Vor Sonnenaufgang: Soziales Drama
Von Gerhart Hauptmann und André Hoffmann (Editor)
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Über dieses E-Book
Im Gegensatz zu ihrer Familie unterscheidet sich Helene Krause durch ihre Erziehung im Herrnhutischen Pensionat. Sie leidet unter dem trinkenden Milieu ihres Elternhauses. Als Alfred Loth, ein Jugendfreund ihres Schwagers Hoffmann, für volkswirtschaftliche Studien zu Besuch kommt, verlieben sich Helene und Loth. In einer Gartenlaube gestehen sie sich ihre Liebe und träumen von einer gemeinsamen Zukunft. Doch als Loth von der Alkoholsucht der Familie erfährt, verlässt er Helene aus Sorge um die Vererbbarkeit des Alkoholismus. Tief verletzt nimmt sich Helene das Leben.
Das Drama erstreckt sich über fünf Akte und beginnt mit Loths Ankunft im schlesischen Witzdorf, wo er seinen alten Studienfreund Hoffmann besucht. Während Loth sich für eine gerechte Güterverteilung einsetzt, hat Hoffmann seine Ideale aufgegeben und lebt im Luxus. Im Verlauf des Stückes wird Loths Abneigung gegen Alkohol und die dadurch entstehenden Konflikte thematisiert. Loth und Helene kommen sich näher, doch ihre unterschiedlichen Hintergründe und Loths Entdeckung der familiären Alkoholsucht treiben sie auseinander.
Der Höhepunkt des Dramas ist der Moment, als Loth erfährt, dass Alkoholismus die Familie Krause und damit auch Helene betrifft. Er verlässt sie, da er befürchtet, seine zukünftigen Kinder könnten diese Sucht erben. Helenes Verzweiflung über Loths Abschied führt zu ihrem tragischen Selbstmord, nachdem sie von der Totgeburt von Marthas Kind erfährt.
Vor Sonnenaufgang ist ein eindringliches Werk, das die Auswirkungen von Reichtum, Sucht und moralischen Konflikten aufzeigt. Hauptmann gelingt es, mit tiefgründigen Charakterstudien und realistischen Szenarien die Leser zu fesseln und zum Nachdenken über soziale Missstände und menschliche Schicksale anzuregen. Dieses Drama ist ein eindrucksvolles Beispiel für die Kraft des naturalistischen Theaters und bleibt durch seine zeitlosen Themen und emotionalen Intensität in Erinnerung.
Gerhart Hauptmann
Gerhart Hauptmann (15. November 1862 - 6. Juni 1946) war ein deutscher Dramatiker und Schriftsteller. 1912 erhielt er den Nobelpreis für Literatur. Er gilt als der bedeutendste deutsche Vertreter des Naturalismus, hat aber auch andere Stilrichtungen in sein Schaffen integriert.
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Vor Sonnenaufgang - Gerhart Hauptmann
Vor Sonnenaufgang
Soziales Drama
von Gerhart Hauptmann
Vorwort
Vor Sonnenaufgang des Literaturnobelpreisträgers Gerhart Hauptmann ist ein bewegendes naturalistisches Drama, das die tragische Degeneration einer Bauernfamilie beleuchtet, die durch Kohlefunde plötzlich zu Reichtum gelangt ist. Diese Veränderungen führen zur Alkoholsucht vieler Familienmitglieder, insbesondere von Bauer Krause und seiner Tochter Martha. Während Marthas erstes Kind an den Folgen des Alkohols stirbt, wird ihr zweites Kind tot geboren.
Im Gegensatz zu ihrer Familie unterscheidet sich Helene Krause durch ihre Erziehung im Herrnhutischen Pensionat. Sie leidet unter dem trinkenden Milieu ihres Elternhauses. Als Alfred Loth, ein Jugendfreund ihres Schwagers Hoffmann, für volkswirtschaftliche Studien zu Besuch kommt, verlieben sich Helene und Loth. In einer Gartenlaube gestehen sie sich ihre Liebe und träumen von einer gemeinsamen Zukunft. Doch als Loth von der Alkoholsucht der Familie erfährt, verlässt er Helene aus Sorge um die Vererbbarkeit des Alkoholismus. Tief verletzt nimmt sich Helene das Leben.
Das Drama erstreckt sich über fünf Akte und beginnt mit Loths Ankunft im schlesischen Witzdorf, wo er seinen alten Studienfreund Hoffmann besucht. Während Loth sich für eine gerechte Güterverteilung einsetzt, hat Hoffmann seine Ideale aufgegeben und lebt im Luxus. Im Verlauf des Stückes wird Loths Abneigung gegen Alkohol und die dadurch entstehenden Konflikte thematisiert. Loth und Helene kommen sich näher, doch ihre unterschiedlichen Hintergründe und Loths Entdeckung der familiären Alkoholsucht treiben sie auseinander.
Der Höhepunkt des Dramas ist der Moment, als Loth erfährt, dass Alkoholismus die Familie Krause und damit auch Helene betrifft. Er verlässt sie, da er befürchtet, seine zukünftigen Kinder könnten diese Sucht erben. Helenes Verzweiflung über Loths Abschied führt zu ihrem tragischen Selbstmord, nachdem sie von der Totgeburt von Marthas Kind erfährt.
Vor Sonnenaufgang ist ein eindringliches Werk, das die Auswirkungen von Reichtum, Sucht und moralischen Konflikten aufzeigt. Hauptmann gelingt es, mit tiefgründigen Charakterstudien und realistischen Szenarien die Leser zu fesseln und zum Nachdenken über soziale Missstände und menschliche Schicksale anzuregen. Dieses Drama ist ein eindrucksvolles Beispiel für die Kraft des naturalistischen Theaters und bleibt durch seine zeitlosen Themen und emotionalen Intensität in Erinnerung.
In den malerischen Schlesischen Hügeln, zwischen den sanften Wellen des Naturtheaters, wurde am 15. November 1862 ein literarisches Genie geboren – Gerhart Hauptmann. Seine Worte sollten den Lauf der deutschen Literatur verändern, die kulturelle Landschaft Europas nachhaltig prägen. Tauchen wir ein in das faszinierende Leben dieses Ausnahmekünstlers und erkunden seine unvergleichlichen Gesammelten Werke. Gerhart Hauptmanns Kindheit in Ober Salzbrunn war geprägt von einer Welt voller Mythen, Legenden und dem mystischen Flüstern der schlesischen Wälder. Diese frühen Eindrücke sollten den Grundstein für seine spätere Werke legen, in denen er die untrennbare Verbindung zwischen Mensch und Natur zelebrierte. Der junge Hauptmann zog nach Breslau, um Philosophie und Kunstgeschichte zu studieren, doch die Pfade der Literatur lockten ihn mehr. Inspiriert von Emile Zola und dem aufkommenden Naturalismus, begann er, das Leben der einfachen Menschen aufzugreifen. Seine Werke werden noch heute als Gipfel des naturalistischen Schaffens betrachtet. Hauptmann war jedoch mehr als nur ein Anhänger des Naturalismus. Sein Schreibstil war eine sinfonische Melodie aus verschiedenen Einflüssen. Er integrierte Elemente des Symbolismus, Expressionismus und Realismus, schuf so eine einzigartige Harmonie aus Worten, die die Grenzen der literarischen Konventionen sprengte. In einem Höhepunkt seiner Karriere wurde er 1912 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet. Seine Werke wurden als zeitlos und universell anerkannt, ein Spiegel der menschlichen Existenz und der sozialen Konflikte. Dieser Preis war persönliche Auszeichnung und Bestätigung für die Bedeutung seines Beitrags zur Weltliteratur zugleich. Der Erste Weltkrieg hinterließ tiefe Narben in seiner Seele. Die traumatischen Ereignisse spiegelten sich in seinen Werken wider, in denen er die Auswirkungen des Krieges auf die menschliche Psyche und die Gesellschaft erforschte. Hauptmanns Gesammelte Werke sind ein reicher Schatz literarischer Schöpfungen. Vom epischen Drama bis zur intimen Poesie, von realistischen Erzählungen bis zu allegorischen Meisterwerken – sein Universum ist so facettenreich wie das Leben selbst. Der Chronist äußerer Ereignisse war auch ein Psychologe der menschlichen Seele. In Werken wie »Die Ratten« dringt er tief in die Abgründe der menschlichen Psyche ein, enthüllt Ängste, Träume und die moralischen Konflikte, die uns alle verbinden. Die Liebe, in all ihren Facetten, durchzieht Hauptmanns Werke wie ein roter Faden. Von tragischer Romantik bis zu leidenschaftlichen Affären, von familiären Bindungen bis zu gesellschaftlichen Konventionen – Hauptmann malte das Bild der Liebe in all ihren Farben. Gerhart Hauptmann verstarb am 6. Juni 1946, aber sein Erbe lebt weiter. Seine Werke sind lebendige Quellen der Inspiration für Generationen von Schriftstellern, Denkern und Künstlern weltweit. Treten Sie ein in die fesselnde Welt von Gerhart Hauptmanns Gesammelten Werken. Lassen Sie sich von seinen Worten verzaubern, von seinen Geschichten berühren und von seiner Einzigartigkeit inspirieren. Denn in den Werken dieses literarischen Giganten finden wir die Essenz des Menschseins selbst. Willkommen zu einer Reise durch die Tiefen der menschlichen Seele ...
Im Dezember 2024
Die Aufführung dieses Dramas fand am 20. Oktober statt in den Räumen des Lessing-Theaters, veranstaltet vom Verein „Freie Bühne". Ich benutze den Anlaß der Herausgabe einer neuen Auflage, um aus vollem Herzen den Leitern dieses Vereins insgesammt, in Sonderheit aber den Herren Otto Brahm und Paul Schlenther zu danken. Möchte es die Zukunft erweisen, daß sie sich, indem sie, kleinlichen Bedenken zum Trotz, einem aus reinen Motiven heraus entstandenen Kunstwerk zum Leben verhalfen, um die deutsche Kunst verdient gemacht haben.
Charlottenburg, den 26. Oktober 1889.
Gerhart Hauptmann
Handelnde Menschen
Besetzung bei der ersten
Aufführung.
Krause, Bauerngutsbesitzer
Hans Pagay.
Frau Krause, seine zweite Frau
Louise v. Pöllnitz.
Helene,
} Krause’s Töchter erster Ehe
Elsa Lehmann.
Martha,
* * *
Hoffmann, Ingenieur, verheirathet mit Martha
Gustav Kadelburg.
Wilhelm Kahl, Neffe der Frau Krause
Carl Stallmann.
Frau Spiller, Gesellschafterin der Frau Krause
Ida Stägemann.
Alfred Loth
Theodor Brandt.
Dr. Schimmelpfennig
Franz Guthery.
Beibst, Arbeitsmann auf Krause’s Gut
Paul Pauly.
Guste,
} Mägde auf Krause’s Gut
Sophie Berg.
Liese,
Clara Hahn.
Marie,
Antonie Ziegler.
Baer, genannt Hopslabaer
Ferdinand Meyer.
Eduard, Hoffmann’s Diener
Edmund Schmasow.
Miele, Hausmädchen bei Frau Krause
Helene Schüle.
Die Kuschenfrau
Marie Gundra.
Golisch, genannt Gosch. Kuhjunge
Georg Baselt.
Ein Packetträger
* * *
Erster Akt.
9067056803261445520_009.jpgDas Zimmer ist niedrig; der Fußboden mit guten Teppichen belegt. Moderner Luxus auf bäuerische Dürftigkeit gepfropft. An der Wand hinter dem Eßtisch ein Gemälde, darstellend einen vierspännigen Frachtwagen, von einem Fuhrknecht in blauer Blouse geleitet.
Miele, eine robuste Bauernmagd mit rothem, etwas stumpfsinnigem Gesicht; sie öffnet die Mittelthür und läßt Alfred Loth eintreten. Loth ist mittelgroß, breitschultrig, untersetzt, in seinen Bewegungen bestimmt, doch ein wenig ungelenk; er hat blondes Haar, blaue Augen und ein dünnes, lichtblondes Schnurrbärtchen, sein ganzes Gesicht ist knochig und hat einen gleichmäßig ernsten Ausdruck. Er ist ordentlich, jedoch nichts weniger als modern gekleidet. Sommerpaletot, Umhängetäschchen, Stock.
Miele. Bitte! Ich werde den Herrn Inschinnär glei ruffen. Wolln Sie nich Platz nehmen?!
Die Glasthür zum Wintergarten wird heftig aufgestoßen; ein Bauernweib, im Gesicht blauroth vor Wuth, stürzt herein. Sie ist nicht viel besser als eine Waschfrau gekleidet. Nackte, rothe Arme, blauer Kattunrock und Mieder, rothes punktirtes Brusttuch. Alter: Anfang 40, Gesicht hart, sinnlich, bösartig. Die ganze Gestalt sonst gut conservirt.
Frau Krause schreit. Ihr Madel!! ... Richtig! ... Doas Loster vu Froovulk! ... Naus! mir gahn nischt! ... Halb zu Miele, halb zu Loth. A koan orbeita, a hoot Oarme. Naus! hier gibbt’s nischt!
Loth. Aber Frau ... Sie werden doch ... ich ... ich heiße Loth, bin ... wünsche zu ... habe auch nicht die Ab....
Miele. A wull ock a Herr Inschinnär sprechen.
Frau Krause. Beim Schwiegersuhne batteln: doas kenn’ mer schunn. — A hoot au nischt, a hoot’s au ock vu ins, nischt iis seine! Die Thür rechts wird aufgemacht. Hoffmann steckt den Kopf heraus.
Hoffmann. Schwiegermama! — Ich muß doch bitten ... Er tritt heraus, wendet sich an Loth. Was steht zu ... Alfred! Kerl! Wahrhaftig ’n Gott, Du!? Das ist aber mal ... nein das is doch mal ’n Gedanke!
Hoffmann ist etwa dreiunddreißig alt, schlank, groß, hager. Er kleidet sich nach der neuesten Mode, ist elegant frisirt, trägt kostbare Ringe, Brillantknöpfe im Vorhemd und Berloques an der Uhrkette. Kopfhaar und Schnurrbart schwarz, der letztere sehr üppig, äußerst sorgfältig gepflegt. Gesicht spitz, vogelartig. Ausdruck verschwommen, Augen schwarz, lebhaft, zuweilen unruhig.
Loth. Ich bin nämlich ganz zufällig ....
Hoffmann aufgeregt. Etwas Lieberes ... nun aber zunächst leg ab! Er versucht ihm das Umhängetäschchen abzunehmen. — Etwas Lieberes und so Unerwartetes hätte mir jetzt — er hat ihm Hut und Stock abgenommen und legt beides auf einen Stuhl neben der Thür — hätte mir jetzt entschieden nicht passiren können, — indem er zurückkommt — entschieden nicht.
Loth sich selbst das Täschchen abnehmend. Ich bin nämlich — nur so per Zufall auf Dich —
