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Das unverschämte Evangelium: Geri Keller
Das unverschämte Evangelium: Geri Keller
Das unverschämte Evangelium: Geri Keller
eBook379 Seiten5 Stunden

Das unverschämte Evangelium: Geri Keller

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Über dieses E-Book

DAS UNVERSCHÄMTE EVANGELIUM – Reden zum Römerbrief

Das Buch ist ein Paukenschlag der Gnade Gottes. Geri Keller hielt diese Predigten über den Römerbrief in den Reithalle-Gottesdiensten in den Jahren 2004–2006. Mit markigen Worten und einprägsamen Bildern malt uns Geri die Unverschämtheit des Evangeliums, die unverdiente Liebe Gottes für uns, unsere Städte und Länder, vor Augen. Die Aussagen des Apostels Paulus in dem vielleicht gewaltigsten Brief, der in der Antike verfasst wurde, fordern uns heute noch heraus. Geri Keller lernte in einer Lebenskrise den Römerbrief auf Griechisch auswendig und er wurde ihm zur Quelle des Lebens. Diese lebensverändernde Kraft des Evangeliums dringt durch alle Poren dieses Predigtbandes hindurch – unbedingt lesenswert!
Nach dem Vaterbuch und dem Predigtband über die Offenbarung ist auch die letzte grosse Predigtserie von Geri Keller in schriftliche Form gefasst und ab diesem Herbst erhältlich. Der Band ist zugleich ein Erbe von Geri, der noch vor seinem Tod miterlebte, wie das Buch Gestalt gewann und den Titel selbst mitbestimmte: «Das unverschämte Evangelium»!
SpracheDeutsch
HerausgeberSchleife Verlag
Erscheinungsdatum1. Nov. 2023
ISBN9783905991901
Das unverschämte Evangelium: Geri Keller
Autor

Geri Keller

Geri Keller war reformierter Pfarrer und zusammen mit seiner Frau Lilo Gründer der Stiftung Schleife. Für unzählige Menschen wurde er zu einem geistlichen Vater. Seine Botschaften öffnen und weiten die Sicht auf Gottes Reich und das Herz des himmlischen Vaters. Geri ist Autor des Bestsellers über Bruder Klaus «Der Name Jesus sei euer Gruss» und weiterer Bücher.

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    Buchvorschau

    Das unverschämte Evangelium - Geri Keller

    Vorwort

    Es war für mich eine Freude und ein Privileg, mit Geri Keller in seinen letzten Lebensmonaten viel Zeit verbringen zu dürfen. Eine Begegnung bleibt mir in besonderer Erinnerung: Geri sass auf dem Sofa und betete innerlich. Ich schloss mich ihm an, schweigend sassen wir uns gegenüber. Ein tiefer Friede legte sich auf uns, eine starke Gegenwart Gottes war im Raum spürbar. «Danke, dass du mit mir geschwiegen hast», meinte Geri und fügte hinzu: «Das Schweigen hat eine Tiefe, die man mit Worten nicht ausdrücken kann.» Letzte Begegnungen können zu inneren Schätzen werden.

    Genauso ist das vorliegende Buch ein Vermächtnis von Geri Keller. Auch hier geht es um viel mehr als nur um Worte, denn der Römerbrief wurde für ihn zu einem Schlüssel und zu einer Quelle des Lebens. In einer existenziellen Krise lernte Geri Keller den Römerbrief auf Griechisch auswendig. Als er zu Kapitel 8 kam, dem grossen Kapitel über die Freiheit des Geistes, erlebte er Gottes Gnade auf eine so tiefe Weise, dass er in seinem Arbeitszimmer vor Freude hüpfte: Mitten in seiner Erschütterung konnte er plötzlich eine Zukunft sehen. Geri entdeckte das «unverschämte Evangelium» Gottes! Diese lebensverändernde Kraft des Evangeliums dringt durch alle Poren dieses Predigtbandes hindurch.

    Die Wirkungsgeschichte des Römerbriefes sucht in der Kirchengeschichte ihresgleichen. Als der Kirchenvater Augustin die Worte «Tolle, lege» («Nimm und lies») hörte, fiel sein erster Blick auf eine Passage in Römer 13, was zu seiner Bekehrung führte. Martin Luther erlebte seinen reformatorischen Durchbruch durch das intensive Studium des Römerbriefes. «Da fühlte ich mich wie ganz und gar neu geboren», schreibt Luther in der berühmten Vorrede zum Römerbrief über sein «Turmerlebnis». John Wesley wiederum hatte sein Schlüsselerlebnis am 24. Mai 1738, als er diese Worte Luthers vernahm.

    Im Jahr 2022 feierten wir das hundertjährige Jubiläum der berühmten zweiten Auflage des Römerbriefes von Karl Barth (1922), welche die Theologie des 20. Jahrhunderts wesentlich prägte. In diesem Zusammenhang reifte in uns die Idee des vorliegenden Projektes. Nach dem Vaterbuch und dem Predigtband über die Offenbarung ist nun auch die letzte grosse Predigtserie von Geri Keller in schriftliche Form gefasst. Ganz im Sinn der reformierten Lectio continua ging er Kapitel für Kapitel durch den ganzen Römerbrief.

    Geri Keller hielt diese Predigten über den Römerbrief in den Reithalle-Gottesdiensten der Jahre 2004–2006. Mit markigen Worten und einprägsamen Bildern malt uns Geri die Unverschämtheit des Evangeliums, die unverdiente Liebe Gottes für uns, unsere Städte und Länder, vor Augen. Das Buch ist ein Paukenschlag der Gnade Gottes. Die Aussagen des Apostels Paulus in dem wohl gewaltigsten Brief, der in der Antike verfasst wurde, fordern uns bis heute heraus.

    Geri Keller erlebte noch, wie die Texte dieses Buches Gestalt gewannen und bestimmte auch den Titel mit: «Das unverschämte Evangelium». Durch seinen Tod am 23. April 2023 wurde dieser Predigtband zu seinem Vermächtnis. Er äusserte den Wunsch, hier im Buch ein paar Fotos der Reithalle in Winterthur einzufügen, damit man sich die damalige Atmosphäre der Reithalle-Gottesdienste besser vorstellen kann. In der Reithalle in Winterthur, dem Ort, den er so sehr liebte, nahmen wir am 23. Mai 2023 auch Abschied von Geri Keller.

    Zwei Fotos der Reithalle von innen bei einem Anlass der Stiftung Schleife in den späten 90er-Jahren (Blick von hinten und von vorne):

    Bild von innen mit Blick von hinten.Bild von innen mit Blick von vorne.

    Die Aussenansicht der gesamten Anlage, wie sie heute aussieht, und ein Foto der Eingangstüre zur «Grossen Reithalle», wo die Reithalle-Gottesdienste stattfanden:

    Bild von der Aussenansicht der gesamten Anlage.Bild von der Eingangstüre zur Grossen Reithalle.

    Wir danken Judith Petri ganz herzlich für die ausserordentliche Arbeit, Geris Predigten anhand der Tonaufzeichnungen zu redigieren und zu kürzen. Während eines Jahres hat sie mit diesen Predigten von Geri Keller gelebt. Inhaltlich haben wir bewusst nichts geändert und die Substanz der Predigten genau so stehen lassen, wie sie damals in der Reithalle gehalten wurden. Wie es gute Predigten an sich haben, nehmen sie Bezug auf das aktuelle Zeitgeschehen. Wo es uns wichtig erschien, erklären Fussnoten genauere Umstände, die zum Verständnis nötig sind. Grundsätzlich folgt Geri dem Bibeltext der Zürcher Übersetzung. Bisweilen hat er den Text aber frei aus dem Griechischen wiedergegeben.

    Geri Kellers Predigten über den Römerbrief, der sein Leben veränderte, gelangen in dieser Form nun posthum als ein geistliches Erbe zu uns. Wir hoffen und beten, dass die Botschaften von Geri in uns nachhallen und der Paukenschlag des unverschämten Evangeliums Gottes auch unsere Herzen erreicht, berührt und verändert.

    Im September 2023, Thomas Bänziger

    Römer 1

    Das Evangelium – Gottes Kraft

    Ich möchte einsteigen in die Auslegung des Römerbriefes, und ich sage bewusst «einsteigen», denn der Römerbrief umfasst 16 Kapitel. Und wenn man so viele weisse Haare hat wie ich, dann kann man nur sagen: So Gott will und wir leben, werden wir vielleicht zu Kapitel 16 kommen! Das gilt übrigens auch in anderer Hinsicht, denn wir wissen ja nicht, wann Jesus wieder zurückkommt. Dann können wir uns alle Auslegung ersparen, weil wir ihn von Angesicht zu Angesicht und damit die lebendige Bibel vor uns haben, denn er ist das Wort Gottes.

    Der Römerbrief gehört zu den gewaltigsten Lehrbriefen des Paulus. Wahrscheinlich ist es der gewaltigste Brief des Altertums überhaupt, denn damals hat man aufgrund der technischen Herausforderungen solche grossen Briefe eigentlich gar nicht schreiben können. Der Römerbrief ist also ein absolutes Unikum und ein Wunder. Der Apostel hat diesen Brief, der vermutlich um das Jahr 56 n. Chr. in Korinth entstanden ist, einem Schreiber diktiert, den er später noch erwähnt. Paulus hielt sich längere Zeit in dieser Stadt auf und übte dort den Beruf eines Zeltmachers aus. Daneben predigte er, heilte Menschen und wirkte in der Seelsorge. Und irgendwann dazwischen diktierte er wohl diesen bedeutenden Brief.

    Die Sehnsucht des Paulus

    Einer wie Paulus hätte jetzt vor einer Gemeinde, die er nicht persönlich kannte, so richtig loslegen können. Er war ja zum Platzen voll mit Visionen, denn er war im dritten Himmel gewesen und konnte sagen: «Ich habe das Evangelium nicht von einem Menschen empfangen, sondern durch eine Offenbarung Jesu Christi» (Galater 1,12).

    Er war gottgelehrt, ein Theologe, doch nicht durchs Studium, auch wenn er die Schriften alle kannte. Er hatte bei Gamaliel, dem berühmtesten Schriftgelehrten seiner Zeit, studiert und war nicht nur des Griechischen mächtig, sondern auch des Lateinischen. Dazu sprach er selbstverständlich perfekt hebräisch, da seine Mutter eine Jüdin war. Sein Vater war Römer, darum besass er auch das römische Bürgerrecht. Paulus war also ein Weltbürger.

    Dieser berühmte Lehrer der Christenheit fängt nun an und sagt: «Mich verlangt, euch zu sehen …» (Vers 11). Oder anders ausgedrückt: «Ich habe Sehnsucht, euch zu sehen …» So menschlich beginnt seine Lehre, denn es geht ihm nicht zuerst um die Lehre, sondern um das Herz Gottes. Einer, der Gott kennt, weiss um diese Sehnsucht, um dieses Verlangen Gottes, uns von Angesicht zu Angesicht zu sehen, Gemeinschaft mit uns zu haben und Wohnung in uns zu nehmen – wie auch wir in ihm. «Mich verlangt, euch zu sehen, damit ich euch eine geistliche Gabe mitteilen kann, um euch zu festigen …» Dann korrigiert sich dieser grosse Lehrer quasi, weil er ja nicht gekommen ist, um vom Katheder herunter zu dozieren, und sagt weiter: «…, um bei euch mit getröstet zu werden durch den gemeinschaftlichen Glauben, euren und meinen.»

    Anschliessend erklärt er, wobei er Gott als Zeugen anruft, dass er schon oft die Absicht gehabt habe, zu ihnen nach Rom zu kommen, doch immer wieder verhindert worden sei. Auch in Apostelgeschichte 19 lesen wir, dass Paulus die feste Absicht hatte, sobald er die Kollekte der griechischen Gemeinden überbracht hatte, sofort nach Rom zu reisen. Natürlich hatte er nicht damit gerechnet, als ein Gefangener des Römischen Reiches in einem Gefangenentransport nach Rom gebracht zu werden. Doch das ist Paulus, der dieses gewaltige Lehrdokument in Kapitel 16 auch mit einer Grussliste schliesst, auf der viele, viele Namen stehen. Und immer wieder taucht dieser eine Begriff auf: «meine Geliebten». Das ist Paulus, dieser Knecht Jesu Christi, der so an Gott gebunden ist, dass er weiss: Er hat nur das weiterzugeben, was im Herzen Gottes lebt.

    Auch Jesus sagte zu seinen Jüngern: «Mich hat herzlich verlangt, dies Passamahl mit euch zu essen, …» (Lukas 22,15). Und: «Ich werde von nun an nicht trinken von dem Gewächs des Weinstocks, bis das Reich Gottes kommt» (Vers 18). Diese Worte beschreiben das Fasten Jesu Christi aus dieser Sehnsucht, aus diesem Verlangen, aus diesem «Getriebensein» heraus, uns wiederzusehen. Sie bringen die Leidenschaft Gottes nach der Gemeinschaft mit dem Menschen zum Ausdruck.

    Der grosse Sänger des Evangeliums

    Darum beginnt der Römerbrief so durch und durch menschlich. Paulus sagt hier mit anderen Worten: «Ich habe Sehnsucht nach euch, denn ich möchte euch gerne etwas mitteilen. Ich möchte, dass ihr gestärkt werdet! Ich bin doch euer Schuldner und will euch, so gut ich kann, mit den Gaben, die Gott mir gegeben hat, dienen. Und ich schäme mich nicht, bei euch in Rom, diesem berühmten Rom, das Evangelium zu predigen!» Paulus ist der grosse Sänger des Evangeliums! Er hat es entdeckt: euangélion, die gute Nachricht, die frohe Kunde, und er ist selber Teil dieser guten Nachricht geworden. Er war ja vorher ein fanatischer Verfolger dieser «Christensekte» gewesen und hatte die Nachfolger Jesu zuhauf ins Gefängnis gebracht. Paulus war schuldig geworden am Blut von Christen, die hingerichtet worden sind, und hatte sie bis nach Damaskus verfolgt. Vom Hohen Rat in Jerusalem liess er sich Freibriefe geben, um diese Sekte überall aufspüren und ausrotten zu können. Geplant war im Grunde der Genozid, der Holocaust dieser Christen. Was als «Unkraut» unter diesem heiligen Volk aufgewachsen war, sollte mit Stumpf und Stiel ausgerottet werden.

    Wir müssen uns bewusst machen: Paulus war einer der Gebildetsten, dem in Diskussionen keiner das Wasser reichen konnte. Er war absolut unschlagbar. Und auf diesen fanatischen Verfolger, der die Christen ausrotten wollte, hatte Gott sein Auge geworfen. Kurz vor Damaskus erreichte er ihn dann; ein Licht brach aus dem Himmel hervor, das heller war als tausend Sonnen. Gott blendete dieses Genie des Altertums, diesen Alleswisser, und der Mann, der von keinem Menschen abhängig war, weil er alles wusste und alles kannte, musste sich nun von seinen Knechten wie ein Blinder an den Händen in die Stadt Damaskus hineinführen lassen. Aus dem Himmel hörte er dann die Stimme: «Saul, Saul, was verfolgst du mich?» Und er fragte: «Herr, wer bist du?» (Apostelgeschichte 9,4–5). Saul wusste genau, dass eine Stimme vom Himmel Gottes Stimme sein musste. Doch diesen Gott kannte er nicht. Er meinte ja, seinem Gott ein wohlgefälliges Opfer darzubringen, indem er die Christensekte ausrotten wollte.

    Nach drei Tagen in seinem Zimmer erlebte er diese tiefe Stunde der Demütigung. Er, der Seher, der Alleswisser, das Genie, befand sich in einer absoluten Dunkelheit. Was sind das für Welten, die er in seinem Geist und seiner Seele durchlitten haben muss! Schliesslich kam jemand in den Raum, ein bescheidener Mann mit Namen Ananias. Vielleicht war er ein Handwerker, vielleicht ein freigelassener Sklave. Wer weiss! Auf jeden Fall sagte Ananias zu ihm: «Bruder Saul, der Herr will dich heilen!» Dieser einfache Mann, der weder bei Gamaliel studiert noch irgendeinen Schimmer von rabbinischer Theologie hatte, legte diesem religiösen Fanatiker, vor dem sie alle zitterten, die Hände auf und erklärte: «Du sollst wieder sehen!» (Vers 17).

    Die Stunde des Evangeliums

    Das ist das wahre Evangelium! Es hat bewirkt, dass Paulus, dieses Genie, auf die Knie ging und dass er später einmal im Römerbrief schrieb: «Haltet euch herunter zu den Niedrigen!» (12,16). Es hat bewirkt, dass dieses Genie einen Sklaven mit Namen Onesimus über Monate in Rom bei sich hatte und ihn zu Gott «hinliebte». Und als er den entlaufenen Sklaven schliesslich zu seinem Herrn zurückschickte, schrieb er diesem: «Ich schicke ihn dir zurück und damit mein eigenes Herz» (Philemon 1,12).

    Paulus hat in diesen drei Tagen der Finsternis – in diesen tiefsten Tiefen, wo er mit all seiner Intelligenz, seiner Frömmigkeit, seinem Wahn, seinem Hochmut Schiffbruch erlitt – erlebt, was das Evangelium ist. Er ist einem Gott begegnet, der sich herunterbeugt; einem Gott, der Mensch wird; einem Gott, der nicht zuerst in den Büchern zu finden ist, sondern einem Gott, der Fleisch wird. Einem Gott mit einem Herzen, einem Gott mit Leidenschaft – nicht einer Intelligenz. Gott ist keine Intelligenzbestie, die solch ein gewaltiges Schöpfungswerk in Gang gesetzt hat, sondern einer, der sich Vater nennt. Einer, der einen Sohn zeugt, damit er mit ihm Gemeinschaft haben kann. Einer, der mit diesem Sohn spielt und mit ihm zusammen das Wunderwerk des Universums ins Leben ruft.

    Das war die Stunde des Evangeliums! Paulus hat eine tiefe Offenbarung erlebt, was das Evangelium ist. Paulus selber ist das Bild des Evangeliums. Denn das Evangelium hat einen Namen und dieser Name ist «Jesus Christus». Beim Lesen der Paulusbriefe spürt man: Wenn der Apostel diesen Namen «Jesus» ausspricht, öffnen sich Welten. Das ist nicht nur einfach ein Name, der dahergesagt wird und in einem Lehrbrief erwähnt wird, sondern das ist Kraft; das ist Unendlichkeit; das ist Schönheit; das ist Gewalt; das ist Weisheit – unauslotbar, unerforschlich.

    Ich glaube, niemand hat so wie Paulus verstanden, was das Evangelium ist. Darum konnte er es auf einen einfachen Nenner bringen. Er sagte: «So viel an mir liegt, bin ich willens, auch euch in Rom, das Evangelium zu predigen» (Vers 15). Das Evangelium predigen heisst, die Türe zum Herzen Gottes aufzustossen. Es ist gewaltig, wie er in seinen Briefen das Evangelium in seiner Höhe und Tiefe, in seiner Breite und Länge malt. Manchmal hat man den Eindruck, wenn Paulus anfängt, davon zu erzählen, dann fängt er an zu rasen. So wie der Statthalter Festus zu ihm sagte: «Paulus, deine Gelehrsamkeit bringt dich zum Wahnsinn» (Apostelgeschichte 26,24). Dann kam quasi ein Rausch über ihn. Dann malte er ein Liebesgemälde von Jesus, diesem Christus, diesem Gesalbten, der ihn vor Damaskus überwunden und in diese Dunkelheit hineingekommen und ihn sehend gemacht hat. Paulus glaubte, sehend zu sein, doch Ananias brachte ihm das innere Licht, die geöffneten Augen des Herzens, mit denen er in diesen Reichtum der Liebe und Gnade Gottes hineinblicken konnte.

    Das Evangelium ist nicht nur einfach «die Butter auf dem Brot». Das Evangelium ist viel mehr. Gnade ist ein wichtiges Stichwort, doch Paulus fügt bewusst hinzu: «In dem Evangelium wird die Gerechtigkeit Gottes offenbart aus Glauben zu Glauben» (Vers 17). Es ist nicht nur die Gnade. Natürlich leben wir aus Gnade. Wie denn sonst? Insbesondere Paulus war das bewusst, der von sich selber sagte, er sei der grösste Sünder von allen und nicht wert, ein Apostel zu heissen, weil er die Christen verfolgt hatte. An seinen Händen war Blut, aber dieses Blut war abgewaschen durch das Blut seines Herrn Jesus Christus.

    Ein Zorn der Liebe

    Evangelium – das sind Räume und Räume. Wir gehen hinein in den Raum der Gnade. Wir gehen hinein in den Raum der Gerechtigkeit. Wir gehen hinein in den Raum der Wahrheit. Wir gehen hinein in den Raum der Heiligkeit. Wir gehen hinein in den Raum der Freude. Wir gehen hinein in den Raum des Friedens. Das ist alles Evangelium! Paulus «strecht» unseren Glauben sozusagen und macht klar, es geht nicht nur um Gnade, auch wenn er später noch darauf zu sprechen kommt. Beim Evangelium geht es auch um eine Offenbarung des Zornes Gottes. Das scheint für uns ein Widerspruch zu sein. Doch jemand, der ein Herz hat, der Leidenschaft hat und dann nicht zornig werden kann, der ist nicht wirklich von Liebe erfüllt. Liebe ist nicht dieses Lächeln. Liebe ist nicht diese Harmoniebedürftigkeit. Das ist wie eine kleine Pfütze im Vergleich zu der Liebe Gottes, die wie ein Ozean ist, wie ein Meer. Und was muss das für eine Liebe gewesen sein, die ein solches Universum geschaffen hat!

    Darum gehört zur Liebe Gottes auch der Zorn. Nur einer, der wirklich liebt, kann auch zornig werden. Ein Vater, der seinen Sohn liebt, oder eine Mutter, die ihre Tochter liebt, wird auch mal zornig werden. Das ist entgegen allem, was in den meisten Erziehungsratgebern und Psychologiebücher steht. Doch hier geht es nicht um einen fleischlichen Zorn, der Kinder schädigt, sondern es geht um einen Zorn der Liebe. Einen Zorn darüber, dass ein Kind sich selber zerstört oder sich hängen lässt und seine Gaben und Fähigkeiten nicht ausschöpft. Das ist Teil der Liebe.

    Paulus erklärt: «Gottes Zorn wird vom Himmel her offenbart über alles gottlose Leben und alle Ungerechtigkeit der Menschen, die die Wahrheit durch Ungerechtigkeit niederhalten» (Vers 18). Und im nächsten Vers fährt er fort zu sagen: «Denn was man von Gott erkennen kann, ist unter ihnen offenbar; denn Gott hat es ihnen offenbart. Denn sein unsichtbares Wesen – das ist seine ewige Kraft und Gottheit – wird seit der Schöpfung der Welt, wenn man es wahrnimmt, ersehen an seinen Werken …» (Verse 18–20).

    Der Mensch gebraucht diese Schöpfung und bedient sich daraus, als wäre er in einem Selbstbedienungsladen und könnte einfach so seinen Einkaufswagen vollpacken. Er tut so, als wäre diese Schöpfung einfach so entstanden. Doch Gott ist es, der dieses Wunderwerk geschaffen hat – auch als Teil seiner Offenbarung an uns Menschen. Die Naturvölker haben die Macht Gottes in der Schöpfung noch gespürt. Wie abgebrüht sind wir dagegen, dass wir an einem Wintertag durch den Schnee gehen und den Raureif an den Bäumen mit diesen wunderschönen Sternen nicht mehr wahrnehmen! Dass wir nicht einfach stillstehen und staunen über Gott, der alles so herrlich geschaffen hat, während wir nicht einmal eine Schneeflocke machen können!

    Gott bringt seinen Zorn zum Ausdruck, indem er mit anderen Worten sagt: «Was sollte ich noch tun, Mensch? Ich habe doch alles für dich gemacht. Ich habe dieses gewaltige Aufgebot eines Universums geschaffen, um dir meine Liebe zu zeigen, um dir mein Herz zu öffnen und dir zu sagen: Mensch, das bist du mir wert! Ich habe Milliarden von Sternen in dieses Universum hineingesetzt, einfach um dich zu erfreuen. Ich habe die Sonne scheinen lassen, ich habe die Jahreszeiten gemacht, um dir immer wieder diesen Reichtum meines Herzens, meiner Leidenschaft zu zeigen. Mensch, was hätte ich noch tun sollen? Wo habe ich gespart? Sogar die Wüste blüht auf wundersame Art und Weise. Was hätte ich noch schaffen sollen?»

    Wenn Gott dahingibt

    «Sie haben keine Entschuldigung», sagt Paulus in Vers 20. Eigentlich kann jeder in diesem Buch der Schöpfung lesen. Und das Interessante ist, dass es oft gerade die genialen Forscher und die genialen Denker sind, die das alles madig machen. Der französische Philosoph René Descartes sagte: «Cogito ergo sum» – «Ich denke, darum bin ich». Woher hat er das Denken? Wer sind wir, dass wir uns so «aufplustern» vor dem Schöpfer, vor diesem gewaltigen Gott? Wer sind wir, dass wir das alles einfach mit Füssen treten?

    Paulus erklärt, der Zorn Gottes richtet sich gegen das Gottlose (Vers 18). Dass wir Gott kennen und ihn doch nicht als Gott ehren. Dass wir das Geschöpf anbeten und nicht den Schöpfer. Die Tragik ist, wenn wir uns von Gott entfernen, von seiner Weisheit, seiner Kraft, seiner Intelligenz, seiner Heiligkeit, seiner Wahrheit, seiner Schönheit, dann pervertiert alles. Paulus beschreibt, dass sie, die glaubten, weise zu sein, töricht wurden in ihrem Sinn. Sie verwandelten die Herrlichkeit eines unsterblichen, ewigen Gottes in einen Abklatsch von sterblichen Menschen, von Vögeln und kriechenden Tieren (Verse 22–23).

    Wenn wir daran denken, dass das Geschöpf Gottes, welches geschaffen ist zum Ebenbild dieses Schöpfers, heute Steine anbetet und versucht, daraus Kraft zu beziehen. Dass wir Bäume umarmen und diese zu unseren Göttern machen. Wir sind auf den Hund gekommen! Wir, die Krone der Schöpfung, Mann und Frau, geschaffen zum Ebenbild Gottes. Wenn wir uns von Gott entfernen, dann geschieht das, was Paulus hier beschreibt: Da verwandeln wir die Wahrheit Gottes in Lüge. Weiter erklärt der Apostel: «Darum hat sie Gott hingegeben in die Unreinheit, dass sie ihre eigenen Leiber miteinander schänden» (Vers 24). «Darum hat er sie hingegeben», sagt er zum zweiten Mal, «ihre Frauen haben den natürlichen Liebesprozess verlassen und sich einer Geschlechtlichkeit zugewandt, die gegen die Natur ist. Desgleichen die Männer, sie haben die Liebe mit der Frau verlassen und sind entbrannt in Begierde zu einander» (Verse 26–27).

    Ich sage hier nichts gegen Schwule und Lesben. Ich möchte, dass das ganz klar ist. Das Evangelium gilt für alle. Gott ist der Vater aller. Aber was wir heute erleben, ist wie eine Lawine. Die Homosexuellenverbände haben einen Sturmlauf durch alle Institutionen gemacht und innerhalb weniger Jahrzehnte ist es ihnen gelungen, bis zur Legislative vorzudringen und Gesetze zu verabschieden – leider auch in unserem Land. Heute klopfen sie an die Schulzimmer, um dort Aufklärung zu betreiben und für die Gleichberechtigung verschiedener Geschlechter zu werben. Heute wird bereits in einigen Ländern für strafbar erklärt, was ich hier predige. Doch ich werde nicht aufhören, davon zu reden. Nicht, weil ich gut sein will, sondern weil es um die Wahrheit Gottes geht. Wir dürfen die Wahrheit Gottes nicht in Lüge verkehren.

    Als Christen betrachten wir Schwule und Lesben oftmals auch aus einem moralischen Blickwinkel. Doch es geht hier nicht um Moral, sondern es sitzt viel tiefer. Paulus schreibt: «Gott hat sie dahingegeben.» Glauben wir, diese Lawine hätte losbrechen und ganze Völker mitreissen, Parlamente mitreissen, Parteien mitreissen, die Kirche mitreissen können, weil man kein anderes Evangelium hat? Das alles ist nur zu erklären, wenn Gott dahingibt. Und er hat damals im Römischen Reich dahingegeben, und er gibt heute wieder dahin. Das ist ein Gericht Gottes! Wenn Gott «die Nase voll hat», dann gibt er dahin. Dann sagt er: «Jetzt macht selber und seht, wohin ihr kommt!» Und da hilft es nicht, mit dem Finger zu zeigen. Da hilft es nicht, dagegen zu wettern und Politiker anzuklagen. Gott hat dahingegeben! Und wenn Gott dahingibt, dann werden wir alle zu Toren. Dann leben wir in einer Lügenwelt, dann ist eins und eins drei, dann ist schwarz weiss und weiss ist schwarz.

    Wenn der Mensch Herr ist und nicht mehr Jesus Christus, dann sehen wir, was geschieht. Wenn die Frau Herr ist über ihren Bauch, wenn der Mann Herr ist über seinen Leib, wenn unser Leib nicht mehr Gott gehört, wenn wir diese Leiber schänden, wenn wir Milliardengewinne machen mit dieser Lust von Leibern, dann gibt Gott dahin, dann gehen die Lawinen vom Himmel nieder. Dabei sind diese Leiber ein Kunstwerk Gottes, geschaffen für diese Zeit, um ein Lobpreis für ihn zu sein. Geschaffen zum Tanzen, geschaffen zur Kreativität, geschaffen zur Anbetung, geschaffen zur Liebe – als ein Ausdruck des Herzens Gottes. Was ist es für ein Wunder, dass wir Menschen Hände und Arme haben, um empfangen zu können! Was ist es für ein Wunder, dass wir Füsse und Beine haben, um uns bewegen zu können! Was ist es für ein Wunder, dass wir eine Seele und ein Herz haben! Was ist es für ein Wunder, dass wir einen Geist haben, um mit unserem Gott kommunizieren zu können! Was ist es für ein Wunder, dass keine zwei Menschen einander gleich sind – nicht einmal die eineiigen Zwillinge! Diese unterschiedlichen Augenfarben, diese unterschiedlichen Haarfarben, diese betörenden Grübchen und Falten… Und dann tun wir Schmiere in diese Grübchen und lassen uns liften für Hunderttausende von Franken. Doch in diesen Grübchen und Falten offenbart sich etwas von der Gewalt und Schönheit unseres Gottes. Halleluja!

    Bedingungslose Liebe

    Ich möchte ganz klar sagen: Wenn Menschen gleichgeschlechtlich veranlagt sind und so fühlen, dann sollen sie wissen, dass es nichts gibt, was zwischen ihnen und ihrem Gott steht. Gott liebt sie bedingungslos. Das ist Evangelium! Gott liebt die Mörder. Gott liebt diejenigen, die abgetrieben haben. Gott liebt die Perversen. Gott liebt die Massenschlächter. Gott liebt sie alle. Sie sind sein Geschöpf. Er hat sie geschaffen. Aber Evangelium heisst auch Kraft Gottes. Und dieselbe Kraft, die diesen Himmel und diese Erde geschaffen hat, ist in dieses Evangelium in Jesus Christus eingepackt. Wenn Jesus in uns lebt, ist eine gewaltige Kraft, eine geballte Energie in uns. Dann kommen das Reich Gottes und seine Ordnungen in uns hinein. Dann öffnen sich Wege, die wir nie für möglich gehalten haben.

    Ich war in meiner Jugend nicht aufgeklärt, das war damals alles «Bahnhof» für mich. Als ich dann mit Menschen zusammengekommen bin, die gleichgeschlechtlich empfunden haben, habe ich es gar nicht gemerkt; erst viel später wurde mir das bewusst. Aber ich erinnere mich mit grosser Achtung an einen Primarlehrer, den ich hatte. Heute weiss ich, dass er schwul gewesen ist. Er mochte mich und hat mich auch mit einer Gruppe von Schülern zu sich nach Hause eingeladen. Doch dieser Lehrer hat genau die Grenzen beachtet. Er hat gewusst, dass er eine Verantwortung hat und Menschen nicht in eine andere Geschlechtlichkeit, in eine andere Empfindung hinein verführen darf.

    Auch heute habe ich Freunde, die gleichgeschlechtlich empfinden, aber die in der Verantwortung vor ihrem Gott leben und aufgrund der Kraft des Blutes und der Liebe Gottes fähig sind, Schritte zu tun. Vielleicht ist untergründig noch eine gewisse Empfindung bei ihnen vorhanden. Vielleicht stehen sie noch auf «dünnem Eis», aber das Eis wird dicker und dicker. Das Evangelium ist eine Kraft. Und wenn Gott in uns lebt, wenn das nicht nur ein paar Glaubenssätze in unserem Kopf sind, dann ist seine Kraft in uns.

    Eine neue Schöpfung

    Die Frage ist: Haben wir Glauben und sagen wir zu Gott: «Du darfst Schöpfer in mir sein! Da ist mein Leben, ich gebe es dir. Und jetzt, Gott, schaffe noch mal neu! Ich will mich jeden Tag füllen lassen mit der Kraft des Geistes!» Es ist eine Lüge, von einer Schöpfungsvariante zu sprechen. Da hat der Mensch die Wahrheit Gottes verdreht. Gott ist die Wahrheit, und diese Wahrheit wird nie verändert. Himmel und Erde können vergehen, aber seine Worte werden nie vergehen. Die Wahrheit Gottes wird nie vergehen. Es nützt jedoch nichts, mit dem Finger auf Menschen zu zeigen. Es nützt nichts, diese Wahrheit zu einer Moral zu machen. Sondern es ist nur die Liebe und es ist nur der Schöpfergott, der überwindet.

    Am Kreuz wurde durch den Schrei Jesu eine neue Schöpfung ausgerufen. Und als Heterosexuelle sind wir nicht besser als diejenigen, die schwul oder lesbisch sind. Auch wir leben nur dadurch, dass wir eine neue Schöpfung sind. Wie sonst wollten wir Ehe leben? Es gibt so viel Heuchelei in christlichen Kreisen, was sogenannte christliche Ehen betrifft. Es gibt so viele versteckte Dreiecksbeziehungen, so viele versteckte seelische Bindungen – sogar in Ältestenkreisen, sogar in Leiterschaftskreisen. Wir alle leben nur durch die Kraft des Evangeliums und durch Jesus, diesen Schöpfergott, in uns.

    Wenn wir Ehe «selber machen» wollen, auch wir heterosexuell Empfindenden, dann ist das wie ein Joch. Ehe kann man nur leben, wenn der Schöpfer in einem ist. Denn der Einzige, der weiss, wie Ehe funktioniert, ist Gott. Er hat sie geschaffen. In unseren ersten Ehejahren haben wir das so erlebt. Lilo und ich sind wie zwei Gäule unter einem schweren Joch gegangen. Wir waren ja auch Pfarrer und Pfarrfrau und mussten der Gemeinde zeigen, was eine

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