Highspeed: Kurzzeitfotografie in Natur und Studio
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Über dieses E-Book
Die beiden wichtigsten Techniken für solche Präzisionsaufnahmen sind zweifelsohne der Elektronenblitz mit seinem kurzen und intensiven Lichtimpuls sowie die Lichtschranke. Der Autor, Diplom-Physiker und Naturfotograf in einer Person, zeigt anhand unzähliger spektakulärer Bildbeispiele aus der Natur-, Tropfen- und ballistischen Fotografie, wie Sie diese und andere Technologien einsetzen und sich damit die Tür zur Welt der schnellen Objekte sowie unsichtbaren Vorgänge öffnen. Dabei greift er nicht nur auf eigene Fotos und Arbeitserfahrungen zurück, sondern präsentiert auch die technischen Verfahren, Aufbauten und Ergebnisfotos zahlreicher nationaler und internationaler Kollegen.
Aus dem Inhalt:
• Die Highspeed-Fotografie von den Anfängen bis heute
• Einsatz von Lichtschranken und Highspeed-Blitzgeräten
• Die Verschlussproblematik und der Einsatz von externen Verschlüssen
• Praktische Anwendung bei Insekten, Vögeln und Fledermäusen
• Die Erzeugung und Fotografie von Wasserskulpturen
• Einsatz in der Ballistik: zerplatzende Eier und durchschossene Luftballons
• Grundlagen der Elektronik
• Geeignete Kameras, Objektive, Verschlüsse und mögliche Alternativen
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Buchvorschau
Highspeed - Hans-Christian Steeg
01
Historie
Die Erfindung der Fotografie vor fast zweihundert Jahren gehört zu den größten kulturellen Errungenschaften in der Geschichte der Menschheit. Erst durch das unbestechliche fotografische Objektiv konnte die Welt so abgebildet werden, wie sie wirklich ist. Die geringe Lichtempfindlichkeit der damaligen Schichten erforderte Belichtungszeiten von vielen Stunden, so dass nur völlig statische Motive infrage kamen. Mit der Weiterentwicklung der Technik änderte sich das und schon hundert Jahre später waren Belichtungszeiten im Milli- und Mikrosekundenbereich möglich. Selbst extrem schnelle Vorgänge wie die Explosion einer Atombombe konnten fotografisch »eingefroren« und für das menschliche Auge sichtbar gemacht werden.
Schleiereule mit erbeuteter Feldmaus
Eric Hosking nahm sein bekanntestes Foto im Jahr 1948 auf.
Foto: Eric Hosking Charitable Trust
Kleine Geschichte der Kurzzeitfotografie
Die Anfänge
Seit vielen tausend Jahren gehören Pferde zu den wichtigsten Begleitern des Menschen. Trotzdem konnte eine Frage erst in jüngster Zeit geklärt werden: Behält ein Pferd im Galopp den »Bodenkontakt« mit wenigstens einem Huf oder hebt es vollständig ab?
William Henry Fox Talbot, 1864
Mit bloßem Auge war (und ist) es unmöglich, die vier wirbelnden Beine so auseinanderzuhalten, dass diese Frage hätte eindeutig beantwortet werden können. Erst mit der Erfindung der Fotografie Anfang des 19. Jahrhunderts stand ein Werkzeug zur Verfügung, das die Klärung dieses Problems ermöglichte. Dabei waren die ersten fotografischen Versuche alles andere als »Highspeed«, ganz im Gegenteil dauerte es selbst im hellen Sonnenschein mehrere Stunden, bis ein Bild auf den mit einer Mischung aus Asphalt und Lavendelöl beschichteten Metallplatten sichtbar wurde (Heliografie). Eine wesentliche Verbesserung brachte einige Jahre später der Einsatz versilberter Kupferplatten, die mittels Joddampf lichtempfindlich gemacht wurden (Daguerreotypie). Mit diesem Verfahren – dem direkten Vorläufer der modernen Fotografie – reduzierten sich die Belichtungszeiten auf zehn bis fünfzehn Minuten, später dann auf eine Minute und weniger. Obwohl damit Landschaftsaufnahmen und auch Porträts möglich waren, blieb die geringe Lichtempfindlichkeit der fotografischen Schichten der begrenzende Faktor für die Abbildung schneller Objekte. Hinzu kam, dass die Verschlusstechnik – sofern damals davon überhaupt gesprochen werden konnte – noch in den Kinderschuhen steckte und sich auf das manuelle Abnehmen und Wiederaufstecken des Objektivdeckels beschränkte. Erst mit der allmählichen Verbesserung der Aufnahmematerialien erschienen die ersten einfachen mechanischen Verschlüsse, die aber noch keine wirklich kurzen Belichtungszeiten zuließen.
The Horse in Motion
Eadweard Muybridge 1878
Deshalb wählte der Engländer William Henry Fox Talbot (1800–1877), einer der bedeutendsten Wegbereiter der Fotografie, einen anderen Weg bei seinen Experimenten und setzte zum »Einfrieren« der Bewegung ein Blitzgerät ein. Dieses bezog seine Energie aus einer Batterie von »Leydener Flaschen«, den Vorgängern der heutigen Kondensatoren, und erzeugte Funkenüberschläge, die intensiv genug für die damaligen Fotoschichten waren. Damit gelangen ihm 1851 in einem abgedunkelten Labor des Londoner Royal Institute erste scharfe Fotos einer Zeitung, die auf einer rotierenden Scheibe befestigt war. Diese Kombination einer Kamera mit einem Blitzgerät kann daher mit Fug und Recht als Geburtsstunde der Highspeed-Fotografie bezeichnet werden.
Danach dauerte es nur noch wenige Jahre, bis die Technik weit genug entwickelt war, um das »Pferdeproblem« lösen zu können. Die treibende Kraft dahinter war Leland Stanford (1824–1893), ehemaliger Gouverneur von Kalifornien, wohlhabender Eisenbahnmagnat und Begründer der später nach ihm benannten Stanford University. Als Rennstallbesitzer hegte er ebenfalls die Vermutung, dass ein galoppierendes Pferd die Bodenhaftung verliert, ohne jedoch den letzten Beweis dafür antreten zu können. Deshalb engagierte er 1872 den Engländer Eadweard Muybridge (1830–1904), der als Landschaftsfotograf in Kalifornien lebte.
Von ihm erhoffte er sich Unterstützung bei der endgültigen Klärung dieser alten Streitfrage. Muybridge lehnte zunächst ab, denn er sah keinen Weg für eine Lösung der gestellten Aufgabe. Trotz aller Fortschritte steckte die Fotografie noch immer in den Kinderschuhen und es existierte keine Kamera, die für den gedachten Zweck geeignet gewesen wäre. Aber Stanford war der Ansicht, dass alles lösbar wäre, sofern nur genügend Geld eingesetzt würde. Mehr oder weniger heimlich investierte er 50.000 Dollar in das Projekt, nach heutigen Verhältnissen etwa eine Million Dollar. Dank dieser erheblichen finanziellen Unterstützung gelang es Muybridge, die Lichtempfindlichkeit der Fotoschicht so weit zu verbessern, dass sie für den beabsichtigten Zweck ausreichte.
Dennoch kam das Vorhaben arg ins Stocken, als Muybridge des Mordes am Geliebten seiner Frau bezichtigt und vor Gericht gestellt wurde. Nach dem Prozess, in dem er wegen »gerechtfertigten Totschlags« freigesprochen worden war, verließ er Kalifornien für einige Jahre und so dauerte es noch bis 1878, als ihm endlich der ersehnte Nachweis gelang. Zu diesem Zweck stellte Muybridge entlang der Pferderennbahn in Palo Alto zwölf eigens von ihm konstruierte Spezialkameras auf, deren Verschlüsse eine Belichtungszeit von 1/2.000 s erreichten. Zum Auslösen dienten dünne quergespannte Drähte, die vom vorbeigaloppierenden Pferd nacheinander zerrissen wurden.
Wegen der geringen Lichtempfindlichkeit des von Muybridge verwendeten Nassplattenverfahrens – einer Kombination aus Daguerrotypie und Talbots Kalotypie – waren die Fotos nur klein und nicht sehr ansehnlich, reichten aber für den vorgesehenen Zweck völlig aus. Ein zusätzlicher Vorteil war, dass Muybridge – anders als von Daguerrotypien, die sich nicht vervielfältigen ließen – von seinen Negativen beliebig viele Kopien anfertigen konnte.
Nach diesem ersten Erfolg perfektionierte Muybridge seine Technik und wiederholte die Aufnahmen mit 24 und 36 Kameras. Mit dieser Chronophotographie, wie das Zerlegen einer Bewegung in Einzelbilder damals hieß, nahm Muybridge in den folgenden Jahren unzählige Sequenzen von Bewegungen aller Art auf, die er in seinem Hauptwerk Animal Locomotion [ ¹] zusammenfasste. Damit legte er den Grundstein für die moderne Analytik schneller Vorgänge.
Etwa zur selben Zeit beschäftigte sich der Engländer Arthur Mason Worthington (1852–1916) mit der »Fluidmechanik«, also dem Verhalten von Flüssigkeiten unter Einwirkung äußerer und innerer Kräfte. Angeregt von einem Schuljungen, der Tintentropfen auf eine mit Ruß beschichtete Glasplatte fallen ließ und damit charakteristische Muster auf der Oberfläche erzeugte [ ²], experimentierte er mit Quecksilber-, Wasser-, Milch- und Alkoholtropfen und versuchte ihre Verformung beim Auftreffen zu dokumentieren. Da ihm zur Beobachtung nur seine bloßen Augen zur Verfügung standen, mit denen ein zerplatzender Tropfen unmöglich analysiert werden konnte, griff Worthington auf einen physiologischen »Trick« zurück. Er benutzte einen elektrischen Funkenüberschlag als Lichtquelle, der den momentanen Zustand des Tropfens auf seiner Netzhaut quasi »einbrannte«, so dass er ihn als Zeichnung zu Papier bringen konnte.
Die Vorrichtung, die Worthington zu diesem Zweck konstruierte, bestand aus zwei Hebeln, die um ihre Querachse drehbar gelagert waren und mit Hilfe eines Gummizugs gespannt wurden. Mittels kleiner Eisenringe an ihren Enden wurden sie von Elektromagneten fixiert. An einem Hebel war ein Uhrenglas befestigt, das die Flüssigkeit enthielt, der andere trug einen waagerechten Ring, auf dem eine Elfenbeinkugel, genannt Timing Sphere, lag. Beide Elektromagneten waren elektrisch in Reihe geschaltet, so dass bei Unterbrechung des Stromkreises beide Hebel gleichzeitig nach oben schnellten. Damit verloren Tropfen und Kugel gleichzeitig den »Boden unter den Füßen« und fielen nach unten. In dem Moment, wenn der Tropfen auftraf und zerplatzte, berührte die Kugel einen Kontakt und löste den Funken aus. Durch eine kleine Veränderung ihrer Fallhöhe konnte der Zündzeitpunkt in Millisekundenschritten verschoben werden. Auf diese zeitraubende Art und Weise gelang es Worthington, den kompletten Vorgang des Zerplatzens in einige Dutzend Einzelbilder aufzulösen und zu dokumentieren [ ³]. Seine Experimente bildeten die Grundlage für verschiedene mathematische Modelle zum Verhalten von Flüssigkeiten, die er in der Folgezeit aufstellte [ ⁴].
Worthingtons Aufbau zum Fotografieren fallender Tropfen
Etwa zwanzig Jahre später wiederholte Worthington – mittlerweile Professor für Physik am Royal Naval Engineering College in Devonport – die Versuche mit dem Ziel, eine vollständige Abfolge des Vorgangs mit Hilfe der inzwischen etablierten Fotografie aufzuzeichnen. Bis auf die Kamera, die die Funktion seiner Augen übernahm, blieb das ursprüngliche Prinzip im Wesentlichen unverändert. Zusammen mit dem Tropfenspender und der Funkenstrecke befand sich die Kamera in einem abgedunkelten Raum, während der Hochspannungsgenerator, die Leydener Flaschen als Energiespeicher und der Zeitgeber im hellen Laboratorium verblieben [ ⁵]. Nach jeder Aufnahme musste die Fotoplatte gewechselt und die Fallhöhe der Kugel angepasst werden, insgesamt ein immer noch aufwendiges Verfahren.
Der Hauptnachteil war aber, dass für jede Aufnahme ein neuer Tropfen erzeugt werden musste. Die Wiederholgenauigkeit dieses Vorgangs ging damit entscheidend in die Vergleichbarkeit der Ergebnisse ein. Dazu kam das nicht exakt reproduzierbare Timing des Funkenüberschlags infolge der schwankenden Spannung der Leydener Flaschen, das sich auf das Ergebnis auswirkte. Trotz dieser Schwierigkeiten gelangen Worthington beeindruckende Sequenzen und seine Experimente stellten einen Meilenstein in der Entwicklung der Kurzzeitfotografie dar. Noch heute werden die beim Eintauchen eines Körpers in eine Flüssigkeit hochschießenden »Fontänen« Worthington Jets genannt.
Übergang zur Moderne
Auf der anderen Seite des Kanals beschäftigte sich zu dieser Zeit der Mediziner und Physiologe Étienne-Jules Marey (1830–1904) an seinem Pariser Institut mit Bewegungsstudien von Menschen, Pferden, Vögeln und Insekten. Marey war beeindruckt von den Möglichkeiten der Fotografie, hielt aber Muybridges »Multikamera«-Technik, besonders bei höheren Geschwindigkeiten, für zu unpräzise. 1881 griff er eine Idee des Astronomen Jules Jansson auf und konstruierte eine Kamera, mit der bis zu zwölf Fotos pro Sekunde aufgenommen werden konnten. Mit diesem Gerät, das eher einem Gewehr als einer Fotokamera glich, gelangen ihm in der Folgezeit Fotos fliegender Vögel und anderer Tiere [ ⁶].
E.J. Marey in seinem Labor in Paris, um 1900
Wenig später verwarf er dieses Prinzip und konstruierte zusammen mit seinem Assistenten Georges Demenÿ (1850–1917) eine Kamera mit feststehender Fotoplatte und zeitgesteuertem Verschluss, mit der mehrere Bilder auf ein und dieselbe Platte belichtet wurden. Bei Motiven, die sich seitwärts bewegten, führte das zu sehr schönen Sequenzen, bei stehenden Motiven lagen jedoch alle Einzelfotos mehr oder weniger übereinander. 1888 änderte Marey seine Technik erneut und ersetzte die Fotoplatte durch einen lichtempfindlichen Papierstreifen, der von einem Elektromagneten periodisch am Objektiv vorbeigezogen wurde. Wenig später tauschte er den Papierstreifen durch den gerade neu auf dem Markt erschienenen Zelluloidfilm aus, mit dem ihm Bewegungsstudien mit 60 Bildern pro Sekunde in hoher Qualität gelangen. Marey gilt damit gemeinhin als Wegbereiter der Kinematografie.
Lucien Bull 1904
Foto: National Media Museum / Science & Society Picture Library
Nach dem Weggang Demenÿs 1894 kam mit dem in Dublin geborenen Lucien Bull (1876–1972) ein neuer Assistent an das Institut Marey. Der handwerklich begabte Bull, der sich besonders für den Insektenflug interessierte, entwickelte eine Kamera, mit der bis zu 54 Doppelbilder in Folge aufgenommen werden konnten. Dazu wurde der Filmstreifen auf eine drehbare Trommel aufgespannt und von einem Elektromotor mit 40 Umdrehungen pro Sekunde an zwei Objektiven vorbeibewegt. Ein heller Funkenblitz, der während einer einzigen Umdrehung der Trommel 54-mal ausgelöst wurde, belichtete den Film.
Mit dieser Kamera, die bereits alle Merkmale moderner Geräte aufwies, gelangen Bull kurz vor Mareys Tod 1904 erstmals stereoskopische Filmaufnahmen der Flügelbewegungen von Insekten mit 1.200 Bildern pro Sekunde. Nur vierzehn Jahre später erreichte er mit einer verbesserten Kamera bereits 50.000 Bilder pro Sekunde.
Trommelkamera von Lucien Bull, ca. 1904
Foto: National Media Museum / Science & Society Picture Library
Bull, der nach Mareys Tod Direktor des Institutes wurde, war einer der innovativsten Erfinder auf dem Gebiet der Hochgeschwindigkeitsfotografie und des »Zeitlupen«-Films. 1948 wurde er zum Präsidenten der Institutes für wissenschaftliche Kinematografie in Paris ernannt. Dort starb er 1972 im Alter von 96 Jahren.
Mit ganz anderen Geschwindigkeiten hatte der österreichische Physiker Ernst Mach (1838–1916) zu kämpfen, der sich an der Universität Prag mit der Erforschung von Stoßwellen befasste, die sich vor überschallschnellen Projektilen aufbauen. Da er in seinem Institut nur auf relativ »langsame« Geschosse zurückgreifen konnte, arbeitete er ab 1886 mit dem Österreicher Peter Salcher (1848–1928) zusammen, zu dieser Zeit Professor für Physik an der k.u.k. Marineakademie Fiume, dem heutigen Rijeka. Salcher hatte Zugriff auf die modernsten Waffen der österreichisch-ungarischen Armee, deren Projektile eine Geschwindigkeit von über 600 m/s erreichten. Unter seiner Federführung wurde zur Erforschung der Stoßwellen die sog. Schlierenfotografie eingesetzt, die einige Jahre vorher von dem deutschen Physiker August Toepler (1836–1912) entwickelt worden war. Salcher hatte bei Toepler studiert und stellte so den idealen Partner für Mach beim Einsatz dieses Verfahrens dar, mit dem kleinste Schwankungen in der optischen Dichte, also der Brechkraft der Luft, sichtbar gemacht werden konnten.
Salchers Anordnung zum Fotografieren von Geschossen mit nahezu doppelter Schallgeschwindigkeit
I: Unterbrechungsstelle
II: Unterbrechungsstelle 2 (Belichtungsfunken)
P: Projektil
F: Leydener Flasche
O: Objektiv
K: Kamera
Die Funkenblitzanlage bestand aus den zwei Unterbrechungsstellen I und II sowie den Leydener Flaschen F als Energiespeicher. Diese wurden auf eine Hochspannung von mehreren Kilovolt aufgeladen, die groß genug für einen spontanen Überschlag an der Stelle II war. Der Abstand der Elektroden an der Unterbrechungsstelle I war größer und verhinderte diese Entladung vorerst. Erst beim Durchflug des metallischen Geschosses verringerte sich der freie Abstand so weit, dass es zum Überschlag kam. Die Unterbrechungsstelle I diente damit als Schaltfunkenstrecke für den eigentlichen Beleuchtungsblitz an der Stelle II. Während der Leuchzeit des Funkens von ca. 1,25 μs bewegte sich das Projektil weniger als einen Millimeter weiter, so dass in der Kamera (K) ausreichend scharfe Fotos belichtet werden konnten. Sie waren lediglich 7 mm groß, reichten aber für den beabsichtigten Zweck aus.
Mit dieser Anordnung gelang es erstmals, überschallschnelle Objekte zu fotografieren. Mit ihren Versuchen legten Mach und Salcher die Grundlagen für die Ballistik und Gasdynamik und damit letztendlich für die moderne Überschalltechnik. Daran erinnert die physikalische Einheit Mach, die das Verhältnis der Geschwindigkeit eines Körpers zur Schallgeschwindigkeit angibt. [ ⁷, ⁸]
Stoßwelle, erzeugt von einem überschallschnellen Geschoss.
Foto: Mach und Salcher, 1888
Der unermüdliche Erfinder
Bei diesen frühen Experimenten wurde ausschließlich der Funkenblitz eingesetzt. Er war die einzig verfügbare Lichtquelle, die kurz genug leuchtete. Das sollte sich erst mit dem Amerikaner Harold E. Edgerton (1903–1990) ändern, der die moderne Highspeed-Fotografie revolutionierte und das 20. Jahrhundert bis in die Fünfzigerjahre derart dominierte, dass von der Zeit vor und nach Edgerton gesprochen werden kann.
»Doc« Edgerton, wie er später genannt wurde, wurde 1903 in Freemont, Nebraska, geboren. Sein Onkel, ein Studiofotograf, weckte sein Interesse an der Fotografie und vermittelte ihm die wichtigsten Grundlagen und Fertigkeiten. Als Schüler arbeitete er in den Sommerferien beim örtlichen Energieversorgungsunternehmen, bevor er zum Studium der Elektrotechnik an die University of Nebraska ging. Nach seinem Abschluss als Bachelor nahm er ein Praktikum bei General Electric in New York an, wo er zum ersten Mal mit großen Elektromotoren in Berührung kam. Ein Jahr später ging er an das renommierte Massachusetts Institute of Technology (MIT) und beschäftigte sich dort mit Generatoren und Synchronmotoren, deren Drehzahl exakt der Frequenz der Versorgungsspannung folgte. Bei Untersuchungen zu Blitzschlägen und deren Auswirkungen auf die Motoren fiel ihm auf, dass die schnell drehenden Läufer der Motoren scheinbar stillzustehen schienen, wenn er sie mit dem Licht von Quecksilberdampfgleichrichtern beleuchtete, das dieselbe Frequenz wie die Motoren besaß. Das technisch einsetzbare Stroboskop war damit geboren.
Harold Eugene Edgerton
Foto: Wisconsin Historical Society
Parallel dazu versuchte Edgerton herauszufinden, inwieweit die Eigenschaften der realen Motoren mit ihren theoretischen Grundlagen übereinstimmten [ ⁹]. Da sich die Differentialgleichungen, die den Motoren zugrunde lagen, nicht explizit lösen