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Sebastian: Abenteuerliches aus vergangenen Zeiten
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eBook218 Seiten2 Stunden

Sebastian: Abenteuerliches aus vergangenen Zeiten

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Über dieses E-Book

Eine niedersächsische Kleinstadt, über tausend Jahre alt, am Rande eines uralten Gebirges. Ein Kind namens Sebastian wird in dieser Stadt geboren. Sebastian wächst auf, behütet von den dicken Türmen und wehrhaften Stadtmauern seiner Vaterstadt – hinter unspektakulären Geschichten schimmert nach und nach eine tiefere Geschichte hindurch: die von den positiven Möglichkeiten des Menschseins.

Rezensionen
«Das Goslar der Jahre 1947 bis 1967 ist der atmosphärisch dichte Rahmen für die Kindheits- und Jugenderinnerungen des Autors Jan Peters. Die individuellen Eindrücke des jungen Sebastian gewinnen ihr Gewicht aus der Sprache. Mit humorvoll-ironischer Prägung korrespondiert der Reichtum eindringlicher Bilder. Bemerkenswert sind die Porträts, die Jan Peters zeichnet, von seinem pragmatischen Vater wie von einem Pastor, der dem Alten Testament entsprungen sein könnte.»

Goslarsche Zeitung, 30.01.2001
«Als Leser hat man das Gefühl, etwas über die Mechanismen des Erinnerns zu erfahren: Im Widerstreit des Verdrängens mit der Wahrheitssuche, einer Selbstschau, wird schließlich ein Konsens gefunden; Erinnerung und Selbstverständnis einer Person. Hier wird feinsinnig herausgearbeitet, wie Erinnerungen einem Verfalldatum gehorchen.»

Aargauer Zeitung, 25.01.2001
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum12. Jan. 2011
ISBN9783839193761
Sebastian: Abenteuerliches aus vergangenen Zeiten
Autor

Jan Peters

Jan Peters, geb. 1947 in Goslar am Harz. Seit 1988 wohnhaft in der deutschsprachigen Schweiz. Bisher erschienene Bücher: Tief im Norden 1995, Frankfurt 1997, Sebastian 2000, Skandal! Skandal! 2002, Es sieht bös aus! 2004, Der Spiesshof zu Basel 2009. Regelmäßige Satiren seit 2003 im Schweizer Nebelspalter, dem 1875 gegründeten ältesten Satiremagazin der Welt.

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    'Sebastian O' is a fin de siecle hybrid of James Bond and Oscar Wilde. An interesting foreshadowing of Moore's "League of Extraordinary Gentlemen," and recommended to fans of that series.A big problem here is that while Morrison understands the milieu, he doesn't have Wilde's flair for aphorism (not that anyone else does either), so the character never really comes to life.It helps if you've read Huysmans's "Against Nature."

Buchvorschau

Sebastian - Jan Peters

sind.

1. Morgendämmerung

A ls Sebastian Graukopf das Alter überschritten hatte, das man – weit südlich seiner niedersächsischen Vaterstadt – als das ‚Schwabenalter’ bezeichnet, beschloß er, nach seinen Ursprüngen Ausschau zu halten.

Der Grund für diese Rückbesinnung auf sich selbst, über mehr als vierzig Jahre, die ihm vonnöten schien, war weniger romantisch-verklärender Natur, diesen Jahren war er ja noch fern – redete er sich zumindest ein – sondern lag vielmehr in dem Bestreben festzustellen, ob sich in all dem, was er bislang so kreuz und quer zuweilen bunt getrieben, mal recht mal schlecht bewirkt, nicht dennoch eine Art von heimlichem Regelwerk entdecken ließe.

Insofern war Sebastian nur unerheblich aus der mütterlichen Art geschlagen, die es verwirrend fände, ein Leben zu durchlaufen, in dem keine Kausalketten am stillen Werke sind, denn sei es, wie es sei: Schließlich muß sich bei all dem, was den Namen ‚Leben’ trägt, doch auch noch etwas denken lassen, sonst wär’ es wenig von Belang und kaum der Rede wert gewesen…, denn: «Junge, wir sind nicht hier, um uns zu amüsieren.»

Es sei somit das Ziel des Menschen, sich zu entwickeln.

So wollen wir nun die beiden Sebastiane begleiten und sie abwechselnd leben und erzählen lassen, ganz so, wie sie’s verstehen. Diejenigen, die ihren Lebensweg gekreuzt haben, wird es nicht wundernehmen, daß dies nicht übermäßig streng geordnet, geschweige denn gesittet vor sich gehen wird.

Vermeidbar wird es auch nicht immer sein, gewisse Widersprüche nebst reichlich Ungereimtem hinzunehmen, zu akzeptieren, daß sie sich ins Wort fallen und Streit vom Zaune brechen werden – das liegt in ihrer ungestümen, zuzeiten widerborstigen Art.

Wenn dem Kleinen die Phantasie ins Kraut zu schießen droht, wird der Alte uns auch nicht dafür geradestehen können, dies wieder auszubügeln, bleibt zu befürchten. Hin und wieder nur werden wir ihnen, unauffällig und zum hoffentlichen Vorteil für unsere Geschichte, wohl ein klein wenig auf die Sprünge helfen müssen, ihnen Respektspersonen aus ihrem Leben zur Seite stellen, die gewisse Vorfälle aus anderer Sicht darstellen und in objektiveres Licht rücken werden…

Genug des Zauderns, Vorbehalte der Art, ob man sich hier womöglich viel zu wichtig nähme, vom Tisch gewischt – der Graukopf war nun nicht mehr zu bremsen in seinem Plan: Ein Blatt Papier war schnell gefunden, sodann noch einen Stift hervorgekramt und…, ja – und…

Sebastian Graukopf war ganz ohne jeden Zweifel nicht der erste, der die unsagbare Tyrannei eines unbeschriebenen Blattes ertragen mußte: Ganz weiß und scheinbar völlig harmlos lag es vor ihm da, doch für Sebastian, den Wunschchronisten, war es das heimtückischste Wesen, das er sich nur denken konnte. Regelrecht hämisch schien es zu grinsen und ihm zu signalisieren, daß es jede Wette gegen ihn hielte, daß nicht ein einziges Wort des immerhin nicht so kleinen deutschen Wortschatzes geeignet sei, seine Jungfräulichkeit würdig und angemessen zu entweihen.

Unter jeder von Sebastian gewählten Buchstabenkombination würde es sich voller Aufsässigkeit und Verdruß wellen und verächtlich feixen über so viel Ungeschicklichkeit im Ausdruck. Nach einer halben Stunde streckte Sebastian vorerst die Waffen, redete sich ein, daß der große literarische Durchbruch erst weiter hinten erfolgen solle, und begann, das Blatt mit dem folgenreichsten Ereignis seines Lebens zu beschreiben – was an Einfallsreichtum sicher leicht auszustechen, hingegen nicht an Nachprüfbarkeit des unverrückbar-aktenkundigen Sachverhaltes.

Geboren wurde er an einem Heiligabend – ein unpassendes Datum für eine Geburt, hat alle Welt doch anderes zu tun an diesem Tag – um 3.50 Uhr, mit einer Grundausstattung von 3200 g und 49 cm. Dies mußte reichen, ihn durch die Welt zu bringen. Über die kleine Stadt, die ihn als einen der ihren empfing, war auf wunderbare Weise der Zweite Weltkrieg zerstörungslos hinweggegangen – das drohende Dröhnen der großen Kriegstrommel hatten ihre Bewohner nur von Ferne gehört –, obwohl der größte Feldherr aller Zeiten die Region, die Sebastian Heimat werden sollte, noch kurz vor der Kapitulation zur ‚Festung’ erklärt hatte.

Die Besatzung dieser geplanten Fortifikation hatte aber keinen Drang zu spätem Heldentum verspürt – hatten ihre Altvordern doch einschlägige Erfahrungen mit solchen Belagerungen gemacht – und konnte auch bei bestem Willen keinen Sinn mehr darin erblicken, sich den Alliierten in den Weg zu stellen, so übergab sie ihre alte Stadt kampflos, um sie vor Verwüstung zu bewahren, mit der die Westarmeen nicht viel Mühe gehabt hätten.

All dies war Sebastian gewiß von Herzen einerlei, er hatte alle Hände voll damit zu tun, ein völlig neues Leben zu beginnen, in das man ihn holte, bei kaltem Licht im weißgetünchten Kreißsaal des Städtischen Krankenhauses.

Wie er diese neue Daseinsform beurteilte, davon wissen wir wenig, hörten nur, daß seine Schreierei viel schlimmer hätte sein können. Zunächst hatte er Schwierigkeiten, den Mechanismus zu durchschauen, den sich die Natur ausgedacht hat, um neue Menschenkinder mit Milch zu versorgen – was nun hoffentlich nicht daraufhindeuten soll, daß seine Beziehungen zum anderen Geschlecht schon früh getrübt gewesen wären – wir neigen eher der wohlwollenden Annahme zu, daß sich hier bereits eine Charaktereigenschaft ankündigte, die sich im Laufe der Zeit entfalten würde, nämlich die ausgesprochene Rücksichtnahme des Sebastian, der sich vielleicht nicht vollauf sicher war, ob die ganze Milch in dieser exzellenten, geradezu unübertrefflichen Verpackung wirklich für ihn allein bestimmt war, hatte er doch noch einen älteren Bruder, in dessen Erbhöfe einzudringen, Sebastian so früh nicht wagte.

Man muß vorsichtig sein auf dieser Welt, vielleicht schwante ihm diese Erkenntnis in seiner Morgendämmerung. Aber wir interpretieren und schwadronieren, wo wir uns strikt auf die Schilderung beschränken sollten…

Nach acht Wochen, als es mit der Milchversorgung leidlich funktionierte, befiel ihn unversehens eine ‚Skrofulöse’, ein Milchschorf, der ihm sehr zu schaffen machte; mit diesem Getränk schien es also auch weiterhin problematisch. Seinen Vater, der, gedankenvoll ein ihn freundlich anlächelndes Bierchen betrachtend, meinte, daß mit einer Flüssigkeit von dieser greulich-weißen Farbe, wie sie der Milch nun mal zu eigen ist, fraglos alles Mögliche zu machen sei, nur trinken könne man sie bestimmt nicht – der jammernswerte Anblick des armen Kindes spreche ja wohl Bände –, überraschte diese Allergie nicht, sprach’s, trank das Bier und freute sich auf die Zeit, zu der er solches mit Sebastian gemeinsam tun würde, in einem der vielen behaglichen Wirtshäuser der kleinen, alten Stadt am Fuße des dunklen, uralten Gebirges, das seit Millionen von Jahren gehörige Erzlager und Gold- und Silbergänge wohl gehütet hat, worauf seine Bewohner nicht wenig stolz sind, obwohl die vergrabenen Schätze ihnen eine durchaus wechselvolle Geschichte eingetragen haben: neben gelegentlichem Wohlstand und der Ehre, für einige Zeit Wahlheimat der Deutschen Kaiser gewesen zu sein, auch manchen Hader.

Die heimtückischen, gern Ränke schmiedenden Herzöge von Braunschweig-Lüneburg waren sehr erpicht darauf, sich die Berge mit den finsteren Wäldern, die im Reichtum fußten, unter den herrschaftlichen Nagel zu reißen, wogegen die angestammten Besitzer ihre Einwände hatten, die sie auch bewaffnet vorzubringen wußten.

Abgesehen von diesen Scharmützeln, die ihnen aufgezwungen wurden, gehören die hinter den dicken Stadtmauern und beleibten Türmen lebenden Bewohner zu einer friedfertigen, bodenständigen Rasse, die ohne Not nicht zu Streitereien neigt. Wenn man sie in Ruhe dem nachgehen läßt, was sie für zweckmäßig und notwendig halten, sind sie die besten Nachbarn, die man sich nur wünschen kann, aber sie haben andererseits einen eigenen Kopf und recht präzise, um nicht zu sagen unverrückbare Vorstellungen davon, was man ihnen schlechterdings zumuten sollte; ignoriert man diese Grenze und glaubt, ihnen Vorschriften dort machen zu können, wo sie lieber selbst entscheiden, dann sind sie oft wie ausgewechselt und nehmen die Eigenschaften des plutonischen Urgesteins an, aus dem der höchste Berg ihres Gebirges besteht, den ein gewisser Herr v. Goethe in der Walpurgisnacht besungen hat.

Außerdem sind sie von jeher mehr oder weniger überzeugte Lutheraner – es wäre vielleicht eine treffendere Beschreibung zu sagen, daß die Reformation in der lutherischen Ausprägung die Religion ist, die ihnen am wenigsten gegen den Strich geht, da sie sich mit den saftigen Sprüchen des in dieser Welt lebenden und mit Tintenfässern um sich schmeißenden Mönchs noch am ehesten anfreunden konnten, was man von der weihrauchduftenden, eher dem Leben nach dem Tode zugewandten römischen Religion nicht gerade behaupten kann – und singen voller Inbrunst: «Ein’feste Burg ist unser Gott...», wenn sie in die Kirche gehen.

Dies beschränken sie, auch hier Maß und Ziel im Auge behaltend, hauptsächlich auf höhere Festtage und Familienfeiern, denn sie würden es für unbillig halten, den älteren Leuten, die sich dort auf die andere Welt vorbereiten, die besten Plätze wegzunehmen. Manchmal – dies eher zu vorgerückter Stunde, auf dem Weg nach Hause von Andachtsräumen, «in denen das Gesangbuch einen Henkel hat», wie Sebastians Vater zu sagen pflegte – intonieren sie dann auch, in Abwandlung ihres Niedersachsenliedes: «Wo man die Halben trinkt in einem Zuge aus, da ist meine Heimat, da bin ich zu Haus.»

Und das alles war schon so in Sebastian angelegt, als er, ein kleines, sanftes Kerlchen, in seiner sechsten Woche voller Freude quietschen konnte.

Seine weitere Entwicklung verlief, so erzählte es ihm seine Mutter später, normal, und mit 27 Monaten erwachte sein Bewußtsein: Er begann, sich selbst als ich zu bezeichnen, und trennte das Lebenssystem namens Sebastian fortan säuberlich von der Außenwelt, die er differenziert wahrzunehmen lernte. Und was er ringsum sah, schien sein Herz zu erfreuen und seinen aufgehenden Geist zu beschäftigen, denn er nahm die Gewohnheit an, stundenlange Geschichten vor sich hin zu brabbeln, in größter Eintracht mit sich selbst, gelegentlich einige der neugewonnenen Einsichten seinem besten Freund, neben seinem Bruder, einem kleinen Holzpferdchen, mitteilend; ob er das Schweigen dieses treuen Kameraden als Zustimmung auffaßte oder bereits wußte, daß weder hölzerne noch fleischliche Pferde Zerstreuung in Gesprächen suchen, dies wird uns auf ewig verborgen bleiben.

Als Sebastian im dritten Lebensjahr stand, zog die Familie in das eigene Haus, das sein Vater hatte bauen lassen, trotz aller Schwierigkeiten der Materialbeschaffung – denn der Krieg warf damals noch immer seine Schatten –, die allerdings durch Beziehungen zu überwinden gewesen waren.

Seinem Vater, dessen Ungeduld Sebastian nach und nach übernehmen würde, gab der häufige und oft mühselige Umgang mit den verschiedenen Ämtern und Behörden, die bei einem Hausbau ein gewichtiges Wort mitzureden haben, in reichem Maße Gelegenheit, unter Beweis zu stellen, daß er seinen ‚Götz von Berlichingen’ gut erhalten aus der Schulzeit in die Erwachsenenwelt hinübergerettet hatte, zumindest in der unbestritten beliebtesten Passage.

Sebastians Mutter duldete derartig unflätige Reden, selbst dann, wenn deutschen Klassikern entliehen, mit Ach und Krach in den eigenen vier Wänden und redete dem Vater unablässig ins Gewissen, sich in den Amtsstuben «ja am Riemen zu reißen», wenn’s auch ersichtlich schwerfiele, denn schon einmal, drei Jahre war es her, da hatte die pedantische Baugenehmigungsbehörde scharf zu beanstanden gehabt, daß Sebastians Vater aus eigener Machtvollkommenheit eine Tür in seinem Lagerhaus hatte versetzen lassen – ohne Genehmigung!

Die Buße wurde widerwilligst, zwecks Vermeidung einer Anzeige bezahlt, aber es war mutmaßlich gut, daß kein Beamter hörte, was Sebastians Vater daraufhin an feindifferenzierenden Kommentaren über die Kompetenz und Großzügigkeit der deutschen Staatsdiener vom Stapel ließ: «Albernheiten wegen der Scheißtür!» war noch aus der nachsichtigen, eher liebkosenden Kategorie.

In späteren Jahren keimte in Sebastian der häßliche Verdacht, daß beim Bau dieses Gebäudes einige Angelegenheiten – Sebastian erschauderte zutiefst, so etwas auch nur zu denken – eher pragmatisch als in intensiver, vertrauensvoller Zusammenarbeit mit amtlichen Stellen geregelt worden waren.

Seine Mutter ließ sich gar nicht erst auf Debatten über dieses Bauwerk ein, das ja schließlich in den Verantwortungsbereich der Männer gefallen sei, und sein Vater sowie einer seiner Angestellten, der schon damals in der väterlichen Firma gearbeitet hatte, murmelten hinter vorgehaltener Hand immer nur Rätselhaftes davon, daß das Holz ihrer Berge – von ihren Vorfahren in harter Arbeit als Grubenholz gepflanzt und gepflegt – ja immerhin ihnen gehört habe und nicht der britischen Besatzungsregierung, die sicher nicht zu Unrecht im Verdacht stand, größere Holzladungen zwischenzeitlich nach England verschoben zu haben, von Bergfreiheit hörte Sebastian tuscheln und stellte ansonsten fest, daß die Außenwände des Lagers von oben bis unten mit Fichtenholz verbrettert waren…

So war auf diese Weise das niedersächsische Holz da geblieben, wo der liebe Gott es hatte wachsen lassen, nämlich in Niedersachsen – was hätte es denn auch mutterseelenallein in England anfangen sollen, ohne Englischkenntnisse?

Wäre Sebastians Vater in einem niederbayerischen Wallfahrtsort wie Altötting aufgezogen worden, hätte er diese wundersame Holzerhaltung vielleicht als ein Gottesurteil angesehen und der Jungfrau Maria eine Kerze angezündet; da er aber ein Niedersachse war, und dies aus innerer Einstellung und tiefster Überzeugung, brachte er niemandem Devotionalien dar, von denen er nie erfahren hätte, wem sie letztlich zugute gekommen wären; denn ein profund-gesundes Mißtrauen gegen jede Art von Obrigkeit – zu seiner Ehre sei es hier ausdrücklich vermerkt – war ihm markant zu eigen, was nicht pauschal seiner ganzen Generation nachzusagen ist.

Des Vaters Lagergebäude – in dessen geheimnisvolle Welt Sebastian später, als er etwas unternehmungslustiger geworden war, lange Entdeckungsreisen unternahm – es war, unter welcher Mühsal und welchem Mysterium auch immer, ein Jahr vor Sebastians Erdenauftritt fertiggestellt worden.

Die Abschlußrechnung hatte 7900,– Reichsmark betragen – dies entnahm Sebastian 42 Jahre später stark vergilbten, staubenden, ihm Nasenattacken bereitenden Plänen, die beim Umblättern knackten, knisterten und unter seinen Händen in Staub zu zerfallen drohten.

Kontrolliert, beglaubigt und genehmigt mit einer Unzahl von Dienstsiegeln waren die Pläne von der britischen Kontrollbehörde:

‚This new building will be solid, but according to the present Situation, there will be NO waste of material.’ – Sebastian war sehr beruhigt. Andererseits zeigten die Pläne, die sich vor ihm immer wieder zusammenrollten, als wollten sie etwas verbergen und das Licht des Tages scheuten, wenig Ähnlichkeit mit dem Bild des Lagers, das Sebastian in Erinnerung behalten – und die war gut und stets verläßlich.

Die ‚Reichswerke Hermann Göring’ hatten zwei Jahre nach Kriegsende ‚500 kg hochwertigen Portland-Zement’ geliefert, zum Preis von 39,– Reichsmark – großzügig gestattet von der britischen Aufsicht, deren Bomber gegen Ende des Krieges, soweit Sebastian wußte, dieselben Werke eigenhändig in Schutt und Asche gelegt hatten, wovon sie doch noch Kenntnis gehabt haben sollte; es war wohl das Papier der Vernichtung entgangen und wurde langsam aufgebraucht, denn Werke, die es nicht mehr gibt, sollten eigentlich mit immensen Lieferschwierigkeiten zu kämpfen haben, glaubte Sebastian.

Fernerhin

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