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Soziologie für die Soziale Arbeit
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eBook499 Seiten4 Stunden

Soziologie für die Soziale Arbeit

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Über dieses E-Book

Soziologie gehört zu den zentralen Bezugswissenschaften der Sozialen Arbeit. Soziologische Theorien liefern Erklärungs- und Reflexionswissen zu sozialer Ungleichheit und gesellschaftlichen Problemfeldern, in denen wichtige Arbeitsgebiete der Sozialen Arbeit verortet sind. Das Lehrbuch stellt für die Soziale Arbeit relevante Theorien der Soziologie zusammen und bezieht diese auf Handlungsfelder und die Praxis der Sozialen Arbeit. Dabei besticht es durch eine stringente und schlüssige Systematik, die es Studierenden erlaubt, auch nur einzelne Kapitel zu lesen und das Buch auf diese Weise in themenspezifischen Seminaren im Rahmen des Studiums zu nutzen.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum11. Jan. 2023
ISBN9783170372443
Soziologie für die Soziale Arbeit

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    Buchvorschau

    Soziologie für die Soziale Arbeit - Andrea Janßen

    Inhalt

    Cover

    Titelei

    Vorwort zur Reihe

    Zu diesem Buch

    Einführung in Soziale Ungleichheiten I: Fragen der Vergesellschaftung und Vergemeinschaftung

    Überblick

    1 Sozialisation und Habitus

    1.1 Strukturfunktionalismus – von Institutionen und Rollen: Talcott Parsons

    1.2 Handlungstheorien – von Interaktionen und Sprache: George Herbert Mead, Peter L. Berger und Thomas Luckmann

    1.3 Theorie der Relationalität – von Inkorporation und Habitus: Pierre Bourdieu

    1.4 Neuere Entwicklungen

    1.5 Erkenntnisse für die Soziale Arbeit

    2 Die Gesellschaft aus der Perspektive der Systemtheorie: Niklas Luhmann

    2.1 Wesentliche Aussagen

    2.2 Neuere Entwicklungen

    2.3 Erkenntnisse für die Soziale Arbeit

    3 Macht und Herrschaft

    3.1 Macht, Disziplin‍(ierung) und Gouvernementalität: Michel Foucault

    3.1.1 Wesentliche Aussagen

    3.1.2 Neuere Entwicklungen

    3.1.3 Erkenntnisse für die Soziale Arbeit

    3.2 Unsichtbare Herrschaft in Form symbolischer Gewalt: Pierre Bourdieu

    3.2.1 Wesentliche Aussagen

    3.2.2 Neuere Entwicklungen

    3.2.3 Erkenntnisse für die Soziale Arbeit

    4 Kapitalismus, Sozialstaat und vergeschlechtlichte Arbeitsteilung

    4.1 Kapitalismus und Sozialstaat – Die Relevanz der Erwerbsarbeit: Karl Marx, Friedrich Engels und Max Weber

    4.2 Vom Fordismus zum Postfordismus

    4.2.1 Fordismus

    4.2.2 Postfordismus

    4.3 Aktuelle Diagnosen des Kapitalismus und des Sozialstaats

    4.3.1 »Der neue Geist des Kapitalismus«: Luc Boltanski und Ève Chiapello

    4.3.2 »Das unternehmerische Selbst« im neoliberalen Kapitalismus: Ulrich Bröckling

    4.3.3 Der aktivierende Sozialstaat im flexiblen Kapitalismus: Stephan Lessenich

    4.4 Kapitalismus und vergeschlechtlichte Arbeitsteilung: Frigga Haug

    4.5 Aktuelle Diagnosen zu Kapitalismus, Sorgearbeit und Familie

    4.5.1 Wandel und Persistenz familialer Lebensformen: Andrea Maihofer

    4.5.2 Doing family – die Entgrenzung von Arbeit und Familie: Karin Jurczyk und Barbara Thiessen; Karin Gottschall und Günter Voss

    4.5.3 Intersektionale Arbeitsteilung und die Krise der Sorgearbeit: Gabriele Winker

    4.6 Erkenntnisse für die Soziale Arbeit

    5 Sozialer Wandel, Modernisierung und Individualisierung

    5.1 Überwindung sozialer Widersprüche als Treiberin sozialen Wandels: Karl Marx und Friedrich Engels

    5.1.1 Wesentliche Aussagen

    5.1.2 Erkenntnisse für die Soziale Arbeit

    5.2 Wandel der Gesellschaft als Bürokratisierung und Fortschreiten der Zweckrationalität mit religiösem Ursprung: Max Weber

    5.2.1 Wesentliche Aussagen

    5.2.2 Erkenntnisse für die Soziale Arbeit

    5.3 Von der Individualisierung und Risikogesellschaft zur reflexiven Modernisierung: Ulrich Beck

    5.3.1 Wesentliche Aussagen

    5.3.2 Erkenntnisse für die Soziale Arbeit

    5.4 Neuere Entwicklungen und Ausblick

    Einführung in Soziale Ungleichheiten II: Fragen zur Konstruktion von Norm und der Abweichung

    Überblick

    6 Armut und Stigmatisierung

    6.1 Armutskonzepte

    6.1.1 Der Ressourcenansatz

    6.1.2 Das Konzept der materiellen Deprivation

    6.1.3 Armut als Mangel an Verwirklichungschancen

    6.2 Armut als Beziehung zur Gesellschaft: Georg Simmel

    6.2.1 Wesentliche Aussagen

    6.2.2 Neuere Entwicklungen

    6.2.3 Erkenntnisse für die Soziale Arbeit

    6.3 Stigmatisierung und Stigmamanagement: Erving Goffman

    6.3.1 Wesentliche Aussagen

    6.3.2 Neuere Entwicklungen

    6.3.3 Erkenntnisse für die Soziale Arbeit

    7 Theorien und theoretische Ansätze zur Integration von Zuwander*innen

    7.1 Vom ›Ausländer‹ zum ›Mensch mit Migrationsgeschichte‹ – Begriffe, Bezeichnungen und deren Bedeutung

    7.2 Vom Konkurrenzkampf zum melting pot: Robert E. Park und die Chicago School

    7.2.1 Wesentliche Aussagen

    7.2.2 Neuere Entwicklungen

    7.2.3 Erkenntnisse für die Soziale Arbeit

    7.3 Eine handlungstheoretische Perspektive – Integration als Assimilation in die Aufnahmegesellschaft: Hartmut Esser

    7.3.1 Wesentliche Aussagen

    7.3.2 Neuere Entwicklungen

    7.3.3 Erkenntnisse für die Soziale Arbeit

    7.4 Szenarien der Assimilation: Alejandro Portes und Rubén G. Rumbaut

    7.4.1 Wesentliche Aussagen

    7.4.2 Neuere Entwicklungen

    7.4.3 Erkenntnisse für die Soziale Arbeit

    7.5 Postmigration – Einmischung und Konflikt als Zeichen erfolgreicher Integration: Erol Yildiz und Naika Foroutan

    7.5.1 Wesentliche Aussagen

    7.5.2 Erkenntnisse für die Soziale Arbeit

    7.6 Postkoloniale Theorien

    7.6.1 Hybride Identitäten: Stuart Hall

    7.6.2 Wer kann für wen sprechen? Gayatri Chakravorty Spivak

    7.6.3 Integration als Gegenstand deutschsprachiger postkolonialer Theorien: María do Mar Castro Varela und Gabriele Dietze

    7.6.4 Erkenntnisse für die Soziale Arbeit

    8 Abweichung und Kriminalität

    8.1 Kriminalität und Abweichung sind vom gesellschaftlichen Kontext abhängig

    8.2 Funktionalistische Gesellschaftstheorie – Abweichung und Kriminalität haben eine gesellschaftliche Funktion: Émile Durkheim

    8.2.1 Wesentliche Aussagen

    8.2.2 Erkenntnisse für die Soziale Arbeit

    8.3 Anomietheorie – Wenn gesellschaftliche Ziele und Normen durch die gegebene Sozialstruktur an Kraft verlieren: Robert M. Merton

    8.3.1 Wesentliche Aussagen

    8.3.2 Erkenntnisse für die Soziale Arbeit

    8.4 Labeling-Ansatz – Kriminalität als gesellschaftliches Produkt eines selektiven Zuschreibungsprozesses: Fritz Sack

    8.4.1 Wesentliche Aussagen

    8.4.2 Erkenntnisse für die Soziale Arbeit

    8.5 Neuere Entwicklungen und Ausblick

    9 Sozialer Raum und Segregation

    9.1 Begriffe, Definitionen und Verständnisse

    9.2 Raumsoziologisches Denken: Georg Simmel

    9.2.1 Wesentliche Aussagen

    9.2.2 Erkenntnisse für die Soziale Arbeit

    9.3 Räumliche Praktiken, Repräsentation von Räumen und Räume der Repräsentation: Henri Lefebvre

    9.3.1 Wesentliche Aussagen

    9.3.2 Erkenntnisse für die Soziale Arbeit

    9.4 Physischer, sozialer und angeeigneter physischer Raum: Pierre Bourdieu

    9.4.1 Wesentliche Aussagen

    9.4.2 Erkenntnisse für die Soziale Arbeit

    9.5 Prozessualer Raumbegriff: Martina Löw

    9.5.1 Wesentliche Aussagen

    9.5.2 Erkenntnisse für die Soziale Arbeit

    9.6 Segregation – Ordnungstheorie des großstädtischen Raums: Robert E. Park

    9.6.1 Wesentliche Aussagen

    9.6.2 Erkenntnisse für die Soziale Arbeit

    9.7 Segregation – Zonentheorie zur Beschreibung städtischer Strukturen: Ernest W. Burgess

    9.7.1 Wesentliche Aussagen

    9.7.2 Erkenntnisse für die Soziale Arbeit

    9.8 Der qualitative Segregationsansatz: Hartmut Häußermann und Walter Siebel

    9.8.1 Wesentliche Aussagen

    9.8.2 Erkenntnisse für die Soziale Arbeit

    9.9 Neuere Entwicklungen und Ausblick

    10 Gender und Heteronormativität

    10.1 Geschlecht und Geschlechterverhältnisse als Themen der Soziologie

    10.1.1 Patriarchat: Das Private ist politisch

    10.1.2 Geschlecht als Strukturkategorie – Öffentlichkeit vs. Privat: Ursula Beer, Karin Gottschall und Regina Becker-Schmidt

    10.1.3 Geschlechtsspezifische Sozialisation – Die Unterscheidung von sex und gender

    10.2 Doing gender – Konstruktionen von Geschlecht: Candace West und Don H. Zimmerman

    10.2.1 Doing gender while doing work: Regine Gildemeister und Angelika Wetterer

    10.2.2 Die soziale Konstruktion von Geschlecht: Stefan Hirschauer

    10.2.3 Die Konstruktion hegemonialer Männlichkeit: Raewyn Connell

    10.3 Queertheorie – Dekonstruktion von Geschlecht und Heteronormativität: Judith Butler

    10.4 Erkenntnisse für die Soziale Arbeit

    Einführung in Soziale Ungleichheiten III: Intersektionalität

    Überblick

    11 Intersektionalität

    11.1 Die Multidimensionalität sozialer Kategorien: Combahee River Collective und Kimberlé Crenshaw

    11.2 Aktuelle Diskurse bezüglich Intersektionalität vor allem im deutschsprachigen Raum

    11.2.1 Die Diskussion um Anzahl und Definition der Ungleichheitskategorien

    11.2.2 Die Diskussion um Identitätskritik, Machtkritik und das Problem der Reifizierung

    11.2.3 Die Diskussion um Überkreuzungen und Verwobenheiten von Kategorien und Ebenen

    11.3 Erkenntnisse für die Soziale Arbeit

    Anhang

    Literatur

    Die Autor*innen

    empty
    Grundwissen Soziale Arbeit

    Herausgegeben von Rudolf Bieker

    Das gesamte Grundwissen der Sozialen Arbeit in einer Reihe: theoretisch fundiert, immer mit Blick auf die Arbeitspraxis, verständlich dargestellt und lernfreundlich gestaltet – für mehr Wissen im Studium und mehr Können im Beruf.

    Eine Übersicht aller lieferbaren und im Buchhandel angekündigten Bände der Reihe finden Sie unter:

    empty

    https://shop.kohlhammer.de/grundwissen-soziale-arbeit

    Andrea Janßen

    Jörg Dittmann

    Monika Götsch

    Soziologie für die Soziale Arbeit

    Verlag W. Kohlhammer

    Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

    Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen und sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.

    Es konnten nicht alle Rechtsinhaber von Abbildungen ermittelt werden. Sollte dem Verlag gegenüber der Nachweis der Rechtsinhaberschaft geführt werden, wird das branchenübliche Honorar nachträglich gezahlt.

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    1. Auflage 2023

    Alle Rechte vorbehalten

    © W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

    Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

    Print:

    ISBN 978-3-17-037242-9

    E-Book-Formate:

    pdf: ISBN 978-3-17-037243-6

    epub: ISBN 978-3-17-037244-3

    Vorwort zur Reihe

    Mit dem so genannten »Bologna-Prozess« galt es neu auszutarieren, welches Wissen Studierende der Sozialen Arbeit benötigen, um trotz erheblich verkürzter Ausbildungszeiten auch weiterhin »berufliche Handlungsfähigkeit« zu erlangen. Die Ergebnisse dieses nicht ganz schmerzfreien Abstimmungs- und Anpassungsprozesses lassen sich heute allerorten in volumigen Handbüchern nachlesen, in denen die neu entwickelten Module detailliert nach Lernzielen, Lehrinhalten, Lehrmethoden und Prüfungsformen beschrieben sind. Eine diskursive Selbstvergewisserung dieses Ausmaßes und dieser Präzision hat es vor Bologna allenfalls im Ausnahmefall gegeben.

    Für Studierende bedeutet die Beschränkung der akademischen Grundausbildung auf sechs Semester, eine annähernd gleich große Stofffülle in deutlich verringerter Lernzeit bewältigen zu müssen. Die Erwartungen an das selbständige Lernen und Vertiefen des Stoffs in den eigenen vier Wänden sind deshalb deutlich gestiegen. Bologna hat das eigene Arbeitszimmer als Lernort gewissermaßen rekultiviert.

    Die Idee zu der Reihe, in der das vorliegende Buch erscheint, ist vor dem Hintergrund dieser bildungspolitisch veränderten Rahmenbedingungen entstanden. Die nach und nach erscheinenden Bände sollen in kompakter Form nicht nur unabdingbares Grundwissen für das Studium der Sozialen Arbeit bereitstellen, sondern sich durch ihre Leserfreundlichkeit auch für das Selbststudium Studierender besonders eignen. Die Autor*innen der Reihe verpflichten sich diesem Ziel auf unterschiedliche Weise: durch die lernzielorientierte Begründung der ausgewählten Inhalte, durch die Begrenzung der Stoffmenge auf ein überschaubares Volumen, durch die Verständlichkeit ihrer Sprache, durch Anschaulichkeit und gezielte Theorie-Praxis-Verknüpfungen, nicht zuletzt aber auch durch lese‍(r)-freundliche Gestaltungselemente wie Schaubilder, Unterlegungen und andere Elemente.

    Prof. Dr. Rudolf Bieker, Köln

    Zu diesem Buch

    Soziale Arbeit knüpft als Profession und Disziplin an das Wissen der Soziologie an und steht im Austausch mit der Soziologie hinsichtlich der Erkenntnisse über das ›Soziale‹. Aus soziologischen Erkenntnissen lässt sich einerseits (Handlungs-)‌Wissen für die Soziale Arbeit ableiten, andererseits können sich Theorien der Sozialen Arbeit auf soziologische Theorien berufen (vgl. z. B. Böhnisch 1994, Grunwald & Thiersch 2011).

    Das für die Soziale Arbeit relevante soziologische Wissen beinhaltet Kenntnisse über gesellschaftliche Vorgänge und Entwicklungen, Theorien, empirische Befunde und deren Deutungen zum sozialen Wandel und zu sozialen Ungleichheiten. Die ab Ende des 19. Jahrhunderts entstandene wissenschaftliche Disziplin der Soziologie hat bis heute eine Vielzahl an Erkenntnissen und Theorien zu diesen Themen hervorgebracht. Die Konzeption eines solchen, vom Umfang sehr begrenzten Bandes bringt vor allem die Herausforderung mit sich, aus einer Vielzahl an Themen, Theorien und dahinterstehenden Personen auszuwählen. Handlungsleitend für die Auswahl der theoretischen Ansätze war die Überlegung, mit welchen übergeordneten Themen sich die Soziologie beschäftigt und hierbei zugleich Anknüpfungspunkte für die Soziale Arbeit bietet. Soziale Ungleichheiten, zunächst verstanden als eine dauerhafte Schlechter- oder Besserstellung von Menschen oder Gruppen in Bezug auf Lebens- und Verwirklichungschancen (vgl. Hradil 2012), bilden einen relevanten, wenn nicht den relevantesten Schwerpunkt sowohl in der Soziologie als auch in der Sozialen Arbeit, so dass die theoretische Beschäftigung mit ihr letztendlich als eine Art roter Faden das ganze Buch durchzieht. Hierzu haben wir drei inhaltliche Schwerpunkte gebildet:

    Zunächst setzen wir uns in »Einführung in Soziale Ungleichheiten I: Fragen der Vergesellschaftung und Vergemeinschaftung« damit auseinander, welche Funktionsweisen Gesellschaften aufweisen, wie und was Gesellschaften zusammenhält und wie Individuen ein Teil von Gesellschaften bzw. zu Gesellschaftsmitgliedern werden.

    In »Einführung in Soziale Ungleichheiten II: Fragen zur Konstruktion von Norm und der Abweichung« beschreiben wir, wie bezüglich der Dimensionen Armut, Migration, Kriminalität, soziale Räume und Geschlecht gesellschaftliche Normen hergestellt werden, indem zugleich das davon ›Abweichende‹ definiert wird.

    Abschließend gehen wir in »Einführung in Soziale Ungleichheiten III: Intersektionalität« der Frage nach, inwieweit soziale Ungleichheiten vielschichtig sind und wie Ungleichheitsdimensionen in ihrer Interdependenz Diskriminierungen und/oder Privilegierungen hervorrufen. Dabei werden jeweils die wesentlichen Aussagen dargelegt und – um den ursprünglichen Geist der Texte und auch die Sprache der theoretischen Vertreter*innen sicht- und erfahrbar zu machen – anhand ausgewählter Zitate illustriert; es wird auf neuere theoretische Entwicklungen hingewiesen und zudem werden Implikationen für die Soziale Arbeit kritisch diskutiert.

    Das Buch ist vor der Corona-Pandemie begonnen und während der Pandemie verzögert fertiggestellt worden. Fragen nach Vergemeinschaftung, nach gesellschaftlicher Solidarität und danach, was die Gesellschaft zusammenhält, stellen sich aktuell bereits in anderem Maße als noch zu Beginn unserer Arbeiten an diesem Band. Auch die Auswirkungen der sich bereits länger anbahnenden Klimakatastrophe verändern den Diskurs um Zugehörigkeiten zu und Verantwortlichkeiten von Gesellschaften. Dies zeigt, wie schnell sich gesellschaftliche (Ungleichheits-)‌Verhältnisse verändern und wie schnell auch vermeintliche Selbstverständlichkeiten in Frage gestellt werden können. Gesellschaftliche Solidarität wird diskursiv anders verhandelt als im Jahr 2019 oder – in Bezug auf die Situation Geflüchteter – als noch im Jahr 2015. Ein aufmerksamer, theoriegeleiteter Blick auf gesellschaftliche Veränderungen und Verschiebungen, z. B. im Hinblick auf Zugehörigkeiten seitens der Soziologie als auch der Sozialen Arbeit, erscheint mehr denn je von Nöten. Der Wert der von uns ausgewählten Theorien liegt nicht darin, dass sie explizit auf die konkreten, historisch spezifischen Veränderungen eingehen, sondern, dass sie eine kritische Reflexion der aktuellen gesellschaftlichen Bedingungen ermöglichen. Wenn die ausgewählten Theorien dazu anregen, nicht nur im Studium und als Sozialarbeitende, sondern grundsätzlich reflexiv auf die neue Gegenwart, ihre Themen, Momente und Ereignisse zu blicken, dann ist ein großes Stück jener Intention der Autor*innen eingelöst, ein solches Buchprojekt an- und umzusetzen. Denn damit erweisen sich die ausgewählten Theorien in besonderer Weise als nachhaltig.

    Ein solches Buch ist nie nur das Werk der Autor*innen, sondern braucht die tatkräftige Unterstützung von Kolleg*innen, Mitarbeitenden und studentischen Hilfskräften. Diese möchten wir an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen und danken insbesondere unserer Lektorin Christin Wegener, die dieses Buch gleich mehrmals geduldig gelesen und korrigiert hat, unserer studentischen Mitarbeiterin Nina Schick, die unermüdlich all den diffizilen ›Kleinkram‹ wie Querverweise und Quellenangaben bearbeitet hat, und nicht zuletzt unseren Kolleg*innen Jeanette Bohr, Helga Christians und André Lohse, die uns mit ihrer fachlichen Expertise beratend zur Seite standen.

    Esslingen und Basel, 31. 08. 2022,

    Andrea Janßen, Monika Götsch, Jörg Dittmann

    Einführung in Soziale Ungleichheiten I: Fragen der Vergesellschaftung und Vergemeinschaftung

    Überblick

    Der Soziologe Max Weber unterscheidet in Bezug auf die Herausbildung, Etablierung und Charakterisierung sozialer Beziehungen zwei Formen: die Vergesellschaftung und die Vergemeinschaftung (Weber 1980 [1921], 21). Unter Vergesellschaftung werden rational begründete Beziehungen, die auf gemeinsamen Interessen beruhen, verstanden. Vergemeinschaftung bedeutet dagegen eine emotionale Bindung, der ein Zugehörigkeitsgefühl zu einer Gruppe zugrunde liegt.

    Mit dieser Unterscheidung lassen sich wichtige Antworten auf Fragen finden, die wir als Schwerpunkt in diesem Teil des Buches herausstellen: Was ist erstens die Funktionsweise sozialer Beziehungen und zweitens, wie gelingt ein Zusammenhalt in Gesellschaften, und drittens, wie wird das Individuum Teil der Gesellschaft? Die erste Frage ist dem Punkt Vergesellschaftung zuzuordnen; die beiden letzteren der Vergemeinschaftung. Antworten auf diese grundlegenden Fragen, die neben Weber bereits andere ›frühe‹ Soziologen wie Georg Simmel oder Emile Durkheim beschäftigt haben, sollen theoretische Überlegungen der unterschiedlichsten Art liefern: Sozialisationstheorien (▶ Kap. 1) beschäftigen sich mit der Eingliederung des Individuums in die Gesellschaft, die Systemtheorie nach Luhmann (▶ Kap. 2) betrachtet die Funktionsweisen moderner und komplexer Gesellschaften. Auch Macht und Herrschaft sind Mittel, um Gesellschaften zusammenzuhalten, und werden in Kapitel 3 exemplarisch vorgestellt. Weitere Schwerpunkte in diesem Teil stellen die Auseinandersetzung mit dem Kapitalismus und der Entwicklung der Arbeitsteilung (▶ Kap. 4) sowie die Frage nach dem gesellschaftlichen Wandel dar (▶ Kap. 5).

    1 Sozialisation und Habitus

    Monika Götsch

    T In diesem Kapitel lernen Sie

    ·

    zentrale Konzepte von Sozialisation kennen,

    ·

    dass und wie Menschen zu Gesellschaftsmitgliedern werden und sich Identität‍(en) herausbilden,

    ·

    dass auch der Körper für die soziale Position von Menschen relevant ist.

    Mit dem Begriff der Sozialisation beschreibt die Soziologie den Prozess, wie Individuen Mitglieder einer Gesellschaft werden und bleiben, wie sie zu gesellschaftlich kompetenten Subjekten bzw. zu mehr oder weniger angepassten Gesellschaftsmitgliedern und zugleich zu einer individuellen Persönlichkeit werden. Gefragt wird danach, inwieweit und wie Subjekte eine individuelle Persönlichkeit ausbilden und inwieweit die Persönlichkeiten der Einzelnen von gesellschaftlichen Bedingungen beeinflusst und abhängig sind. Es geht um das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft, um den Einfluss von Gesellschaft auf die Individuen und umgekehrt um die Einflussmöglichkeiten der Individuen auf die Gesellschaft. Verbunden ist damit die Frage, wie Identität‍(en) hergestellt werden. Identität‍(en) bezeichnet das Verhältnis eines Individuums zu sich selbst und die Identifikation mit einer Gruppe bzw. die Zuschreibung von außen, Mitglied einer bestimmten Gruppe (z. B. Frauen*) zu sein – häufig in Abgrenzung zu (vermeintlich) ›Anderen‹ (z. B. zu Männern*).

    Mit dem Konzept der Sozialisation wird die Annahme einer natur- oder gottgegebenen sozialen Position zurückgewiesen und das gesellschaftlich bedingte Geworden-Sein von Individuen und sozialen Gruppen sowie die Kontingenz (unterschiedliche Wahrnehmbarkeit und Veränderlichkeit) von Gesellschaft betont.

    1.1 Strukturfunktionalismus – von Institutionen und Rollen: Talcott Parsons

    Der US-amerikanische Soziologe Talcott Parsons (1902 – 1979) hebt als Begründer des Strukturfunktionalismus die strukturellen Bedingungen von Sozialisation hervor. Parsons (2012, 1975, 1972) fokussiert, wie sich Gesellschaften bzw. soziale Ordnungen, d. h. Strukturen erhalten, welche generellen Voraussetzungen die Stabilität von sog. ›modernen‹ Gesellschaften bedingen.

    Dies geschieht, indem Gesellschaftsmitglieder durch die Sozialisation vor allem in der Kindheit und Jugend soziale Rollen erlernen.

    Durch Sozialisation werden Menschen zu gesellschaftlich kompetenten Subjekten, die für die Gesellschaft funktionale Rollen erlernt haben und sich durch ihre Rollen der Gesellschaft entsprechend anpassen. Effekte von als gelungen bewerteter Sozialisation sind demnach eine gesellschaftlich akzeptierte und die gesellschaftliche Ordnung erhaltende Rollenübernahme sowie die damit verbundene Akzeptanz gesellschaftlicher Werte und Normen.

    Die Identifikation mit Rollen und Normen benötigt die Einbindung in und Identifikation mit der Gesellschaft. Indem die Rollen normenkonform erlernt werden und entsprechend gehandelt wird, wird die soziale Ordnung erhalten: Jungen* werden männlich* geprägt und übernehmen in der Folge die Rolle männlicher* Schüler* (in Vorbereitung auf die Rollen als Männer*) und verhalten sich entsprechend (bspw. laut, dominant und aggressiv) – ebenso werden Mädchen* weiblich* geprägt und verhalten sich entsprechend (bspw. sozial und empathisch). Damit wird gewährleistet, dass die (Geschlechter-)‌Ordnung zwischen Schülern und Schülerinnen wie auch die Generationen-Ordnung zwischen Schüler*innen und Lehrer*innen oder Eltern erhalten bleiben (Parsons 2012). Parsons vertritt damit die Annahme, dass Rollen determiniert, d. h. vorherbestimmt und nicht oder kaum veränderbar sind. Kritisch ist bezüglich eines solchen Determinismus anzumerken, dass damit gesellschaftlicher Wandel wie bspw. der Wandel und die Ausdifferenzierung von Geschlechterrollen nicht erklärt werden kann. Zugleich kann mit Parsons aber gezeigt werden, dass Gesellschaft und gesellschaftliche Normen relativ träge sind und sich nur sehr langsam verändern.

    Bezugnehmend auf den Behaviorismus und auf Sigmund Freud konzipiert Parsons Sozialisation als Anpassung an gesellschaftliche Erwartungen und Erfordernisse. Der Behaviorismus erklärt menschliches Verhalten als kausal durch Belohnung und Sanktionen konditioniert. Daraus lässt sich nach Parsons das Erlernen von Rollen ableiten. Sigmund Freud gilt als Begründer der Psychoanalyse. Parsons bezieht sich u. a. auf Freuds Überlegungen zum Über-Ich und leitet daraus »die Verinnerlichung von Elementen der normativen Kultur der Gesellschaft« (Parsons 1977, 101) ab, z. B. von Werten und Verhaltensnormen.

    Das Rollenlernen geschieht über Sanktionen von Fehlverhalten und Anerkennung von angemessenem Verhalten. Die erfolgreiche Rollenübernahme wird schließlich als befriedigend erlebt. Erlernt werden die Rollen in den sog. Sozialisationsinstanzen wie der Familie, aber auch in speziell für die Sozialisation geschaffenen Institutionen wie der Schule. Angelehnt an Parsons wird auch heute noch häufig von Sozialisationsinstanzen gesprochen, gemeint sind damit zumeist die Familie (als primäre Sozialisationsinstanz, vgl. Hurrelmann 2002, 127 ff.) sowie Schule, Peers und die Medien.

    1.2 Handlungstheorien – von Interaktionen und Sprache: George Herbert Mead, Peter L. Berger und Thomas Luckmann

    Anders als Parsons rücken George Herbert Mead bezüglich Sozialisation in seiner Theorie des symbolischen Interaktionismus wie auch Peter L. Berger und Thomas Luckmann in Anschluss daran die alltäglichen Handlungen und Interaktionen von Menschen in den Vordergrund. Einen besonderen Stellenwert nimmt dabei die Sprache ein. Demnach wird die Welt von Menschen nicht einfach erkannt und wahrgenommen, sondern interpretiert und mit Bedeutung versehen. Diese Bedeutungen und Interpretationen werden kollektiv geteilt, so dass ein interaktives Verstehen über Sprache möglich wird. Mead wie auch Berger und Luckmann fragen danach, wie Menschen zu einer gemeinsamen ›Sprache‹ und Symbolik und dadurch zu einem entsprechend gemeinsamen Bedeutungs- und Interpretationswissen kommen.

    George Herbert Mead geht in der Folge davon aus, dass Rollenidentitäten in Interaktionen, d. h. interaktiven Handlungen zwischen zwei oder mehreren Menschen entstehen: »Nur während wir handeln sind wir uns unserer selbst bewußt« (Mead 1973, 217). Demnach interpretieren Menschen in sozialen Interaktionen wechselseitig ihr Handeln und beeinflussen es dadurch zugleich, wobei immer auch die angenommene Position der ›Anderen‹, des* Gegenübers mitgedacht wird. Persönlichkeit und Identität bildet sich einerseits darüber aus, dass antizipiert wird, wie die Anderen mich sehen. Mead bezeichnet dies als »Me« und meint damit »das sich selbst als Objekt erfahrende Ich« (ebd., 216). Andererseits gehört zur Identität auch ein impulsives Ich, das »I«, das unabhängig von der Position der ›Anderen‹ ausagiert. Nach Mead beinhaltet Identität immer beides: »Me« und »I«, d. h., Menschen sind immer von gesellschaftlichen Werten und Normen beeinflusst und relativ eigenwillig zugleich.

    Mead versucht damit zu erklären, dass Menschen durch Sozialisation nicht einfach gesellschaftliche Normen übernehmen, sondern auch eigensinnig und (selbst-)‌bewusst mit Normen umgehen.

    Wenn der Fokus von Sozialisation auf die wechselseitig bezogen handelnden Menschen gelenkt wird, dann geht es weniger um die Effekte von Sozialisation (wie bei Parsons), sondern vielmehr um den Prozess der Sozialisation.

    Mead zeigt darüber hinaus auf, wie Sozialisation und Identitätsausbildung in der Kindheit beginnen. Zunächst fangen Kinder mit einfachen Rollenspielen an, die Mead als »play« bezeichnet. In diesen ersten Rollenspielen handeln die Kinder abwechselnd in ihrer eigenen Rolle und in der Rolle einer anderen Person, d. h. vom Standpunkt der* ›Anderen‹ aus, oder wie Mead dies bezeichnet der* »signifikanten Anderen«. In dieser Phase bilden Kinder zunächst ein Gefühl für einzelne* Andere und für sich selbst aus und eignen sich damit ihre Identität und die soziale Welt, die sie unmittelbar umgibt, an, indem sie bspw. den Vater oder die große Schwester spielen. Die Rollenspiele der Kinder werden immer komplexer und die gemeinsam spielende Gruppe verfolgt zugleich ein gemeinsames Ziel. Dies bezeichnet Mead als »game«. Ein Beispiel hierfür wäre das Spielen von Familie, in dem alle beteiligten Kinder eine »organisierte« (Mead 1973, 194) Rolle übernehmen. Notwendig ist hierfür die Fähigkeit, das eigene Verhalten und seine Konsequenzen ebenso wie das Verhalten der verschiedenen im »game« Interagierenden sowie die Konsequenzen ihres Verhaltens und ihrer Interaktionen einschätzen zu können und das eigene Handeln entsprechend abzustimmen. Identität wird dann über dieses Ins-Verhältnis-Setzen der unterschiedlichen Handlungen einer Gruppe, über das »verallgemeinerte Andere« (ebd., 196) hergestellt. Die Herstellung von Identität‍(en) geschieht demnach über den Abgleich der eigenen Haltung mit den Haltungen der Mitmenschen und der gleichzeitigen Integration von gesellschaftlichen Leitideen.

    Anknüpfend an Mead beschreiben Berger und Luckmann (2004 [1966]) in ihrer sozialkonstruktivistischen Theorie, wie durch Sozialisation gesellschaftliche Wirklichkeit hergestellt wird. Grundsätzlich gehen Berger und Luckmann davon aus, dass gesellschaftliche Wirklichkeit, die als objektiv gegeben wahrgenommen wird, permanent in sozialen (insbesondere sprachlichen) Interaktionen hergestellt, reproduziert und modifiziert, d. h. als objektive Wirklichkeit konstruiert und verändert wird. Menschen werden in diese »objektivierte« Wirklichkeit hineingeboren und eignen sich diese Wirklichkeitswahrnehmung und -konstruktion vor allem in der Kindheit an. Berger und Luckmann unterscheiden (wie Mead) zwischen primärer und sekundärer Sozialisation. Die primäre Sozialisation findet in der Kindheit statt und ermöglicht durch enge (familiale) Beziehungen und wechselseitige Identifikationen, ein Mitglied der Gesellschaft zu werden. Dies geschieht, indem das Wissen über die (objektivierte soziale) Welt verinnerlicht und für das Individuum selbstverständlich und sinnhaft wird. Da diese Sozialisationsprozesse fortlaufend und in Interaktionen stattfinden, ist die Wirklichkeit nur vorläufig objektiviert und wirklich, es besteht permanent die Möglichkeit, das Wissen über die soziale Wirklichkeit zu verändern. Das Wissen über die soziale Welt ist kein bewusstes Wissen, sondern internalisiertes, nicht bewusst abrufbares (d. h. implizites) ›Alltagswissen‹ darüber, wie das soziale Miteinander funktioniert, was als normal oder davon abweichend gilt, welches Verhalten als angemessen oder unangemessen wahrgenommen wird und wie Gesellschaft organisiert ist. Dieses Wissen erscheint so selbstverständlich, dass es weder hinterfragt wird noch einer Begründung bedarf. Es wird durch Sozialisation kollektiv gewusst und ermöglicht, dass Menschen ihr eigenes Handeln und das der anderen vermeintlich automatisch und auf ähnliche Weise verstehen und einordnen können.

    Subjekte werden zu kompetenten Gesellschaftsmitgliedern, weil sie das dafür notwendige Wissen internalisiert haben, was zu tun und was zu unterlassen ist, wie Alltagsroutinen bewerkstelligt werden und wie Beziehungen gestaltet werden müssen – und sie reproduzieren (und modifizieren) dies in jeder Interaktion wieder aufs Neue.

    Das gesellschaftlich ›normale‹ Wissen wird über Sprache vermittelt: Sprache ermöglicht die Objektivation (das Objektiv-Machen) der sozialen Welt, das Einordnen von Handlungen und Erfahrungen in dieses Wissen, so dass sie für alle Gesellschaftsmitglieder logisch begründbar erscheinen. »Sprache typisiert die Erfahrungen auch, indem sie erlaubt, sie Kategorien zuzuteilen, mittels deren sie nicht nur für mich, sondern auch für meine Mitmenschen Sinn haben« (Berger & Luckmann 2004 [1980], 41).

    1.3 Theorie der Relationalität – von Inkorporation und Habitus: Pierre Bourdieu

    Pierre Bourdieu (1930 – 2002) war ein französischer Soziologe, der sich in seiner (empirischen) Forschung auf die relative Konstanz von sozialen Ungleichheiten und Machtverhältnissen fokussierte. Er beschreibt vor diesem Hintergrund Sozialisation als Inkorporation eines Lebensstils, als einen Prozess in dem das Soziale bzw. gesellschaftliche Bedingungen und soziale (Macht-)‌Strukturen sich in die Körper der Individuen einlagern (bzw. einverleibt werden) und sich der menschliche Körper entsprechend dieser Bedingungen formt, zeigt und verhält. Bourdieu verweist darauf, dass Menschen körperlich sichtbar sind, mit dem Körper handeln und andere Menschen-Körper und Körper-Handlungen wahrnehmen und bewerten. Der Körper ist folglich auch sozial, er verkörpert das Soziale. Zugleich reproduzieren Körperhandeln oder Körperpraxen die sozialen Strukturen,

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