Erinnerungen und Erfahrungen mit meinem wunderbaren Gott
Von Johannes Seitz
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Über dieses E-Book
Johannes Seitz
*07.02.1839, + 04.07.1922, Beruf: Evangelist
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Buchvorschau
Erinnerungen und Erfahrungen mit meinem wunderbaren Gott - Johannes Seitz
Der Bauernjunge aus dem Schwarzwald wurde eine der prägenden Gestalten der Erweckungsbewegung zu Beginn des vorigen Jahrhunderts. Johannes Seitz gründete die Evangelische Karmelmission und der Württembergische Christusbund geht auf seine evangelistische Arbeit zurück. In der spannenden Autobiographie berichtet er von Gottes Wirken in der Erweckungszeit, von Gebetserfahrungen, von Heilungen und Befreiungen aus okkulten Bindungen, die er in seinen Gästehäusern erlebt hat. Seine Erfahrungen mit verschiedenen religiösen Irrwegen sind für unsere Zeit mit all ihren geistlichen Strömungen und aller Beliebigkeit nach wie vor wegweisend und erstaunlich aktuell.
Johannes Seitz
Erinnerungen
und Erfahrungen
mit meinem wunderbaren Gott
Überarbeitete Neuauflage
Verlag Linea Bad Wildbad 2023
© 2023 Verlag Linea, Bad Wildbad
E-Book-Erstellung: CPI books GmbH, Leck
ISBN 978-3-939075-76-9
Weise mir,
Herr, Deinen Weg,
dass ich wandle in Deiner Wahrheit,
erhalte mein Herz bei dem einen,
dass ich Deinen Namen fürchte.
(Psalm 86, 11)
Inhalt
Vorwort
Erster Teil – Erinnerungen
Mein Elternhaus und die Möttlinger Bewegung
Meine Großmutter
Mein Vater
Wunderbare Erfahrungen im Elternhaus
Kämpfe mit dem bösen Herzen
Die Entscheidung
Die Berufung zum Dienst
Meine Versetzung nach Stuttgart
Innere Kämpfe und Siege
Die Tempelgesellschaft
Meine erste Palästinareise
Wieder in Deutschland
Der Evangelische Reichsbrüderbund
Die Karmelmission
Die Entstehung unserer Erholungsheime
Meine Frau
Zweiter Teil – Erfahrungen
Erste Glaubenserfahrungen bei Krankheiten
Segen und Notwendigkeit anhaltenden Gebets
Stockmayers Lehren, eine Quelle der Freude und Kraft
Das Gebet des Glaubens für die Kranken
Ein kurzes Wort über Nervenkrankheiten
Dritter Teil – Anhang
Die Bekehrung des Gastwirts von Bühlertann
Von der rechten Benutzung gottgesandter Gelegenheiten
Rechte Buße und rechter Glaube
Segen der Verkündigung des vollen Evangeliums
Über Krankenheilungen
Über die Entstehung der vielen Erholungshäuser
Eine große Gefahr bei Erweckungen
Vom Wachstum in der Gnade
Nachwort zur dritten Auflage 1922
Vorwort
Vor 101 Jahren – am 4. Juli 1922 – war das ereignisreiche Leben dieses Mannes, den heute fast niemand mehr kennt, mit 83 Jahren an sein Ziel gekommen.
Johannes Seitz wurde am 6. Februar 1839 in dem Schwarzwalddörfchen Neuweiler geboren, das damals um die 500 Einwohner zählte.
Als ältester Sohn eines Bauern hätte er wie damals üblich den Hof übernehmen sollen – sein Weg schien vorgezeichnet. So hätte er wohl sein ganzes Leben an diesem idyllischen Fleckchen Erde zwischen grünen Wiesen und Schwarzwaldtannen verbracht. Und bestimmt hätte er es auch als Bauer zu etwas gebracht und wäre zu einem einflussreichen Mann im Dorf und in der näheren Umgebung geworden. Aber es kam ganz anders und sein Weg führte ihn durchs ganze Land, nach Palästina und schließlich nach Sachsen, Ostpreußen und Thüringen.
Der bekannte Evangelist Ernst Modersohn schrieb über ihn: Unter den vielen Menschen, durch die Gott mich segnete, ragt eine hohe Gestalt empor, eine apostolische Persönlichkeit, der langjährige Hausvater des Erholungsheims in Teichwolframsdorf, Johannes Seitz.
Eine apostolische Persönlichkeit
, ja eine solche hatte Johannes Seitz in seiner Jugendzeit in Möttlingen in Pfarrer Blumhardt erlebt. Der hatte seine Familie und Jugendzeit geprägt – und danach hat sich auch Johannes Seitz zeit seines Lebens ausgestreckt. Er wollte auch ein solches Leben in der Gegenwart Gottes führen. Er wollte wie Blumhardt Gott dienen und großes von seinem Gott erwarten. Und offensichtlich ist er dabei selbst auch ein solch apostolischer Mensch geworden.
Man kann nur staunen, wenn man seine Lebensgeschichte liest, was er mit Gott erlebt hat – und was Gott durch ihn gewirkt hat. So ist er dann später in Ostdeutschland ein Bahnbrecher der Evangelisation geworden, wie Elias Schrenk im Westen.
Mit der Gründung des Reichsbrüderbundes
, einem Gemeinschaftsverband, an der er maßgeblich beteiligt war, wurden die zum Glauben gekommenen gesammelt und dauerhaft begleitet. Dieser Verband hat Evangelisten angestellt und die Arbeit im Osten Deutschlands und in Württemberg ausgeweitet. Auch in unserem Teil-Ort von Bad Wildbad waren von 1910 bis 1930 Evangelisten des Reichsbrüderbundes stationiert und haben eine segensreiche Arbeit getan. In Württemberg besteht noch heute der Württembergische Christusbund e.V.
, der auf den Reichsbrüderbund zurückgeht und derzeit Gemeinschaften an über 40 Orten umfasst.
Ein weiteres Werk, das heute noch besteht und auf Johannes Seitz und Martin Blaich zurückgeht ist die Evangelische Karmelmission. Von den wundersamen Anfängen dieser Missionsarbeit in Palästina berichtet Johannes Seitz in diesem Buch. Seither ist sicher noch vieles geschehen, worüber man staunen könnte. Heute arbeiten in über 20 islamischen Ländern mehr als 200 einheimische Mitarbeiter für die Evangelische Karmelmission.
Später, als Johannes Seitz mit etwa 50 Jahren sein erstes Erholungs- und Seelsorgeheim in Preußisch-Bahnau gründete, hatte er wieder Blumhardt und Bad Boll vor Augen – und wollte auch im Osten Deutschlands die Möglichkeit eines solchen Ortes der Seelsorge und des Gebets schaffen. Weitere solche Seelsorgehäuser entstanden in Limbach (Sachsen) und schließlich in Teichwolframsdorf (Thüringen), da immer mehr Platz nötig wurde. Hier hat der Glaube offenbar großes von Gott erwartet und wunderbare Gebetserhörungen erlebt.
Eine apostolische Persönlichkeit – bei aller Schlichtheit und Nüchternheit. Es ging Johannes Seitz nie darum, groß zu werden und in irgendeiner Form Macht zu haben. Er war ein Diener, der seinem Gott dienen wollte. Er war ein Beter, der alles von seinem Herrn erwartete. Er war ein Bruder unter Brüdern, nicht der Leiter, der nach eigenem Ermessen bestimmen wollte.
Und er war einer, der damit gerungen hat, den richtigen Weg – Gottes Weg – zu gehen. So musste er auch erkennen, dass er auf Irrwegen war und andere Wege einschlagen. Dies bewog ihn, als ihm klar wurde, dass die Tempelgesellschaft
eine nicht mehr tragbare Entwicklung nahm, diese zu verlassen. Und das obwohl er als einer der künftigen Leiter für die Tempelgesellschaft
vorgesehen war. Zusammen mit Martin Blaich, der ihn in die Tempelgesellschaft gerufen hatte, trennte er sich nach etwa 15 Jahren von ihr. Später als die Vorgänge um die Pfingstbewegung die Gemeinschaftsarbeit in Deutschland erschütterten, erkannte er einen Irrweg und wurde zu einem Mahner gegen die Unnüchternheit, Schwärmerei, geistliche Anmaßung und Überheblichkeit.
Seine Erfahrungen mit verschiedenen religiösen Irrwegen sind für unsere Zeit mit all ihren geistlichen Strömungen und aller Beliebigkeit nach wie vor wegweisend und erstaunlich aktuell.
Die Erinnerungen und Erfahrungen
veröffentlichte Johannes Seitz 1919, als er mit 80 Jahren auf ein langes Leben im Dienst seines Gottes zurückblicken konnte. Die dritte erweiterte Auflage war kurz vor seinem Tod im Juni 1922 fertig.
Diese dritte Auflage legen wir nun in sprachlich leicht überarbeiteter Form neu auf und hoffen, dass auch unsere Zeit von dieser apostolischen und doch schlichten Persönlichkeit lernen kann und gesegnet wird.
Im Herbst 2023, Verlag Linea
Erster Teil – Erinnerungen
Mein Elternhaus und die Möttlinger Bewegung
In Neuweiler, einem der Dörfer des nördlichen Schwarzwaldes, etwa 20 km südöstlich von dem bekannten Bad Wildbad, wurde ich am 7. Februar 1839 geboren. Meine frühesten Erinnerungen reichen bis in die ersten Tage meiner Schulzeit zurück. Damals herrschte noch, sowohl im Haus meiner Eltern, als auch im ganzen Dorf, tiefe Finsternis und Todesnacht. Ich erinnere mich, welchen Eindruck es auf mein kindliches Gemüt gemacht hat, als ich einige Monate lang die Schule besucht hatte und der Lehrer uns sehr ernst über die schwere Sünde des Fluchens aufklärte. Da kam eine so große Angst über mich um meine Eltern, die ich doch sehr liebte, dass ich in der Angst auf die Schulbank hinaufsprang und laut in das Klassenzimmer hineinschrie: „Herr Schulmeister, wie geht es dann meinem Vater und meiner Mutter? Die haben ja auch schon geflucht." Die ganze Klasse brach in lautes Gelächter über meine Einfalt aus. Meine Mutter schalt mich, dass ich meine Eltern so bloßgestellt hatte.
Wie man mir später von vielen Seiten erzählte, war fast das ganze Dorf, besonders durch das Wirtshausleben und den Alkohol, wirtschaftlich heruntergekommen und ein Teil der Familien verarmt. Der Ortsgeistliche selbst war ein Trinker. Ebenso die meisten Vorstände des Dorfes. Aber nur noch wenige Jahre sollte es in diesem traurigen Zustand weitergehen. Dann nämlich kamen die Liebe und das Erbarmen Gottes mit einer großen Gnadenheimsuchung über den ganzen Ort. Auch über mein Elternhaus. Dieses große Kommen der göttlichen Gnade erfüllt mich noch heute, sooft ich mich an diese Zeit erinnere, mit tiefster Bewegung und Anbetung. Die Veränderung ging von Pfarrer Blumhardt in Möttlingen aus. Vater und Mutter und alle meine acht Geschwister wurden von dem Feuer, das Gott angezündet hatte, ergriffen und alle wurden für den Herrn gewonnen. Sowohl über dem Dorf als über meinem Elternhaus erfüllte sich das Wort der Schrift: „Gott sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten (2. Korinther 4, 6). Unser Haus wurde eine Zeit lang ein Feuerherd geistlichen Lebens. Es entstand bei uns eine Versammlung oder Gemeinschaft von Gotteskindern. Diese hat sich – dem Herrn sei Dank! – viele Jahrzehnte, wenn auch durch mancherlei Krisen und Veränderungen erhalten. Die Bewegung hat später auch verschiedene andere Häuser ergriffen. Wie groß der Umschwung war, kann vielleicht eine Begegnung etwas beleuchten, die ich einmal im Eisenbahnwagen mit einem Lehrer hatte. Damals war ich schon mehrere Jahre als Evangelist in Württemberg hin und her auf Reisen. Dieser alte Lehrer fragte mich: „Sagen sie mir nur eins: Wie ist diese große, wunderbare Veränderung in ihrem Dorf zustande gekommen? Ich wurde, als ich aus dem Seminar entlassen wurde, als Hilfslehrer in ihrem Dorf angestellt. Dort waren so traurige Zustände, dass sie sich kaum beschreiben lassen. Es war auch niemand im Dorf, der Leid darüber getragen hätte, außer einem alten Bauern namens Kraft. Der jammerte ganz verzweifelt. Der sagte zu mir: ‚Oh, Herr Provisor, alles böse, alles böse, und Sie sind auch so geworden seit Sie hier sind.’ Und ich konnte es nicht leugnen, auch ich wurde von dem Geist, der das ganze Dorf beherrschte, fortgerissen.
– Und nun sollte ich ihm doch sagen, wie es gekommen ist, dass dieses Dorf ein solcher Feuerherd Gottes geworden ist, von dem man so viel Herrliches hört. Das durfte ich nun diesem alten Lehrer erzählen und will es zur Ehre Gottes auch hier in aller Kürze wiedergeben.
Das Werkzeug, durch welches das alles zustande kam, war der schon zu jener Zeit weitberühmte Pfarrer Blumhardt, damals noch Pfarrer in Möttlingen. Obwohl unser Dorf Neuweiler fünf Stunden Fußweg von Möttlingen entfernt liegt, übte alles, was durch diesen Mann in Möttlingen geschah, bald auch seine Segenswirkung auf unser Dorf und auf viele andere Dörfer des Schwarzwaldes aus. Es geschahen wunderbare Gottestaten an Kranken, Besessenen, Geistesgestörten aller Art und an Erweckung geistlich toter Sünder durch die machtvollen Predigten dieses Mannes. Eine Zeit lang kamen fast jeden Sonntag ganze Scharen auch aus meinem Geburtsort nach Möttlingen. Und fast alle, die dorthin pilgerten, wurden durch das, was sie dort sahen, und durch die geistesgewaltigen und geistesmächtigen Predigten, die sie dort hörten, so ergriffen und umgewandelt, dass sie als andere, als ganz veränderte, neue Menschen in ihre Dörfer und Häuser zurückkehrten. Es war zuerst nur Neugierde, die auch meinen Vater bewog, sich in aller Stille, so geheim wie nur möglich, hinzuschleichen. Dazu wurde er durch eine wunderbare Heilung bewogen, die an einer Gastwirtin unseres Dorfes geschehen war, in deren Gastwirtschaft mein Vater hin und wieder einkehrte. Diese Gastwirtin, Frau Veil, wurde durch Pfarrer Blumhardt von einem unheilbaren Gesichtskrebs völlig geheilt. Sie kam als ein ganz anderer Mensch mit einem neuen Leben und Sinn nach Hause. Ihr Mann, der geisteskrank war, wurde infolge davon auch zu Pfarrer Blumhardt nach Möttlingen gebracht. Auch er kam von seiner Geisteskrankheit völlig geheilt zurück. Das war für meinen Vater so wunderbar, dass er diesen Wundermann doch auch einmal sehen und hören wollte. Mein Vater war berüchtigt als ein rechter Witzbold und Spötter. Aber schon durch die erste Predigt, die er von Pfarrer Blumhardt hörte, wurde er so zerschmettert und zermalmt und in eine so gründliche Buße und Beugung geführt, dass er nun auch meiner Mutter und uns, seinen Kindern, mit großem Ernst und mit Inbrunst erklärte: „Wir alle sind auf dem Weg zur Hölle. Wir alle müssen Buße tun, alles muss anders werden, wenn wir nicht alle miteinander in die Hölle fahren, sondern in den Himmel kommen wollen." Meine Mutter meinte zuerst, mein Vater sei verrückt geworden, was sich auch weiterverbreitete. Aber bald wurden auch meine Mutter und wir Kinder alle von dem Geist, den heißen Gebeten und dem neuen Leben meines Vaters so ergriffen und mitgerissen, dass wir alle den Weg einschlugen, den unser Vater vorausgegangen war. Wir gingen, wenigstens wir älteren Geschwister, auch mit dem Vater nach Möttlingen und ebenso unsere liebe Mutter. Dadurch wurde unser Haus so umgewandelt, dass es eine Zeit lang eine Hütte Gottes wurde.
Was in Möttlingen im Großen geschah, das geschah nun im Kleinen in meinem Elternhaus und in der vorher erwähnten Gemeinschaft, die sich in unserem Haus gebildet hatte. Mein Vater wurde ein mächtiger Glaubensmann durch dessen Glauben und Gebete in jener Zeit Dinge an verschiedenen Kranken geschehen sind, die mitunter fast an Wunder grenzten. Man hatte sowohl im Elternhaus als auch in der Gemeinschaft ein solch kindliches Glaubens- und Gebetsleben gewonnen, dass dem einfältigen Glaubensgebet nichts mehr unmöglich erschien. Man durfte damals etwas davon sehen und erfahren: „Ehe sie rufen, will ich antworten, und wenn sie noch reden, will ich hören" (Jesaja 65, 24).
Es war eine herrliche Wunderzeit, in welcher ich meine frühe Jugend verbringen durfte. Außer Pfarrer Blumhardt übte in etwas späterer Zeit auch noch die Jungfrau Trudel, ähnlich wie Pfarrer Blumhardt, bis zu ihrem Tod einen tief gehenden Einfluss auf meine Heimat aus. Ich hörte wie ein Gottesknecht unserer Tage von ihr bezeugte, dass von den Kindern und Knechten Gottes unserer Zeit niemand so tief in das apostolische Geistesleben eingedrungen sei wie sie. Sie hatte die Feindesliebe in hohem Grad. Auch eine solche Glaubens- und Gebetskraft, bei Kranken, Gebundenen, Geisteskranken und Besessenen aller Art, dass in der kurzen Zeit ihrer Wirksamkeit über vierzigtausend Kranke und Besessene zu ihr kamen und viele von ihnen Hilfe und Befreiung fanden. Es sei hier nur ein Fall aus meinem Heimatdorf erwähnt, der mir besonders nahe ging, weil er einen meiner Schulkameraden betrifft. Dieser, namens Keller, war ein hochbegabter Mensch, aber bis zu seiner Militärzeit ein wilder, ausgelassener Weltmensch. Da bekam er Krebs an den Lippen. In solchen Lagen eilten die Leute zu der Jungfrau Trudel, um Heilung zu finden – so auch dieser Jüngling. Er hat mir später selbst erzählt, wie erstaunt man in unserem Dorf darüber war und wie die Leute sagten: „Was will dieses leichtsinnige Lumpenmännle bei der heiligen Trudel? Da muss man sich ja bekehren, aber der bekehrt sich doch nicht." Er war kaum einige Wochen dort, da schrieb er an seine Mutter einen Brief voll glühender Heilandsliebe. Nach einiger Zeit kam er als ein ganz neuer Mensch und auch von seinem Krebs geheilt in unser Dorf zurück. Wenig später waren wir zusammen in einer Missionsschule, um uns zum Dienst als Arbeiter an Gottes Reich vorzubereiten. Er half später, am Fuß des Karmels die deutsche Kolonie Haifa zu gründen und war jahrelang als deutscher Konsul dort tätig. Wie ich dort mit ihm zusammenkam und wie ihn Gott benutzte, die Karmelmission mitbegründen zu helfen, will ich in einem späteren Abschnitt erzählen.
Meine Großmutter
Ich fürchte, etwas zu versäumen, wenn ich nicht einiges nachhole, was meine Großmutter betrifft. Wir Kinder und auch andere waren davon überzeugt, dass sie den ersten Grund zur Bekehrung meiner Eltern und der ganzen Familie gelegt hat.
Sie war in der Zeit, in welcher es im Ort so traurig aussah, bereits gründlich bekehrt worden. Dies war ohne Einwirkung von Menschen geschehen – nur durch schwere Schickungen und Ereignisse, durch welche Gott sie niedergeworfen und zu sich gezogen hatte. Vor ihrer Bekehrung war sie eine recht stolze Bäuerin gewesen. Zwei Hauptsünden hatten sie gebunden gehalten: Stolz und Zorn. Aber Gott hatte sie in eine harte Schule genommen. Diese in Einzelheiten zu schildern würde zu weit führen. Durch diese göttlichen Schickungen wurde sie in eine Geistestiefe und in ein verborgenes Leben sowie in einen innigen Umgang mit Gott gebracht. In diesem blieb sie bis zum Ende ihres Lebens. Niemand ihrer Verwandten und Kinder konnte sie damals verstehen – denn alle waren noch ganz versunken in das weltliche Treiben, welches das ganze Dorf beherrschte.
Die letzten Jahre ihres Lebens wurde es für ihre Umgebung auffallend, dass sie eine ganz unbegreifliche Freude und Heiterkeit bewies. Wenn man sie fragte, woher dies komme, gab sie zur Antwort: „Ach, wenn ihr nur wüsstet, wie glücklich der Mensch ist, welcher glauben kann! Sehr oft hörte man sie in den verschiedensten Winkeln des Hauses laut beten. Hinter ihrem Haus war ein Baum. Um diesen Baum hatte sie ein dichtes Gebüsch gepflanzt. Dort betete sie auch viel bei Nacht. Mehrere Male hatte sie zu meiner Mutter gesagt: „So gewiss ein bestimmtes Zeichen, das mir Gott unter diesem Baum gegeben hat, eintreten wird, so gewiss wird das, was ich unter ihm erfleht und Gott abgerungen habe, seine Erhörung finden. Und es wird noch einmal ein Segen von meinen Kindern und Kindeskindern ausgehen.
Sie war vollkommen freudig und gewiss, dass ihre Kinder sich bekehren würden, die damals doch noch ganz in die Welt versunken waren.
Alles dieses hat sich genau erfüllt. Aber sehen durfte die Beterin selbst nichts davon. Dennoch ist sie in der freudigen Gewissheit gestorben, dass ihre Kinder und Kindeskinder sich noch bekehren würden. Ihr letztes Wort war die Frage an die Umstehenden: „Seht ihr diese Krone da? Und weil niemand die Krone sah, fuhr sie fort: „Ihr werdet sie nicht sehen, aber ich kann sie gleich anfassen.
Merkwürdig war uns Kindern, was unsere Mutter oft von dem Sterben der Großmutter erzählte. Sie wurde an der Kirchweih begraben. In Württemberg werden für eine solche Kirchweih eine Woche lang Vorbereitungen zum Essen und Schmausen getroffen. Für jene Kirchweih jedoch ließ die damals noch völlig gesunde Großmutter nichts dergleichen vorbereiten. Stattdessen ordnete sie an, dass für ihre Kinder auf diese Kirchweih schwarze Kleider angefertigt würden. Über beides waren die Kinder fast außer sich und befragten sie darüber. Darauf gab sie kurz und bestimmt die Erklärung ab: sie feiere diesmal Kirchweih an einem anderen Ort – denn an der Kirchweih werde man sie begraben. Deshalb brauchten ihre Kinder schwarze Kleider. Und wenn sie gestorben sei, würde das Haus verbrennen. Sie habe gesehen, dass man mit weißen Feuereimern laufe, und ein schneeweißer Feuereimer sei vor ihr zu Boden gefallen.
Beides hat sich dann genau erfüllt. An der Kirchweih hat man sie begraben. Und das große Haus, welches zwei Familien in sich fasste, ist noch im