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DIE WINDE DER ZARR
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eBook247 Seiten3 Stunden

DIE WINDE DER ZARR

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Über dieses E-Book

Inspiriert von Cecil B. DeMilles Leinwand-Epos Die Zehn Gebote (The Ten Commandments, 1956) schrieb der US-amerikanische Autor Richard L. Tierney (in Deutschland insbesondere bekannt durch seine Robert-E.-Howard-Adaptionen und die gemeinsam mit David C. Smith verfassten Red-Sonja-Romane) den Roman Die Winde der Zarr (The Winds Of Zarr, 1975) und verknüpfte in diesem Text biblische Motive mit Aspekten der Zeitreise sowie mit Elementen aus den Werken Robert E. Howards und H.P. Lovecrafts (hier insbesondere aus dem Cthulhu-Mythos): Tierney interessierte die Story hinter der Story von Die Zehn Gebote, und im Ergebnis ist Die Winde der Zarr eine überaus faszinierende Melange aus Fantasy, Science Fiction und Horror (Lovecraft'scher Prägung).

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Romans, der nun erstmals seit nahezu vierzig Jahren wieder in deutscher Sprache erhältlich ist.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum11. Juni 2018
ISBN9783743865907
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    Buchvorschau

    DIE WINDE DER ZARR - Richard L. Tierney

    Das Buch

    Inspiriert von Cecil B. DeMilles Leinwand-Epos Die Zehn Gebote (The Ten Commandments, 1956) schrieb der US-amerikanische Autor Richard L. Tierney (in Deutschland insbesondere bekannt durch seine Robert-E.-Howard-Adaptionen und die gemeinsam mit David C. Smith verfassten Red-Sonja-Romane) den Roman Die Winde der Zarr (The Winds Of Zarr, 1975) und verknüpfte in diesem Text biblische Motive mit Aspekten der Zeitreise sowie mit Elementen aus den Werken Robert E. Howards und H.P. Lovecrafts (hier insbesondere aus dem Cthulhu-Mythos): Tierney interessierte die Story hinter der Story von Die Zehn Gebote, und im Ergebnis ist Die Winde der Zarr eine überaus faszinierende Melange aus Fantasy, Science Fiction und Horror (Lovecraft'scher Prägung).

    Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Romans, der nun erstmals seit nahezu vierzig Jahren wieder in deutscher Sprache erhältlich ist.

    DIE WINDE DER ZARR

    ERSTES BUCH

    1.

    Dumpfe Trommelschläge dröhnten über die Strände von Khem, über die sich langsam die Dämmerung senkte. Hörner sangen in metallischen Klängen von Schlachten und großen Türmen, die sich standhaft im goldenen Licht des westlichen Horizonts erhoben, wo ein langer Zug von Menschen zwischen spitzen Obelisken und schattigen Palmen einher marschierten. Die Spitzen der Kriegsspeere glänzten wie metallische Feuer, und das Trampeln der Füße schien durch das ganze Tal zu dröhnen, als die Prozession der Straße folgte, die durch die Tore der großen, von starken Mauern umsäumten Stadt führte.

    Als die Kolonne die inneren Wälle, die den Palast umgaben, erreichte, klangen weitere Trompeten auf. Der große Mann in dem Kriegswagen, der die Armee anführte, betrachtete die Menschenmenge, die sich zusammendrängte, um den Siegeszug zu beobachten, mit einem Hauch Arroganz. Angesichts des festlichen Ereignisses benahm sich die Menge seltsam; sie schwieg, anstatt in Jubelrufe auszubrechen, und manche der Beobachter schienen sogar zu seufzen. Der großgewachsene Mann lächelte kurz, doch seine Augen blieben kalt, denn er wusste, was das Trompetenspiel und die Trauerkleidung der Menge zu bedeuten hatten.

    Unter dem Rasseln von Ketten und dem Ächzen schwerer Riegel schwangen die großen, bronzenen Tore unendlich langsam auf. Ohne zu warten, marschierte die gesamte Armee durch die Portale in den Hof hinein. Hinter dem prunkvollen, mit Gold und Elfenbein beschlagenen Kriegswagen des großgewachsenen Mannes rumpelten sechshundert weitere Wagen einher, aus denen die Fahrer und kaltäugige khemitische Bogenschützen mit kühlem Stolz die Menschenmenge betrachteten. Ihnen folgten mehrere tausend Speerträger - die Fußsoldaten von Khem, gekleidet in leichte Rüstungen und von schwarzen Helmen geschützt, versehen mit großen, breiten Schilden, die dann und wann leicht gegen den Erdboden schlugen. Hinter diesen Truppen folgte eine lange Reihe angeketteter oder gefesselter Gefangener; ihre Halsringe und Ketten, mit denen sie aneinandergefesselt waren, rasselten ununterbrochen unter den Peitschenschlägen der Aufseher, die mit harter Nilpferdhaut auf die Sklaven einhieben. Danach kamen schwerfällige hölzerne Wagen, die von Ochsen oder Sklaven gezogen wurden. Ihre großspeichrigen Räder ächzten unter der schweren Beute, die sie zu tragen hatten. Schließlich folgten erneut mehrere tausend Fußsoldaten, die in die verschiedensten Abteilungen unterteilt waren - barbarische Libyer aus dem Westen und staubige Krieger aus den geheimnisvollen Ländern von Kush, das weit im Süden lag, alles Söldner der Armeen von Khem.

    Als die letzten Menschen der langen Prozession die Tore durchschritten hatten, wurden diese unter mächtigem Dröhnen geschlossen; die gesamte Armee hielt wie ein Mann, und das Trompetengeschall verstummte. Nur noch das dumpfe, langgezogene Trommeln, das aus den Ecktürmern erklang, war zu hören.

    Der Mann, der die Prozession anführte, trat nun aus seinem Kriegswagen und stieg mit eindrucksvoller Gebärde die marmornen Stufen des Palastes hoch. Er blickte weder rechts noch links und beachtete keinen der Priester, die, in weiße Roben gekleidet, seinen Weg säumten und deren kahle, mit Öl eingeriebene Schädel wie geschliffene Kristalle im flackernden Licht eines Lagerfeuers glänzten. Dennoch bemerkte er auch ohne einen Seitenblick, dass in ihren Blicken ein neugewonnener Respekt mitschwang. Der Mann lächelte düster, wissend, dass während seiner Abwesenheit alles zum Guten verlaufen war.

    Im Palast angelangt, entspannte sich seine Haltung, und er eilte schnellen Schrittes durch die weitläufigen, mit Marmor ausgekleideten Hallen. Sein langer roter Umhang verursachte ein leises Geräusch auf den polierten Steinplatten. Erneut verbeugten sich weitere Priester vor ihm, als er einen weißen, blumenübersäten Raum betrat, in dem sich ein Teich und mehrere sanft plätschernde Springbrunnen befanden, doch er schenkte ihnen keinen Blick seiner kalten, dunklen Augen. Leichtfüßig stieg er eine weitere Treppe empor und schritt durch einen langgezogenen Gang, der genauso düster und verlassen wie der erste war. Sein Gesicht wirkte nun hart und gespannt, und er war so tief in seine Gedanken versunken, dass er die Anwesenheit eines weiteren Mannes erst bemerkte, als eine tiefe, kühne Stimme plötzlich aus der Dunkelheit eines mit schweren Stoffen verhängten Eingangs zu ihm sprach: »Heil Euch, Pharao! Mir wurde berichtet, dass Euer Zug erfolgreich verlief!«

    Der als Pharao angesprochene Mann sprang hastig zurück und zog sein kurzes, breitschneidiges Schwert halb aus der Scheide, aber beim Anblick der Gestalt, die sich aus dem Schatten schälte, entspannte er sich und ließ das Schwert wieder zurückgleiten.

    »Sethos!«, brummte er und fuhr mit den juwelenberingten Fingern durch sein dickes schwarzes Haar. »Ich hätte Euch beinahe aufgeschlitzt! Identifiziert Euch gefälligst, bevor Ihr aus dunklen Ecken hervorspringt!«

    Sethos lachte mit tiefer, schallender Stimme. Ein wenig Spott schwang in dem dröhnenden Gelächter mit. Er trug nur Sandalen und einen goldbestickten Lendenschurz, der bis auf seine Knie reichte und von einem breiten, mit funkelnden Diamanten besetzten Gürtel gehalten wurde. Augenscheinlich war auch er ein Priester, denn sein Kopf war rasiert  und glänzte vor Ol, doch seine große, athletische Gestalt und die mächtigen Muskeln der Arme, die er über seiner breiten Brust gefaltet hatte, erweckte den Eindruck der Stärke eines Kriegers. Sein Gesicht, aus dem die schwarzen Augen mit seltsamer Gelöstheit starrten, zeugte von dunklem, priestereigenem Zynismus.

    »Ich fürchte Euer Schwert nicht«, gab er zurück und grinste selbstsicher, vielleicht sogar ein wenig arrogant. »Sowie Ihr die Schwerter von Meuchelmördern, die in dunklen Schatten lauern, nicht mehr zu fürchten braucht. Denn Ihr seid nun der Pharao.«

    »Ja, ich weiß. Eure Boten haben mich informiert. Also ist der alte Meren-Ptah wahrhaftig tot.«

    »Genau, wie wir es geplant haben«, erwiderte Sethos. »Hört Ihr nicht die Todestrommeln, die ihn betrauern?«

    »Schweigt!«, warnte der andere und blickte den Gang entlang. »Diese Hallen tragen unser Echo weit.« Er senkte seine Stimme noch mehr und fragte: »Sagt mir - wie ist es geschehen?«

    »Ein Tropfen starken Birnensteingiftes geriet in seinen Wein. Nicht genug, um einem jungen Mann schaden zu können, aber gerade geeignet, das schwache, kranke Herz des Pharao zu peinigen. Er starb auf diese Weise, und seine jungen, gesunden Vorkoster wurden noch nicht einmal krank. Niemand hat Verdacht geschöpft.«

    Der neue Pharao verspürte in seinem Inneren trotz seiner nach außen hin stolzen und unbeteiligten Haltung ein tiefgehendes Erschaudern. Sethos, der Priester, war allzu schlau. Er kannte zu viele Geheimnisse, die durch die dunklen Jahrhunderte hindurch von einem Priester zum anderen weitergegeben worden waren, und sein nekromantisches Wissen schien über alles, was heilig und vernünftig war, hinauszugehen. Nun, Sethos und sein schwarzes Wissen standen auf seiner Seite!

    »Dann wird es niemals jemand erfahren?«

    »Niemals«, bestätigte Sethos. »Meren-Ptah stirbt ohne Erbe - auch dafür hat meine Magie gesorgt. Niemand wird Euch seinen Thron streitig machen. Morgen werdet Ihr mit der Doppelkrone von Khem gekrönt werden - wie es Euer Wunsch war!«

    Die momentane Nachdenklichkeit des neuen Pharaos schwand und wurde durch große Freude ersetzt. »Pharao«, dachte er. »Ich, Ammenmeses, werde Pharao sein, bin es schon jetzt - Gott und Herrscher über Khem und all die von Khem kontrollierten Länder! Morgen werde ich von den Priestern rasiert und in der Halle der Götter gekrönt werden, und alle Männer werden vor mir niederfallen und mich rühmen, mich, Ammenmeses - Pharao!«

    »Und nun - wie wird Euer erster Befehl lauten, Herr der zwei Länder?«, fragte Sethos.

    Ammenmeses verspürte den plötzlichen Argwohn und die Angst, der Priester hätte in seinen Gedanken gelesen. Er überwand seine Verwirrung, überhörte den leichten Spott in Sethos' Frage und gab zurück: »Ich habe von vielen Dingen geträumt. Ich werde eine neue Stadt erbauen, eine Stadt, die größer ist als all jene, die von den alten Pharaos erschaffen wurden, dazu einen Palast, der so schön ist, dass er mit dem Heim der Götter verglichen werden kann. Die Sklaven, die ich von meinem Feldzug mitgebracht habe, werden sich zu denen gesellen, die schon jetzt in den Gruben des östlichen Deltas arbeiten. Ja, dorthin werden sie geschickt werden. Ich werde weitere Aufseher in den Dienst nehmen, um sie unter Kontrolle halten zu können. Und damit die Arbeiten zügig fortschreiten können, werde ich meine Armeen ausschicken, um weitere Länder der Erde zu unterjochen. So wie die großen Pharaonen Thutmoses und Ramses es ebenfalls getan haben! So wie diese großen Herrscher ihre Armeen in die Schlacht geführt haben, werde auch ich die meinen führen. Und ich werde noch mehr Schätze erbeuten, als ich auf diesem Feldzug erbeutet habe - und auch noch mehr Sklaven. Ich werde alle Reiche der Erde' niederwerfen. Die fremden Völker werden meine Sklaven beim Bau meiner neuen Stadt unterstützen. Und ihre Schätze und ihre schönsten Frauen sollen meinen Palast schmücken, den schönsten Palast, den je ein Mann im Angesicht der Götter zu erbauen wagte. Und dann...«

    Ammenmeses verstummte, als er Sethos' Gesichtsausdruck gewahr wurde und bemerkte, dass der Priester sich über seinen Enthusiasmus amüsierte. Vielleicht hielt er seine Pläne für zu hochtrabend? Doch Sethos sagte nur: »Und dann...?«

    »Dann werde ich die königliche Tioseret zur Frau nehmen!«

    »Solange werdet Ihr doch wohl nicht ausharren wollen, um sie zu nehmen!« bellte Sethos und lachte dröhnend. »Bei Seth! Ich dachte, dass Ihr zuerst an sie denken werdet - so, wie Ihr ihr bislang nachgestellt habt!«

    »Natürlich werde ich nicht warten!«, schrie Ammenmeses. Sogar unter seiner dunklen, kupferfarbenen Hautfarbe wurde deutlich, dass der Zorn ihn erhitzte. Als er jedoch das offene Grinsen auf dem Gesicht von Sethos sah, verließ ihn sein Ärger, und er lachte mit dem Priester. In ihrem Gelächter wurde deutlich, wie gefühllos diese beiden Männer waren, denn ihre Augen blieben trotz des Lachens kalt.

    »Dann kommt!«, rief Sethos und schlug Ammenmeses mit seiner breiten Hand auf den Rücken, dass dessen Rüstung klirrte. »Lasst uns die neuen Gefangenen begutachten und die hübschesten Frauen für uns selbst aussuchen. Dann könnt Ihr den Rest in die Steinbrüche schicken, um Eure wunderbare neue Stadt zu erbauen. Oder wohin auch immer sonst!«

    Hager, mit abgezehrten Gesichtern und glasigen Augen, warteten die Sklaven in dem flackernden Flammenschein. Sie schwiegen. Dann rasselten die Ketten, als die Männer und Frauen mit müden Schritten über die marmornen Böden der großen Hallen schlurften. Nur die Stimmen der Wächter waren vernehmbar. Sie trieben die elendigen Menschen mit wilden Flüchen und Schlägen der harten Peitschen auf Schultern und Rücken voran. Aus unzähligen Wunden rann Blut auf den Boden hinab, und ein animalischer Gestank lag über dem ungewaschenen Haufen.

    Der neue Pharao Ammenmeses beobachtete die Sklaven von einem niedrigen Balkon aus; zu seiner Linken stand ein riesenhafter Leibwächter, zu seiner Rechten Sethos, der Priester. Der Pharao trug noch immer seinen glänzenden Helm unter dem linken Arm, und sein Kurzschwert hing noch an seiner Hüfte. Sein falkenähnlicher, arroganter Blick wanderte über die Gefangenen.

    Endlich sprach er. »Dort, die Langhaarige mit den silbernen Kämmen im Haar - ergreift sie!«, befahl er, »Und diese Schlanke neben dem Bärtigen«, sagte er einen Moment später. »Sie auch.« Bei jedem Befehl deutete der braunhäutige Leibwächter mit seinem Speer auf die betreffende Sklavin. Zwei Aufseher ergriffen sie, zogen sie fort, manchmal unter den Schreien des Geliebten oder von Kindern, die ihre eigenen zu sein schienen. Dann und wann widersetzte sich eine Gefangene, und Sethos lächelte düster, als er beobachtete, wie sie von den Aufsehern gebändigt wurde.

    »Seht nur, wie sie sich ihrem Schicksal widersetzen!«, sagte er und kicherte guttural. »Wieso eigentlich? Sind nicht die Betten der Priester und Adligen weicher als die lehmbeschmutzten Böden der Sklavenhütten?« Seine schwarzen, glitzernden Augen musterten die Menge. »Und manche versuchen sich sogar hinter ihren Gefährten zu verstecken - wie diese Lohfarbene dort vorn!«

    Ammenmeses folgte Sethos' ausgestrecktem Zeigefinger mit den Blicken und erspähte einen hellen Flecken.

    »Lohfarben!«, rief er. »Unter diesen dunkelhaarigen Menschen der östlichen Länder? Zweifellos stammt sie aus dem Norden und wurde in einem östlichen Hafen verkauft. Bringt sie her!«

    Zwei Aufseher folgten der Richtung, die Sethos' Zeigefinger andeutete, und zerrten eine blonde, hellhäutige Frau hervor. Sie brachte keinen Schrei über die Lippen, widersetzte sich aber mit solch einer Wut, dass die Wachen schließlich gezwungen waren, sie an den Füßen zu packen und ihr die Hände mit dicken Seilen auf den Rücken zu fesseln. Die Menge schrie leidvoll auf. Manche Rufe des Zorns und Hasses erklangen, aber kein Mann war mutig genug, sich den Speeren der Soldaten, die vor der Balustrade des Pharao postiert waren, zu widersetzen. Als die Aufseher das Mädchen gefesselt hatten, stießen sie sie unsanft die marmornen Stufen zum Balkon hoch, wo Ammenmeses und Sethos standen; sie gab ihren Widerstand auf und blickte ihre neuen Herren aus blauen Augen angstvoll an.

    »Ein selten schöner Besitz«, meinte Sethos und ließ seinen Blick über die knappe Kleidung des Mädchens gleiten, die kaum etwas verbarg. Sie war nicht so groß wie die meisten Frauen des Nordens; ihre Figur entsprach dem Ideal des östlichen Menschen. Trotz ihrer Lumpen und der Schmutzkruste war die Schönheit ihrer schlanken, fremdartigen Gestalt augenscheinlich.

    »Aus welchem Land kommst du, Mädchen?«, fragte Ammenmeses.

    »Sprecht so nicht mit mir - ich bin keine Sklavin!« Obwohl die Stimme des Mädchens zitterte, schwang in ihr ein Stolz mit, der dem des Pharao gleichwertig war, obwohl jede Arroganz fehlte. »Ich bin die Priesterin des Goldenen Tempels der Mitra. Kein Mann darf mich wie eine Sklavin behandeln!«

    »Das mag schon sein«, gab Ammenmeses zur Antwort, »aber ich bin der Pharao und als solcher nicht länger mehr ein Mensch, sondern ein Gott. Und ich habe dir eine Frage gestellt, die du noch nicht beantwortet hast. Daher, Mädchen, sprich rasch! Wo liegt dein Heimatland?«

    »Ich... ich weiß es nicht!«, sagte die Frau.

    »Sie spricht die Wahrheit!«, schrie ein bärtiger, untersetzt gebauter Mann aus der Menge der Gefangenen. »Bestraft sie nicht, oh, großer Herr, denn sie weiß es wirklich nicht...«

    Der Mann verstummte, als ein Wächter ihm die Nilpferdpeitsche durch das Gesicht zog, so dass er neben seinen Gefährten zu Boden sank. Langsam erhob er sich wieder. Seine Augen blitzten, und er riss an der kupfernen Kette. Der Wächter, der ihn zu Boden geschickt hatte, beäugte ihn aufmerksam.

    »Ich habe nicht dir befohlen zu sprechen!«, sagte Ammenmeses, »so wie du mich nicht noch einmal als Herr anreden sollst. Ich bin der Pharao!«

    »Wie Ihr wollt, oh, Pharao!«, stieß der Mann hervor. Augenscheinlich kämpfte er seinen Zorn nieder. »Dennoch bitten wir Euch, unsere Goldene Priesterin nicht zu demütigen. Sie ist der Göttin Mitra geweiht und die Letzte ihrer Rasse.«

    Sethos warf dem Mann einen kalten Blick zu. »Und was ist das für eine Rasse?«

    »Sie ist eine Brythunierin - die letzte dieser geheiligten Rasse und unberührbar, außer für einen Mann ihres eigenen Volkes.«

    »Was für ein Land ist Brythunia?«, fragte Ammenmeses. »Und weshalb ist es mir unbekannt?«

    »Ein altes Land, das schon lange vom Antlitz der Erde verschwunden ist«, erklärte Sethos dem Pharao. Die dunklen Augen des Priesters glühten aufgeregt. »Manche alten Berichte erzählen, dass in einem Land namens Brythunia weißhäutige Menschen mit lohfarbenem Haar lebten - in den Jahren, da Atlantis von den Fluten des Ozeans verschlungen wurde und Khem an den Ufern des Nils entstand.«

    Er wandte sich an den Sprecher der Gefangenen. »Trete vor!«, befahl er.

    Der Sklave gehorchte und schritt zum Fuß der Balustrade. Seine Augen glühten.

    »Ist es wahr«, sagte Sethos langsam, »dass diese Frau von Menschen abstammt, die gelebt haben, als Khem und die östlichen Länder noch nicht geboren waren, und als Länder, die von den Fluten der nördlichen See verschlungen wurden, zu den alten Königreichen gehörten?«

    »Ja, dunkler Priester. Seit unbekannten Zeiten leben die Söhne und Töchter von Brythunia als Hüter der Tempel Mitras in unserer Stadt und bewachen die heiligen Früchte und die unsterblichen Flammen des goldenen Altars. Niemals haben sie sich mit gewöhnlichen Menschen vermischt, und ihre Reinheit ist nur mit jener der Götter vergleichbar.«

    »Bei Ammon! Wo sind dann eure restlichen Priester und Priesterinnen?«

    »Erschlagen!«, schrie der Gefangene, der sich nun ein wenig gehen ließ. »In ihrem eigenen Tempel von Euren blutdürstigen Plünderern erschlagen, die unsere Stadt dem Erdboden gleichgemacht haben. Ihr geheiligtes Blut klagt Euch an, Pharao von Khem! Und solltet Ihr diese Frau antasten, die letzte ihrer Rasse, dann schwöre ich, dass Mitras Fluch...«

    Erneut streckte der Schlag einer Nilpferdpeitsche den Mann zu Boden. Blut spritzte von seinen aufgerissenen Lippen. Doch er schüttelte den Schmerz ab, kam wieder auf die Füße und warf dem Pharao einen düsteren Blick zu.

    »Bist du der Anführer dieses Haufens?«, fragte Ammenmeses. Seine Stimme war ruhig, und doch schwang eine Drohung in ihr mit.

    Das gefesselte Mädchen begann leise zu wimmern.

    »Ich bin Nobol, Kommandant des westlichen Walles. Niemand mit höherem Rang hat überlebt.«

    »Dann wisse, dass du und dein Volk in die Steinbrüche geschickt werdet, um dort mit

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