Escape Rooms im Pflegeunterricht: Eine explorative Studie zur Motivation und Lernentwicklung aus Sicht der Lernenden
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Über dieses E-Book
Medienpädagogische, motivationspsychologische und pflegedidaktische Grundlagen werden ausführlich dargestellt und zur Legitimation einer didaktischen Konzeption herangezogen.
Auf dieser Basis wird "Breaking Barriers", ein exemplarischer Escape Room zur transkulturellen Pflege, entwickelt, curricular verortet und praktisch erprobt.
Die motivationale Wirkung sowie die Lernerfahrungen werden qualitativ untersucht und hinsichtlich ihres Nutzens für die pflegerische Bildungspraxis evaluiert.
Zahlreiche Fotos und Rätsel, sowie ein Unterrichtsverlaufsplan des entwickelten Escape Rooms geben anschauliche Einblicke und konkrete Anregungen für eine Umsetzung.
Christina Telöken
Christina Telöken verfügt über 16 Jahre Erfahrung als Gesundheits- und Krankenpflegerin überwiegend auf einer interdisziplinären Station mit Schwerpunkt auf Palliativpflege, Infektionskrankheiten und Pulmologie. Während ihres Masterstudiums der Berufspädagogik im Gesundheitswesen an der FH Münster beschäftigte sie sich mit virtuellen Lernumgebungen und gamifizierten Lernangeboten sowie der Frage, wie Lernen unterhaltsam und effektiv gestaltet werden kann. Sie ist überzeugt, dass es neue, innovative Methoden braucht, damit ein Lernen mit Spaß und Freude gelingt.
Ähnlich wie Escape Rooms im Pflegeunterricht
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Buchvorschau
Escape Rooms im Pflegeunterricht - Christina Telöken
1 Einleitung
Die vorliegende Arbeit widmet sich einer detaillierten Auseinandersetzung mit dem Einsatz von Escape Rooms als innovative Lehrmethode in der Pflegeausbildung. In den letzten Jahren hat die Bildungsforschung vermehrt Interesse an erlebnisorientierten Lernansätzen gezeigt, um den sich wandelnden Bedürfnissen und Anforderungen in der Lehre gerecht zu werden. Der Fokus auf aktivem, praxisnahem Lernen rückt dabei verstärkt in den Vordergrund. Neue und effektive Lehrmethoden zu erforschen und zu implementieren ist daher bedeutsam. Studien zum Einsatz von Escape Rooms in der Pflegebildung deuten auf Potentiale der Methode hin. Die Einleitung gibt einen Überblick über die Ausgangslage, stellt die Problemstellung vor und formuliert klare Zielsetzungen für die folgende Auseinandersetzung mit dem Thema.
1.1 Ausgangslage und Problemstellung
Die zunehmende Digitalisierung eröffnet neue Möglichkeiten den Unterricht abwechslungsreicher und ansprechender zu gestalten. Der Einsatz von Escape Rooms ist eine Möglichkeit Lernumgebungen multimedial zu konstruieren und im Sinne von Serious Games wissensbezogene Angebote spielerisch und attraktiv für die Mitglieder der Generation X, Generation Y und Generation Z aufzubereiten (Ahmed & Sutton, 2017; Blötz, 2015, S. 27; Scheller, 2020, S. 4-6).
In Escape Rooms lösen Spielende¹ in digitalen oder realen Räumen Rätsel, Probleme und Herausforderungen, um eine konstruierte Mission in einer begrenzten Zeit abzuschließen. Ursprünglich ist das Ziel eines Escape Rooms die Flucht aus einem Raum (Bosschert, 2017; Scheller, 2020, S. 4-6). In Escape Rooms zu Unterrichtszwecken variieren die Ziele und die Missionen thematisieren häufig fachliche Problemlagen. Escape Rooms fokussieren, über der reinen Unterhaltung hinaus, auch die Vermittlung von Wissen und Fähigkeiten, daher können sie zu der Kategorie der Serious Games gezählt werden. In den letzten Jahren haben sich Serious Games for Health technisch und inhaltlich kontinuierlich weiterentwickelt. Wissenschaft und Forschung beschäftigen sich zunehmend damit, wie Serious Games als Mittel zur Prävention, Intervention und zur Vermittlung von Lehrinhalten eingesetzt werden können (Schmidt, T., Schmidt, I. & Schmidt, P.R., 2016, S. 18–49).
Von allen veröffentlichten Serious Games for Health wurden 84,05% für den Bereich der Prävention und Gesundheitsförderung entwickelt. An zweiter Stelle stehen Spiele für die Aus- und Weiterbildung von medizinischen Fachkräften (8,78%), gefolgt von Spielen zur Unterstützung bei psychischen und physischen Erkrankungen (7,17%) (Lu & Kharrazi, 2018, S. 1-15).
Im didaktischen und pädagogischen Setting hat sich die spielerische Problemlösung als Ansatz des Game-based Learning etabliert (Makri, Vlachopoulos & Martina, 2021, S. 2) und lässt sich weiter konkretisieren als Methode des „Learning by Gaming". Den Lernenden wird ein kompetenzorientiertes Lernen ermöglicht. Bereits bekannte Spieleprinzipien werden genutzt und mit Unterrichtsinhalten kombiniert, um Lernziele anzubahnen, die im Rahmen des Spiels handlungsorientiert angewendet werden müssen (Landesmedienzentrum Baden-Württemberg, 2022).
In der Literatur- Review von Makri et al. (2021) werden aktuelle Entwicklungen digitaler Escape Rooms zusammengefasst, Gestaltungsprozesse aufgezeigt und pädagogische Aspekte des Einsatzes zur Förderung von Lernzielen dargelegt. Als Vorteile des Konzeptes werden vor allem die hohe Schüleraktivität, die Kooperationsfähigkeit und das kritische Denken betont. Der Einsatz von Escape Rooms scheint daher gerade für die die Bildung in der Pflege vielversprechend. Die kooperative Unterrichtsmethode fordert Teamfähigkeit und Kommunikationsfähigkeit, aber ebenso das Arbeiten unter Zeitdruck und kritisches, kreatives und problemlösendes Denken (Friedrich, Teaford, Taubenheim, Boland & Sick, 2019). Fähigkeiten die auch im Pflegealltag eine bedeutende Rolle spielen.
Publikationen zu Escape Rooms beziehen sich überwiegend auf die schulische und hochschulische Bildung, ausgewählte Studien fokussieren auch die berufliche Bildung im Gesundheitssektor (Hawkins, Wiles, Tremblay & Thompson, 2020; Morell & Eukel, 2020; Roman et al., 2019). In Hinblick auf die Pflegeausbildung gibt es bislang nur vereinzelt Studien, die die hochschulische Pflegeausbildung im Ausland adressieren und den Einsatz von Escape Rooms in Bezug auf Lernen und Motivation erheben (Anguas-Gracia et al., 2021; Antón-Solanas et. al,2022; Fusco, Foltz-Ramos & Ohtake, 2022; Gómez-Urquiza et al., 2019; Molina-Torres et al., 2022). Empirische Untersuchungen zu kompetenzförderlichen und motivierenden Lehrmethoden scheinen in Hinblick auf eine zukunftsorientierte Pflegeausbildung essentiell. Die Studien zu Escape Rooms weisen hier vielversprechende Ergebnisse auch für die Pflegeausbildung auf.
1.2 Zielsetzung
Die vorliegende Arbeit verfolgt zum einen die Entwicklung eines pflegedidaktisch begründeten Konzeptes für einen Escape Room. Zum anderen zielt, die sich anschließende explorative Querschnittstudie, vor dem Hintergrund der in Kapitel 1.1 dargestellten Ausgangslage, auf die Auswirkungen der Methode auf die Motivation und die Lernentwicklung ab. Dabei steht die Perspektive der Lernenden im Fokus der Untersuchung.
Trotz einzelner Veröffentlichungen zu Escape Rooms als Serious Games im Bildungskontext, ist die Anzahl an empirischen Studien, die sich speziell mit der Wirksamkeit von Escape Rooms als Lern- und Lehrmedium befassen, begrenzt (vgl. Kapitel 1.4). Wird das Konzept des Escape Rooms, als gamifizierte Lernanwendung, breiter gefasst, werden die Studien zahlreicher. Die Forschungsergebnisse werden in Metastudien in Bezug auf die Merkfähigkeit und die Lernzielerreichung als uneinheitlich (Dichev & Dicheva, 2017) sowie als kontext- sowie zielgruppenabhängig (Hamari, Koivisto & Sarsa, 2014) beschrieben und sind insgesamt auch hier begrenzt. Für die Pflegeausbildung in Deutschland wurden zum Zeitpunkt der Forschungsarbeit keine Studien zur Wirkung von Escape Rooms auf die Motivation und Lernentwicklung identifiziert.
Die ausstehende empirische Fundierung der Auswirkungen von Escape Rooms in der Pflege auf die Motivation und Lernentwicklung bedingt eine Grundlagenforschung, die spezifische Faktoren identifiziert, die den Erfolg von Escape Rooms im Bildungskontext beeinflussen, um die Methode auf die Bedürfnisse und Anforderungen der Lernenden abzustimmen. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Faktoren zu identifizieren, die von den Lernenden als bedeutsam für eine Steigerung ihrer Motivation betrachtet werden, sowie die wahrgenommene Kompetenzförderung durch die Methode zu erheben. Die Ergebnisse können Tendenzen und zukünftige Forschungsbedarfe sowie Konsequenzen für eine Implementation in der Pflegeausbildung aufzeigen.
1.3 Forschungsfrage
Die Arbeit wird von folgenden Haupt- und Unterfragestellungen geleitet:
Hauptfragestellung:
Wie beschreiben Lernende die Wirkung von pflegedidaktisch konzipierten Escape Rooms auf ihre Motivation und Lernentwicklung?
Unterfragestellungen:
Welche Aspekte der Methode werden als motivationsstärkend oder -hemmend erlebt?
Wie beschreiben Lernende ihre Kompetenzentwicklung?
Welche Aspekte werden als hemmend oder fördernd in Bezug auf die Kompetenzentwicklung erlebt?
Welche Konsequenzen können daraus für einen Einsatz in der Pflegeausbildung abgeleitet werden?
1.4 Forschungsstand
Um den theoretischen Bezugsrahmen mit wissenschaftlichen Studien umfassender darzustellen, erfolgte eine Literaturrecherche. Im Folgenden werden die Ergebnisse der einzelnen Studien in pflegerischen und pädagogischen Fachdatenbanken in tabellarischer Form vorgestellt und eine Übersicht der Recherche abgebildet. Dabei orientiert sich die Recherche, mit dem Fokus auf die inhaltliche Relevanz der Treffer, an einem spezifischen Rechercheprinzip.
Tabelle 1: Verwendete Fachdatenbanken (modifiziert nach Hirt und Nordhausen, 2020, S. 3)
Suchbegriffe und Synonyme in deutscher und englischer Sprache wurden, mit Booleschen Operatoren „AND und „OR
verknüpft, zur Treffersuche angewandt. Die Darstellung der Suchbegriffe wird in Tabelle 2 verdeutlicht.
Tabelle 2: Suchbegriffe und Synonyme (modifiziert nach Hirt und Nordhausen, 2020, S. 3)
Tabelle 3: Einschluss- und Ausschlusskriterien
Nachfolgend werden die Treffer in den Fachdatenbanken (Tabelle 4) dargestellt.
Tabelle 4: Trefferzahlen
Der Einsatz von Escape Rooms im Bildungskontext ist ein relativ junger Trend, Studien finden sich erst vermehrt ab dem Jahr 2017. In Hinblick auf die Pflegeausbildung gibt es bislang nur vereinzelt Studien, die den Einsatz von Escape Rooms in Bezug auf Lernen und Motivation erheben. Dabei untersuchen die empirischen Forschungen jeweils unterschiedliche Aspekte.
Fusco, Foltz-Ramos und Ohtake (2022) fokussieren das interprofessionelle Lernen in gemischten Gruppen verschiedener Gesundheitsprofessionen im Kontext der Akutversorgung mit Escape Rooms.
Antón-Solanas et. al (2022) erheben in einer querschnittlichen deskriptiven Studie die Motivation und Lernerfahrung von 138 Erstsemestern der Pflege mit einem Fragebogen.
Gómez-Urquiza et al. (2019) erheben ebenfalls in ihrer Querschnittstudie die Erfahrung und Motivation der Pflegestudierenden mit Hilfe eines Fragebogens. Der Escape Room fokussiert dabei theoretisches Wissen aber auch Pflegetechniken, die von den Studierenden angewendet werden müssen.
Molina-Torres et al. (2022) erheben die Wirkung von Escape Rooms als Bewertungsmethode im Vergleich zu einer Kontrollgruppe im Rahmen des Anatomieunterrichts.
Anguas-Gracia et al. (2021) verwenden einen querschnittlichen, beschreibenden Ansatz, die Studie umfasst 126 Studierende im dritten Studienjahr und untersucht die Erfahrungen von Studierenden der Krankenpflege während eines Escape-Room-Spiels als Teil eines „community health nursing course".
Trotz der Unterschiede in der Schwerpunktsetzung der Studien zeigte sich in allen Studien verstärkt Tendenzen, die eine motivationssteigernde Wirkung beschreiben und positive Wirkungen auf das kritische Denken, die Problemlösefähigkeit, die Kommunikation und die Teamarbeit herausstellen. Negative Emotionen wie Ärger, Frustration und Feindseligkeit werden in den Studien ebenfalls identifiziert und dem Wettbewerbscharakter des Spiels zugeschrieben. Die Studienlage zur Wirkung auf den Grad der Erreichung von Lernzielen ist uneinheitlich. Dabei betonen die Studien die Bedeutung einer angemessenen Vorbereitung, Durchführung und Evaluierung von Escape Room-Spielen, um deren Wirksamkeit sicherzustellen (Antón-Solanas et. al, 2022; Fusco et. al., 2022; Gómez-Urquiza et al., 2019; Molina-Torres et al., 2022).
Auffallend ist der hohe Anteil an Studien, die von Forschern durchgeführt wurden, die an spanischen Universitäten und Bildungseinrichtungen arbeiten. Da die Krankenpflegeausbildung in Spanien in der Regel akademisch ausgerichtet ist und an Hochschulen und Fachhochschulen verortet ist, lassen sich die Ergebnisse nur begrenzt auf die deutsche Pflegeausbildung übertragen.
Wird nicht nur der Pflegekontext fixiert und die Suche auf den Einsatz von Escape Rooms im Bildungskontext geweitet, fasst das Literatur-Review von Makri et al. (2021) aktuelle Entwicklungen digitaler Escape Rooms zusammen. Es werden Gestaltungsprozesse aufgezeigt und pädagogische Aspekte des Einsatzes zur Förderung von Lernzielen dargelegt. Als Vorteile des Konzeptes werden vor allem die hohe Schüleraktivität, die Kooperationsfähigkeit und das kritische Denken betont.
Wird das Konzept des Escape Rooms, als gamifizierte Lernanwendung, breiter gefasst, werden die Studien zahlreicher, die Forschungsergebnisse werden in systematischen Rieviews und Metastudien als uneinheitlich (Dichev & Dicheva, 2017) und kontext- sowie zielgruppenabhängig (Hamari et al., 2014) beschrieben. Gentry et al. (2019) schließen aus ihrem systematischen Rieview von 30 Studien eine mindestens äquivalente Effektivität der Serious Gaming- oder Gamification- Intervention im Vergleich zu den Kontrollgruppen und in vielen Studien eine höhere Effektivität in Bezug auf eine Steigerung von Wissen, Fähigkeiten und Zufriedenheit. Die verfügbare Evidenz ist jedoch