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Gebrochen und Auferstanden
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eBook115 Seiten1 Stunde

Gebrochen und Auferstanden

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Über dieses E-Book

»Deutschland. Das Land, in dem ich die schlimmsten und schönsten Erfahrungen meines Lebens machen sollte.
Davon ahnte ich in diesem Moment noch nichts …« Rita war sieben, als ihre Großeltern beschlossen, sie zu ihrer Mutter nach Deutschland zu schicken. Zuvor eine glückliche Kindheit in einem ghanaischen Dorf verlebt, beginnt hier ein Leben voller Demütigung, Ablehnung und Leid.
Doch die Hoffnung gibt Rita nicht auf.
SpracheDeutsch
HerausgeberWOLFSTEIN
Erscheinungsdatum17. Mai 2024
ISBN9783954521296
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    Buchvorschau

    Gebrochen und Auferstanden - Rita Kondo

    Die Autorin Rita Kondo zu ihrer bewegenden Geschichte.

    Als Kind wurde ich ungefragt von Togo nach Deutschland gebracht, genauer gesagt nach Bayern, ohne zu wissen, was auf mich zukommt. Hatte ich zuvor eine glückliche Kindheit im Dorf meiner Großeltern in Ghana erlebt, war mein Leben bei der Tante in Togo durch Schläge und seelische Erniedrigungen schwer zu ertragen. Leider hat sich die Hoffnung, dass es in diesem neuen Land besser wird, nicht erfüllt. Im Gegenteil, ich wurde als Kind und junge Frau seelisch und körperlich gebrochen. Aber ich habe es geschafft und lebe heute mit meiner Familie in der Nähe von München. Durch meine Arbeit beim Kinderschutzbund gebe Kindern nicht nur eine Stimme, sondern ermutige sie auch, nicht aufzugeben, wenn sie sich in einer ähnlichen Situation befinden wie ich es einmal war.

    Bis zu meinem siebten Lebensjahr lebte ich bei meinen Großeltern in einem kleinen Dorf in Ghana. Hinter unserem Haus wuchsen Papaya, Kokosnuss-, Avocado- und Kakaobäume. Über das Haus kann ich nicht viel erzählen, außer dass es keine Küche gab. Meine Oma hat sich selbst eine aus rotem Lehm gebaut. Es war für mich eine tolle Küche. Oft saß ich abends auf einem kleinen Hocker neben meiner Oma, während sie auf einem selbst gebauten Herd kochte. Der Herd bestand aus drei Blöcken rotem Lehm. Ich durfte in die Mitte zwischen den Lehmblöcken Holz nachlegen und fleißig Luft in das Feuer fächeln. Meine Oma stand daneben und rührte in dem großen, silbernen Kessel, der auf dem Herd stand.

    Ich war nicht das einzige Kind. Insgesamt waren wir zu viert. Der Älteste war ein Junge, dann kam ich, dann Akuvi, ein Mädchen, das eine Waise war. In meiner Heimat ist es so, dass Kinder, die ihre Eltern verloren haben, von der Familie aufgezogen werden. Zum Schluss kam Telma. Sie war die Jüngste. Außer mir wussten alle, wer ihre Eltern waren. Das hat mich nie gestört, denn ich war glücklich.

    Zur Schule waren es mehrere Stunden zu Fuß. Deshalb wurden wir sehr früh geweckt. Obwohl ich nicht die Jüngste war, wich ich meiner Oma nicht von der Seite. Einen Schulbus gab es nicht und wer zu spät kam, wurde geschlagen. Also durfte man auf dem Schulweg nicht trödeln. Bevor wir in den Klassenraum gehen durften, mussten wir uns in Reihen aufstellen. Zuerst sangen wir die Nationalhymne. Danach ging der Lehrer, beziehungsweise die Lehrerin, zusammen mit dem Klassensprecher durch die Reihen und prüfte jedes einzelne Kind. Wer beispielsweise zu lange Nägel hatte, bekam mit einem Bambusholz oder Lineal harte Schläge auf die Finger. Gefordert waren saubere Uniformen, kurze, nicht lackierte Nägel und kurze Haare. Anschließend ging es in die Klasse. Setzen durfte man sich erst, wenn die Lehrerin es befahl. Wenn man etwas sagen wollte, musste man sich melden und dann solange warten, bis man von der Lehrerin zum Sprechen aufgefordert wurde. Nach der Schule holten wir die Jüngste vom Kindergarten ab.

    Zuerst wurden zuhause Hausaufgaben gemacht. An Regentagen sind wir danach zusammen mit den Nachbarskindern nackt durch den Regen gelaufen. Es war ein wunderschöner, warmer Regen, der in kleinen Perlen über unsere Körper lief. Der aufgeheizte Boden dampfte wie der Wasserkessel unserer Oma.

    Es war einfach toll. Danach ging es unter die Dusche, deren Dach mit Blech bedeckt war. Der Boden der Dusche war mit groben Steinen ausgelegt. Ein großer, blauer Eimer war mit aufgekochtem Wasser gefüllt. Da hinein kam etwas kaltes Wasser. So wurde jeden Tag geduscht. Danach ging es in die Arme von Oma. Wir haben uns alle auf der Terrasse versammelt und gemeinsam musiziert. Meine Großeltern waren ein echt cooles Paar. Meine Oma hat 15 Kinder zur Welt gebracht. Davon hat sie 14 großgezogen; nur ein Mädchen hat es nicht geschafft. Unter den Kindern waren auch Zwillinge und Drillinge. Ich habe also 14 Onkel und Tanten. Sie hat alles ohne Kindergeld geschafft. Auch zur Schule konnte sie nie gehen, weil es in ihrer Jugend nicht erlaubt war, dass Mädchen in der Schule lernten. Meine Oma war eine sehr temperamentvolle Frau. Mein Opa war der ruhigere und entspanntere von den beiden. Er durfte zur Schule gehen und sogar studieren. Von uns Kindern hat ihn keiner Opa genannt. Bis heute ist es so, dass man ihn mit »sugar« anspricht. Er antwortet dann mit »daddy«.

    Wenn ich einen Fehler oder eine Dummheit gemacht hatte, wurde mit mir darüber geredet. Ärger habe ich selten bekommen. Ein einziges Mal habe ich von meinem Opa richtig Schläge bekommen. Ich hatte beobachtet, dass meine Onkel Geld aus der Kommode von Opa nahmen, wenn sie zu Besuch kamen. Ich habe mir nichts dabei gedacht und tat es auch. Das Geld gab ich für Süßigkeiten aus. Nachdem wir uns mit den Nachbarskindern den Bauch vollgeschlagen hatten, kamen wir satt und glücklich nach Hause. Die Strafe von Opa folgte sogleich. Es war das erste und letzte Mal, dass mein Opa mich geschlagen hat.

    Mit meinem siebten Lebensjahr fing die Hölle für mich an. Ich kam nach Togo in die Stadt. Ich sah geteerte Straßen, chaotischen Verkehr mit ohrenbetäubendem Lärm von ständig hupenden Autos und Mofa-Taxis, auf denen drei bis vier Leute mit Kindern saßen. Überall waren kleine Stände, an denen Essen verkauft wurde. Autos, die an roten Ampeln standen, wurden von Kindern belagert, die etwas verkaufen wollten, von Taschentüchern bis zu Plastikgeschirr. Auf der Fahrt konnte ich das Meer sehen, das war schön. Die Fahrt ging zu meinen Onkeln und Tanten. Sie wohnten in einem riesigen Haus mit einem richtigen Bad und einer richtigen Küche mit fließendem Wasser. Man brauchte kein Wasser aus dem See zu holen. Das war ein ganz anderes Leben als im Dorf.

    Sie erzählten mir, dass ich zu meiner Mutter nach Deutschland sollte. Da wurde mir plötzlich klar, dass nicht meine Großeltern Mama und Papa sind, sondern irgendeine fremde Frau meine sogenannte Mutter war. Mir war, als würde mir der Boden unter den Füßen weggezogen. Noch in Togo sollte ich darauf vorbereitet werden, nach Deutschland zu dieser »Mutter« zu kommen. Es war ein furchtbares Gefühl. Als sie damals aus Deutschland zu Besuch kam, hatte sie mich nicht einmal mit dem Arsch angesehen. Ich war das Dienstmädchen in diesem Haus. Es war unerträglich heiß. Ich bekam einen kleinen Plastikhocker und zwei Schüsseln. Eine war mit Seifenwasser und eine mit klarem Wasser gefüllt. Ich saß vor der Küche und musste das dreckige Geschirr mit der Hand spülen. Davor wurde ich erst einmal geschlagen oder musste mich an den Ohrläppchen fassen und dabei Kniebeugen machen, bis einer meiner Onkel sagte: »Du kannst aufhören!«

    Das alles nur, weil ich ins Bett gemacht hatte. Ich hatte nur noch Angst vor den Schlägen und dachte, wenn ich nicht einschlafe, dann mache ich auch nicht ins Bett. Irgendwann bin ich doch eingeschlafen.

    Am nächsten Morgen, bevor ich meine Hausarbeiten beginnen konnte, musste ich meine eingenässte Kleidung ausziehen. Mein Onkel band mir eine Kröte an die Hüfte und sperrte mich nackt mit der feuchten Bastmatte und der Zudecke aus. So saß ich auf der Straße vor dem Haus und alle Kinder aus der Nachbarschaft kamen und sahen mich. Sie wurden noch dafür belohnt, mich auszulachen. Im Kreis um mich herumstehend, zeigten sie mit den Fingern auf mich. Ich jedoch hörte nur das Quaken der Kröte und schrie: »Mach sie los, ich mach nicht mehr ins Bett!«

    Doch sie ließen mich so lange mit der Kröte draußen, bis sie tot war und ich wie ein Häuflein Elend auf dem Boden kauerte. Ich fühlte mich zutiefst gedemütigt und bloßgestellt. Nach einer gefühlten Ewigkeit wurde ich wieder hereingeholt, durfte mich waschen, frische Sachen anziehen und dann erst einmal mit meinen täglichen Hausarbeiten beginnen.

    Nach getaner Arbeit bekam ich als Belohnung umgerechnet 1,50 €, um mir Essen zu kaufen. In Togo gibt es an jeder Ecke kleine Fastfoodstände. Alles wird frisch zubereitet und an jedem Stand riecht es anders. Ich kann mich noch heute an all die unglaublichen Gerüche erinnern. Frittierte Hühnchen, Kochbananen, in Öl gebratenes Gemüse und frisch gebackene Baguettes.

    Eine Explosion an Essensgerüchen. Purer Sex für die Nase. Nicht wie gewöhnliche Fastfood-Restaurants, keine schnellen Burger.

    Anschließend kam ich mit meinem Essen nach Hause. Ich hatte mir Reis mit Bohnen gekauft, eine meiner Lieblingsspeisen.

    Doch einer meiner Onkel hielt mich auf und fragte, ob ich schon mein Tischgebet gehalten hätte. Er sagte: »Mach die Augen zu und bete!« Ich schloss die Augen und während er so tat, als würde er mitbeten, aß er einen Teil meines Essens. Er gab mir den Rest zurück und sagte: »Gott hat es gegessen.«

    Danach ging es weiter mit Deutschunterricht, obwohl er die deutsche Sprache selbst nicht gut konnte. Nach dem Unterricht konnte ich mich vor Schmerzen kaum bewegen. Er stand immer mit einem abgebrochenen Ast, an dem noch Blätter waren, hinter mir. Wenn ich an der Tafel etwas falsch machte, peitschte er mich damit aus. Vor lauter Angst, etwas falsch zu machen, war ich stumm. Aber auch das rettete mich nicht vor dem Auspeitschen, wie ich gehofft hatte. Er nutzte jede Chance, mir seine Macht zu demonstrieren, indem er beispielsweise ein Stuhlbein auf

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