Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Was für Typen!: Dieser Fußballklub aus München... Ein Blogbuch
Was für Typen!: Dieser Fußballklub aus München... Ein Blogbuch
Was für Typen!: Dieser Fußballklub aus München... Ein Blogbuch
eBook331 Seiten3 Stunden

Was für Typen!: Dieser Fußballklub aus München... Ein Blogbuch

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Was nicht nochmals geschildert werden muss - der Sekundentod, dieser gute Tag, um Geschichte zu schreiben, ein sogenanntes Drama dahoam -, wird nicht nochmals geschildert. Und noch ferner liegen Erfolgslobhudeleien durch schlaftrunkenen Statistikschwall. Versprochen. Einer Erzählung wert aber scheinen der Kult und die Nostalgie des FC Bayern, allein: Wir verklären keine Holzhütten in den 60ern, nicht Franzls 70er oder Breitnigges 80er. Es sind die 90er und 00er Jahre, deren Charme uns eng umschlungen hält. Bis heute.

Zicklers Treffer gegen Schalke 1999 etwa, der nur aus einer Hintertorperspektive zu betrachten ist, egal, welche VHS-Kassette vor- und zurückgespult wird. Details, Abseitiges, Verblüffendes, Nebensächliches und Liebliches, Saison für Saison niedergeschrieben.

Alte und neue Granden werden lebendig vorgestellt, auch durch eigene Empfindungen: Ein Tor in München (aber nicht für München), oder einer der wichtigsten Elfmeter der jüngeren Vereinsgeschichte. Nein, kein Drama dahoam, siehe oben.

Profi & Profil, Geschichte & Geschichten.

Der Reiz einer Gewinnmaschine, die keinen Reiz hätte, wenn sie eine Maschine wäre.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum16. Jan. 2015
ISBN9783738667394
Was für Typen!: Dieser Fußballklub aus München... Ein Blogbuch
Autor

Johannes Mittermeier

Johannes Mittermeier, Jahrgang 1990, wuchs in Altötting auf und pilgerte dann, als alle Papst waren, in dessen Geburtsort. Die Seligsprechung blieb ihm verwehrt, ein Studium der Betriebs- und Volkswirtschaftslehre nicht. Penetrierte den FC Bayern bereits als 12-Jähriger mit einem handschriftlichen Saisonbuch, sattelte auf das getippte Wort um und hospitierte u.a. bei spox.com. Wurde vom (Fußball-)Gott mit einem mysteriösen Langzeitgedächtnis ausgestattet, was sich im Laufe der Jahre immer öfter als nützlich erwies. Nicht zuletzt bei einem Buch.

Ähnliche Autoren

Ähnlich wie Was für Typen!

Ähnliche E-Books

Fiktion für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Was für Typen!

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Was für Typen! - Johannes Mittermeier

    Danke!

    PROLOG

    Kaum hatte Deutschland zum dritten Male den Thron bestiegen, Rom, Brehme, Beckenbauer, wurde ich in die Welt geworfen. Sommer 1990. Im Nachhinein bin ich sehr dankbar, in den 90er Jahren aufgewachsen zu sein und nicht heute. Das mag ein Stück weit verblendet klingen, kleinkariert oder ewiggestrig. Aber ich bin kein Freund unserer Zeit, in der Hektik immer extensiver, Ströme immer digitaler und Kommunikation immer unpersönlicher wird.

    In einer idealen Welt assoziiert jeder nur Positives mit seinen jungen Jahren; gleichbedeutend, respektive wechselwirkend, mit dem sorgenfreien Alter: Der Kindheit. Das lässt ein Jahrzehnt zum Lebensgefühl stimulieren, aber das ist ja das Schöne am seichten Blick zurück. Alles erscheint rosarot und irgendwie leicht.

    Offen gestanden, waren die 90er nicht rosarot und leicht. Sondern bunt und bauchfrei. Mode, deine Sünden. Sweatshirts in Übergrößen, Violett-Türkis-Muster auf schlabbrigen Trainingsjacken, Käppis, ausgestülpt und in formvollendet.

    Klobig, herrlich klobig.

    Mädchen trugen Leggins, Jungs hautenge Radlerhosen. Fußballprof Hasan Salihamidzic, von 1998 bis 2007 beim FC Bayern München, entlarvte im offziellen Jahrbuch dereinst ein weiteres Scheusal der Laufstege. Auf seine „Out-Liste verbannte er neben Militär-Klamotten, Laktat-Tests und Mehmet Scholls Frisur auch die geschneiderte Verschrobenheit der „Dreiviertelhosen.

    Damals waren alle Mädchen in David Hasselhoff verliebt, diesen braungebrannten Amerikaner, dessen Namensnennung die Damen heute peinlich berühren würde. In besonderem Maße waren die 90er jene Dekade, die Boygroups von den Hinterhöfen auf die Mattscheibe trieb. Auch diesen Zusammenschlüssen frühreifer Knaben, meist mit Ohrschmuck dekoriert, lagen Mädchen zu Füßen. Wenn die Wundersänger mit blondgesträhntem Mittelscheitel, jedes Haar am rechten Fleck, von Autogrammkarten lächelten, schmolzen Teenie-Herzen und verzweifelten Teenie-Mütter.

    Dann Guns N'Roses, Nirvana und der Techno-Dance-Krempel. Die Spice Girls rockten die Bühne, ein Spice Boy Manchester United. Baywatch und Beverly Hills, Titanic und Forrest Gump, und am Ende des Jahrzehnts glotzte man, wenn linkische Asiaten bei Takeshi‘s Castle von einem Schlamassel in den nächsten stürzten. Schadenfreude war schon immer eine unserer liebsten Merkmalsausprägungen.

    Als sich das Millenium näherte, erfreuten sich Schulkinder an Diddl-Maus und Tigerente, Menschen an Mitmenschen, die private Probleme in Trash Talk stopften, und der Rest am Fortschritt der Technik. Der Walkman hatte ausgedient, weil - Innovation! - der Discman cooler wurde. VHS-Kassetten, deren knatterndes Geräusch beim Spulen unnachahmlich bleiben wird, türmten sich in Regalen, um DVDs den Kampf anzusagen. Computer, diese revolutionäre Erfndung der Erdbewohner, akzeptierten die CD als Speichermedium, während der Siegeszug des Internets wie ein gedoptes Rennpferd durch das World Wide Web galoppierte.

    Dieses Einwählen in die Telefonleitung, das familieninterne Zerwürfnisse geradezu provozierte! Legendär.

    Der gemeine Drittklässler nutzte keine Tastaturen, er hantierte mit Füller und, ganz entscheidend, Tintenkiller. Wäre er mit einem sogenannten „Blog konfrontiert worden, hätte er damit das „g entfernt und durch ein „ck" ersetzt. Dann wäre er stolz gewesen, zum Lehrer gerannt und hätte sich ein Lob abgeholt. Jaja.

    Juvenile Zeitgenossen konversierten nicht via WhatsApp, sie schrieben einander in Poesiealben. Sie schrieben krakelig und fehlerhaft, sie schrieben wirres Zeug, absurde Berufswünsche und heimliche Liebesbriefe. Aber sie schrieben. Nachrichten auf Zetteln statt ungebremstem Mitteilungsbedürfnis auf Twitter, wohingegen Durchschnittsbürger hinreichend mit den Tücken elektronischer Post gefordert waren.

    Meistens überfordert.

    Und dann diese Mobiltelefone, Handys genannt, die man Mitte der 90er haben musste, um „up to date" zu sein. Inzwischen staunt man ja, dass die multilateralen Features nach wie vor ein Telefonat ermöglichen, aber gut, damals war ich fünf und brauchte mich nicht um gesellschaftlichen Status scheren.

    Dafür um Sport. In der Formel 1 brach der Schumi-Boom über jeden herein, der entweder Auto, Fernseher oder ein Faible für Zigarettenmarken hatte. Im Tennis mühte sich Boris Becker, die Ausläufer eines Hypes zu konservieren. Franzi war der Goldfsch und Deutschland 1996 die beste Mannschaft des Kontinents.

    Nach meinem subjektiven Eindruck hatte der Fußball ein anderes, „ehrlicheres" Gesicht, was natürlich Quatsch ist, wenn man allein Bosman und seine Folgen heranzieht. Meine Sicht dürfte auf der infantilen Naivität basieren, oder auf Details, die das Business griffger machten. Etwa Werbebanden aus Pappe, nicht aus LED, Trainerbänke mit Plexiglas-Überdachung, besonders aber die Sportstätten an sich.

    Was wiederum paradox ist, denn ich feiere die Architektur der zeitgemäßen Schauplätze, ihre zierliche Wucht und Monumentalität. Obwohl sich die Arenen, die früher Stadien hießen und anstelle von Geldinstituten nach Flüssen benannt waren, in ihrem Erscheinungsbild anglichen, erzeugen sie doch Ehrfurcht. Zumal es halbwegs kompliziert sein soll, beim Neubau den „Charakter" einer Bruchbude zu retten und parallel Leitlinien zu modellieren.

    Bevor Deutschland den Zuschlag zur WM 2006 erhielt, verwässerte die hiesige Stadionlandschaft auf dem Stand von 1974, maximal 1988, als mit der Europameisterschaft das letzte Großturnier stattgefunden hatte. Die Wettkampfstätten waren rustikal und obsolet, sie beschnitten die Vereine in Einnahmequellen, und irgendwann kosteten sie den Anschluss an die Konkurrenz.

    Als ich anfng, mich für Fußball zu interessieren, bestand die Stadionkultur aus Riesenschüsseln mit Tartanbahnen und zugigen Konstruktionen, die Fans, Regenschirm-bewaffnet, mit den Launen der Natur raufen ließ - und, quasi als Dank, vom Geschehen abschnitt. Manche Stadien hatten eine jämmerliche Akustik, nichts außer Lehm, Matsch und Beton, und sie wirkten wie ein Atombunker im Stadtpark.

    Trotzdem weine ich ein bisschen.

    Weil diese Baracken zwar unbestritten hässlich waren, aber eine gewisse Identität besaßen, die heute mitunter fehlt. Früher: Moder. Heute: Modern. Ein Buchstabe als Trennungsgrund, so ist das im Leben.

    Der Fußball hat sich zum Hochglanzprodukt entwickelt, mit Protagonisten, die parieren und parlieren müssen. Vor 20 Jahren waren sie (Achtung: Das Kind fennt) primär Sportler und keine Testimonials mit gläserner Fassade. Sie konnten, wenn ihnen danach war, nicht-isotonische Getränke in den Rachen kippen, ohne ihre Grimassen sogleich in den Untiefen des Netzes begaffen zu müssen. Sie verpfichteten sich nicht qua Exklusivertrag zum Ausführen der aktuellsten Modetreter, sondern liefen in schwarzen Schuhen auf. Geschlossen. Nur Giovane Elber, der Brasilianer, beanspruchte ein weißes Paar. Recht so.

    Am Spielfeldrand warteten die Leute vom Fernsehen mit ihrem Equipment und den Mikrofonen, die an lianenähnlichen Kabelsträngen hingen. Vertreter dieser Zunft, die noch immer auf Kommentatorenplätzen streunen, haben es in die Gattung der „Urgesteine geschafft. Fritz von Thurn und Taxis beispielsweise, dieser wunderbare Souffeur, oder Werner Hansch, der Poet aus dem Pott, der zwar nicht mehr reportiert, sich aber hier und da präsentiert. Seine sonore Stimme war eigen, und sein Sprachduktus war es auch. Als ein Schuss von Bayerns Alexander Zickler gegen Freiburg das Tornetz strapazierte, rief der TV-Althauer mit schwingenden Bändern: „Und dann macht es patsch!

    Hansch zählte zu einer Riege, die 1992 ein Projekt in Angriff nahm, das alle Klischees bediente. Es war größer als zuvor, bunter, mutiger, kommerzieller und voyeuristischer. Kurz: Es war eine Umsturz der Fernsehberichterstattung, als die stocksteife wie traditionstriefende Sportschau dem bewusst preziösen Format ran weichen musste. Reinhold Beckmann, der Unternehmung als Sat.1.-Sportchef vorstehend, blies nassforsch den Takt: „Die Bundesliga hat von uns einen Kredit bekommen. Sie muss ihn durch gute Leistungen tilgen."

    Beckmann und seine Moderationskollegen passten nicht nur den Rahmen an; die Ausschmückung unterlag ebenfalls dem Zeitgeist jener Jahre. So wurde der Trailer mit fetziger Rockmusik unterlegt, so wurde die rote Jeansjacke geweiht und geheiligt, so schreckte Beckmann weder vor schrillen Fliegerbrillen noch vor Sakkos zurück, die an optische Schwerverbrechen grenzten. 90er halt, ran halt.

    Wichtig war noch immer auf‘m Platz, aber eben nicht ausschließlich. Wichtig war jetzt auch neben dem Platz, mit Vorliebe in VIP-Etagen und Fankurven, bei Blusen- und Kuttenträgern. Hauptsache schräg. Während des Spiels wurden Kameras auf Gattinnen, Hochadel und Bierkehlen gerichtet, und wenn sich zeigenswerte Regungen darboten, schlachtete man sie aus. Als sich das auf erzkonservative ARD-Spielberichte versteifte Fuß(ball)-Volk an die gelb-rot-grelle Hülle gewöhnt hatte, ließ die Windstärke des Aufschreis nach. Ein Teilerfolg.

    Die Nacherzählung der 90 Minuten wurde mehrdimensionaler und dynamischer: Spielzüge in Superzeitlupe, Kameras in verwinkelten Ecken, Schienenkameras, die den Stürmer beim Konter begleiteten, dazu ein Allerlei an Grafken, Statistiken und sonstigem Firlefanz - das war die schöne neue Fernsehwelt. Als Knirps mochte ich die Leuchtgemälde.

    Die Bundesligasendung hatte Studiopublikum, und weil der Privatkanal Sat.1 horrende Summen für die Übertragungsrechte löhnen musste, wurde die Gewinnspielfrage zu Instanz und Immunität erhoben. Damit war ran auch interaktiver als die Sportschau, wenngleich natürlich auf höchstnervigem Weg. Es wäre wiewohl alles zu verzeihen, vieles zu goutieren und manches zu beklatschen gewesen, wären die Sendungsplaner nicht der Devise gefolgt, die Werbung für eingeschobene Fußballszenen zu unterbrechen. Wer einmal Formel 1 auf RTL verfolgt hat, weiß, was ich meine.

    Die Blöcke mit den freundlichen Verbraucherhinweisen übertünchten die Freude am 6:1 der Bayern gegen Freiburg, bei dem es nach Zicklers Schuss „patsch" gemacht hatte, doch erheblich. Es war dies, im November 1999, eines der letzten Fußballspiele im alten Jahrtausend, das eine Dekade im Gedächtnis begrub.

    Alle Spiele live? Wie amüsant. Es war viel besser. Dieses Kribbeln, wenn die Ergebnisse im Teletext lila waren, was bedeutete, dass das Spiel noch lief. Ohne App im Simultanmodus, dafür mit einem Spannungsbogen, der heute im Transparenzuniversum erlischt.

    Wenn Bayern gegen Freiburg spielt, denke ich noch manchmal dran.

    An einem Samstagnachmittag im Oktober 1992

    ALS DIE EINBLENDEMASCHINE STREIKTE

    Patrick Völkner

    Die Faszination des Fußballs in Worte zu fassen, ist schwer bis unmöglich. Und doch versuchen wir immer, das, was wir an diesem Sport so lieben, in sprachlicher Knappheit begreifbar zu machen. Letztlich ist Fußball aber wohl doch vor allem eines: Warten auf ein Tor - und das kann mitunter bittersüße Züge tragen.

    Wenn man uns Bayern-Anhänger nach der dunkelsten Stunde unseres Fan-Seins fragt, pfegen wir gemeinhin Barcelona 1999 anzuführen. Die Wunde der „Mutter aller Niederlagen" sitzt eben nach wie vor tief im kollektiven Bewusstsein. Trotz der Wiedergutmachung durch den CL-Sieg 2001. Auch ich hatte lange an dem Last-Minute-Tod von Barcelona zu knabbern. Brauchte mehrere Tage, um das Unfassbare zu verstehen und fühle noch heute die Leere nach der wohl größten Enttäuschung, die man als Bayern-Fan in den letzten 20 Jahren erleben musste.

    Doch nicht immer sind es die großen Endspielniederlagen, die verpassten Triumphe, die mich hadern lassen. Auch ein verspielter Sieg in einem vermeintlich so unwichtigen Bundesligaspiel kann mich noch Jahre später zum Verzweifeln bringen. So wie der vom 3. Oktobers 1992.

    An jenem Samstag stand der 9. Spieltag der Saison 1992/93 an. Für den FC Bayern ging es gegen den einstigen Erzrivalen aus Mönchengladbach. Eine vermeintliche lockere Angelegenheit, hatten die Borussen in den ersten acht Spielen doch lediglich einen Sieg einfahren können, der nur zu einem enttäuschenden 17. Platz (umrahmt vom HSV und dem 1. FC Köln) reichte. Unsere Bayern dagegen hatten ein Saisonauftakt nach Maß hingelegt. Sechs Siege und zwei Remis bedeuteten für die Ribbeck-Elf die Tabellenführung.

    Der 3. Oktober 1992 war nicht nur der Tag der Deutschen Einheit, sondern bedeutete für mich vor allen Dingen einen jener bittersüßen Einblendesamstage.

    Einblendesamstage, so nannte ich die Sonnabende, an denen ich das Spiel meiner Bayern nicht live auf Premiere schauen konnte, sondern mich über die Einblendungen am unteren Bildrand auf dem Laufenden hielt. Diese aus heutiger Sicht nostalgisch wirkende Form der Informationskultur hatte dabei einen ganz besonderen Charme, der mich über die Enttäuschung, das Bayern-Match nicht live sehen zu können, hinweg zu trösten vermochte. Denn die ausgefeilte Choreografe der Einblendungen war mitunter aufregender als es die dramatischste Live-Übertragung sein konnte.

    So verstand es die Premiere-Redaktion die Zuschauer mit geradezu betulicher Vorsicht auf die bevorstehende Meldung des jüngsten Torereignisses vorzubereiten, indem sie zunächst das gelb-rot leuchtende Banner „PREMIERE BUNDESLIGA" im unteren Bilddrittel einblendete. Ein untrügliches Zeichen, das die Herzen von Millionen (wahrscheinlich eher tausenden) Fußball-Fans höher schlagen ließ. Für einen kurzen Augenblick des Hoffens und Bangens gab es nur noch eine Frage von Belang: Ist in dem Spiel meines Vereins ein Tor gefallen? Und wenn ja: Auf der richtigen Seite? Gefühlte Minuten später (tatsächlich waren es wohl nur drei Sekunden) folgte dann die erlösende oder eben ernüchternde Gewissheit: Wie von Geisterhand schob sich von der rechten Seite die Tormeldung in die Bildschirmmitte und von dort in das angespannte Großhirn des Zuschauers. Die Frage nach Freud oder Leid war dabei rasch beantwortet, pfegte Premiere doch seinerzeit die Buchstaben der erfolgreichen Mannschaft gelb einzufärben. Ob sich der Pulsanstieg, den die Einblendung des torverheißenden Banners ausgelöst hatte, gelohnt hatte, war damit schnell erklärt. Was blieb, war die gleichfalls spannende, aber eben nicht so nervenaufreibende Frage nach dem Torschützen.

    Am 9. Spieltag der Saison 1992/93 nun durfte ich diesen Nervenkitzel wieder einmal auskosten. Premiere übertrug Dynamo Dresden gegen Werder Bremen als Topspiel (eine durchaus fragwürdige Entscheidung) und informierte mittels der unwiderstehlichen Einblendungen über den Spielstand in München. Nachdem ich eine halbe Stunde lang erwartungsvoll auf den unteren Bildschirmrand gestiert hatte (und dabei das Spiel in Dresden fast ignoriert hatte), erschien um Punkt 16 Uhr endlich das begehrte Banner und wenig später die ernüchternde Gewissheit. „MÜ… in Weiß… Ich wusste, was das hieß: Gegentor. Führung Gladbach. Die gelbe „BORUSSIA gab mir die endgültige Sicherheit. 0:1. Torschütze: Criens. Auch egal!

    Nun begann sie, die schier unendliche Zeit des Wartens auf die nächste Bayern-Einblendung mit der erlösenden Nachricht des Ausgleichs. Doch es passierte - nichts. Keine Meldungen von irgendwo. Schlussfolgerung: Die Einblendemaschine (so nannte ich den Vorgang in Ermangelung technischer Kenntnisse) musste kaputt sein. Und in der Tat schien irgendetwas nicht zu stimmen. Denn die erlösende Mitteilung vom Ausgleichstreffer erreichte mich und die Premiere-Zuschauer auffällig spät. Doch ich war nicht nachtragend. Hauptsache Tor. Die Nachricht von Olaf Thons Elfmetertreffer sorgte für Erleichterung und nährte die Hoffnung, dass die Bayern das Spiel noch würden drehen können.

    Doch wieder einmal tat sich lange nichts. Fast nichts, um genau zu sein. Die Mitteilung von Treffern in Wattenscheid und Köln zeigten mir, dass die Einblendemaschine funktionieren würde. Es musste also an meinen Bayern gelegen haben, die sich als unfähig erwiesen, der Borussia ein zweites Gegentor einzuschenken. Und so wartete ich und wartete - bis gegen Viertel nach fünf. Das Spiel in Dresden stand unmittelbar vor dem Abpfff, da wischte das gelb-rote Banner und nachfolgend das gelbe „München alle Zweifel hinweg: „MÜNCHEN in Gelb! 2:1 Helmer, 88.! Jaaaa! Hatte doch noch geklappt. Das Spiel in Dresden wurde wenige Sekunden später abgepfffen, Einblendungen würde es danach nicht geben, selbst wenn noch das eine oder andere Tor gefallen wäre. Hieß im Umkehrschluss, dass ich mich bis zur Ergebnisübersicht gedulden musste, um endgültige Gewissheit über den Spielausgang zu erlangen.

    Ich weiß nicht, ob es die seltsamen Umstände der streikenden Einblendemaschine waren, die mir das Gefühl gaben, dem Braten nicht trauen zu können. Eine ungute Eingebung sagte mir aber, dass die Bayern wohl noch einen kassiert hatten. An diesem Samstag war alles möglich. Wenig später erlebte ich dann, wie fes und hinterhältig so eine selbsterfüllende Prophezeiung sein kann: „Bayern - Gladbach 2:2". Ich war frustriert. Wütend. Desillusioniert. Und wusste dabei nicht einmal, auf welche haarsträubend dämliche Weise der Ausgleich gefallen war: Martin Max nach Vorlage des vorgerückten Torhüters Dirk Heyne. Lächerlich.

    Noch heute könnte ich diesen Einblendesamstag verfuchen. Noch heute tut mir das Unentschieden weh. Vielleicht, weil ich glaube, dass wir bei einem Sieg am Ende auch den Meistertitel geholt hätten. Vielleicht weil ich Last-Minute-Ausgleichtstreffer einfach hasse. Wahrscheinlich aber, weil ich schon glaubte, den Kampf gegen die streikende Einblendemaschine gewonnen zu haben und dann auf so feige Weise hintergangen wurde. Denn den Ausgleichstreffer anzuzeigen, hätte sich die Einblendemaschine an diesem Samstag sicher nicht getraut…

    Sammy Kuffour

    DAS KIND IM MANNE

    Patrick Völkner

    „Wir wolle rot-weiße Trikot. Rot-Weiße Trikot." Die flehentliche Bitte in Form eines kruden Gesangs auf dem Münchener Rathausbalkon dürfte den meisten Bayern-Fans noch immer im Ohr sein. Sie stammt von Sammy Kuffour, einer der wohl schillerndsten und beliebtesten Spielerpersönlichkeiten der Bayern aus den vergangenen 20 Jahren. Ein echter Typ, der in seinen zehn Jahren beim deutschen Rekordmeister alle Höhen und Tiefen des Fußballs wie des Lebens mitgemacht hat.

    Kuffours Prof-Karriere begann früh. Bereits mit 15 Jahren verließ der Ghanaer seine afrikanische Heimat in Richtung Italien. Dort kickte er zwei Jahre lang für die Jugendmannschaft von Torino Calcio und wechselte schließlich im zarten Alter von 17 Jahren an die Isar. Unter Hermann Gerland absolvierte Kuffour seine ersten Spiele für die Amateurmannschaft des FC Bayern, um sich so für das Profteam der Münchener anbieten zu können. Am 29. Oktober 1994 bestritt Kuffour schließlich sein erstes Bundesligaspiel (2:2 gegen den VfB Stuttgart), dem in den nächsten Jahren 174 weitere Einsätze folgen sollten.

    Schon Mitte der 90er bestand ein reger Personalaustausch zwischen den FC Bayern und dem Club aus Nürnberg. So wurde auch Kuffour für ein Jahr nach Nürnberg ausgeliehen, um dort vermehrt Spielpraxis sammeln zu können. Verletzungsbedingt reichte es jedoch lediglich zu zwölf Zweiligaeinsätzen, nach denen er wieder an die Isar zurückkehrte. Waren es zunächst die schwankenden Leistungen Kuffours, die regelmäßigen Einsätzen im Wege standen, so wurde dem Ghanaer später vor allem seine hohe Verletzungsanfälligkeit zum Verhängnis.

    Gleichwohl sollte Kuffour zu keiner Zeit den Makel fehlender Konstanz wirklich abschütteln können. Seine Leistungen schwankten regelmäßig zwischen Weltklasse und Kreisliganiveau. Blitzsaubere Defensivdarbietungen wechselten sich mit haarsträubenden Leichtsinnsfehlern ab und brachten dem jungen Ghanaer den Ruf des schlampigen Genies ein. Doch anders als im Falle von Martin Demichelis, der mit einem ähnlichen Stigma zu kämpfen hatte, genoss Kuffour bei den Bayern-Fans dauerhaft hohe Sympathie.

    Kuffours Beliebtheit unter den eigenen Anhängern erklärt sich dabei weniger aus seiner Spielweise denn aus dem Typus Mensch, den er auf und neben dem Spielfeld verkörperte. Samuel Osei Kuffour, den alle nur „Sammy" nannten, war als Fußballer so etwas wie der tragische Held. Stets aufrichtig bemüht, mit großen Einsatzwillen und Herzblut ausgestattet, aber doch oftmals am infantilen Gemüt scheiternd - so kannte und mochte man den Spieler Kuffour. Allzu häufg schlugen beim jungen Sammy Motivation und Hingabe um in Übereifer und Unbesonnenheit - zwei Attitüden, die sich mit dem Anforderungsprofl eines Innenverteidigers gemeinhin nicht vertragen.

    Die Unbeherrschtheit des Sammy Kuffour lässt sich auch statistisch belegen: In seinen 175 Erstliga-Einsätzen wurde der Verteidiger insgesamt sechs Mal vom Platz gestellt. Zum Vergleich: Für Stefan Effenberg, dem Rekordhalter in dieser Kategorie, steht gerade mal ein Platzverweis mehr zu Buche - bei exakt doppelt so vielen Bundesligaspielen. Die höchste Quote an Hinausstellungen pro Spiel darf somit Kuffour für sich in Anspruch nehmen, eine Auszeichnung, auf die er und sein Verein sicher gerne verzichten würden.

    Es ist jedoch weniger die Zahl der Platzverweise als vielmehr ihr Zustandekommen, welches Aufschluss gibt über die Eigenart Kuffours. Beispielhaft sei hier nur auf die gelb-rote Karte aus dem November 1994 hingewiesen: Zu Behandlungszwecken hinter die Seitenlinie verwiesen, kehrte der ungeduldige Kuffour ins Spiel zurück, ohne das Okay des Schiedsrichters abzuwarten. Die fällige Verwarnung mit dem daraus resultierendem Platzverweis beantwortete der damals 18-Jährige mit einer beleidigten Schimpftirade, wie man sie sonst nur von uneinsichtigen Kindergartensprösslingen kennt. Kuffour galt fortan als unreifer Naivling, dem man seine Fehler ob seiner kindlichen Seele nicht so recht übelnehmen wollte. Ein Ruf, den Kuffour - wie Thomas Helmer einst anmerkte - für seine Zwecke zu nutzen wusste. Kuffour gefel sich in der Rolle des unschuldigen Underdogs und wollte dieses Vorurteil für sich fruchtbar machen. Seine Rechnung, den Schiedsrichter zu Gnade und Nachsicht zu bewegen, sollte allerdings nur selten aufgehen.

    Auch wenn es anders scheinen mag: Kuffour war für den FC Bayern mehr als nur ein skurriler Sympathikus. Sportlich hat er den Münchnern oftmals entscheidend weitergeholfen. Sein Tor

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1