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Vorgestern im Teufelsmoor: Kornblumen, Krieg und Kinderkram
Vorgestern im Teufelsmoor: Kornblumen, Krieg und Kinderkram
Vorgestern im Teufelsmoor: Kornblumen, Krieg und Kinderkram
eBook332 Seiten2 Stunden

Vorgestern im Teufelsmoor: Kornblumen, Krieg und Kinderkram

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Über dieses E-Book

Auf unserer Lebensreise haben wir bisher ja immer eine Handbreit Wasser unter dem Kiel gehabt - möge es noch lange so bleiben!
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum22. Mai 2015
ISBN9783739270975
Vorgestern im Teufelsmoor: Kornblumen, Krieg und Kinderkram

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    Buchvorschau

    Vorgestern im Teufelsmoor - Herma Brockmann

    Für die Seute Deern

    mit einem späten Dank

    für ihre nie endende Geduld und Fürsorge

    Inhalt

    DAS TEUFELSMOOR

    GNARRENBURG 21

    DIE SIPPE

    TO HUS

    KNIRPSE

    STAATSCH KLEDAASCH

    »MUTTI, WAS IST EIN WELTKRIEG?«

    EIN LAND IN SCHUTT UND ASCHE

    DIE WÄHRUNGSREFORM

    MANCHE MÖGEN’S KLUG

    AUFGERAPPELT

    VIRTUELL UNTERWEGS

    WENN EINER EINE REISE TUT …

    FESTE FEIERN

    ADSCHÜSS!

    WARUM NICHT MAL HINFAHREN?

    ANHANG 1 – REZEPTE

    ANHANG 2 – BAUERNREGELN

    Märchenstunde mit Oskar

    »Es war einmal

    … eine turbulente GGG (Gnarrenburger Gören-Gruppe), die sich vor langer Zeit mitten im Krieg auf einen Lebensweg begab, der so ganz anders aussah als der ihrer Eltern.

    Alle Mitglieder machten ihre ersten Schritte und Erfahrungen in einer Epoche, in der mehr denn je gelitten, gehungert und gestorben wurde und die man heute als das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte beschreibt.

    Gut war sie also wirklich nicht, diese alte Zeit um 1940, aber die GGG hatte Glück!

    Trotz Gefahren und Entbehrungen durfte sie eine fast normale Kindheit erleben, die ein gütiges Schicksal, elterliche Fürsorge und das Wohlwollen einer ganzen Dorfgemeinschaft ermöglichten.

    Eine kurze Reise ins Land von Vorgestern soll ein paar Schlaglichter auf den Alltag dieser Heranwachsenden in und um Gnarrenburg werfen, die selbstverständlich auch das beherrschten, was alle Kinder können: Unumgängliches akzeptieren, daraus möglichst viel Vergnüglichkeit ziehen und so auch schlimme Zeiten einigermaßen wohlbehalten überstehen.

    Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute …«

    DAS TEUFELSMOOR

    »Ich komme aus dem Teufelsmoor!«

    Diese Aussage verwandelt immer wieder schlagartig Gesichtsausdruck und Körperhaltung meiner Gesprächspartner in Fragezeichen.

    »Teufels… was …?«

    »TeufelsMOOR! Liegt in Norddeutschland, und Gnarrenburg, wo ich 1940 geboren bin, ist mittendrin!«

    »1940? Im Krieg also?«

    »Richtig! Und auch noch im eisigen Winter.«

    Man hört mir zu.

    Ein so gruseliger Name, auch wenn er ursprünglich mit dem Teufel gar nichts zu tun hat, schindet immer wieder Eindruck!

    Vielleicht wundert man sich auch, wie ich es geschafft habe, relativ unbeschadet meine Kindheit auf der falschen Seite einer wahrlich explosiven Geschichte zu durchsegeln.

    Ehrlich, da staune ich selbst!

    Meine Freunde und ich müssen rührige Schutzengel gehabt haben, die uns, mit tatkräftiger Unterstützung durch Angehörige und Nachbarn, geschickt durch eine besonders heiße Phase europäischer Vergangenheit bugsiert haben.

    Gruselig? Das Teufelsmoor?

    Nö, eigentlich nicht!

    Höchstens ein büschen, und zwar gerade genug, um einer zauberhaften Landschaft noch einen pikanten kleinen Extrakick zu geben, denn spannende Erzählungen von Torfhexen und gespenstischen Irrlichtern beflügeln ordentlich die Neugier.

    In diesem Zusammenhang faszinieren vor allem Berichte über gelegentlich entdeckte Moorleichen, von denen einige sogar nach Jahrtausenden noch Hinweise auf Alter, Geschlecht und Gesundheitszustand der Verunglückten, Strafversenkten oder Geopferten erlauben.

    Die letzten Funde wurden in den Jahren 2000 und 2005 im Uchter Moor gemacht, als Überreste der um 650 v. Chr. wahrscheinlich im Alter von 15 Jahren verstorbenen »Moora« auftauchten. Die Todesursache der ältesten Moorleiche Niedersachsens konnte zwar nicht genau festgestellt werden, aber es gibt solide Anzeichen dafür, dass das junge Mädchen regelmäßig wiederkehrenden Hungerzeiten ausgesetzt gewesen sein muss.

    Auch der stellenweise unter einem forschen Schritt leicht wackelnde Moorboden heizt die Fantasie an bei der Überlegung, wie weit man denn wohl schlimmstenfalls in ihn einsinken könnte, denn das Moor hält Eindringlinge bekanntlich eisern fest! Die Tatsache, dass jede Leiche ewig in der braunen Brühe konserviert wird, verschafft bei solchen Abwägungen gar keine Beruhigung!

    Wenn auch Mini-Gruselfaktoren wie diese Spannung bringen, so ist jede Sorge um die Sicherheit von Besuchern des größten besiedelten Feuchtgebietes Deutschlands absolut unberechtigt. Auch der Teufel hat mit der Gegend gar nichts zu tun, denn die Bezeichnung »duves Moor« (taubes Moor, für Bauern unbrauchbar) hat sich nämlich erst allmählich zum »Düvelsmoor« für die noch vor wenigen Jahrhunderten als unbewohnbar geltende Gegend entwickelt.

    Dieser wilde Zustand änderte sich erst, als um 1750 der Kurfürst von Hannover die Kolonisation der feuchten Wüste zwischen Wümme und Hamme beschloss, bei der der spätere Moorkommissar Jürgen Christian Findorff (1720–1792) eine immer wichtiger werdende Rolle spielte. Offensichtlich vereinte dieser freundliche Mann alle für die schwierige Aufgabe benötigten Gaben, wie Weitsicht, ehrliches Interesse an Menschen, Gerechtigkeit, Diplomatie und ein geniales Organisationsvermögen.

    In Interviews will man gelegentlich wissen, welche Person, tot oder lebend, der Befragte gern treffen möchte, hätte er einen Wunsch frei. Ich glaube, Mahatma Gandhi wird in diesem Zusammenhang am meisten genannt, aber bei aller Bewunderung für den asketischen, erfolgreichen Inder würde ich mich für Herrn Findorff entscheiden! Wenn man den Schilderungen glauben darf (kann man das?), dann hätte ein so motivierter und erfolgreicher Verwalter auch noch heute viele hilfreiche Ratschläge auf der Pfanne, und das nicht nur für Nordlichter!

    Aber zurück zum respektierten und später sogar verehrten »Vater aller Moorbauern«. Er interessierte Knechte und Mägde, Tagelöhner und Häuslinge, Handwerker und arme zweitgeborene Bauernsöhne ohne Aussicht auf einen eigenen Hof für das unwirtliche Gebiet, indem er ihnen lebenslange Freistellung von Militärdiensten und erleichterte Steuerzahlungen versprach und ihnen außer einem großen Stück Land auch eine aus Bauholz, Getreide und Obstbäumen bestehende Starthilfe zuteilte.

    Das Grab des Jürgen Christian Findorff in Iselersheim. Er wurde am 22. Februar 1720 in Lauenburg/Elbe geboren und starb am 31. Juli 1792 in Bremervörde. Quelle: Stadt Bremervörde

    Der Bau von schornsteinlosen Katen für Menschen, Tiere und Vorräte konnte also von mutigen Siedlern in Angriff genommen werden, wobei man sich nicht mit langen Vorbereitungen aufhielt. Es ist einleuchtend, dass die so im Schnellverfahren entstandenen Behausungen dann auch entsprechend primitiv ausfielen: Sie bestanden aus nur einem Raum mit offener Feuerstelle, deren Rauch, Qualm und Gestank nur durch die Tür und das einzige Fenster abgeleitet werden konnten. Musste man also wählen zwischen Ersticken und Erfrieren?

    Es war zwar vorgesehen, diese gesundheitsschädlichen Unterkünfte schnellstmöglich durch solide Häuser zu ersetzen, aber nicht oft konnte dieser Verbesserungsplan verwirklicht werden mit der Folge, dass die meisten Bewohner für lange Zeit in unguten Lebensumständen festsaßen.

    Abgesehen von der Gefahr für Leib und Leben sackten die wenig stabilen Bauwerke auch nicht selten nach und nach in den weichen Boden ab, sodass ich mich frage, ob Beten und Hoffen die Katen aufrecht hielten oder wie oft sie abgestützt, renoviert oder sogar ersetzt werden mussten.

    Eine Vielfalt von mehr oder weniger erfolgreichen Entwässerungsmaßnahmen und das Ausheben von schiffbaren Kanälen folgte, aber trotz aller Anstrengungen gab es immer wieder Überschwemmungen, die nicht nur Wiesen und Weiden unter Wasser setzten, sondern auch noch die ärmlichen Behausungen fluteten.

    Das Leben in einer unerschlossenen feindlichen Landschaft, im Matsch und in kalten, verrußten Buden war schon hart genug, aber ein Unglück kommt ja bekanntlich selten allein: Die »offiziellen Kolonisten« waren der Rage von schon ansässigen »wilden Siedlern« ausgesetzt, die sich eigenmächtig Land unter den Nagel gerissen hatten und die neue Konkurrenz anfeindeten, indem sie deren Katen zerstörten, Werkzeuge und Tiere stahlen und frisch ausgehobene Gräben wieder zuschütteten.

    Es sieht so aus, als ob’s mit der uns Deutschen oft angedichteten Autoritätshörigkeit noch nicht weit her war, denn immer wieder rebellierten Dorfbewohner gegen die Anweisungen »von oben« und hielten so den Betrieb der Besiedlungspolitik auf: Der wilde Norden!

    Trotzdem: Die Zusammenarbeit und gegenseitige Hilfe müssen funktioniert haben, denn sonst hätten die Menschen derartige existenzielle Herausforderungen nicht so erfolgreich bestehen können.

    In einer so extrem verkehrsfeindlichen Umgebung hätten auch die Transportprobleme einzelner Pioniere ohne die Unterstützung durch andere nicht bewältigen werden können. Da es noch keine festen Wege gab, konnte nur mithilfe einer einigermaßen gut funktionierenden Nachbarschaftshilfe alles Lebensnotwendige herbeigeschleppt werden, denn nicht selten musste selbst das Baumaterial auf dem Buckel befördert werden.

    Transporte in Kähnen waren zwar in einigen Gegenden möglich, allerdings nicht im Winter, denn dann froren auch die wenigen erschlossenen Wasserwege regelmäßig zu. Erst Anfang des letzten Jahrhunderts gab’s feste Straßenanbindungen für viele Ortschaften, in denen zuvor die Familien im Winter in ihren feuchtkalten und verrußten Katen auf eisigem Boden festsaßen. Dann musste sogar der verstorbene Opa bis zum nächsten Tauwetter in der Scheune zwischengelagert werden …

    Aber nicht nur die kalte Jahreszeit, sondern auch die Sommermonate konnten ungemütlich werden, denn Ungeziefer breitete sich ungebremst aus, und außerdem reicht im Moor bei Trockenheit ein Fünkchen für das Entzünden von weitflächigen Feuersbrünsten, die dort ganz besonders tückisch sein können, weil sie oft unentdeckt unterirdisch weiterbrennen.

    Es fehlte auch an sauberem Trinkwasser. Das aus Moorbächen und Gräben entnommene Wasser war eigentlich ungenießbar und neben mangelnder Hygiene ein Grund für die Ausbreitung von Krankheiten, denen viele der entkräfteten Menschen zum Opfer fielen.

    Bei so viel Not, Krankheit und Armut wurde die Frage eines Schulbesuchs für die Kinder, die ja immer und überall mithelfen mussten, natürlich gar nicht erst gestellt. Selbst Findorff, überzeugter Verfechter des Schulwesens, konnte in den Betteldörfern kein Interesse fürs Lernen erwecken, denn der harte Überlebenskampf erlaubte einfach keine zusätzlichen Belastungen.

    Selbst noch um 1800 schien der Widerwille gegen Schulbildung unbesiegbar, aber schließlich konnte man sich doch auf einige Winterschulen einigen, da während der ruhigeren Monate die Bauern leichter auf die Arbeitskraft der Kinder verzichten konnten.

    Ja, sie hatten’s nicht leicht, unsere bettelarmen Vorfahren in ihren grob gewebten Kleidern und selbst geschnitzten Holzschuhen. Wir schulden ihnen Dank für ihre Pionierdienste, und großen Respekt!

    Und stolz sein können wir auch auf sie!

    Die eindrucksvolle Plastik »Menschen im Moor« kann man in Bremervörde bewundern. Quelle: Stadt Bremervörde

    Mehr Information:

    Moorkolonisierung

    https://de.wikipedia.org/wiki/Moorkolonisierung

    Teufelsmoor - ARD 1983 - Miniserie in 6 Teilen

    http://www.fernsehserien.de/teufelsmoor

    Von 1769 bis 1790 wurde der Oste-Hamme Kanal …gebaut

    http://www.klenkendorf.net/klenkendorf/oste-hamme-kanal/

    »Den Eersten sien Dood, den Tweeten sien Noot, den Drüdden sien Broot«

    Wenn man heute über die gepflegten Straßen von Gnarrenburg nach Worpswede (eine der ältesten Routen durch das Moor) fährt und dabei die sauberen Häuser mit ihren ordentlichen Gärten bewundert, fällt es schwer, sich das elende Leben und die Opfer derer vorzustellen, die die Gegend vor so vielen Jahren erschlossen haben.

    Leichter verständlich ist dagegen, dass diese reizvolle Gegend mit ihrem besonderen Licht, den tiefen Wolken und dem etwas schwermütigen Charme in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Maler und Dichter so faszinierte, dass sie sich in der Gemeinschaft von Torfbauern in und um Worpswede ansiedelten.

    Eine beeindruckende Invasion legte den Grundstein für die mittlerweile weltberühmte Künstlerkolonie: Worpsweder Museen, Kunst- und Kulturstiftungen, Galerien und Ateliers, Cafés, Restaurants und Parkplätze werden an Wochenenden und in der Hochsaison geradezu überrannt von Touristen und Kunstliebhabern. Manchmal ist es gar nicht so einfach, einen Parkplatz oder einen freien Tisch zu ergattern.

    Kunst in Worpswede .Quelle: Maren Arndt

    Naturfreunde, die es gern ruhiger haben, finden in der Gegend um Gnarrenburg auch schnuckelige Kneipen und Wanderwege in stillen, geheimnisvollen Gebieten voller Heidekraut, Moorbirken, Torfmoos, Schilf und Wollgras, in denen viele Enten und seltene Vogelarten leben und ihre Jungen aufziehen. Auch die verschiedensten Libellenarten fühlen sich wohl in dieser Umgebung.

    Bis vor Kurzem war diese Idylle übrigens ernsthaft bedroht durch Pläne, noch mehr riesige Moorflächen leer zu räumen und so über Jahrtausende gewachsenen (circa einen Millimeter pro Jahr) Torf maschinell in wenigen Augenblicken per Automaten aus dem Boden zu reißen.

    Ein solcher Raubbau hätte nicht nur den Bewohnern der Umgebung das Leben schwer gemacht, sondern auch den regionalen Wasserhaushalt belastet und einen wichtigen CO2-Speicher neutralisiert. Auch das Klima, das laut einer amerikanischen Studie vom März 2013 heute schon wärmer ist als zu irgendeinem Zeitpunkt in mindestens 4000 Jahren, wäre noch zusätzlich aufgeheizt worden.

    Und nun die Sensation: Nach jahrelangen Auseinandersetzungen wurde im Herbst 2012 über alle Parteigrenzen hinweg beschlossen, den großflächigen industriellen Torfabbau zu beenden!

    Die Vernunft hat gesiegt! Das macht Hoffnung!

    Natürlich holte man auch in unserer Kindheit schon Torf aus dem nassen Boden, aber der Abbau war kaum automatisiert und interessierte uns nicht mehr als Omas Hühnerauge.

    Wie konnten wir denn auch ahnen, dass eine durchrationalisierte und über große Landstriche schwappende Demontage das Paradies unserer Kindheit eines Tages bedrohen würde, in dem wir noch nach Herzenslust toben und über im Sumpf stehende Bulten (Büschel) springen konnten?

    Für uns war nur wichtig, nicht ins Wasser zu fallen und am Nachmittag rechtzeitig nach Hause zu laufen, denn bei Dunkelheit passieren im Moor ja bekanntlich seltsame Dinge …

    »Mit jedem Moor, das wir erhalten oder in seinem Zustand verbessern, tragen wir durch die

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