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Finanzjournalismus
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eBook995 Seiten10 Stunden

Finanzjournalismus

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Über dieses E-Book

Die besten deutschen Finanzjournalisten erklären in über 70 Überblicks- und Fachwortartikeln, was auf den Märkten gehandelt wird, wie das Geschehen einzuordnen ist und wie es der Öffentlichkeit verkauft wird. Von Aktien über Derivate bis zu Versicherungen, vom Bausparen über die Bilanzanalyse bis zum Vererben – alle Autoren gewichten ihre Themen nach journalistischen Kriterien und nicht nach den Anforderungen der Öffentlichkeitsarbeit. Das Handbuch bietet die journalistische Auswahl des Wichtigen und seine distanzierte Kommentierung und geht damit weit über Wikipedia und andere Quellen im Internet hinaus.

Von Journalisten für Journalisten: Die 56 Autoren des Handbuchs reagieren mit ihren Beiträgen auf den Schwund des finanzjournalistischen Wissens in vielen Redaktionen. Zu viele Medien scheinen mit den aktuellen Finanzthemen überfordert zu sein, zu viele Autoren und Redakteure kleben mit ihren Texten an den PR-Vorlagen und schicken so Verbraucher und Anleger in die Irre.

Journalisten haben es gelernt, komplexe Themen anschaulich darzustellen. Deshalb sind die oft so sperrigen Finanzthemen in diesem Handbuch noch spannender und verständlicher aufbereitet als in anderen Nachschlagewerken. Die Leser profitieren dabei doppelt, weil auch die Fallstricke zentraler Finanzthemen nicht ausgespart werden. Das Handbuch bietet damit fundierte Information und konkrete Entscheidungshilfe über den Kreis der Journalisten hinaus auch für alle an Finanzthemen interessierte Leser.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum10. Dez. 2014
ISBN9783864960673
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    Buchvorschau

    Finanzjournalismus - UVK Verlagsgesellschaft

    Herausgeber

    [12]

    [13]

    Ad-hoc-Mitteilung

    Unternehmenskommunikation

    Finanzkommunikation

    Vorstand X wechselt am Jahresende in den Aufsichtsrat. Ad-hoc-pflichtig? Der seit Jahren unprofitable Standort Y in Z wird zum Halbjahr geschlossen. Besteht Ad-hoc-Pflicht? Das Pharmaunternehmen hat in den USA die Zulassung für das neue Medikament erhalten und erwartet in diesem wichtigen Kernmarkt einen deutlichen Umsatzsprung in den kommenden Jahren. Besteht unmittelbare Berichtspflicht?

    In den Kommunikationsabteilungen der Unternehmen stellt sich immer wieder dieselbe Frage: Ist diese Neuigkeit ad-hoc-pflichtig? Selten sind Pressesprecher sicher in der Beurteilung, ob eine Veränderung im Unternehmen, ein aktualisierter Geschäftsausblick oder Ähnliches die Bedingung oder Notwendigkeit einer verkürzt oft ‚ad-hoc’ genannten Mitteilung erfüllt. Die Folge der Irritation ist deshalb in der Regel ein Anruf in der Rechtsabteilung.

    Die Ad-hoc-Mitteilung hat ihren semantischen Ursprung in einer lateinischen Phrase, die korrekt übersetzt ‚zu diesem‘ oder ‚hierfür‘ bedeutet. Im übertragenen Sinne bezeichnet ad-hoc improvisierte Handlungen und Dinge, die speziell für einen Zweck entworfen wurden oder spontan aus einer Situation heraus entstanden sind. Auf die Finanzkommunikation von Unternehmen übertragen enthält eine Ad-hoc-Mitteilung eine zur sofortigen Veröffentlichung bestimmte Tatsache, die den Börsenkurs der zugelassenen Wertpapiere eines Unternehmens erheblich beeinflussen kann.

    Näheres erläutert das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG). In § 15 steht:

    „Ein Inlandsemittent von Finanzinstrumenten muss Insiderinformationen, die ihn unmittelbar betreffen, unverzüglich veröffentlichen; er hat sie außerdem unverzüglich, jedoch nicht vor ihrer Veröffentlichung dem Unternehmensregister im Sinne des § 8 b des Handelsgesetzbuchs zur Speicherung zu übermitteln …"

    Damit ist die Sache klar: Veränderungen, die in einem publizitätspflichtigen Unternehmen geschehen – dies können positiv wie negativ veränderte Geschäftsaussichten sein, personelle Veränderungen im Vorstand, Investments oder Divestments etc. – und durchaus relevante Auswirkungen auf den Börsenkurs haben, unterliegen der Ad-hoc-Pflicht.

    Aber genau diese Relevanz ist häufig umstritten in den Unternehmen. Der Grund liegt auf der Hand: Während Kommunikationsabteilungen in aller Regel lieber eine Pressemitteilung veröffentlichen, die keinerlei gesetzlichen Regeln unterliegt und deshalb in Fragen des Veröffentlichungsprozesses, der Formulierung, des Veröffentlichungszeitpunkts, etwaiger Zitate etc. völlig frei ist, hat die Ad-hoc-Mitteilung einigen Vorgaben zu folgen. Bildlich gesprochen ist die Ad-hoc-Meldung die Pflicht, während die Pressemitteilung eher der Kür entspricht (→ Unternehmenskommunikation).

    Die Ad-hoc-Mitteilung wird immer zuerst an die jeweils verantwortlichen Regulierungsbehörden versandt (→ Finanzaufsicht). In Deutschland ist das in der Regel zumindest die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Dort werden Inhalt und entsprechende Einwände geprüft. Diese Prüfung dauert normalerweise etwa eine Stunde. Gibt die BaFin grünes Licht, kann die Ad-hoc-Meldung an → Analysten, → Ratingagenturen

    [14]

    und den üblichen Presseverteiler gesendet werden.

    Der Veröffentlichungszeitpunkt liegt in der Regel außerhalb der Börsenzeiten, um zu verhindern, dass die Mitteilung direkt in den laufenden Handel der Wertpapiere gelangt. Selbst die längst übliche Methode, Mitteilungen via E-Mail zu versenden, könnte im Worst-Case-Szenario dazu führen, dass computergesteuerte Handelsprogramme einen Zehntelsekunden-Informationsvorsprung für Arbitrage-geschäfte ausnutzen. Mit anderen Worten: Ein Wertpapier, das an mehreren Börsenplätzen der Welt gelistet ist, könnte in Paris für Zehntelsekunden auf dem Verkaufszettel stehen, während in Hongkong die Nachricht noch gar nicht angekommen ist. Dies gilt es in jedem Fall zu verhindern (→ Börse).

    Auch die Formulierung einer Ad-hoc-Mitteilung unterliegt in der Regel den Rechtsabteilungen der Unternehmen. Selbst wenn die Pressestellen sie schreiben, wird erst die Rechtsabteilung die Mitteilung freigeben. Die Folge ist, dass Ad-hoc-Mitteilungen nüchtern, sachlich und knapp die Fakten darstellen.

    Für Unternehmen, insbesondere die Presseabteilungen, bedeutet eine Ad-hoc-Pflicht stets auch das strikte und konsequente Einhalten des No Comment. Keine Information darf das Unternehmen verlassen, die in irgendeiner Weise der bevorstehenden Mitteilung vorausgreift. Dies ist für Pressesprecher meist eine Phase der Unzufriedenheit, da sich in der Regel selbst diese geheimen oder betriebsinternen Informationen durch oft nicht nachvollziehbare Gänge an die Medien durchtanken. In dieser Phase nicht selten heftiger Spekulationen ist es den Presseabteilungen verwehrt, den Journalisten auch nur eine Art von Guidance zu geben. Offiziell kommentieren dürfen sie ohnehin nicht. Dieses Verbot führt wiederum zu weiterer Unzufriedenheit auf allen Seiten: Journalisten sind in der Regel von der mangelnden Kooperationsbereitschaft der Kommunikationsabteilungen genervt, die Pressestellen selbst fühlen sich in ihrer Rolle unwohl, nichts wissen und nichts sagen zu dürfen. So erscheinen häufig in diesen Phasen Geschichten und Artikel, die von Spekulationen und Halbwissen getränkt sind, was wiederum die Vorstände mit der Frage auf den Plan treten lässt, warum dieser „Unsinn" in der Zeitung steht.

    Trotz dieser Unzulänglichkeiten ist die klassische Ad-hoc-Mitteilung ein wichtiges Instrument in der Medienarbeit publizitätspflichtiger Unternehmen und ein probates Mittel im Sinne des Anlegerschutzes. Denn auf ihren Kern reduziert, dient die Ad-hoc-Meldung tatsächlich dem zeitgleichen Zugänglichmachen marktrelevanter Informationen für alle Anleger.

    Literatur und Links

    Güttler, André (2001) Informationsgehalt von Ad-hoc-Mitteilungen, Diplomarbeit, E-Book, München.

    www.boerse-frankfurt.de/DE/index.aspx?page ID=41&Tab=AdHoc – Aktuelle Ad-hoc-Meldungen

    Ulrich Porwollik, Frankfurt am Main

    Aktie

    Aktiengesellschaft

    Aktienkurs

    Bezugsrecht

    Erstemission

    Die Aktie gilt in der Öffentlichkeit nur als Inbegriff des börsengehandelten Wertpapiers, als Spekulationspapier mit beachtlichen Kurschancen und überdurchschnittlichen

    [15]

    Renditen, vielleicht noch als Investment zur Altersvorsorge oder als Basiswert für neu strukturierte Produkte der Geldanlage. Finanzjournalisten beschäftigen sich daher vornehmlich mit den Kursbewegungen börsennotierter Aktien, in erster Linie mit Aktien in einem Index wie dem Dax. Es würde sich aber auch lohnen, die Herkunft der Aktie aus der Unternehmensfinanzierung etwas intensiver unter die Lupe zu nehmen und sich ein Bild über die Vielfalt der Aktie zu verschaffen.

    Beschreibung

    Wer eine Aktie erwirbt, beteiligt sich an einem Unternehmen in der Rechtsform der → Aktiengesellschaft (AG) und schlüpft in die Rolle des Mitgesellschafters. Damit übernimmt er auch eine ganze Reihe von Rechten und Pflichten. Zu den Rechten gehören zum Beispiel das Stimmrecht in der Hauptversammlung und das Recht auf eine Beteiligung am Jahresgewinn (Dividende). Andererseits warten auch Pflichten, zum Beispiel die Pflicht, die Einlage zu leisten, sprich den Ausgabeoder Kaufpreis zu zahlen. Rechtsgrundlage für die Rechte und Pflichten, die fest an die Aktie gebunden sind, bildet in Deutschland das Aktiengesetz (AktG).

    In der Wahrnehmung der Aktionäre aus dem privaten Anlegerkreis werden vor allem die unternehmerischen Risiken der Aktienanlage gerne zur Seite geschoben und unterbewertet. Wenn es schlecht läuft und ein geschäftlicher-Jahresverlust ausgewiesen wird, trägt der Aktienbesitzer diesen Vermögensverlust mit. Seine Dividende fällt aus, der Wert seiner Aktie verringert sich. Das ist an der Börse und an sinkenden Kursen erkennbar. Allerdings führt ein Jahresverlust nicht zwangsläufig zum Dividendenausfall. Zur Pflege der Aktionäre, als Zeichen der geschäftspolitischen Zuversicht oder aus Gründen, die der Finanzjournalist herausfinden wird, kann den Gewinnrücklagen, in denen Teile älterer-Jahresüberschüsse geparkt sind, ein Betrag entnommen und als Dividende verteilt werden (§§ 58 Abs. 3 und 152 Abs. 3 AktG). Ein Beispiel: Das bayerische Spezialchemieunternehmen Wacker Chemie zahlte für 2009 eine Dividende trotz eines Verlustausweises von 75 Millionen Euro.

    Im Extremfall des Konkurses einer Gesellschaft hat der Aktionär noch schlechtere Karten und seine Rolle als Mitunternehmer wird überdeutlich. Sein Anspruch darauf, aus einem möglichen Liquidationserlös sein Geld wiederzusehen, tritt in der Rangfolge hinter die Forderungen der Gläubiger, vom Mitarbeiter bis zum Lieferanten, zurück. Ein Gefühl dafür, wie bitter sich dies anfühlen kann, bekam 2002 jeder Herlitz-Aktionär. Der Berliner Büroartikelhersteller stellte den Insolvenzantrag und seine Aktie war so gut wie wertlos geworden. Erst in allerletzter Minute gelang eine strategische Neuausrichtung und eine Fortführung des Traditionsunternehmens.

    Aktie und Börse

    Im historischen Rückblick war es anfangs mühsam, einen Käufer oder Verkäufer für Aktien zu finden, wenn man seine Teilhaberschaft am Unternehmen aufgeben oder neu eingehen wollte. Die Kauf- und Verkaufswilligen mussten sich erst finden. Mit Einführung der → Börse als Tausch- und Handelsplatz für Aktien war diese Hürde beseitigt. Das gab dem Aktienwesen einen großen Auftrieb. In logischer Konsequenz haben der Siegeszug der Elektronik, die sekundenschnelle Datenverarbeitung und die elektronische

    [16]

    Orderabwicklung ohne physische Präsenz der Handelsteilnehmer dem Geschäft mit Aktien an der Börse ungeahnte Dimensionen eröffnet. Auch private Anleger können sich auf dem Wege des Online Brokerage und des Intraday Trading mittlerweile dem Gefühl hingeben, wie Profi-Broker zu spekulieren. Die Tür zur Spekulation für unerfahrene, unzureichend informierte Anleger ist allerdings damit auch weit aufgestoßen.

    Die Mehrzahl der → Aktiengesellschaften, über 90 Prozent, ist allerdings nicht börsennotiert. So überraschend die Zahl zunächst auch klingt, der Blick auf die schier unübersehbare Vielzahl von Konzern-Tochtergesellschaften in der Rechtsform der Aktiengesellschaft macht den Wert plausibel. Für diese Unternehmen gibt es keinen tagesaktuellen Preis ihrer Aktien. Hier müsste der tatsächliche Aktienkurs erst aus den Bilanzen und der Ermittlung des Unternehmenswerts errechnet werden. Im Rahmen von Unternehmensverkäufen, → Management-Buy-outs oder Zusammenschlüssen fällt diese Bewertungs- und Rechenaufgabe auch immer wieder an.

    Entscheidet sich eine Aktiengesellschaft eines Tages dazu, ihre Aktien doch an die Börse zu bringen und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, so spricht man von einer Neuemission, besser von einer → Erstemission, in der englischen Fachsprache von einem Initial Public Offering (IPO). Mit diesem Schritt wird das Grundkapital, eingeteilt in Aktien, handelsfähig. Die Ziele der Altaktionäre und des Managements sind dabei vielfältig:

    Das Unternehmen will wachsen und benötigt zusätzliches Eigenkapital, über die Börse ist die Aufnahme neuen Kapitals in der Regel leichter möglich als über die Kreditmärkte.

    Altaktionäre möchten sich (teilweise) aus dem Unternehmen zurückziehen und Kasse machen.

    Das Unternehmen möchte national und vor allem international bekannter werden. Weltweit agierende Konzerne haben fast keine andere Wahl, nur als börsennotierte Unternehmen sind sie an den Leitbörsen der Welt präsent, agieren finanztechnisch auf demselben Feld wie ihre Wettbewerber. Und nur als börsennotierte Unternehmen verfügen über den vollen Aktionsraum für Kapitalmaßnahmen.

    Der Weg über die Aktie ist weltweit gleichermaßen üblicher und akzeptierter Standard der Unternehmensfinanzierung.

    Kapitalveränderungen sind immer ein journalistisch interessanter und lohnender Ansatzpunkt, die Geschäftspolitik, die Zukunftsaussichten des Unternehmens, mögliche Veränderungen im Aktionärskreis und Auswirkungen auf die Aktie und ihre Börsenbewertung zu hinterfragen.

    Kapitalerhöhung

    Die Kapitalerhöhung gegen Einlagen ist der typische Weg, um frisches Kapital aufzunehmen. Eine Erhöhung des Grundkapitals über die Ausgabe neuer Aktien muss zuvor in der Hauptversammlung von den Aktionären beschlossen werden (§ 182 AktG). Die Altaktionäre erhalten einen Anspruch auf junge Aktien, damit ihr prozentualer Besitzanteil an den Vermögenswerten des Unternehmens durch die Fülle neuer Aktien nicht verwässert wird (→ Bezugsrecht).

    Die bedingte Kapitalerhöhung (§ 192 ff. AktG) dient dem Zweck, ein Umtausch- oder Bezugsrecht auf Aktien sicherzustellen. Die Inhaber von Wandel- und Optionsanleihen werden auf diesem Wege abgesichert. Das Recht, bei Ausübung

    [17]

    ihres Wandlungs- oder Optionsrechts auch tatsächlich Aktionär zu werden, ist ihnen dann nicht mehr zu entziehen.

    Um die Schwerfälligkeit des Verfahrens zur Kapitalerhöhung, vor allem bei großen börsennotierten AGs, abzumildern, räumt das Aktiengesetz (§ 202 ff. AktG) das so genannte genehmigte Kapital ein. Die Hauptversammlung kann den Vorstand ermächtigen, selbstständig über eine Kapitalerhöhung zu entscheiden. Diese Flexibilität gilt für einen Zeitraum von maximal fünf Jahren. Gleichzeitig kann der Vorstand auch ermächtigt werden, das Bezugsrecht auszuschließen. Dieser Einschnitt in klassische Aktionärsrechte bedarf schon guter Gründe und Begründungen. Auf den Investor-Relations-Seiten der jeweiligen AG ist die Erläuterung dazu im Internet nachzulesen. So ist beispielsweise der Daimler-Vorstand ermächtigt, mit Zustimmung des Aufsichtsrates, bis zum April 2013 das Grundkapital durch die Ausgabe neuer Aktien gegen Bareinlage um bis zu 500 Millionen Euro zu erhöhen.

    Im Zuge der Finanzmarktkrise 2008 wurden für Unternehmen des Finanzsektors zahlreiche Sonderregelungen gegenüber dem normalen Verfahren der Kapitalerhöhung geschaffen, zum Beispiel die gesetzliche Ermächtigung zur Kapitalerhöhung (gültig bis 31.12.2009; Gesetz zur Beschleunigung und Vereinfachung des Erwerbs von Anteilen … an Unternehmen des Finanzsektors durch den Fonds FMS – Finanzmarktstabilisierungsfonds). Anwendung fanden diese Regeln zum Beispiel bei der kollapsbedrohten Hypo Real Estate, München (außerordentliche HV 2009 www.hyporealestate.com/hauptversamml ung.php).

    Leichte Verwirrung verursacht hin und wieder die Nachricht, dass Gratisaktien oder Berichtigungsaktien ausgegeben werden. Korrekt formuliert findet eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln statt (§ 207 f. AktG). Man könnte im ersten Moment denken, dass etwas verschenkt wird, das ist jedoch nicht der Fall.

    Es handelt sich um eine echte Kapitalerhöhung, offene Rücklagen werden in Grundkapital umgewidmet und stehen damit dauerhaft als Eigenkapital zur Verfügung. Der Umfang des fest gebundenen Vermögens der AG nimmt zu, die Summe der gesamten Vermögenswerte der AG bleibt jedoch unverändert. Die Zahl der Aktien steigt, der Kurs der einzelnen Aktie sinkt, sie wird optisch billiger und damit vielleicht auch für solche Privatanleger interessant, die bisher vom höheren Kursniveau abgehalten waren. Beispiel SolarWorld: Nach der Hauptversammlung im Juni 2007 gab es Berichtigungsaktien im Verhältnis eins zu eins, eine alte Aktie erhielt eine neue Zusatzaktie, der Kurs der Aktie halbierte sich rein rechnerisch.

    Vorzugsaktie

    Da die Aktie ein fester Begriff des Finanzwesens ist, gesetzlich definiert, als Wertpapier standardisiert, gibt es nicht viel Spielraum, sie so auszugestalten, wie es dem emittierenden Unternehmen gut passen würde. Die Wahl besteht zum Beispiel darin, Stammaktien oder Vorzugsaktien auszugeben. In aller Regel kommt die Stammaktie zum Zuge. Ob Einzelaktionär oder Großaktionär, es macht keinen Unterschied, denn jede Aktie steht für die gleichen Rechte. Stammaktien gewähren insbesondere das Stimmrecht (§ 12 AktG), das Bezugsrecht auf neue Aktien bei einer Kapitalerhöhung (§ 186 AktG) und das Recht auf

    [18]

    Gewinnbeteiligung in Form der Dividende (§ 60 AktG).

    Werden Vorteile bei der Verteilung des Jahresgewinns eingeräumt, handelt es sich um Vorzugsaktien. Die Preferred Shares/Stocks des angelsächsischen Raums sind mit der deutschen Vorzugsaktie nicht identisch. Anders als die Vermutung nahe legt, haben sie oft wenig vom Charakter einer Aktie, dafür mehr vom Typus einer Anleihe. Um sich ein Urteil zu bilden, hilft nur der Vergleich der Ausstattungsmerkmale im Einzelfall.

    Die bevorzugte Bedienung der Vorzugsaktie aus dem Jahresgewinn wird damit erkauft, dass das Stimmrecht ausgeschlossen ist (§ 139 – 141 AktG). Kann die Vorabdividende nicht vollständig gezahlt werden, lebt das Stimmrecht allerdings sofort wieder auf und der Vorzugsaktionär rückt in dieselbe Position wie der Stammaktionär. Die Einzelheiten zu den Vorzügen sind in der Satzung der Aktiengesellschaft festgehalten, die online über die Homepage im Internet nachzulesen ist.

    Vorzugsaktien sind zwar nicht häufig, sie sind aber auf dem Kurszettel der Börse gut zu identifizieren. Die Ziffer 3 nach dem Börsenkürzel macht sie kenntlich. Der Leitindex Dax enthält beispielsweise Fresenius Vorzüge (FRE3), Henkel Vorzüge (HEN3) und seit Ende 2009 auch Vorzugsaktien der Volkswagen AG. Die VW-Vorzüge ersetzten die Stämme, die nach der spektakulären Porsche-Übernahme nicht mehr die Dax-Kriterien erfüllten. Der Streubesitz der Stammaktien war unter den Mindestanteil von zehn Prozent gerutscht. Der MDax enthält den Schmierstoffhersteller Fuchs Petrolub (FPE3) oder die Boss Aktien (BOS3), der SDax beispielsweise die Hornbach Holding (HBH3).

    Wenn Vorzugsaktien und Stammaktien derselben Aktiengesellschaft börsengehandelt sind, fällt der Kursunterschied auf. Vorzüge sind etwas billiger, das fehlende Stimmrecht wird mit einem Kursabschlag bestraft. Aber keine Regel ohne kleine Ausnahme: Die Vorzüge des Softwarekonzerns SAP etwa notierten bis zu ihrer Umwandlung in Stämme im Juni 2001 deutlich höher, also genau anders herum als zu erwarten war. Die Erklärung dafür ergibt sich erst auf den zweiten Blick und hängt mit dem Verhalten (ausländischer) institutioneller Investoren zusammen. Diese bilden in ihren Depots oftmals den Dax nach und hatten daher lange Zeit SAP-Vorzüge auf ihrer festen Kaufliste. Die regelmäßige Nachfrage hielt den Kurs hoch. Die Stämme blieben hingegen links liegen, da sie nicht im Dax vertreten waren. Doch diese Episode ist längst Geschichte. Unter dem Motto ‚Eine Aktie – eine Stimme’ hat sich SAP den internationalen Kapitalmarktgepflogenheiten angepasst und die Vorzugsaktie aufgegeben. (Die Einzelheiten sind auf der Unternehmenshomepage unter dem Stichwort Investor Relations/Aktie nachzulesen.)

    Für private Anleger kann das fehlende Stimmrecht vorteilhaft sein, weil sie die Aktien etwas preiswerter erhalten können. Ihr Interesse und ihre Möglichkeit, in der Hauptversammlung Einfluss auf die Geschäftspolitik zu nehmen, ist ohnehin in großen Aktiengesellschaften meist gering. Ausländische Investoren bevorzugen die Stammaktie, weil sie mit der Eigenart der deutschen Vorzugsaktie wenig vertraut sind und weil ihr Investmentvolumen so hoch ist, dass sie unbedingt ein Stimmrecht für die Beschlüsse der Hauptversammlung haben wollen.

    Üblicherweise lauten Aktien auf den Inhaber. Die Aktie kann unkompliziert

    [19]

    ihren Besitzer wechseln, juristisch wird sie wie eine bewegliche Sache übertragen. Käufer und Verkäufer einigen sich durch Übergabe. In der Börsenwelt geschieht dies virtuell, Elektronik und ausgefeilte Abwicklungsprogramme machen es möglich. Damit ist die entscheidende Voraussetzung für den modernen Börsenhandel erfüllt.

    Namensaktie

    Allerdings lässt das Aktienrecht auch die andere Variante, die Namensaktie, ausdrücklich zu (§ 10 AktG). Der Name des Eigentümers, Geburtsdatum und Adresse erscheinen dann auf der Aktienurkunde und werden im Aktienregister vermerkt. Die modernen Kommunikationstechniken ermöglichen es auch hier, die diversen gesetzlichen Anforderungen, zum Beispiel für die Sammelverwahrung von Aktienurkunden, jederzeit einzuhalten (Gesetz zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung NaStraG, 2001). Mit der Verwendung von Namensaktien folgen börsennotierte Aktiengesellschaften immer häufiger internationalen Gepflogenheiten. Insbesondere an der New York Stock Exchange sind Namensaktien (Registered Shares) sehr üblich.

    Interessanterweise hat die Namensaktie in Deutschland inzwischen eine kleine Renaissance erfahren. Große und bekannte Unternehmen haben auf die Namensaktie umgestellt.

    Dax-Titel wie Deutsche Bank, Daimler, Lufthansa, Siemens, Allianz oder TUI, aber auch weniger bekannte Pharmatitel wie Celesio und Stada oder der Medienkonzern Springer nutzen Namensaktien und versprechen sich Vorteile davon, dass ihre Aktionäre im Aktienregister tagesaktuell erfasst sind. Die Unternehmensleitung verfügt so über eine erhöhte Transparenz der Eigentümerstruktur aus dem In- und Ausland. Die Hauptversammlung soll effizienter und eventuell auch kostengünstiger vorbereitet werden können. Überdies wird auch daran gedacht, eine gezieltere Ansprache und Information von Anlegerkreisen zu erreichen. Erste Rückschlüsse aus dem Investmentverhalten von Aktionärsgruppen ziehen zu können, dürfte einem Management zudem nur recht sein, insbesondere in Zeiten unerwartet starker Kursschwankungen der eigenen Aktie.

    Als Steigerungsform der Namensaktie tritt die vinkulierte Namensaktie auf. Für die Eigentumsübertragung ist dann ausdrücklich die Zustimmung der Gesellschaft notwendig. Der Zweck dieser Regelung offenbart sich schnell: Die Einflussnahme unerwünschter Aktionärskreise (zum Beispiel Investorengruppen mit Eigeninteressen) auf die Geschäftspolitik soll massiv erschwert werden. Für den Medienkonzern Axel Springer beispielsweise kam daher nur diese Aktiengattung infrage.

    Zunächst wohl unerwartet verwendet auch die Publikums-AG Deutsche Lufthansa vinkulierte Namensaktien. In diesem Fall hat sie allerdings nicht frei gewählt, sondern folgt gesetzlichen Vorgaben gemäß dem Luftverkehrsnachweissicherungsgesetz (LuftNaSiG), einem Wortungetüm mit besonderem Zweck: Es soll jederzeit der Nachweis möglich sein, dass Lufthansa-Aktien mehrheitlich in deutschen Händen liegen und damit die Vorschriften der Luftverkehrsabkommen und der EU-Richtlinien eingehalten sind. Solange der Auslandsanteil weit unter 50 Prozent liegt, greift Lufthansa nicht in das Börsengeschehen ein und stimmt dem Kauf und Verkauf ihrer Aktien automatisch zu (Einzelheiten unter http://investor-relations.lufthansa.com/aktie/basisinformationen/besonderheiten.html).

    [20]

    Welchen Anteil am Grundkapital eine Aktie verbrieft, bestimmt sich bei Nennbetragsaktien nach dem Verhältnis ihres Nennbetrags zum Grundkapital, bei Stückaktien nach der Zahl der Aktien. Mindestnennbetrag ist ein Euro (§ 8 AktG). Dividiert man das Grundkapital durch die Anzahl der Aktien, darf ein Euro nicht unterschritten werden. Daraus wird erkennbar, dass hier zwei Seiten derselben Medaille betrachtet werden.

    Lange Zeit war für deutsche Aktien ein Nennwert von 50 DM üblich, später stellten die Aktiengesellschaften auf 5-DM-Aktien um. Die Papiere wurden dadurch optisch billiger. Zehn 5-DM-Aktien wirkten auf einen Kleinanleger psychologisch günstiger als eine 50-DM-Aktie, obwohl sich in der Summe in seinem Depot nichts verändert hatte. Bei den heutigen nennwertlosen Aktien ist dieser optische Trick über einen Aktiensplit möglich, wie es beispielsweise Porsche 2008 durchführte. Der Aktiensplit im Verhältnis eins zu zehn, jeder Inhaber einer Vorzugs- oder Stammaktie erhielt zehn neue Aktien, ermäßigte das Kursniveau rein rechnerisch auf ein Zehntel des alten Niveaus (www.porsche-se.com/pho/de/investorrelations).

    Historisches

    Im historischen Rückblick diente die Aktie zunächst als vielversprechendes Instrument, um sehr risikobereites Kapital einzusammeln. In den Niederlanden erprobte man diesen Weg bereits vor 400 Jahren. Um 1602 schlossen sich einige holländische Handelsgesellschaften zusammen – unter dem Druck scharfer Konkurrenz aus Portugal. Sie gründeten die ‚Vereinigte Ostindische Kompanie’. Ihre Gesellschaftsanteile wurden öffentlich angeboten; jeder Bürger, der Aktien erwarb, ließ sich sogleich ins Aktionärsregister eintragen, damit seine Teilhaberschaft verbindlich dokumentiert war. Die Aktien wurden auch an der Börse gehandelt, die juristischen und bürokratischen Hürden beim Kauf und Verkauf der Anteile waren anfangs allerdings beträchtlich, die Fungibilität und Liquidität daher eingeschränkt. Damalige Aktionäre lockten vor allem die hohen Dividenden. In manchen Jahren betrugen die Dividendenrenditen angeblich bis zu 75 Prozent, im langjährigen Durchschnitt sollen es 20 Prozent pro Jahr gewesen sein. Unverkennbar war das Aktionärsrisiko damals sehr hoch. Ging das Handelsschiff samt Ladung bei stürmischer See unter, war ein Totalverlust so gut wie sicher.

    Die Geschichte der Aktie ist auch eng verknüpft mit dem raschen wirtschaftlichen Fortschritt des 19. Jahrhunderts. Der Ausbau der Transportwege zu Lande (Eisenbahn) und zu Wasser (zum Beispiel Panamakanal, Suezkanal) finanzierte sich zu einem Großteil über Aktien von eigens gegründeten Aktiengesellschaften. Die systematische Handelbarkeit von Aktien ergab sich geradezu zwangsläufig. Überall waren längst Börsenplätze entstanden. London, Sevilla und Amsterdam folgten dem Beispiel Antwerpens, das bereits früh, 1532, einen geregelten Handel, allerdings in Anleihen, in einem eigens hierfür errichteten Gebäude startete. Als Gründungsjahr der Frankfurter Börse gilt 1585. Erst 1843 zog man in ein eigenes, repräsentatives Gebäude um, die Alte Börse; sie wurde allerdings rasch zu eng und 1879 gegen die Neue Börse eingetauscht.

    Der Präsenzhandel, die tatsächliche Begegnung der Marktteilnehmer, fand in Räumen mit langen Holzdielen statt, vornehmer als Parkett bezeichnet. Beide

    [21]

    Begriffe, Präsenz- und Parketthandel, haben sich bis heute erhalten, auch wenn die Elektronik die physische Anwesenheit der Teilnehmer längst überflüssig macht. Die Bilder vom Börsenparkett – im Fernsehen oder im Internet – sind heute wohl nur noch bewusste Inszenierungen des Handels für die Öffentlichkeit und werden deshalb auch nicht aufgegeben.

    Aktienhandel

    Der Berufsstand der Aktienhändler – selbstständige Makler, Broker oder Börsenhändler, die bei Banken angestellt sind – betreibt das klassische Handelsgeschäft mit Aktien im Auftrag von Kunden oder auf eigene Rechnung. Es gibt klare Spielregeln, gesetzliche Vorschriften und umfassende Regelwerke der Börsenträger, damit der Handel in geordneten Bahnen abläuft und Betrug und Missbrauch ausgeschlossen bleiben. Dieses idealtypische Szenario eines Marktes entspricht allerdings nur noch zum Teil der Realität. Heute ist auch ohne Aktien die Spekulation mit Aktien möglich. → Optionsscheine sind ein Beispiel dafür.

    Am Markt für Aktien gibt es sehr unterschiedliche Teilnehmer. Neben den privaten Anlegern agieren auch die institutionellen Investoren: → Versicherungen, Aktienfonds, → Hedgefonds, Rentenfonds, Finanzinstitute und einige mehr. Ihre Blickwinkel unterscheiden sich teilweise sehr stark, da sie unterschiedliche Zeithorizonte, Renditeziele, gesetzliche Vorgaben und Anlagemittel zu beachten haben. Daraus ergeben sich voneinander abweichende Anlagestrategien, die im Ergebnis auch eine unterschiedliche Gewichtung der Aktie bedingen.

    Private Anleger verfolgen eine Anlagestrategie im Rahmen ihrer persönlichen Finanzplanung, idealtypisch über einen längeren Lebenszeitraum hinweg, abgestellt auf die unterschiedlichen Finanzbedürfnisse in einzelnen Lebenssituationen: Bei der Wohnungseinrichtung (→ Verbraucherkredit), beim Hausbau (→ Baufinanzierung) und zur Altersvorsorge (→ Lebensversicherung) beispielsweise. Angesichts dieses langen Planungshorizontes von etwa 40 Jahren empfehlen Finanzberater gerne einen hohen Aktienanteil im mittleren Lebensabschnitt eines privaten Anlegers, also wenn er zwischen 30 und 50 Jahre alt ist (→ Vermögen).

    Investmentfonds legen ihre Anlagestrategie im Voraus fest und präsentieren sie in ihren Verkaufsprospekten als Teil ihrer Marketingbemühungen. Je besser sie dabei die Anlegerstimmung und Marktmoden einfangen und gleichzeitig ihr Vertriebsnetz aktivieren können, umso erfolgreicher läuft der Absatz ihrer Fondsanteile beim privaten Anleger.

    Anders sieht es bei → Hedgefonds aus, die in ihrer Anlagestrategie eher verschwiegen agieren. Sie zielen darauf ab, eine positive Rendite Jahr für Jahr zu erreichen, völlig unabhängig von der aktuellen Marktsituation. Dazu gehen sie alle Arten von Anlage-, Spekulations- und Sicherungsgeschäften ein, weitgehend losgelöst von gesetzlichen Anlagerestriktionen. Hedgefonds sind in Deutschland seit dem 1. Januar 2004 grundsätzlich zugelassen, spielen aber für private Anleger eine unbedeutende Rolle. Nur Dach-Hedgefonds dürfen öffentlich vertrieben werden.

    Versicherungen, insbesondere Lebensversicherungsgesellschaften, haben bei ihren Anlagestrategien wiederum andere Kriterien zu beachten. Einen großen Teil der erhaltenen Prämien verwalten sie nur treuhänderisch bis zum Vertragsablauf. Aus den angesammelten

    [22]

    Beiträgen, die nicht der Risikodeckung dienen, entsteht über die Jahre ein Kapitalstock, der dem Kunden zusteht. Für diesen Deckungsstock gelten strenge gesetzliche Anlagevorschriften.

    Für → Banken gilt beides, ihre Anlagestrategie umfasst das Aktiengeschäft im Kundenauftrag mit Provisions- und Gebühreneinnahmen und parallel den Eigenhandel mit Kursgewinnen für eigene Rechnung. Auch eine vorübergehende Beteiligung an einem Unternehmen (→ Private Equity) beinhaltet die Chance, die Aktien später mit Gewinn an einen neuen Einzelinvestor oder über die Börse weiterzugeben.

    Aktienanlage

    Das Herauspicken einzelner Aktien aus dem großen Angebot bedeutet für private Anleger häufig nicht nur Spannung und Vergnügen, sondern auch regelmäßigen Aufwand. Die laufende Beobachtung der Kursentwicklung an der Börse und die Bewertung der Unternehmensnachrichten kosten Zeit und machen Arbeit. Bequemer ist es, die Arbeit der Aktienanalyse abzugeben, zum Beispiel an die Manager eines Aktienfonds. Bereits mit Beträgen von 50 Euro ist es möglich, sich an einem Fonds zu beteiligen, der 30 oder 40 verschiedene Aktien hält. Unter den mehr als 2.000 Aktienfonds zur Auswahl gibt es jede Art von Spezialisierung: Auf bestimmte Branchen, auf kleine und vielversprechende Unternehmen (Nebenwerte) oder auch auf bestimmte Regionen. Die einen stellen auf ein regelmäßiges Einkommen in Form von Dividenden ab, die anderen picken gezielt Wachstumswerte mit Kurspotenzial heraus. Ein aktives Fondsmanagement sucht die aussichtsreichsten Aktien jeder Kategorie selbstständig aus, ein passives Management bildet einen konkreten Index möglichst genau nach.

    In den vergangenen Jahren konstruierten vornehmlich die Investmentbanken (→ Investmentbanking) in einem kreativen Financial Engineering eine unübersehbare Vielzahl neuer Finanzprodukte, die aktuelle Anlegerwünsche erfüllen sollten. Viele dieser speziell konstruierten und strukturierten Produkte bedienen sich der Aktie mit teilweise beachtlichen Hebeleffekten. Aktienoptionen, Dax-Futures und Indexzertifikate sind nur ein paar Stichworte dazu aus dem weiten Feld der → Derivate. Alle Produkte dieser Art ermöglichten auch Privatanlegern die Spekulation auf nationale oder internationale Teilmärkte, auf einzelne Branchenentwicklungen oder auf das Schicksal einzelner Aktien. Wie sich in der Finanzmarktkrise der vergangenen Jahre zeigte, hielten nicht alle diese Konstrukte das Versprochene. Zahlreiche Anleger erlitten Totalverluste. Selbst der erfahrene Finanzjournalist hat bisweilen eine harte Nuss zu knacken, wenn er die neuen Anlagekreationen auf ihre Kerninhalte durchleuchten will und sich nicht von vordergründigen Versprechungen ablenken lässt.

    Aktienindex

    Ein Aktienindex ist eine Maßzahl und gibt Auskunft darüber, wie stark sich der Wert einer bestimmten Aktiengruppe verändert hat. Es wird das Heute mit dem Gestern verglichen oder das Heute mit einem beliebigen früheren Zeitpunkt. Ein Blick in die Finanzzeitungen oder auf die Onlineseiten der Börsen bestätigt den Eindruck, dass die Zahl der Indizes kaum noch zu überblicken ist. Für den Finanzjournalisten ist es kaum möglich, die Fülle an Aktienindizes im Einzelnen genau zu kennen. Daher empfiehlt sich meist, die Leitindizes im Auge zu

    [23]

    behalten und die wichtigsten Merkmale ihrer Berechnung zu kennen (→ Wertpapierindizes). Kursindizes erfassen beispielsweise nur die Kursveränderungen im Zeitablauf. Fließen auch noch Dividendenzahlungen und Bezugsrechtserlöse in die Berechnung ein, betrachtet man einen Performance-Index wie beispielsweise den Dax.

    Die erste Aufgabe eines Index besteht darin, die Marktentwicklung wiederzugeben. Daneben dient der Index oft als Messlatte (Benchmark) für andere Finanzprodukte, zum Beispiel zur Erfolgsbeurteilung von Aktienfonds. Der Aktienindex kann sogar Grundlage für ein konkretes Anlageprodukt sein, etwa einen Indexfonds. Aktien, die im Index vertreten sind, müssen vom Indexfondsmanager automatisch gekauft werden.

    Die Stärke eines Aktienindex liegt in der raschen Orientierungshilfe, der Schwachpunkt in seiner Gewichtung. Es kann zum Beispiel zu deutlichen Verzerrungen seiner Aussagekraft kommen, wenn eine Aktie mit einer hohen Gewichtung in der Berechnung einen Kurseinbruch erlebt. Der Index wird nach unten gerissen, obwohl die meisten anderen Aktien positiv geblieben sind.

    Relevanz für Journalisten

    Aktien sind von herausragendem öffentlichen Interesse und damit für Finanzjournalisten von zentraler Bedeutung. Mit der zunehmenden Serviceorientierung der Medien verschiebt sich dabei der Schwerpunkt der Berichterstattung aus der nüchternen Unternehmensberichterstattung hin zur risikoorientierten Anlegerinformation. Die tägliche Information über die Kursveränderungen an der Börse und das Wiederholen von zweifelhaften Tipps von → Analysten wären allerdings eine viel zu enge Abgrenzung der finanzjournalistischen Aufgabe.

    Auch wenn die Aktienkultur in Deutschland traditionell deutlich weniger ausgeprägt ist als im angelsächsischen Raum (USA/GB) und sie in der Finanzkrise weiter gelitten hat, so bleibt die Kapitalanlage in Aktien für den Privatanleger doch ein wichtiges Element seiner Vermögensbildung. Unter Umständen können auch spekulativ agierende Lesergruppen, die online-brokerage betreiben und Finanzportale intensiv nutzen, eine Teilzielgruppe sein, die zu bedienen ist. Die Relevanz für Journalisten der Aktien besteht damit in einer ganzen Reihe von Teilaufgaben, die eng zusammengehören:

    -  in der Information der Anleger über aktuelle Entwicklungen auf den Finanzmärkten,

    -  in der Aufbereitung von Anlageperspektiven,

    -  in der korrekten Einordnung von Analystenbewertungen und

    -  in der distanzierten Analyse neuer Anlageformen aus der Sicht des Privatanlegers.

    Dabei geht es besonders darum, die mit den Erträgen verbundenen Risiken herauszuarbeiten. Denn es hat sich in den Kapitalmarktkrisen des vergangenen Jahrzehnts doch immer wieder gezeigt, dass die Anlegerinformation der Medien zu wenig distanziert erfolgte und die Medien den Absatzinteressen der Finanzwirtschaft allzu großzügig in die Hände spielten.

    Die Tatsache, dass Aktien und ihre → Derivate nun einmal Risikopapiere sind, nehmen private Anleger mangels Kenntnissen und Erfahrungen oft nur unzureichend wahr. Umso bedauerlicher ist es, dass auch Anlageberater der

    [24]

    Banken immer wieder hinter den Erwartungen und Vorschriften zur Risikoaufklärung zurückbleiben, wie die Zeitschrift Finanztest im Dezember 2009 nach eingehenden Recherchen belegen konnte. Kritische und seriöse journalistische Arbeit kommt daher nicht umhin, sich mit diesen Risikoaspekten eingehend zu beschäftigen.

    Risikoaspekte

    Das unternehmerische Risiko der Aktie wurde bereits mehrfach erwähnt. Im Extremfall, dem Konkurs der Gesellschaft, ist ein Totalverlust möglich. In der Regel konkretisiert sich das unternehmerische Risiko des Aktionärs, sobald kritische oder falsche Managemententscheidungen die Ertragslage reduzieren und damit den Unternehmenswert reduzieren. Fallende Aktienkurse, unabhängig vom Marktgeschehen, setzen deutliche Signale dafür. Zum unternehmerischen Risiko gehört auch das Dividendenrisiko, wenn erwartete Dividendenzahlungen entfallen oder stark eingeschränkt werden.

    Das Marktrisiko drückt sich in Kursänderungen aus, ohne dass sich die wirtschaftliche Lage des Unternehmens verändert hätte. Eine Erhöhung des Marktzinsniveaus zum Beispiel kann dazu führen, dass die Aktienkurse fallen. Kurstrends an internationalen Leitbörsen, insbesondere an der Wall Street, haben oft Orientierungsfunktion für inländische Börsen und beeinflussen die Kurse in unterschiedlichem Ausmaß. Die allgemeine Börsenstimmung und –besonders zu betonen – Analystenempfehlungen zählen ebenfalls zum Marktrisiko. Heerscharen von Analysten verbreiten Kursprognosen und Empfehlungen mit schön verpackten, aber meist einseitigen Zielsetzungen. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Finanzjournalisten zu gewissen Zeitpunkten ihre Wahrnehmung besonders schärfen sollten. Beispielsweise um die Zeit der Quartalsergebnisse herum findet teilweise ein gezieltes Erwartungsmanagement der Investor Relations- und Public Relations-Manager statt. Mit den konkreten Quartalszahlen wird die Börse dann ad-hoc positiv überrascht oder auch umgekehrt. Das Marktrisiko wird greifbar und ist in diesen Fällen psychologisch geschickt gesteuert.

    Die Spekulationen breiter Anlegerkreise können zu Kursübertreibungen führen, die schon aus nichtigem Anlass eine plötzliche Trendumkehr auslösen. Computergestützte Handelsaktivitäten können dabei in Sekundenschnelle einen Abwärtstrend beschleunigen, weil automatische Folgeverkäufe programmiert sind (Verkaufskaskade). Das markanteste Beispiel war der 19. Oktober 1987 mit dem historisch stärksten Kursverfall an einem Tag.

    Die Aktie als zentrales Instrument der Unternehmensfinanzierung gerät mit der beschriebenen Serviceorientierung der Medien zunehmend aus dem Blickfeld. Dabei ist sie nicht nur in den Einzelfällen von Kapitalbewegungen zentral für die Unternehmensberichterstattung.

    Veränderungen im Aktienkapital und damit auch im Aktionärskreis eines Unternehmens sind in der Regel Ausgangspunkt einer Fülle journalistisch relevanter Fragestellungen: Was hat das Unternehmen vor, welchen Zwecken dient die Kapitalerhöhung oder -herabsetzung, was bedeutet der veränderte Aktionärskreis, wie verschieben sich damit die Machtverhältnisse oder welche Auswirkungen auf die Unternehmensstrategie leiten sich daraus ab, um nur ein paar der denkbaren Fragen zu benennen.

    Es bleiben für die Unternehmensberichterstattung auch die Aktienoptionsprogramme

    [25]

    . Sie sind Teil der variablen Entlohnung von Führungskräften in Aktiengesellschaften und gerieten zuletzt sehr in Misskredit. Im Verlauf der Finanzkrise, Ende 2009, hat Volkswagen daraufhin beschlossen, Aktienoptionen als Teil der Vergütung komplett abzuschaffen. Weitere Unternehmen dürften diesem Beispiel nachfolgen.

    Literatur und Links

    Beike, Rolf, Johannes Schlütz (2005) Finanznachrichten lesen – verstehen – nutzen, 4. Auflage, Stuttgart.

    Kley, Max, Franz-J. Leven (Hg.) (2008) Aktie und Kapitalmarkt, Stuttgart.

    Linder, Hans G., Volker Tietz (2008) Das große Börsenlexikon, München.

    Luther, Thomas (2010), Aktien, Finanztest – Stiftung Warentest, Berlin.

    Pilz, Gerhard (2007) Aktien. Grundlagen, Bewertung, Strategien, München.

    Schuster, Thomas (2001) Die Geldfalle. Wie Medien und Banken die Anleger zu Verlierern machen, Reinbek.

    Schuster, Thomas (2004) Medien und Märkte. Wirtschaftsnachrichten und Börsenentwicklungen, Konstanz.

    Wierichs, Günter, Stefan Smets (2010) Gabler Kompakt-Lexikon Bank und Börse, Wiesbaden.

    www.dai.de – Deutsches Aktieninstitut, Verband zur Förderung der Aktie als Anlage- und Finanzierungsinstrument.

    www.boerse-frankfurt.de – Informationen rund um den Börsenhandel in Frankfurt am Main.

    www.exchange.de – Gruppe Deutsche Börse, Daten, Zahlen, Fakten, Handel.

    www.bundesbank.de – Deutsche Bundesbank, Monatsberichte, Statistiken, Schwerpunktthemen.

    www.bvi.de – Bundesverband Investment und Asset Management, Grundlagenwissen zu Investmentfonds, Statistiken.

    Gabriele Reckinger, Tübingen/Mainz

    Aktiengesellschaft

    Aktie

    Aktienkurs

    Bezugsrecht

    Erstemission

    Der Gesetzgeber konzipierte die Aktiengesellschaft (AG) als Gesellschaftsform für große Unternehmen, die als börsennotierte Publikumsgesellschaften leichten Zugang zum Kapitalmarkt erhalten. Das starke Wirtschaftswachstum nach dem zweiten Weltkrieg und der stetig steigende Kapitalbedarf der Unternehmen verlangten auch danach.

    Diese Vorstellungen und Bedürfnisse spiegeln sich entsprechend im Aktiengesetz von 1965 (mit nachfolgenden Änderungen) wider. Die Wunschträume einer blühenden Aktienlandschaft hat die Wirklichkeit längst eingeholt. Vierzig Jahre später zeigt die Statistik, dass den rund 850 börsennotierten Aktiengesellschaften etwa 14.000 mittlere und kleinere AGs gegenüberstehen, die auf keinem Kurszettel zu finden sind. Börsennotiert sind also gerade einmal sechs Prozent aller Aktiengesellschaften (Stand 2009). Spiegelbildlich verhält sich auch das Interesse der privaten Anleger: Sie investieren vergleichsweise wenig, nur rund fünf Prozent ihres gesamten Geldvermögens, direkt in Aktien. Selbst wenn man die private Geldanlage in Aktienfonds hinzuzählt, verändert sich das Bild nur marginal.

    Historisch erlebte die Aktiengesellschaft einen großen Schub, als im Jahr 1870 ihre staatliche Genehmigungspflicht wegfiel. Es ist kein Zufall, dass in diese Zeit auch die Gründung der großen Banken wie Deutsche Bank, Dresdner Bank und Commerzbank fiel.

    Parallel dazu sorgte die Verstaatlichung der Eisenbahngesellschaften dafür, dass der Kapitalmarkt für neue

    [26]

    Industrieaktien sehr aufnahmebereit wurde. Das Kapital, das bisher in Eisenbahnwerten gebunden war, suchte neue Anlagemöglichkeiten. Namen wie Krupp, Siemens oder auch AEG erhielten ihren Glanz. Der Trend zu Großunternehmen beschleunigte sich durch die günstigen Randbedingungen.

    Die Aktiengesellschaft gehört formaljuristisch zur Gruppe der Kapitalgesellschaften. Im Gegensatz zu den den Kapitalgesellschaften stehen die Personengesellschaften, das sind zum Beispiel die BGB-Gesellschaft, die KG, OHG oder GmbH & Co KG (→ Unternehmensformen). Damit ist die AG eine eigenständige Rechtspersönlichkeit. Den Gläubigern der AG haftet daher nur das Gesellschaftsvermögen, nicht aber das Privatvermögen der einzelnen Aktionäre. Steuerlich wird die AG als Körperschaft behandelt und ihr Gewinn entsprechend zur Körperschaftsteuer herangezogen. Die Gewinnausschüttung an den Aktionär, die Dividende, unterliegt seit 2009 der Abgeltungsteuer von 25 Prozent (plus Kirchensteuer plus Solidaritätszuschlag) (→ Steuern).

    KG auf Aktien

    Größe und Internationalität eines Unternehmens erzwingen nicht automatisch die Rechtsform der AG. So genannte Familienkonzerne entscheiden sich oft lieber für die Rechtsform der KGaA (Kommanditgesellschaft auf Aktien), einer Mischform aus AG und Kommanditgesellschaft. Den Vorstand bilden die persönlich haftenden Gesellschafter (Komplementäre). Das Kapital stellen die Kommanditaktionäre bereit. Durch diese Konstruktion behalten die persönlich haftenden Gesellschafter ihren Einfluss auf die Gesellschaft, auch wenn sie keine Kapitalmehrheit mehr besitzen. Die Einzelheiten zur KGaA regelt ebenfalls das Aktiengesetz, insbesondere die §§ 278 – 290. Bekannte Beispiele sind die Düsseldorfer Henkel AG & Co KGaA, die Darmstädter Merck KGaA oder Fresenius Medical Care KGaA.

    In der Ausgestaltung der AG steckt das Aktiengesetz das Feld präzise ab. Damit wissen inländische und ausländische Aktionäre sehr genau, worauf sie sich einlassen.

    Die Satzung der AG regelt weitere, spezifische Einzelheiten, insbesondere Spielräume und offene Fragen. Finanzjournalistisch ist die Satzung eine zuverlässige, schnell verfügbare Quelle, die manche Frage beantworten kann.

    Die Organe der AG und ihre jeweiligen Aufgaben sind zwingend vorgeschrieben. Wesentlich detaillierter als das Aktiengesetz legt im Einzelfall die Satzung der AG die Kompetenzen fest. Auch der Jahresabschluss und die Gewinnverwendung sind dort über das Grundsätzliche hinaus geregelt.

    Während der Vorstand die Geschäfte in eigener Verantwortung leitet und seine Mitglieder vom Aufsichtsrat für höchstens fünf Jahre bestellt werden, fungiert der Aufsichtsrat als Kontrollinstanz. Er überwacht regelmäßig die Geschäftsführung des Vorstands. Manche AG hat einen Vorstandssprecher, einen Primus inter Pares. Dieser wird vom Vorstandskollegium selbst gewählt und nicht vom Aufsichtsrat.

    Nach dem Gesetz hat der Aufsichtsrat eine starke Kontrollstellung. In der Praxis wird die Sorgfalt und Intensität der Kontrolle jedoch immer wieder kritisiert. Als Schwachpunkte gelten etwa unzureichende Sachkompetenz der Aufsichtsräte in fremden Branchen, eine Überalterung des Gremiums und die Arbeitsüberlastung einzelner Aufsichtsratsmitglieder

    [27]

    , wenn zu viele Mandate gleichzeitig übernommen wurden.

    Unternehmen, die der Mitbestimmung unterliegen und mehr als 2.000 Beschäftigte haben, müssen ihren Aufsichtsrat paritätisch besetzen, Anteilseigner und Arbeitnehmer üben gleichberechtigt die Kontrolle aus. In Pattsituationen hat der Aufsichtsratsvorsitzende allerdings zwei Stimmen, so dass dann die Kapitalseite den Ausschlag geben kann. Bei AGs zwischen 500 und 2.000 Beschäftigten ist ein Drittel der Aufsichtsratssitze für Vertreter der Arbeitnehmer reserviert.

    Verhaltenskodex

    Einen Verhaltensstandard für Vorstand und Aufsichtsrat formuliert der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK vom 26. Februar 2002 mit nachfolgenden Änderungen). Fünfzig Empfehlungen und fünfzehn Anregungen, die sich zum Teil aus gesetzlichen Vorschriften (aus AktG, HGB, WpHG, MitbestG) herleiten, zum Teil internationale und nationale Verhaltensregeln aufnehmen, sollen Mängel in der Unternehmensführung beseitigen. Auch wenn der ernste Wille gegeben ist, so bleibt der Erfolg der Umsetzung immer wieder mit einem Fragezeichen versehen. Eine Haftung wegen der Verletzung der Verhaltensregeln und ein möglicher Anspruch auf Schadenersatz dürften im konkreten Fall äußerst schwierig durchzusetzen sein. Der Nachweis eines kausal verursachten Schadens dürfte beinahe unmöglich sein (§ 93 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 – 6, § 116 AktG).

    In der Hauptversammlung (HV) üben die Aktionäre ihre Rechte direkt aus. Sie entscheiden über die Verwendung des Bilanzgewinns, sie beschließen Maßnahmen zur Kapitalbeschaffung oder Kapitalherabsetzung, sie entlasten Vorstand und Aufsichtsrat für ihre Tätigkeit im abgelaufenen Geschäftsjahr, sie wählen die Aufsichtsratsmitglieder.

    Hauptversammlungen wirken heute immer mehr als mediengerecht inszenierte Entertainment- und Eventereignissen. Ihre ursprüngliche Funktion als unternehmerisches Diskussions- und Entscheidungsforum rückt oft in den Hintergrund. Seit Hauptversammlungen auch online übertragen werden, gehört ihr Besuch nicht mehr zum Pflichtprogramm des engagierten Finanzjournalisten.

    Seit September 2005 gibt es das Aktionärsforum (§ 127 a AktG), eine Onlineeinrichtung im elektronischen Bundesanzeiger, über die Internetseiten www.ebundesanzeiger.de, www.unternehmensregister.de und www.aktionärsforum.de erreichbar. Diese Plattform dient der Diskussion und Kommunikation. Einzelaktionäre können sich untereinander oder mit Aktionärsvereinigungen austauschen und auch Vollmachten zur Stimmrechtsausübung vergeben. Die Informationen im Aktionärsforum sind jederzeit unentgeltlich einsehbar.

    Ein Unternehmen, das neu an die Börse gehen will, muss fast regelmäßig zuvor in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden. Die zahlreichen Schritte auf dem Weg zum Initial Public Offering (IPO) (→ Erstemission) begleitet in der Regel eine Emissionsbank oder ein Bankenkonsortium.

    Seit Ende 2004 ist die Gründung einer europäischen Aktiengesellschaft möglich. Von der SE, nach lateinisch societas europaea, haben Unternehmen wie Porsche, Allianz, BASF oder auch der Prüfkonzern Dekra zügig Gebrauch gemacht. Die Vorteile liegen unter anderem in der Unabhängigkeit der Standortwahl, der Senkung der Rechtsberatungskosten und gewissen Freiheiten

    [28]

    in der Satzungsformulierung. Ein Aushebeln des strengen deutschen Mitbestimmungsrechts ist auf diesem Wege nicht möglich.

    Literatur und Links

    Bartone, Roberto, Ralf Klapdor (2007) Die Europäische Aktiengesellschaft. Recht, Steuer, Betriebswirtschaft, 2., neu bearbeitete Auflage, Berlin.

    Deutsche Börse AG (Hg.) (2006) Praxishandbuch Börsengang, Wiesbaden.

    Horstig, Barbara von, Susanne Jaschinski, Claudia Ossola-Haring (2009) Die kleine AG, 2. Auflage, München.

    Kirnberger, Christian, Stefan Kusterer (2006) AG-Praxis von A – Z, Köln.

    North, Michael (Hg.) (2000) Deutsche Wirtschaftsgeschichte, München.

    www.bmj.de/ehug – Elektronisches Unternehmensregister.

    www.bmj.bund.de – Gesetze, Publikationen des Bundesjustizministeriums.

    www.bundesrecht.juris.de – Aktiengesetz und andere Gesetze zum Abruf.

    www.jusline.de – Juristischer Datenbankdienst.

    Gabriele Reckinger, Tübingen/Mainz

    Aktienkurs

    Aktie

    Aktiengesellschaft

    Bezugsrecht

    Erstemission

    Der Aktienkurs ist ein Preis, der täglich für jene Aktien festgestellt wird, die zum Börsenhandel zugelassen sind. Die Kursfeststellung erfolgt nicht willkürlich, sondern nach genau definierten Regeln und Vorschriften. Dies gilt für den elektronischen Handel genauso wie für den Handel auf dem Börsenparkett, dessen Tage allerdings gezählt sind. Dabei geht es immer darum, mit einem festgelegten Kurs den Umsatz an Aktien aus den vorliegenden Kauf- und Verkaufswünschen zu maximieren. Geldkurse sind die Preise, zu denen Käufer eine Aktie kaufen wollen. Briefkurse sind die Kurse, zu denen Verkäufer bereit sind, diese Aktie zu verkaufen.

    Für sehr viele Aktien wird nur einmal am Tag ein Kurs festgestellt. Man spricht in diesem Fall von Einheits- oder Kassakurs. Für die größten Werte im Amtlichen Handel, also zum Beispiel für die Dax-Werte, werden fortlaufend Kurse berechnet. Diese fortlaufende Notierung kann auf der Anzeigentafel im Börsensaal oder auch im Internet verfolgt werden. Kann bei umsatzschwachen Aktien kein Kurs ermittelt werden, legt der zuständige Wertpapierhändler (Makler) einen Schätzkurs fest, den Taxakurs. Einige Kurszusätze geben nach der Börsenordnung der Frankfurter Wertpapierbörse Hinweise auf die Abwicklung der limitierten Kauf- und Verkaufsaufträge zum festgestellten Kurs: bG (bezahlt Geld) bedeutet dabei, dass ein Umsatz stattfand, aber weitere Nachfrage vorlag; bB (bezahlt Brief) heißt, dass Umsätze stattfanden, aber weitere Verkaufsaufträge vorlagen (→ Börse).

    (Chartanalyse).

    Der Aktienkurs ist auch für eine Reihe von Kennzahlen relevant, beispielsweise das Kurs-Gewinn-Verhältnis, kurz KGV, auch Price-Earnings-Ratio (P/E-Ratio) genannt. Unter den Stammdaten börsennotierter Unternehmen ist das KGV

    [29]

    regelmäßig erfasst und online abrufbar. Es errechnet sich als einfache Division aus aktuellem Börsenkurs und Ergebnis je Aktie oder Reingewinn pro Aktie. Letztere Kennziffer (nach IFRS → Rechnungslegungsstandards ermittelt) ist im Finanzbericht des Unternehmens abgedruckt oder online aus den Medien oder an der Börse abzurufen. Das KGV gibt im Prinzip an, das Wievielfache des (erwarteten) Unternehmensgewinns der Anleger für die Aktie bezahlt.

    Die ein- oder zweistellige Zahl weiß der Profi einzuordnen, der private Anleger erwartet meist eine Erklärung. Eine gängige Regel lautet, Aktien mit hohem KGV sind relativ teuer. Oder anders ausgedrückt: Je höher das KGV, desto niedriger die Renditeerwartung. Dahinter steht die modellhafte Vorstellung, dass der Kaufpreis einer Aktie im Endeffekt über den Gewinn wieder an den Anleger zurückfließt, ein Teil des Gewinns wird schließlich als Dividende ausgeschüttet. Allerdings ist dieses Bild sehr grobkörnig und auch etwas schief. Die Aussage ‚niedriges KGV – gute Aktie‘ oder ‚hohes KGV – schlechte Aktie‘ ist viel zu schablonenhaft. Ein Beispiel: Der Aktienkurs ist über Monate gesunken, die Gewinne des Unternehmens sind in den letzten Jahren konstant gewesen oder sogar leicht gesunken. Das KGV fällt dennoch attraktiv aus, denn der Zähler des Quotienten ist wegen des Kursrückgangs kleiner geworden, die Aktie vergleichsweise günstig. In diesem Fall hilft es nur weiter, die Bilanzen, Ertragschancen und Wachstumsaussichten des Unternehmens heranzuziehen und auch die Branchenaussichten und das konjunkturelle Umfeld mit zu beachten, bevor man sich eine feste Meinung bildet. Diese Aufgabe einer Fundamentalanalyse übernehmen typischerweise Aktienanalysten (→ Analysten).

    Die Aussagekraft des KGV ist zudem auf Aktienvergleiche innerhalb einer Branche begrenzt. Ansonsten würde man Äpfel mit Birnen vergleichen. Wenn eine Bankaktie ein KGV von elf und eine Internet- oder Technologieaktie ein KGV von 30 hat, sagt dies noch nichts aus. Die Gewinne von Kreditinstituten fließen normalerweise relativ kontinuierlich. Technologiewerte hingegen, beispielsweise Biotechnologiewerte, sind meist Wachstumswerte. Sie verbrennen in den ersten Jahren oft nur das Geld der Investoren in hohen Forschungsaufwendungen, bevor sie nach Jahren mit einem neuartigen marktreifen Medikament etwa die extrem hohen Investitionen wieder hereinholen können. Die Aktienkurse reflektieren hohe Gewinnerwartungen in der Zukunft und treiben dadurch das KGV nach oben. In unternehmerischen Verlustjahren ist es nicht sinnvoll, ein KGV zu berechnen.

    Weitere Kennzahlen, die den Aktienkurs als Bezugsgröße benötigen, sind das Kurs-Umsatz-Verhältnis, das Kurs-Cashflow-Verhältnis, das KGV in Relation zum erwarteten Gewinnwachstum der nächsten Jahre und weitere mehr. Ein halbwegs zuverlässiges Bild von den Stärken und Schwächen des Unternehmens liefern sie allerdings nur im Zusammenspiel mit einer sorgfältigen → Bilanzanalyse, oft noch ausgeweitet zur so genannten Fundamentalanalyse.

    Die Veränderung des Aktienkurses geht in die wichtige Kennzahl der Rendite ein: Eine Kurssteigerung zwischen dem Kaufzeitpunkt und dem Verkaufszeitpunkt, ergänzt um die erhaltenen Dividendenzahlungen und bezogen auf die anfangs eingesetzte Kapitalsumme beziffert die Aktienrendite oder Performance. Dabei sind noch nicht

    [30]

    die An- und Verkaufsprovisionen und die Steuern auf Kursgewinne beziehungsweise Dividendenzahlungen berücksichtigt.

    Wer sich einen konkreten Aktienkurs bereits heute für die Zukunft sichern will, kann dies mit einem → Termingeschäft auf Aktien erreichen. Der Käufer eines Terminkontraktes sichert sich gegen zwischenzeitliche Kurssteigerungen ab, der Verkäufer schützt sich vor einem Preisrückgang. Im Fachjargon heißt dies Hedging. Häufig steht bei Termingeschäften allerdings nicht das Sicherheitsbedürfnis im Vordergrund, sondern die Spekulation. Den Käufern oder Verkäufern geht es dabei um Hebeleffekte. Gewinne können mit relativ geringem Kapitaleinsatz erzielt und dadurch gehebelt werden. Allerdings sind die Verlustrisiken sehr beträchtlich, wenn der Kurs sich nicht in die erwartete Richtung entwickelt.

    Literatur und Links

    Börsenordnung der Frankfurter Wertpapierbörse.

    www.boerse-frankfurt.de – Kurse, Börsenlexikon, Wissen rund um die Börse, Statistiken.

    www.londonstockexchange.com – Aktienbörse London.

    www.nyse.com – Börse New York.

    www.six-swiss-exchange.com – Schweizer Börse.

    Gabriele Reckinger, Tübingen/Mainz

    Analyst

    Chartanalyse

    Ratingagenturen

    Analysten verfassen regelmäßig Berichte über Unternehmen und Branchen, in denen sie einen Ausblick auf die zukünftige Geschäftsentwicklung zu geben versuchen. Sie sollten daher über eine profunde Kenntnis der von ihnen betreuten Unternehmen und Industriezweige verfügen. Sie entwickeln Modelle, die möglichst umfassend die Stellgrößen abbilden, die das Geschäftsergebnis eines Unternehmens beeinflussen.

    Dazu gehören im Wesentlichen Absatzzahlen und Preise, Beschaffungskosten, Vorhersagen über Marktanteile und Kostenentwicklungen, neue Produkte und Gewinnmargen. In der Regel sind diese Analysen mit einer klaren Empfehlung zur Aktie ausgestattet: Kaufen, Verkaufen, Halten, Neutral, Übergewichten, Untergewichten. Oft werden sie sogar mit einem zeitlich definierten Kursziel ausgestattet, das Anlegern Orientierungshilfe für Investitionsentscheidungen geben soll.

    Der von Analysten auf Basis solcher Modelle errechnete zukünftige Gewinn pro Aktie ist ein wichtiger Parameter bei der Bewertung von Aktien. Das sich daraus errechnende Kurs-Gewinn-Verhältnis einer Aktie gilt als einer der maßgeblichen Indikatoren. Herauf- oder Herabstufungen von Aktien durch einflussreiche Analysten können heftige Kursbewegungen auslösen. Verfehlt ein Unternehmen mit seinen Zahlen etwa bei der Bekanntgabe von Quartalsberichten die so genannte Konsensmeinung der Analysten deutlich, kann es zu einem Kurseinbruch kommen. Umgekehrt kann eine Aktie stark zulegen, wenn die Konsensschätzung der Analysten übertroffen wird. Es kann aber auch zu scheinbar paradoxen Kursbewegungen kommen, wenn inoffizielle Flüsterschätzungen der Analysten von den veröffentlichten Zahlen abweichen.

    Zahlreiche Investor-Relations-Abteilungen von Unternehmen geben Analysten in regelmäßig stattfindenden Analystentreffen

    [31]

    oder bei Einzelgesprächen eine Guidance, die dazu beitragen soll, dass Analysten das aktuelle Geschehen im Unternehmen und im Wettbewerbsumfeld besser einordnen können.

    Man unterscheidet zwischen Chartanalysten, die versuchen anhand des Kursverlaufs und davon abgeleiteten Funktionen die zukünftige Preisentwicklung einer Aktie oder eines Marktes vorherzusagen, und Fundamentalanalysten, deren Basis die Geschäftsdaten sind. Hier geht es um die Fundamentalanalysten. Diese Gruppe teilt sich in die Sell-Side-Analysten und die Buy-Side-Analysten auf. Erstere werden von einer Bank oder einem Broker beschäftigt und sollen mit ihren Unternehmensstudien Aktienkäufe, seltener Verkäufe, generieren, für die die Bank oder der Broker dann Gebühren kassiert. Buy-Side-Analysten arbeiten dagegen direkt für einen institutionellen Investor.

    Vorsicht geboten

    Eines sei gleich vorweggeschickt: Journalisten, die sich bei ihrer Arbeit stark auf das Urteil und die Berichte von Analysten verlassen, sind entweder zu faul oder nicht in der Lage, sich etwa durch das Studium von Bilanzen oder durch eigene Recherchen ein Bild über ein Unternehmen zu machen. Ob das aus Zeitgründen geschieht oder mangels fundierter Bilanzkenntnisse ist eigentlich unerheblich, fahrlässig ist es allemal.

    Ein guter Journalist liefert den Analysten Informationen, nicht umgekehrt. Gut recherchierte Geschichten erfahrener Journalisten in anerkannten Medien geben Analysten häufig den ersten Anstoß, ihre Bewertung eines Unternehmens zu überarbeiten: Da ist der Bericht über Kunden, die mit einem neuen Produkt unzufrieden sind; da hakt es in der Entwicklungsabteilung; da droht ein Prozess mit einem Konkurrenten; da gibt es Ärger mit einer Behörde.

    Für die Verbreitung der guten Nachrichten sorgen die Unternehmen dagegen selbst. Dabei sind die Analysten sehr früh in der Schleife.

    Das Verhältnis zwischen Journalisten und Analysten sollte insbesondere von Seiten der Journalisten durch kritische Distanz geprägt sein. Ein reger Informationsaustausch mit engagierten und erfahrenen Analysten kann bei der täglichen Arbeit zwar hilfreich sein. Doch wer sich die Empfehlungen, die anvisierten Kursziele oder generell die dargestellten Erfolgsaussichten von Unternehmen ohne kritische Prüfung zu eigen macht, handelt insbesondere als Finanzjournalist, der interessierten Lesern Hilfe bei der Geldanlage geben möchte, nicht angemessen im Sinne der journalistischen Sorgfaltspflicht.

    Besonders während der so genannten Dotcom-Blase haben sich Journalisten von Analysten allzu leichtfertig vor den Karren spannen lassen.

    Exzesse

    Ihren ohnehin nie makellosen Ruf ruinierte die Analystengilde durch die Exzesse während der Dotcom-Blase um die Jahrtausendwende. Mancher Analyst verkündete seinerzeit bereits aggressive Kaufempfehlungen, wenn eine gerade erst an der Börse eingeführte Internetgesellschaft ihre Cash-Burn-Rate, das Tempo, mit dem das Unternehmen Geld verbrannte, marginal verringert hatte. Börsenbewertungen wurden nicht mehr mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis berechnet, denn Gewinne gab es bei diesen Start-ups nicht. Es beunruhigte die Analystenschar auch nicht, dass solche Unternehmen mit jedem Euro Umsatz 50 Cent oder mehr Miese machten,

    [32]

    gleichzeitig aber an der Börse mit einem Vielfachen des Umsatzes bewertet wurden.

    Stephanie Heise hat in der WirtschaftsWoche bereits im August des Jahres 2000, also vor dem Platzen der Blase, auf die fatale Verquickung von Analystenempfehlungen mit den Eigeninteressen der Banken hingewiesen: „Begleitet eine Bank ein Unternehmen an die Börse, ist im Dienstleistungspaket oft auch die Verpflichtung enthalten, regelmäßig Studien über den Debütanten zu veröffentlichen. Dabei verderben es sich die Geldhäuser ungern mit der eigenen Kundschaft: Es locken lukrative Folgegeschäfte bei Kapitalerhöhungen oder weiteren Börsengängen." Mit zahlreichen Beispielen belegte Heise, wie Bankanalysten öffentlich noch Werte nach oben zu puschen versuchten, während viele Profis längst ausstiegen. Verkaufsempfehlungen sprächen alle Banken ohnehin nur sehr widerwillig aus, mit einem Abrat gebe es für die Bank nur wenig zu verdienen. Außerdem verärgere ein Negativurteil das abgewatschte Unternehmen.

    Als Drücker in Nadelstreifen bezeichneten Patricia Döhle und Ulric Papendick im Manager Magazin (Mai 2004) die Analysten. Sie würden zwar stets ihre Unabhängigkeit beteuern, doch in Wahrheit dienten die Researcher ihren Banken unverändert als Auftragsbeschaffer für das → Investmentbanking und für den Wertpapierhandel. Nach wie vor gelte es in der Branche als offenes Geheimnis, dass Broker und Analysten angehalten seien, ihre Investoren so oft wie möglich zum Platzieren von Orders zu bewegen. Und nach wie vor häuften sich im Vorfeld von Kapitalerhöhungen oder großen Paketverkäufen mit einem Mal positive Empfehlungen von Analysten, und zwar mit schöner Regelmäßigkeit von Experten der Banken, die den Deal organisieren wollten.

    Millionenstrafen

    An der Wall Street wurden Analysten wie Henry Blodget von der Investmentbank Merrill Lynch zu Superstars, weil sie, während sich die Dotcom-Blase aufpumpte, abenteuerliche Kursziele für Internetwerte verkündeten, die sich dann im irrationalen Kaufrausch sogar kurzfristig verwirklichten. Mit realistischer Bewertung hatte das alles aber nichts mehr zu tun. So hatte Blodget etwa für Amazon ein Preisziel von 400 Dollar plakatiert, als die Aktie mit 240 Dollar schon überaus üppig bewertet wurde. Doch der Kurs schoss sogar noch darüber hinaus und Blodget wurde zu einem Guru der New Economy. Mit diesem Status fraßen ihm institutionelle Anleger und private Investoren aus der Hand. Zum Verhängnis wurde Blodget, dass er auch, als längst und laut die Luft aus der Blase strömte und die Kurse abstürzten, in der Öffentlichkeit noch bei vielen Werten zum Kauf trommelte, die er in internen E-Mails als ‚Piece of Shit‘ oder ‚Piece of Junk‘ bezeichnete.

    Der New Yorker Generalstaatsanwalt Eliot Spitzer startete eine Untersuchung gegen zahlreiche Wall-Street-Banken, in die schließlich auch die USBörsenaufsichtsbehörde Securities and Exchange Commission → SEC einstieg. Am Ende kam es zu einem Vergleich, der die Wall-Street-Banken 1,4 Milliarden Dollar kostete. Unter den Zahlungsverpflichteten befanden sich alle, die seinerzeit Rang und Namen hatten: Credit Suisse, First Boston, Goldman Sachs, Lehman Brothers, J.P. Morgan, Merrill Lynch, Morgan Stanley, Citigroup und UBS. Blodget und ein Analystenkollege von der Citigroup zahlten Millionenstrafen

    [33]

    und unterwarfen sich einem lebenslangen Berufsverbot.

    Zudem erklärten sich die großen US-Banken bereit, grundlegende strukturelle Reformen durchzuführen. So sollten Research und → Investmentbanking in Zukunft streng getrennt werden, also die Chinese Wall zwischen den beiden Abteilungen hochgezogen werden. Investmentbanker dürfen nun keine Analysten mehr beurteilen oder gar deren Vergütung bestimmen. Sie sollen auch nicht mehr festlegen dürfen, welche Unternehmen von Analysten betreut werden. Die auch als Firewalls bezeichneten Trennwände sollen die Kommunikation zwischen Analysten und Investmentbankern verhindern. Zudem verpflichteten sich die US-Banken, ihren privaten und institutionellen Kunden parallel zu den Berichten der hauseigenen Analysten unabhängiges Researchmaterial zur Verfügung zu stellen. Aus der Vergleichszahlung sollten dafür über einen Zeitraum von fünf Jahren 432,5 Millionen Dollar ausgegeben werden.

    Verhaltenskodex der DVFA

    Auch in Deutschland und anderen Ländern gelobte die Analystenriege Besserung. Die Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management e.V. (DVFA), nach eigener Aussage der Berufsverband der Investment Professionals mit aktuell rund 1.200 persönlichen Mitgliedern, gab sich nach den Exzessen bei der Aktienanalyse alle Mühe, den ramponierten Ruf der Analysten zu korrigieren. Seit 2004 gibt es die Mindeststandards für Finanzresearch (MSFR). Außerdem hat die DVFA für ihre Mitglieder und die Absolventen der Analystenausbildung einen eigenen Verhaltenskodex entwickelt.

    Unter dem Punkt Interessenkonflikte ist darin gefordert: „Bei der Erstellung von Finanzresearch, der Anlageberatung und bei der Verwaltung von Finanzportfolios muss sich das Mitglied von den Interessen der Anleger leiten lassen. Bei bestehenden sowie potenziellen Konflikten mit den eigenen Interessen des Mitglieds oder denen des für die Dienstleistung verantwortlichen Unternehmens haben die Interessen der Anleger stets Vorrang. Weiter heißt es: „Interessenkonflikte des Mitglieds sind offenzulegen.

    Das ist alles begrüßenswert und sicher ein Fortschritt gegenüber dem Wildweststatus während der Dotcom-Ära. Doch es gibt immer noch Schlupflöcher. Und wer als Journalist nicht genau hinschaut, mit wem er es zu tun hat und wo mögliche Interessenkonflikte schlummern, handelt nach wie vor fahrlässig.

    Das verdeutlicht ein Blick auf folgenden Unterpunkt des DVFA-Kodex zum Stichwort Interessenkonflikte: Eigengeschäfte und wirtschaftliche Verbindungen. Dort heißt es, das Mitglied „soll keine Finanzinstrumente halten oder handeln, welche von ihm analysiert oder im Rahmen seiner Kundenbeziehung betreut werden. Ebenso „soll ein Mitglied keine entsprechenden Beteiligungen halten oder sonstige wirtschaftliche Verbindungen zu betreuten Unternehmen eingehen. Abweichungen hiervon seien dem Kunden gegenüber offenzulegen.

    Das Verb „soll kommt in dem von der DVFA im Mai 2006 veröffentlichten Papier „Grundsätze ordnungsmäßigen Finanzresearchs in sechs von zehn kurzen Abschnitten vor. Im Vorwort zur Entstehung der Grundsätze wird das Tor ganz weit aufgemacht: „In der Beschreibung der Standards beinhaltet

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    das Wort „soll die Darstellung des Regelfalls, heißt es dort, „von dem begründete Ausnahmen möglich sind". Im Klartext: Abweichungen vom Soll sind jederzeit möglich, wenn sie schön begründet werden. So gelesen entpuppt sich der gesamte Kodex immer noch als reichlich löchrig.

    Interessenkonflikte

    Zudem sind die potenziellen Interessenkonflikte zwar erwähnt, aber meist nur sehr generell angedeutet. Ob tatsächlich ein Interessenkonflikt besteht oder nicht, bleibt oft im Dunkeln. Dazu ein Beispiel: In der Haftungserklärung von Independent Research heißt es zum Thema möglicher Interessenkonflikte unter anderem, dass weder die Independent Research noch ein verbundenes Unternehmen ein Prozent oder mehr des Grundkapitals in Wertpapieren halten würde, die Gegenstand einer Studie sind. Mit anderen Worten: Independent Research könnte zum Beispiel Kaufempfehlungen für Deutsche Bank und Royal Dutch herausgeben und selbst oder über ein verbundenes Unternehmen für mehrere 100 Millionen Euro Aktien dieser Unternehmen besitzen.

    Im Analystenkodex der DVFA heißt es auch, „das Mitglied übt seine Tätigkeit unabhängig und frei im Interesse der Anleger und Kunden aus. Es darf Weisungen des Arbeitgebers/des Auftraggebers, die sachlich unbegründet sind, nicht befolgen. Bei Aufrechterhaltung der Weisung ist der zuständige Compliance Officer einzubeziehen. Bei weiterer Aufrechterhaltung der Weisung ist dann der Vorstand des DVFA e.V. zu informieren."

    Das macht neugierig. Hat es in den nunmehr sechs Jahren, seit es diesen Kodex gibt, Fälle gegeben, in denen sich Analysten gegen eine sachlich unbegründete Weisung ihres Arbeitgebers /Auftraggebers zur Wehr gesetzt haben und mit diesem Protest bis zum Vorstand der DVFA gezogen sind? „Eine solche Meldung ist bisher nicht vorgekommen", teilte auf Anfrage Peter König, der Geschäftsführer der DVFA, mit. Das ist bemerkenswert. Entweder, das ganze Analystengeschäft ist neuerdings frei von Einflussnahmen der Investmentbanker und ihrer Kunden oder die ganze Regelung ist eine Art Augenwischerei.

    Mit der berufsbedingten Vorsicht und Distanz ausgestattet müssen Journalisten im Zweifelsfall nach wie vor davon ausgehen, dass ein Analyst immer noch der Helfer seiner Investmentbanker ist, weil die Chinese Walls, die eigentlich garantieren sollen,

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