Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Armenische Äpfel
Armenische Äpfel
Armenische Äpfel
eBook56 Seiten40 Minuten

Armenische Äpfel

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Der Autor nimmt uns mit auf eine Reise durch die älteste christliche Nation der Welt: Armenien am südöstlichsten Rand Europas. Auf dem Pflaster der Stadtstraßen, steilen Bergpfaden oder Spaziergängen um ehrwürdige Klöster lernen wir die Bevölkerung aus nächster Nähe kennen: Geistliche, Lehrer, Kraftfahrer oder einfach Passanten, mit denen der Autor das Gespräch suchte. Wir erfahren, wie das armenische Alphabet entstanden ist und weshalb beim Anstoßen das Glas tiefer als das des Gegenübers gehalten werden muss. Ebenso werden in einer kühnen, der dramatischen Landschaft des Kleinen Kaukasus angemessenen Sprache die bedeutendsten, mitunter verfemten Künstler des Landes vorgestellt.
SpracheDeutsch
HerausgeberXinXii
Erscheinungsdatum1. Mai 2010
ISBN9783957031280
Armenische Äpfel

Ähnlich wie Armenische Äpfel

Ähnliche E-Books

Action- & Abenteuerliteratur für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Verwandte Kategorien

Rezensionen für Armenische Äpfel

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Armenische Äpfel - Henning Rabe

    werden.

    1

    Jerewan. Die Hauptstadt. Es riecht nach hoffnungsloser Verkehrslast, Staub und Historie. Und nach frischem Zement. Im Zentrum das Hurra einer Fußgängerzone, noch angewärmt vom Aroma des Estradenlärms und unlängst durchschnittenen Bandes.

    Ein fertiger Boulevard ist immer ein Sieg. Ein neuer Triumph, Bodengutmacht. Fahne, die wärmt und Wege weist, gerammt in die Quelle, der Großes entspringt. Am Platz der Oper, wo Cafés um den Schwanenteich lümmeln, rafft sich die Promenade zu einem gemächlichen Spaziergang auf. Sie schreitet durch die hohen Blocks in schattiertem Braun, Beige und Lila, deren Anblick den feuchten Duft von Beton und Putz gaukelt. Sie schreitet die geräumige Breite füllend. Flaniert aber nicht, zeigt nicht her und hält auf sich. Den forschen Besorgungsschritt hat sie der Maschtots- oder rotierenden Ringstraßen gelassen. Sie hält inne und überlegt. Etwas fehlt.

    Auf den blanken Platten wandeln Legionen schwarzbehaarter Menschen. Auf Bänken und den Eingängen zur Tiefgarage sitzen sie. Rauchen und diskutieren, haben den Baustellen endlich den alten Treffpunkt abgetrotzt. Einen Block lang gibt es schon Geschäfte, noch ohne Schilder. Max Mara und Kollegen zeigen Fummel für die Femme fatal. Doch schraubt sich der Blick in die besenreine Höhe, findet er nur das Gähnen leerer Augenkolonnen. Ungefüllt und unbehaucht, bis zum Platz der Republik.

    Im Abend versinkt das Szenenbild zur Lüge. Das Hin und Her der Menschenströme flackert unter orange geriffeltem Laternenlicht, eine einzige Lampe heimelt ein tapferes Parterre an. Robuste Lederjacken, Abendkleider, stattliche Anzüge, Tücher und schwarze Joppen schieben sich woanders liegender Gastlichkeit zu, mit der Feierlichkeit eines vergrabenen Zepters. Am Rande der Kulissen stottern die Reste der Sechziger Jahre ihre Galgenfrist ab. Hunde heulen in den Baugruben, geistern durch leere Etagen. Wachdienste schließen eine ovale Leuchte an, lesen Zeitung, werfen die Kippen in Tümpel aus Schmutz.

    2

    Dort, wo sich die annähernd kreisrunde Innenstadt Jerewans nach Südwesten plötzlich in eine Schlucht ergießt, steht das Paradschanow¹-Museum.

    Eine Führung für Schüler. Sie haben keinen seiner Filme gesehen, feixen über die wahrhaft surrealistischen Assemblagen, Gemälde und die Fremden, die freiwillig gekommen sind. Zwei ausgehöhlte Puppenköpfe – Romulus und Remus. Das Ei des Kolumbus – ein echtes Ei, das vor der Leinwand schwebt. Die Reisetasche seiner Jugend, mit ledernen Stoßzähnen zum Elefanten gedeutet. Höch-hafte Collagen, frivole Kritzeleien aus dem Arbeitslager, Kugelschreiberporträts der Mitgefangenen. Kostümentwürfe, die kühnsten zur „Farbe des Granatapfels". Ein Altar für den verfemten Meister. Eine fast lebensgroße Puppe, ihr Bart aus Schrubberbürsten. Das Großartige hat sich hier neben den Humor gesetzt.

    Auf der anderen Seite der Schlucht erneutes Anhöhen, brüllender Verkehr. Musik im großen Stadion, die gelben und roten Sitze füllen sich. Unten raucht es an Wellblechhütten. Ein kantiger Bus ruht auf Steinen, eine Säge kreischt.

    Dann blitzt durch den Vorhang aus Gasen und staubig strotzender Oktobersonne – in einer Höhe, dass man nicht auf die Idee käme, dort noch etwas zu suchen – der Ararat. Feuchtweiß, von einer nicht gleichmäßigen, hier angehöhlten, da frühsportgewundenen Eisglasur unverwechselbar gefirstet. Er stößt sich am Steppenboden und wurzelt in den Sternen.

    Vom Panorama führt die Maschtots-Straße am Markt Nr. 2 vorbei. Eintausend Blumen und eintausend Sonnenbrillen flankieren das riesige Tor, das wie für einen Sultan schwelgerisch und jahrelang gemeißelte Buntmetalltor. Drinnen, gestützt von hellgelben Wanten, der Walbauch des prächtigen Schiffs. Frisches, Obst, vor allem Gemüse. Das Grün variiert in Metern, die Pyramiden der Früchte sind grell, das Rot der Äpfel gellt. Die Händler stehen farblos unter dem Druck der Gerüche. Sie erwachen. Händeschütteln, Vorstellungen

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1