten. Sie waren Teil des Ausstellungscharakters der Stadt selbst und stellten einen überpersönlichen Erlebniswert dar, der das venezianische Erscheinungsbild half auszuformulieren. So, als wären die Wirkungen der Sonne, des Nebels, des Gewitters bei der ursprünglichen Stadtplanung zur Ausgestaltung des Ortes ganz bewusst mitberücksichtigt worden. Wie sonst hätte das Wetter so eine besondere, über sich hinausweisende, die Stadt und ihr Ambiente durch permanente Wandlungsfähigkeit beeinflussende Kraft gehabt. Gewiss, der Ort war allein aufgrund seines Ursprunges einzig, und Claudius liebte ihn besonders bei Nebel. Dieser Venedignebel sog Geräusche der schon an sich recht lärmfreien Stadt in sich auf, beruhigte die permanente, klein gewellte Bewegtheit und Geräuschhaftigkeit der Kanäle, die sich, unsichtbar geworden, in einem leise gemurmelten Plätschern verloren. Der Nebel hier glänzte. Keine ungeheuerliche, einkapselnde, blind machende Macht, sondern ein Schwebevorgang, hinter dem sich harmonisierende Veränderungen und Häutungen vollzogen. Vielleicht, mutmaßte Claudius, entsprach der Nebel am meisten dem Stadtcharakter, dem Verschwinden, dem Wiederauftauchen, dem Wandlungspotential hinter wässrig fein gestäubten Nebelschleiern. Feiner Nebel entspannte die Konturen der Stadt. Ein beschlagenes Milchglas, hinter dem sich teilweise neue, moderne, geschichtsbewusste und von der Historie abhängige, auch problemreiche Projektionsflächen mit dem Rest der Welt vernetzten, auf kleinem Raum zusammengeschoben. Wie kristallisiert konzentriert.

    Hinter dem Nebel präsentierte sich auch das kalte Gesicht einer gegenwärtig innovationschwachen, tourismusabhängigen Kommune, die von der Strahlkraft der Geschichte lebte und von den übrig gebliebenen Rändern gewachsener Kultur, Kunst, international orientierter Potentiale zehrte, ohne eine deutliche nachhaltige Perspektive aus diesem vergangenen Überschwang von wirklichen, gelebt gewordenen Möglichkeiten neu definieren zu können.

    Der Nebel hatte gleichfalls eine entlarvende Funktion, fühlte Claudius, der Liebhaber einer Stadtschönheit mit problematischen Verzerrungen und Meeres-Potential.

    Hier in diesem Gassenlabyrinth ließ sich der Jahreswechsel besonders gut erfahren. Nirgendwo hätte er ihn sich definitiver vorstellen können. Hohe Häuserwände, die abgebröckelt auf ihr Ende hinweisend, müde und abgespannt diesen entsetzlichen Dauertouristenströmen Sonne und Pastell in ästhetischer, Historie gewordener Höchstleistung entgegenhielten, um überlebensfähig zu bleiben. Wohin bloß hatten sich all diese Potentiale zurückgezogen, die die Stadt zu dem gemacht hatten, was sie einmal gewesen war (und hoffentlich wieder mit einer neu belebten Kreativität würde sein können). Ein einzigartiges Wesen, das sein Überleben in Alternativen anstelle von überteuerten Touristenmenüs, biglietti- und Hotelpreisen, Glaskitsch, Maskenkitsch und I love Venezia T-Shirts finden würde. Vielleicht war der Rückzug ins Wasser, das Element, aus dem der Archipel, wohl der schönste Archipel der Welt, entstanden war, die einzige Möglichkeit, um wieder Ruhe zu finden. Claudius empfand so. Den unüblichen Namen verdankte er seinen Eltern, die wie er Venedigliebhaber waren. Claudio Monteverdi. Dessen Musik er jetzt durch den Spalt einer geöffneten Tür hörte. Er betrat den kleinen dunklen Kirchenraum, der von flackernden Kerzen spärlich beleuchtet wurde. Holzbänke, Altar, Bilder, Statuen, Weihwasserbecken, die üblichen Utensilien und Kunstwerke einer Kirchenraumausstattung ließen sich mehr erahnen als sehen. Was den Raum greifbar machte und ihm eine Dimension des Räumlichen und Existenten verlieh, waren jene leise gespielten monteverdischen Töne, deren Anwesenheit sich in einem Eck des Kirchenraumes versammelte. Claudius fror trotz seiner Daunenjacke und gefütterten Winterschuhe. Die Dunkelheit machte den unbeheizten Raum noch kälter. Deutliches Rascheln. Ist da jemand, fragte Claudius, deutsch, italienisch und zuletzt englisch. Keine Antwort. Dass er keine Angst bekam, hing wohl mit der Musik zusammen, die eine feierliche Tönung in den kalten Raum warf. Ja, er wollte diese Stimmung auskosten, diese ungereimte Co-Existenz von Dunkelheit, Kälte, Musik von Claudio Monteverdi, die so viel besser in einen hohen lichtdurchfluteten ekstatischen Raum gepasst hätte als in dieses von Kerzen beflackerte Räumchen, das betörend nach einer Mischung aus Patchouli, Myrrhe, Weihrauch, Zedern roch. Rose war auch dabei. Das Rascheln wiederholte sich. Claudius setzte sich, behäbig wegen seiner voluminösen Daunenjacke, auf einer der Kirchenbänke nieder, rieb die Hände aneinander, was ihm kurzfristig eine Sekundentäuschung von Wärme vorgaukelte, ohne die dreisprachige Frage von vorhin zu wiederholen. Die Holzbank war wie alle Kirchenbänke unbequem. Die Dunkelheit entwickelte, je länger Claudius in dieser Beinahefinsternis seinen Körper in eine Bankreihe hineinzwängte, eine eigene Qualität wie zum Besseren hin. Sie inspirierte Claudius. Sie war ein grenzenlos umfangendes Beinahe-Körperliches durch archetypenhafte Bezugsmöglichkeiten wie Höhle, Uterus, Nacht, nahe beim Gefühl Angesiedeltes, Schützendes, Ohnmacht, das schwarze Cachenez des Tages. Claudius lachte bei dieser Vorstellung, wie konnte ihm ein so absurder Vergleich einfallen? Venedig hatte diese Wirkung auf ihn. Er kannte es von seinen zahllosen Reiseattacken, die ihn immer wieder an den Ort seiner – wie sollte er es nennen? – am meisten entäußerten Serenissiertheit gebracht hatte. Die Delphinstadt der Lagune.

    Er konnte nicht aufhören hierherzukommen, ja, er mochte sich nicht vorstellen, wie seine Tageswirklichkeiten ohne die Möglichkeit ausgesehen hätten, sich an diesen Ort trotz all seiner beruflichen Aktionswelt hinzudenken. In Venedig wurde er sich selbst sichtbar, nirgends sonst. Gewiss: Wien liebte er, da lebte er, mit all seiner beruflichen und familiären Gefordertheit. Wien war sein aktuelles Aktionsnetz, von dem aus er sich in seine Arbeitswelt hinein agitierte und internationalisierte. Er war jemand. In Venedig nicht. In Venedig war er ein Amorphes und ein Nomade, der sich gewissermaßen zwischen den Zeilen des Lebens bewegte. Er vermochte seine Familie immer wieder von neuem von der Notwendigkeit zu überzeugen, dass er nach Venedig allein reisen musste, um sich kurze Auszeiten zu gönnen, quasi Präventivmaßnahmen angesichts seines Berufsalltages als Vielbeschäftigter und eines durchaus denkbaren Burnout. Er, Universitätsprofessor mit Nebentätigkeiten, die sich überdurchschnittlich für die ganze family bezahlt machten. Nachdem es keine Frau war, an die ihn eine vieljährige Verliebtheit gebunden hatte, sondern eine Stadt, ließ ihn seine Frau ziehen. Und auch die beinahe erwachsenen Kinder mochten ihn entbehren. Er kam von der Stadt seiner Sehnsucht zurück mit neuen Ideen, die er in Bücher, Seminare, Artikel, Vorträge, Vorlesungen, wissenschaftliche Expertise umwandelte und damit Geld machte, das er der Familie überließ, damit sie es ausgäbe und die Wirtschaft ankurbelte, wie sie sich gegenseitig, ohne es allzu ernst zu meinen, versicherten. Claudius war an Geld nicht wirklich, nicht nachhaltig, nicht tiefgründig interessiert.

    Geld war für ihn etwas, womit man sich etwas kaufen konnte, das aus gutem Material bestand. Das war einer der Gründe, die ihn zu Venedig hinzogen. Brokate. Marmor. Mit Gold marmoriertes Glas. Solides Material. Holz, das unter eine Wasseroberfläche gebannt, Steinhärte zu entwickeln imstande war. Baumstämme aus den Wäldern der terra ferma. Edelstein. Stein generell. Enorm viel geformtes Material.

    Und dann diese spiegelnden, irisierend flimmernden Wasseroberflächen, die die Stadt in permanenter Bewegung reflektierten und mit den bedrohlichen Möglichkeiten der Überflutung oder der zu geringen Wasserstände oder chemischen Verrottung kämpften. Die Farben- und Lichtverhältnisse. Ach, die. Die besonders und vor allem. Das war ein Mehr als anderswo. In der Farbe, dem Licht, der Sonne, diesem Dreiergespann der Überreflektiertheit durch das Wasser, in all seinen Tagesveränderungen fand sich Venedig ultimativ. Das pastose Element. Auch das. Grandios berührend den Körper wie den Geist.

    Es gab viele Spuren zu verfolgen. Weg vom dichten Material der Brokatstoffe, von den durch Sauerstoffentzug steinhart gewordenen Baumstammwäldern, auf denen dieser 108 Inselchen-Archipel sein anfänglich so solides Fundament gegründet hatte. Weg von den edlen Metallen und Steinarten der Brüstungen, Geländer, Türschilder, Palazzi, der Materialbestandsaufnahme, in der sich ein Beschaffenheitsrundumschlag von ganz Venedig befand. Hin zu dem langsam aus seinen Fugen geratenen Universum, seinen ökonomischen, ästhetischen, politischen, sozialen Verhältnissen, den Umgang mit dem Rest der Welt, vor allem seinem jetzigen, gegenwärtigen, hoffentlich nicht finalen.

    Erneutes Rascheln. Das Rascheln eines stoffreich umhüllten Körpers näherte sich dezidiert der Holzbank, wo Claudius saß. Wer ist das, fragte er einsprachig deutsch. Ein leichtes Vibrieren der Bank, auf der er saß. Sie hatte sich neben ihm hingesetzt. Sono io, sagte es. Die Stimme einer Frau. Tief, Körper, Altlage, bestimmt und doch ein wenig zittrig. Aha. Italienerin, entfuhr es seiner Gedankenwelt. Als stünde er unter geheimer Beobachtung, nahm er sich ob des Klischees augenblicklich bei der Nase. Italiener hatten weniger Berührungsängste als Österreicher. Er musste es zumindest in Gedanken aussprechen, nachdem der Gedanke schon hochgekommen war wie ein ungeliebtes Souvenir, wie er Klischees bei sich nannte. Zumindest in den vaporetti hatte Claudius diese Nicht-Berührungsängste kennengelernt, wenn sich die Körper der venezianischen Fahrgäste auf den relativ schmalen Sitzen des Innenraumes der öffentlichen Verkehrsmittel eng aneinander drückten, ohne den Kontakt zu Ober-, Unterarmen, Ellbogen, Oberschenkeln des Fahrgastnachbarn zu scheuen. Auf die Hälfte zusammengeklappte Körper, die der Tuchfühlung aus dem Weg gingen, deuteten meist auf Touristen hin. Was angesichts der oftmaligen Bekleidungsknappheit und der damit einhergehenden Geruchslage der touristischen Körper, deren Berührungsängste diametral zur Freiheit standen, Körperteile ohne stoffliche Umhüllung zu präsentieren, angenehm war. Claudius war oftmals auf das Deck der vaporetti geflüchtet, selbst die Bescheidung eines auf die Hälfte zusammengeklappten Touristenkörpers hatte beiderlei, seinen optischen wie auch seinen olfaktorischen Sinn in Bedrängnis gebracht. Sogar das Touristengedrängel auf Deck war wegen des Fahrtwindes dem Geruchsstau im Innenraum des vaporetto vorzuziehen. Wie die Venezianer wohl diese touristischen Überflutungen aushielten ohne sie als lästig und lebensqualitätsmindernd zu empfinden? Er selbst hielt den Touristenstürmen zur Weihnachts- und Silvester-, zur Sommerzeit in der Wiener Innenstadt – in Wirklichkeit gab es ja keine spezielle Zeit ohne wiensüchtige Touristen mehr – bloß begrenzt stand. Allerdings existierten in Wien mehr Möglichkeiten, den Besuchern auszuweichen als in Venedig, wo sich eine enorme Anzahl von Touristen über eine kleine Anzahl von Plätzen einer räumlich kleinen Stadt verteilte.

    Erstaunlicherweise beruhigte hier in dieser kleinen kalten Kirche die flüchtige Berührung mit einem fremden stoffreichen Oberarm. Vielleicht weil der Rest dieses Körpers, der zu diesem gefühlten Stoffteil gehörte, nachdem er auf der Bank Platz genommen hatte, sich kein bisschen mehr rührte, sondern wie fixiert, komplett regungslos dasaß. Claudius’ rechte Hand hatte, ohne sich dazu einen bewussten Auftrag gegeben zu haben, an den Arm der regungslos, wie atmungsfrei dasitzenden Frau neben ihm herangetastet und von da, wo er den Ellbogen der Sitznachbarin vermutete, begonnen sich zu den Fingern vorzuarbeiten. Klamme, eiskalte, feingliedrige Finger, von einer Haut überzogen, die sich wie feingesponnenes Tuch anfühlte, fest um einen Gegenstand gespannt. Claudius’ Finger, unabhängig von seinem an Konventionen geschulten Wachbewusstsein zu einem losgelöst agierenden und ihn selbst überraschenden Eigenleben erwacht, bewegten sich tastend über einen eiskalten Handrücken, streiften über die straff gespannte, samtige Haut der Fingerknöchel hin zu gekrümmten Fingern, deren Haltung äußerte, dass sie den Gegenstand ihrer Umklammerung nicht, NIMMER, würden loslassen wollen. Die Fingerkuppen des rechten Zeige-, Mittel- und Ringfingers von Claudius zitterten vorsichtig behutsam in sachter Hin- und Herbewegung an den gekrümmten Fingern der linken Frauenhand entlang, bis sie einen Gegenstand aus Metall erspürten, der aus der zur Faust geballten linken Frauenhand herausragte. Es handelte sich – die Erkenntnisse seiner Fingerkuppen, übersetzt in seine Erfahrungswelt, ließen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig – um eine kleine Pistole.

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