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Eine Revision für den Tod: Badenser Krimi
Eine Revision für den Tod: Badenser Krimi
Eine Revision für den Tod: Badenser Krimi
eBook418 Seiten5 Stunden

Eine Revision für den Tod: Badenser Krimi

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Über dieses E-Book

Aufgrund der Testamentsänderung eines seiner Partner sieht ein Umweltaktivist die Realisierung seiner Träume in Gefahr und schreitet daher nicht ein, als die vom geänderten Testament Betroffenen das neue Dokument ignorieren. Ein Zeuge ist bald ausgeschaltet, und alles scheint im Lot. Doch einige Jahre später fallen einem Prokuristen Ungereimtheiten in der Firma auf und er drängt auf eine Revision. Wenige Tage später kommt er im Schneetreiben von der Straße ab und kann nur noch tot geborgen werden.
Hauptkommissar Steiger vermutet Mord. Bei seinen Ermittlungen findet er heraus, dass der Prokurist vor der tödlichen Fahrt ein Medikament eingenommen hat. Als die ungeklärten Todesfälle sich häufen, in denen die Wirksubstanz des Medikaments der gemeinsame Nenner ist, setzt Steiger sich auf die Fährte des Mörders.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum26. Aug. 2015
ISBN9783739293349
Eine Revision für den Tod: Badenser Krimi
Autor

Ari F. Maer

Ari F. Maer wurde in Istanbul/Türkei geboren und lebt seit seinem sechsten Lebensjahr im Schwarzwald. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.

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    Buchvorschau

    Eine Revision für den Tod - Ari F. Maer

    Personen und Handlung sind frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit noch lebenden oder verstorbenen Personen oder Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens ist nicht beabsichtigt und wäre rein zufällig.

    Prolog

    12. FEBRUAR 2008

    Der Atem des alten Mannes ging schwer. Die Buchstaben, die sich schwarz von dem weißen Hintergrund des Monitors abhoben, fingen langsam an zu flimmern. Eine letzte Bestätigung mit einem Mausklick. Einen Augenblick später erwachte der Drucker neben dem Computer zum Leben.

    »Unterschreiben«, forderte er seine beiden Besucher auf.

    Sein alter Freund, ihm gegenüber in einem Rollstuhl sitzend, beugte sich tief über den Tisch, murmelte Unverständliches und setzte mit zittriger Hand seinen Namen dorthin, worauf der Zeigefinger seines Weggefährten deutete.

    Der jüngere, asketisch wirkende Mann mit rötlich blondem Haar starrte den Text minutenlang ausdruckslos an. Seine Hand, die den goldenen Füllfederhalter zwischen Zeige- und Mittelfinger geklemmt hielt, sank langsam auf die Tischplatte zurück.

    Sichtlich betroffen machte er einen letzten Versuch, den beiden Greisen ihr Vorhaben auszureden.

    »Damit erweist ihr unserer Mission einen Bärendienst. Ein besseres Management für die Realisierung unserer Idee lässt sich nicht mehr finden.«

    Der alte Mann, der sein Leben lang angefeindet und dem alles geneidet worden war, strich mit einer fahrigen Bewegung über sein silbernes Haar. Mit vom Alter brüchiger Stimme reagierte er sofort auf dieses Argument.

    »Mein Entschluss steht fest. Ich habe von Blendern, schönem Gerede und spitzfindiger Paragraphen-Auslegung noch nie etwas gehalten. Solches Getue tarnt nur einen Betrug.«

    Verständnislos sah ihn der jüngere Mann an. Die Vorstellung, um einen Traum beraubt zu sein, wollte ihm nicht in den Kopf. Neben ihm hustete der Mann im Rollstuhl heftig. Man sah ihm immer noch an, dass er einst hochgewachsen gewesen war. Sein Haar, das vor vielen Jahren schwarz geglänzt hatte, schimmerte silberweiß, und der Bart, der sein Kinn bedeckte, war silbergrau. Seine Augen spiegelten eine Müdigkeit wider, die sich in langen Jahren angesammelt hatte.

    »Er will mit diesen Scheinheiligen auch ein Ding drehen«, provozierte er

    Aufgeschreckt durch diese fast flüsternde Stimme neben sich fühlte sich der jüngere Mann betroffen.

    »Ich habe nur eine gesunde Umwelt im Auge. Frei von Schulden an unsere Kinder. Alles andere wäre Blasphemie an unserer gesamten Ökologie«, rechtfertigte er sich.

    »Schluss mit solchen Phrasen, an denen sich ein bestimmter Personenkreis bereichert.« Der alte Mann schloss den Computer und machte eine Kopfbewegung zu seinem Freund im Rollstuhl.

    »Wenn dich dein Gewissen plagt, bezeugt eben ein anderer unseren Entschluss.« Seine Stimme hörte sich immer noch leise an, aber der Ton verriet, dass dieser Mann, der seine letzten Tage im Rollstuhl fristete, einst gewohnt war zu befehlen.

    Der Asket mit dem rötlich blonden Haar verharrte einen Moment in Schweigen. Die Erkenntnis, dass dieser Ausgang noch verändert werden konnte, hatte etwas Tröstliches. Als sich diese Schlussfolgerung bei ihm durchsetzte, schrieb er seinen Namenszug unter das Papier.

    14. FEBRUAR 2008

    Der Schmerz, der seinen alten Körper peinigte, erschien ihm unerträglich. Aus einem unruhigen Schlaf gerissen knipste der alte Mann seine Nachttischlampe an und griff nach der vertrauten Tablettenbox. Mit zitternden Händen langte er in die Ablage, holte eine schon vorsortierte Kapsel hervor und schluckte sie mit Wasser aus dem Glas auf seinem Nachttisch hinunter.

    Minuten verstrichen. Statt einer entspannenden Wirkung setzte in seinem Körper ein biologisches Chaos ein.

    Seine Hormone fingen an verrückt zu spielen. Sein Pulsschlag wurde immer schneller. Hämmernde Herzschläge waren das Letzte, was er noch mitbekam, bevor sein Leben erlosch.

    15. FEBRUAR 2008

    Sein alter Freund war tot. Obwohl wegen der Krebserkrankung und eines hohen Alters damit zu rechnen gewesen war, kam diese Nachricht für ihn überraschend. So unvorhergesehen, dass er an unerwünschte Sterbehilfe glaubte.

    Bedrängt von der Schlechtigkeit, die er in seinem langen Leben erlebt hatte, dominierten in seinem Kopf die Gedanken an das vor drei Tagen aufgesetzte Dokument. Die Bestätigung einer Kenntnisnahme von diesem Dokument war umgehend gekommen, aber irgendwie wurde er die Ahnung nicht los, dass da ein Beruhigungsmanöver gefahren wurde.

    Noch einmal entschloss er sich persönlich zu handeln. Er bestellte seinen Chauffeur und ließ sich von ihm zu seiner Hausbank nach Müllheim fahren. Dort mietete er für fünf Jahre ein weiteres Schließfach an, um darin die von seinen Freunden beglaubigte Kopie abzulegen.

    Nach dem Verlassen der Bank suchte er seinen Anwalt auf, übergab ihm den Schlüssel und verfügte, dass ihn fünf Jahre nach seinem Tode seine zweite Frau erhalten solle. Im Falle ihres unvorhergesehenen Todes müsse der Inhalt des Schließfachs dem Landgericht ausgehändigt werden.

    Wieder in seiner Villa angekommen fühlte er sich ausgelaugt und schlecht. Wie immer in solchen Situationen vertraute er den von seinem toten Freund empfohlenen Kapseln.

    Doch dieses Mal war die Wirkung eine andere. Ein Reigen bunter Lichter durchflutete sein Gehirn und formte sich zu einem Ball. Jäh ein Blitz, dem ein Absturz in tiefe Dunkelheit folgte.

    17. FEBRUAR 2008

    Zu völliger Untätigkeit verdammt, spürte er wieder die Nähe seiner Frau. An Schläuche und Kabel angehängt, lag er regungslos in einem Krankenbett.

    Ihr Zureden, ihre Hand, die ihm über die Stirn fuhr, weckten noch einmal sein Bewusstsein. Nach einem Schauer des Entsetzens peinigte ihn ein durchaus realistischer Gedanke: Er sah seine Frau, die eine Enkelin von ihm sein konnte, dem Charme jener Männer erliegen, die er ausschalten wollte.

    Vergebens versuchte sein Mund ein paar mahnende Worte zu formen. Er blieb stumm, und als er mit seiner rechten Hand ein Zeichen machen wollte, spürte er sie nicht mehr.

    Zwölf Stunden später folgte er seinem Freund in den Tod, ohne sich verständlich gemacht haben zu können.

    Heinzelmann hatte es gestern Abend zur Sprache gebracht. Ausgerechnet dieser mickrige, penetrante Rudi Heinzelmann, dessen Pensionierung in einem Jahr bevorstand.

    Helmut Breitkreuz drosselte das Tempo seines Laufes. Links lichteten sich die Bäume, deren spärliches Laub dem einsamen Jogger einen Blick hinunter zum Schluchsee freigab. Was er sah, war genauso trüb wie seine Gedanken. Nur dunkles Wasser, über dem ein kalter Wind Wellen vor sich her peitschte. Am Himmel türmten sich bleierne Wolken auf, und am Seeufer beugten sich an diesem Novembermorgen Sträucher und junge Bäume einer zornigen Natur.

    Breitkreuz erreichte eine Abzweigung und schlug den Weg zum See hinunter ein. Endlich der Düsternis des Waldes entronnen, setzte er seinen Lauf entlang des Seeufers fort. Trotz der Unebenheit des Geländes nahm er wieder Tempo auf, um ein zunehmendes Kältegefühl nicht aufkommen zu lassen.

    Vergebens! Breitkreuz wurde sich bewusst, dass das Frieren, das seinen Körper quälte, nicht Morgenkälte, Wind oder Feuchtigkeit als Ursache hatte, sondern dass es die Erinnerung an Heinzelmanns Worte war, die er bei der gestrigen Besprechung leitender Angestellter der mittelständischen Firma Mahler in den Raum gestellt hatte:

    »Ich muss leider zur Sprache bringen, dass dringender Verdacht auf Manipulation des Geschäftsablaufs besteht.«

    Kühl hatte Dr. Hermann Mahler, der Senior-Chef, darauf alle Anwesenden gemustert.

    »Was willst du damit andeuten, Rudi?«, wollte er sofort wissen. Breitkreuz war dabei den Gedanken nicht losgeworden, dass der Alte auch einer Unregelmäßigkeit auf der Spur war.

    »Belege mir unbekannter Produkte tauchen auf. Trotz Rücksprache mit der Fertigungsleitung kann mir von denen keiner erklären, um was sich da handeln soll, noch weiß jemand über deren Verwendung Bescheid.«

    »Müssen Sie wegen eines Vorganges, der sich im Datennetz zurückverfolgen lässt, den ganzen Betriebsablauf durcheinanderbringen, Herr Heinzelmann?«, fühlte sich Kurt Mahler, der Sohn des Seniors, von diesen Worten provoziert.

    Entrüstet, die Augen hinter seiner Brille weit aufgerissen, war ihm mit fast weinerlicher Stimme der alte Mann die Antwort nicht schuldig geblieben.

    »Ich habe nur meine Pflicht getan. Leider muss ich auf einer Revision bestehen.«

    Die Reaktion des Seniors war ein Bekenntnis zu seinem Prokuristen gewesen.

    »Lass das, Kurt. Rudi hat gehandelt, wie ich es von ihm gewohnt bin. Sollte sich sein Verdacht erhärten, ist solches Handeln heutzutage leider nicht mehr alltäglich.«

    Dann war die Stunde von Dr. Roland Mahler, einem Neffen des Seniors, gekommen. Gemeinsam mit seinem Bruder Eckhard stritt er gegen seinen Vetter Kurt um die zukünftige Führung der Firma. Beide Brüder zusammen besaßen achtundvierzig Prozent der Firmenanteile.

    »Wenn ein solcher Verdacht von unserem alten, gegen jeglichen Verdacht gefeiten Prokuristen geäußert wird, unterstütze ich seinen Wunsch nach einer Revision.«

    Breitkreuz hatte da den Eindruck gehabt, dass Eckhard nur aus Opposition zu seinem Vetter Kurt dem Antrag seines Bruders zugestimmt hatte. Möglich, dass bei dem auch nicht alles sauber war, da ihn zu sehr grünes Gedankengut belastete.

    Doch jetzt war unwiderruflich ein Gespenst losgelassen worden.

    Mit gleichmäßigem Atmen versuchte Breitkreuz diesem Tagtraum Herr zu werden.

    Da war Ingrid, die sein Denken beeinflusste. Als Messe-Mieze hatte er sie in Düsseldorf kennengelernt. Wunderschöne Stunden hatten sie gemeinsam in einem Hotel erlebt. Diese hatten sich, auf einen Vorschlag von ihr, auf den Balearen fortgesetzt. Ein Spaß, der sein Konto gewaltig angenagt hatte, obwohl sie Großzügigkeit zeigte und für einen Abstecher nach Andalusien die Extrakosten übernommen hatte.

    Breitkreuz wurde den Gedanken nicht los, doch die gesamte Zeche bezahlt zu haben – oder noch die Quittung dafür zu bekommen.

    Was hatte er in Sektlaune und im Liebesrausch alles von sich gegeben? Als einer von wenigen Vertrauten arbeitete er an einer noch geheimen Entwicklung von Diplomingenieur Dr. Hermann Mahler. Jener, ein typischer Schwarzwälder Tüftler, der über einhundertzwanzig Patente hielt, war auf eine Sache gestoßen, die bereits existierende Verfahren zur Gewinnung von erneuerbarer Energie durch Wasserkraft revolutionierte.

    Seine Schritte wurden schneller. Der Atem lauter. Sosehr er sich auch körperlich anstrengte, er konnte dem Gedanken nicht davonlaufen, Ingrid könnte auf ihn angesetzt worden sein.

    Er versuchte sich einzureden, wie sie auf etwas angesetzt werden konnte, in das nur wenige Techniker, vom Alten handverlesen, und er, ein Fachmann für Turbinen, eingeweiht waren. Zudem war er als Sachse Außenseiter in dem Klüngel des Alten, wo duzen und sich lecken Standardwörter waren. Diese Menschen aber mit einem Vertrauensbruch in Verbindung zu bringen dünkte ihn abwegig.

    Breitkreuz hielt einen Moment inne, um tief Luft zu holen. Jetzt erst nahm er den einsetzenden Nieselregen wahr. Er zog die Kapuze seiner Sportjacke über den Kopf und setzte seinen Lauf fort.

    Wirre Überlegungen formten sich weiter in seinem Kopf.

    Schloss er Leute aus, die an dieser Sache arbeiteten, konnten sich nur die zerstrittenen Cousins verplappert haben.

    Kurt war Betriebswirt und voll auf modernste Computer-Kommunikation fixiert. Zahlen, Statistiken, Schaubilder, wer dies beherrschte, war sein Mann. Gut möglich, dass da Scheiße gebaut worden war und Heinzelmann nur einem Phantom in einem Computerprogramm nachging. Nicht auszuschließen, bei Kurts Vorliebe für perfekte Datenverwaltung, war allerdings eine Speicherung von solchen Daten, die sein misstrauischer Vater nicht dem Netz zugänglich machen würde.

    Was für Kurt die Cyberwelt war, war für Eckhard die Vision einer idealen Ökologie. Er und sein Freundeskreis würden alles daransetzen, energiesparende Heilsbotschaften unter die Leute zu bringen.

    Roland wiederum war als Professor an verschiedenen vom Land geförderten Forschungsprogrammen für erneuerbare Energie beteiligt.

    Von allen dreien, wenn auch unbedacht, konnten firmeninterne Hinweise über das Projekt des alten Mahler nach außen gedrungen sein.

    Durch fast völlige Einsamkeit laufend, wurde Breitkreuz von dem unheimlichen Gefühl beschlichen, in eine Sache mit ungewissem Ausgang hineingezogen zu werden.

    Nervös schaute er auf seine Uhr. 8 Uhr 38. Um 9 Uhr 30 kam ein Zug aus Freiburg. Mit ihm hatte sich Ingrid angesagt. Gestern hatte sie ihm dies durch ihr Handy angekündigt, als sie in Düsseldorf den ICE nach Freiburg genommen hatte.

    Wie weggeblasen waren die Gedanken an eine Existenzvernichtung. Nur einer dominierte noch: Spurten! Spurten!, um rechtzeitig den kleinen Bahnhof neben dem Hotel zu erreichen, wo er sich einquartiert hatte. Allein die Vorstellung, gemeinsam mit Ingrid das Erlebnis einer wohltuender Dusche auszukosten, gab ihm die fehlende Körperwärme zurück.

    ***

    Fritz Ahrend, ein großer, förmlicher Mann mit randloser Brille, das ergraute Haar leicht gescheitelt, saß hinter seinem Schreibtisch in einem mit einheimischen Hölzern getäfelten Büro. Ihm gegenüber hatte ein sportlich aussehender Mann Ende dreißig mit leicht verlebten Gesichtszügen Platz genommen, dessen langes blondes Haar, im Nacken zusammengebunden, ihm den Rücken herunterhing.

    »Was faselt ihr da? Unser Objekt soll kalte Füße bekommen haben?«, steigerte sich Ahrend in einen Ärger hinein.

    »Nun ja«, sagte Horst Kowalski, der vor einem Jahr nicht ganz freiwillig seine Karriere bei der Drogenfahndung beendet hatte und jetzt als Privatdetektiv nicht zimperlich bei der Wahl seiner Aufträge war. »Ingrid hat mich über Unregelmäßigkeiten bei der Firma Mahler informiert. Scheinbar so gravierend, dass einer der Gesellschafter auf die Forderung eines Prokuristen nach einer Revision eingegangen ist.«

    »Soll das heißen, ihr habt jegliche Vorsicht außer Acht gelassen und womöglich noch Konten bewegt?«

    »Haltet ihr mich für einen Idioten? Unser Informant scheut jetzt jegliches Risiko, da er um seinen Job fürchtet.«

    Trotz der ungünstigen Entwicklung verzog Ahrend seinen Mund zu einem zynischen Lächeln. Was der alte Mahler, mit dem er genug Patentstreitigkeiten ausgefochten hatte, mit einem machte, der sein Vertrauen missbrauchte, sprengte seine Vorstellungskraft.

    »Fühlt sich deine Ingrid schon so ausgelaugt, dass sie nicht mehr in der Lage ist, fehlende Informationen aus ihrem Klienten herauszustreicheln? Respekt, Respekt! Das muss ein Bock sein, sollte er die geschafft haben.« Genugtuung für die Peinlichkeit, selbst bei Ingrid nicht richtig angekommen zu sein, schwang in seinen Worten mit. »Jedenfalls kommen wir nicht weiter«, stellte er schließlich nüchtern fest.

    Kowalski straffte die Schultern, wobei er sich in seinem Stuhl zurücklehnte. Für einen Moment dachte er an das wir, das Ahrend achtlos in seinen Satz eingeflochten hatte. Es war ein weiterer Mosaikstein in seiner Vermutung, dass Ahrend und seine Firma Attrappen eines mächtigen Energie-Riesen geworden waren.

    Davon überzeugt, meinte er:

    »Tatsache bleibt, bei der Firma Mahler ist eine Revision angesagt. Auch wenn diese in keinem Zusammenhang mit unseren Aktivitäten stehen sollte, wäre es Schwachsinn, die nötige Vorsicht außer Acht zu lassen.«

    Nervös trommelte Ahrend mit seinen Fingern ein paar Takte auf seine Schreibtischplatte.

    »Wollt ihr damit andeuten, andere könnten uns zuvorgekommen sein?«

    »Ist dieser Gedanke so abwegig?«

    Ahrend hielt mit dem Trommeln inne.

    »Nein«, bekannte er. »Sollte dies zutreffen, hätten wir ein zusätzliches Problem, für dessen Lösung wieder einmal eure Überredungskunst gefragt ist.«

    »Ich wüsste von keinem, der sich nach Begleichung anfallender Spesen dieser Kunst entziehen könnte«, prahlte Kowalski.

    In Ahrends Gesichtszügen dominierte ein hinterhältiges Grinsen, als er darauf einging.

    »Beruhigende Worte aus eurem Munde. Wie wäre es, wenn ihr dafür sorgt, dass die schöne Ingrid endlich unter die Haube kommt? Ist sie mit ihrem Informanten glücklich verheiratet, gibt es auch keinen Anstoß mehr an Luxusreisen, die von einer liebenden Braut finanziert wurden.«

    Ahrend hielt inne, um Kowalskis dämlichen Gesichtsausdruck auszukosten. Seinen Blick fest auf ihn gerichtet fuhr er fort: »Unser Hauptproblem wird allerdings nicht so leicht zu lösen sein. Findet heraus, wer Urheber dieser Revision ist. Denn nur der könnte über Hinweise verfügen, die uns schaden könnten.«

    »Ich soll …«

    »… verhindern, dass unser guter Firmenruf Schlagzeilen für die Presse liefert«, fiel ihm Ahrend ins Wort. »Bis jetzt nur Spesen. Keine wirklich brauchbaren Resultate. Ich denke, es wäre so langsam angebracht, wirkliche Überzeugungsarbeit zu liefern.«

    ***

    Noch einmal zeigte sich der November von einer schönen Seite. Herrlicher Sonnenschein verwöhnte drei Ausflügler, die mit der Schauinsland-Bahn hochgefahren waren, um auf der Terrasse des Berghotels die Mittagssonne zu genießen.

    Unten im Tal, wo man sonst Freiburg sehen konnte, lag alles unter einem dichten Wolkenmeer. Aus ihm ragten wie Inseln die Bergspitzen hervor. Im Westen, jenseits des Rheines, waren sogar die Gipfel der Vogesen auszumachen.

    Die drei, sonst aufgeschlossen für die Schönheit der Natur, hatten heute für diese Aussicht keinen Blick übrig.

    »Wir müssen unser Projekt verschieben«, wandte sich Eckhard Mahler, ein drahtiger, mittelgroßer Typ mit dünnem, rötlich blondem Haar, an seine Gefährten.

    Dr. Stefan Engelhard, Sportarzt und Orthopäde, von ähnlicher Statur wie Mahler, wischte sich verärgert mit einem Papiertaschentuch die Nase.

    »Wie stellst du dir das vor? In diese Sache haben wir schon viel zu viel investiert, um uns noch mit einem blauen Auge davonstehlen zu können«, sagte er energisch.

    »Genau da liegt das Problem«, unterstrich Mahler noch einmal seine Forderung.

    »Bist du verrückt geworden?«, ließ ihn der Dritte nicht weiterreden.

    Dr. Hans Kufner war als Jurist in hoher Position beim Regierungspräsidium beschäftigt. Im Gegensatz zu seinem Freund Mahler, der einen asketischen Lebensstil auslebte, war er von wuchtiger Statur und brachte annähernd neunzig Kilo auf die Waage. Nicht nur äußerlich unterschied er sich von den beiden, sondern auch in seiner Lebensart. Während diese sich mit Apfelsaftschorle begnügten, schenkte er sich aus einer Karaffe einen vorzüglichen Spätburgunder nach.

    »Ich und verrückt geworden«, Mahler gab sich empört. »Glaubt mir, ich sage so etwas nicht, um euch zu erschrecken. Auf mich kommen Probleme zu. Heinzelmann, unser penibler Prokurist, hat etwas in die Nase bekommen. Mein Bruder Roland wittert da schon eine Chance, Vetter Kurt, zuständig für Bilanzen, Statistiken und das dazugehörige Zahlenwerk, etwas anhängen zu können. Voreilig wie immer, wenn es um seinen Rivalen geht, unterstützt er Heinzelmanns Forderung nach einer Revision.«

    »Erkläre das etwas ausführlicher, Eckhard«, forderte ihn Kufner auf, nachdem er sein Glas auf den Tisch zurückgestellt hatte.

    Mahler räusperte sich. Der Gedanke, Betriebsinternes ausplaudern zu müssen, behagte ihm nicht. Nach kurzem Überlegen brachte er das Nötigste dazu zur Sprache.

    »Heinzelmann hat Belege von Produkten in seine Finger bekommen, die mit unserem Betriebsablauf gar nichts zu tun haben. Da niemand darüber Bescheid zu wissen scheint, will er in dieser Sache Klarheit schaffen. Mein Onkel, misstrauisch, wie er ist, unterstützt das Ansinnen. Ihn treibt die Furcht, es könnten Trojaner im Netz versteckt worden sein, die es auf seine Patente abgesehen haben. Roland ist auch dafür, aber mit dem Hintergedanken, Kurt bloßstellen zu können. Er geht davon aus, dass da ein falsches Programm im System ist.«

    »Na und?« Dr. Engelhard machte eine unwirsche Geste zu Kufner hinüber. »Was hat das mit unserer Sache zu tun?«

    »Ausgerechnet du fragst das? Glaubst du, ich hatte die euch vorgestreckten zwei Millionen zu Hause unter der Matratze versteckt? Ist zwar alles durch Immobilien und Wald abgedeckt, aber um zu der von dir gesetzten Frist an solche Summen zu kommen, musste ich es über die Firma machen.«

    »Weißt du, was ein Verschieben unseres Projektes bedeutet, Eckhard? Alleine auf deine Zusage hin habe ich Fördergelder beordert. Sollte es an die Öffentlichkeit dringen, dass die Gelder jetzt geparkt werden, da es nicht mehr weitergeht, dann gnade uns Gott«, nahm tief verärgert Kufner Stellung dazu.

    »Bleibt auf dem Teppich, Kinder«, sagte Engelhard. »Was kann uns schon passieren?«

    »Dir vielleicht nichts«, giftete Mahler. »Es sei denn, sie kommen dir auch auf die Schliche, dass du von alten Gewohnheiten nicht lassen kannst. Warst du damals nicht Assistenzarzt an der Uni, als eine gewisse Fakultät böse Schlagzeilen mit Praktiken leistungsfördernder Präparate machte?«

    Engelhard hielt den Blick fest auf Mahler gerichtet.

    »Ich habe genug von solchen Zweideutigkeiten«, knurrte er. »Wenn du etwas sagen willst, rede nicht um eine Sache drumherum, die dich am meisten selbst betrifft.«

    Mahler sprang auf, stieß dabei gegen den Tisch und kippte sein Glas um.

    »Beruhige dich, Eckhard«, beschwichtigte ihn Kufner. »Es ist die Sache nicht wert, dass ihr euch in die Haare kriegt. Gehen wir lieber der Frage nach: Hat dieser Heinzelmann dich im Visier, oder geht er sonstigen Unstimmigkeiten nach?«

    »Bei so einem Eigenbrötler ist schwer vorauszusagen, was gerade in seinem Hirn vorgeht. Penibel geht der jeder Ungereimtheit nach, doch Beschuldigungen bringt der nicht ohne stichhaltige Beweise vor.«

    »Du meinst, nicht einmal deinem Onkel gegenüber hat er Andeutungen eines Verdachtes geäußert?«, wollte Kufner wissen.

    »Bestimmt nicht«, antwortete Eckhard mit einem Hauch von Verärgerung in der Stimme. »Ohne es belegen zu können, prangert Heinzelmann niemanden an. Hätte er Beweise in der Hand, wäre er sofort zu meinem Onkel gerannt und hätte sie nicht in einer Revision gesucht.«

    Dr. Engelhard nippte nachdenklich an seiner Schorle.

    »Hat diese Revision schon begonnen?«, zeigte er aufkommendes Interesse an Mahlers Problemen.

    »So etwas wird doch nicht Wochen vorher angekündigt. Rechne aber damit, dass sie noch vor der Jahresinventur stattfindet«, seufzte Mahler.

    Engelhard zog die Brauen zusammen.

    »Wenn ich darüber nachdenke, was du da von dir gegeben hast, machst du es dir verdammt einfach. Was ist mit dem Pferdchen, das wir noch im Rennen haben? Es läuft in Hochform. Im Januar beginnen die Meisterschaften. Mit intensiver Betreuung könnten wir einen Gewinn einfahren, und du deutest, aus Furcht von dieser Revision, Passivität an.«

    Mahler setzte sich kopfschüttelnd wieder auf seinen Stuhl.

    »Was du auch von mir hältst, ich muss zuerst meinen Laden in Ordnung bringen und nicht die Typen, die uns ins Haus stehen, zusätzlich durch großzügiges Sponsern auf mich aufmerksam machen«, beharrte er auf seinem Entschluss. »Wie wäre es, wenn du diese Sache einmal selbst in die Hand nehmen würdest?« Mahler schaute Engelhard ins Gesicht. Um dessen schmale Lippen nahm er die letzte Spur eines verblassenden Lächelns wahr. Jäh entdeckte er, dass ihn seine Antwort sehr interessierte.

    Engelhards Kopf zuckte herum.

    »Du weißt, dass das nicht geht«, sagte er halblaut.

    ***

    Rudi Heinzelmann blickte auf die Uhr an der Wand. 16 Uhr 5.

    »Ich muss jetzt gehen, Hermann«, entschuldigte er sich bei dem Mann im blauen Arbeitsmantel, dem er in einem nur mit dem nötigsten Mobiliar eingerichteten Werkstatt-Büro gegenübersaß.

    »Zu einer Vesper im Löwen drüben wird es doch noch reichen«, lud ihn Hermann Hauser ein, der in seinem kleinem Betrieb auch Teile für die Firma Mahler fertigte.

    »Danke, Hermann. Verschieben wir das auf einen anderen Tag. Heute fühle ich mich wirklich nicht in Hochform.«

    »Dein Kreuz, Rudi? Man sieht es dir an. Rudere zurück und spann ein paar Tage aus. Was hast du nächstes Jahr von deiner Pension, wenn du statt in deinem Büro in Wartezimmern bei Ärzten herumhockst?«

    »Schön wäre es. Leider steht uns noch vor Weihnachten eine Revision ins Haus, die ich beantragt habe. Auf deine Einladung zurückkommend, ein Glas Wasser darfst du mir auftischen, damit ich meine Medizin herunterschlucken kann.«

    »Mit Lumpenzeug im Magen willst du bei Dunkelheit den Simonswald hinunterfahren? Ich mache dir einen besseren Vorschlag. Lass dein Auto stehen und mein Sohn fährt dich heim nach Kirchzarten.«

    »Meinst es gut mit mir, Hermann. Ich denke aber darauf verzichten zu können. Vorgestern war ich privat, auf Empfehlung eines guten Bekannten, bei einem neuem Orthopäden. der hat sich vor allem auf Sportmedizin spezialisiert. Nach einem gründlichen Check hat der mir eine Medizin gegeben, die dieses Mal wirklich geholfen hat.«

    Besorgt schüttelte der alte Geschäftspartner den Kopf.

    »Wie du dich einmal geäußert hast, nimmst du auch noch Tabletten gegen Bluthochdruck und für die Herzkranzgefäße ein. Kannst du mit einem solchen Mix noch sicher Auto fahren? Außerdem ist es bald stockdüster, und Schneefall ist auch angesagt worden.«

    »Kein Problem«, beschwichtigte Heinzelmann. »Gerade darauf habe ich den neuen Arzt angesprochen. Der hat mir versichert, mir ein Naturpräparat gegeben zu haben, das nicht Diclofenac als Wirksubstanz hat.«

    »Ogottogott, was ist das wieder für ein Zeug?«

    »Da gebe ich dir recht, Hermann, wirklicher Hammer, der zu zentralnervösen Nebenwirkungen führen kann.«

    Hauser starrte Heinzelmann ungläubig an, bevor er kopfschüttelnd seiner Bitte nach einer Flasche Wasser nachkam.

    Mit zitternden Händen füllte Heinzelmann daraus einen Plastikbecher voll. Aus seiner Brusttasche brachte er ein abgepacktes Tütchen zum Vorschein. Dessen Inhalt, ein fahlgelbes Pulver, entleerte er darin.

    Penibel entsorgte er danach Plastikbecher und Tütchen in die dafür vorgesehenen Behälter.

    Hauser begleitete ihn noch auf den Parkplatz hinaus. Trotz der Kälte blieb er noch draußen stehen und sah dem abfahrenden Opel Zafira nach. Erstaunt nahm er wahr, wie auf der Straße, in welche die Parkplatz-Ausfahrt mündete, plötzlich zwei Scheinwerfer angingen. Im Licht der Parkplatz-Beleuchtung erkannte er flüchtig einen roten Audi, der hinter Heinzelmann herfuhr.

    ***

    Hauser lag mit seiner Prognose richtig. Leichter Schneefall setzte bereits ein, als Rudi Heinzelmann Furtwangen hinter sich gelassen hatte.

    Dem älteren Mann hinter dem Steuer war es nicht gut. Wenigstens wurden die Schmerzen, die von seinem Rücken ausstrahlten, erträglich, was er auf die neue Medizin und seinen bequemen Fahrersitz zurückführte.

    Einen Moment beschäftigte sich Heinzelmann mit dem Gedanken, zurückzufahren, um Hausers Angebot anzunehmen. Scham, eine Unpässlichkeit einzugestehen, was in seinen Augen einem Selbstabhalftern gleichkam, ließ ihn davon Abstand nehmen.

    Als er Gütenbach passiert hatte, verstärkte sich der Schneefall. Laut knirschten die auf höchste Stufe eingestellten Scheibenwischer. Immer dichter fallende Flocken setzten ihnen zunehmenden Widerstand entgegen. Ein mulmiges Gefühl beschlich Heinzelmann, als er im Scheinwerferlicht sah, wie der Schnee auf der Straße liegen zu bleiben begann. Trotz sehr guter Winterbereifung wurde er noch nervöser bei den hier oben im Schwarzwald herrschenden Witterungsverhältnissen.

    Plötzliche Hitzewallungen strömten durch seinen Körper. Um die Scheibenwischer zu entlasten, waren auch Heizung und Gebläse auf Höchststufe eingestellt. Er ließ das Fenster herunter, um kühle Winterluft einzulassen. Die Schneeflocken, die ihm der Fahrtwind ins Gesicht trieb, verschafften ihm sogleich Linderung. Durch das offene Fenster fielen ihm im Seitenspiegel zwei stetige Lichter auf, die seinem Wagen in einem sich scheinbar nie ändernden Abstand folgten.

    Um seiner inneren Unruhe Herr zu werden, schaltete Heinzelmann das Radio an. Nachrichten wurden heruntergeleiert. Frustriert wählte er einen anderen Sender an. Ihm vertraute Melodien wirkten sogleich beruhigend auf ihn ein.

    Jäh war sie wieder da, die Wärme in seiner Brust, die ihm den Angstschweiß ins Gesicht trieb. Beinahe hätte er das Verkehrsschild übersehen, das eine scharfe Linkskurve anmahnte. Sein Fuß ging vom Gaspedal, tippte leicht die Fußbremse an, während seine Hände den Wagen in die Kurve steuerten.

    Aufblendendes Fernlicht erfasste ihn, als er gerade diese Kurve nehmen wollte.

    Verdammter Narr, dachte er.

    Rasch holte der hintere Wagen auf. Trotz aufsteigender Panik versuchte Heinzelmann dem auszuweichen.

    Ein heftiger Ruck. Blech quietschte. Heinzelmann steuerte noch weiter auf die rechte Seite.

    Vor ihm eine Lücke in der Leitplanke. Ein Waldweg begann. Er sah einen Rettungsanker. Vorsichtig schlug er das Lenkrad herum. Noch ein Stoß von hinten. Heinzelmann drückte auf das Gas. Die Räder drehten durch, bevor sie den Wagen in eine Schneewehe zogen.

    Zwei sich entfernende rote Lichter, funkelnd wie glühende Kohlen, waren das Letzte, was er im Rückspiegel sah, bevor sein Wagen vom Waldweg abkam.

    Vor einer Wild-Futterkrippe, zwanzig Meter von dieser Stelle entfernt, ließ erschrocken ein Jäger einen Heuballen fallen, als ein Krachen die Stille im Wald zerriss. Aus reiner Gewohnheit hob er sein umgehängtes Nachtglas vor die Augen. Unten an der Kurve beschleunigte gerade ein Audi. Die Farbe konnte er nicht erkennen, aber vom Kennzeichen konnte er die Ziffern D…3…6 ausmachen, bevor der in die nächste Kurve einbog.

    Erst jetzt fiel ihm das Licht auf, das in der Schonung unterhalb der Waldwegeinfahrt seinen Ursprung zu haben schien. Er suchte mit seinem Glas das Gelände ab. Reifenspuren im Schnee, die über den Wegrand führten, ließen ihn sofort zum Handy greifen.

    ***

    Kriminalkommissarin Rita Koslowski, eine junge Frau Anfang dreißig, die dunkelblonden Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden, füllte am Automaten neuen Kaffee auf. Es war 10 vor 8. In wenigen Minuten würde ihr Chef eintreffen, und der wusste zum Arbeitsbeginn ein Tässchen von dem schwarzen Getränk zu schätzen. Gut ein viertel Jahr war sie jetzt bei der Kripo in Freiburg beschäftigt und so langsam mit den Macken ihres Chefs vertraut. Sie hatte den kauzigen alten Schwarzwälder schätzen gelernt, nach den bösen Erfahrungen, die sie in einer anderen Dienststelle gemacht hatte. Sie war in Köln aufgewachsen, hatte dort Abitur gemacht, sich dann für den gehobenen Polizeidienst beworben, das Examen mit Auszeichnung bestanden. Voller Zuversicht und Selbstvertrauen hatte sie sich auf der Sonnenseite ihres jungen Lebens gefühlt.

    Dann der Berufseintritt bei der Kripo in Düsseldorf. Anmache, Mobbing, dazu eine enttäuschte Liebesbeziehung, die nicht folgenlos blieb. All dies endete in einem Nervenzusammenbruch. Nachdem sie den verdaut hatte, fand sie sich auf der Schattenseite wieder.

    Die Wende zum Guten trat wieder ein, als ihre Eltern den Entschluss fassten, Großmutters Angebot anzunehmen, zu ihr nach Umkirch in den Breisgau zu ziehen.

    Nach zwei Jahren Mutterschaftsurlaub hatte Rita wieder Mut gefasst und sich bei der Kripo in Freiburg beworben. Seit drei Monaten war sie jetzt schon die erste Assistentin von Kriminalhauptkommissar Andreas Steiger von der Mordkommission Freiburg.

    Ihr Chef verkörperte das, was man als Schwarzwälder Urgestein bezeichnete. Etwas behäbig, mittelgroß, rundes Gesicht, das ein Schnurrbart zierte, braunes Haar, das an den Schläfen leicht ergraut war, und er machte sich keine Mühe, seinen schweren Schwarzwälder Dialekt abzustreifen.

    Rita hatten die hiesigen Arbeitsbedingungen am Rande des Schwarzwaldes sofort zugesagt. Ein Problem, das sie gelegentlich noch hatte, war das fürchterliche Kauderwelsch, das hier in der Grenzregion zum Elsass und der Schweiz gesprochen wurde. Steiger benutzte nur solche Vokabeln. Altersbedingt auch noch schwerhörig, sprach er in einer viel zu starken Lautstärke. Natürlich erwartete er, von seinen Zuhörern verstanden

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