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Jarlsblut-Saga Der achte Band
Jarlsblut-Saga Der achte Band
Jarlsblut-Saga Der achte Band
eBook351 Seiten5 Stunden

Jarlsblut-Saga Der achte Band

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Über dieses E-Book

Der Kreis hat sich geschlossen, und Jarl Einar ist wieder Herr über die Insel Tautra. Doch der Reichtum der Jarls von Tautra ist verschwunden. So macht sich Einar auf die Suche nach dem Schatz der Inseljarls. Dabei entdeckt er eine Kriegerin aus der Gefolgschaft seiner Schwester Thordis, die als Sklavin auf dem Markt verkauft wird. Einar rettet das Weib, erfährt so von der Zerschlagung der Schildmaiden, und begibt sich im Reich der Dänen, auf die Suche nach seiner Schwester Thordis.
Als der Dänenkönig Horik eine große Flotte aufstellt, um auf der Insel der Angelsachsen zu Heeren, und um die Stadt Londinium zu überfallen, schließt sich Jarl Einar diesem an. Doch ein Sturm auf See trennt die Flotte, und als Einars Schiff die Insel erreicht, erwartet ihn eine Überraschung.
Während der Jarl mit seinen Kriegern in Britannien auf Raubzug weilt, machen sich in Tautra Verschwörer daran, den Jarl zu stürzen. Doch Thorberg, der Schwager Jarl Einars, setzt alles daran, dies zu verhindern.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum14. Aug. 2023
ISBN9783757851316
Jarlsblut-Saga Der achte Band
Autor

Rainer W. Grimm

Rainer W. Grimm wurde 1964 in Gelsenkirchen / Nordrhein -Westfalen, als zweiter Sohn, in eine Bergmannsfamilie geboren und lebt auch heute noch mit seiner Familie und seinen beiden Katzen im längst wieder ergrünten Ruhrgebiet. Mit fünfunddreißig Jahren entdeckte der gelernte Handwerker seine Liebe zur Schriftstellerei. Als unabhängiger Autor veröffentlicht er seitdem seine historischen Geschichten und Romane, die meist von den Wikingern erzählen, sowie auch Science-Fiction Romane und die Krimis von Hauptkommissar Johnny Thom.

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    Buchvorschau

    Jarlsblut-Saga Der achte Band - Rainer W. Grimm

    1. DAS NEUE TAUTRA

    Es war das Geschrei des Säuglings, welches dafür gesorgt hatte, dass Jarl ¹ Einar sein bequemes Schlaflager verlassen, und sich einen Schlafplatz im Freien gesucht hatte. So lag er nun auf einem grasbewachsenen Hügel hinter dem Jarlshaus, und sah zum Himmel hinauf.

    Irgendwo dort oben muss Asgard² sein, dachte er. Nun hatte er zwar seine Ruhe, konnte aber trotzdem nicht schlafen. Es war der achte Vollmond des Jahres 835 n. Chr. und seit etwas mehr als einem vollen Mond, war Einar nun wieder der Jarl von Tautra, jener kleinen Insel im großen Ladefjord³.

    Noch war gar nicht so viel Zeit vergangen, seit er Andur, die Königin des Trøndelag⁴ und geliebte Gemahlin des Ladekönigs Grjotgard⁵ aus den Händen Borkells des Schwarzen gerettet hatte. Der König hatte sich mit seinem einstigen Hauptmann Borkell zerstritten, und dieser hatte ihm Rache geschworen. Da stahl Borkell zwei Schiffe des Königs, und ging im Fjord auf Raubfahrt. Doch die Überfälle auf die Händler im großen Fjord, hatten dem Wikinger Borkell nicht gereicht. Und so hatte er die Königin in seine Gewalt gebracht, um von Grjotgard ein Lösegeld zu erpressen. Königin Andur aber war dem Einar immer eine treue Freundin gewesen, und der Borkell war sein erklärter Erzfeind. Darum gab es für den Jarl keine andere Wahl, als die Jagd auf den einstigen Hauptmann zu eröffnen. Einar Thordsson hatte sich geschworen die Fehde mit dem König endlich zu beenden, denn einst war er mit dem Grjotgard in Freundschaft verbunden. Und die Rettung der Andur sollte dazu beitragen, wenn die Götter von Asgard ihm dabei ihr großes Heil schenken würden.

    Bald darauf hatte er Königin Andur dem Wikinger Borkell tatsächlich entrissen, und diesen in das Totenreich geschickt. Und die gerettete Königin hatten sie zu ihrem Gemahl zurückgebracht. Zum Dank dafür, hatte der König der Trøndner⁶ dem einstigen Feind sein altes Lehen auf Tautra angeboten. Grjotgard versprach dem Jarl, dass die Fehde nun endgültig beendet sei.

    Die Nornen⁷ spannen weiter an Einars Schicksal, wie sie es schon lange Taten. Und sie schienen Gefallen daran zu finden, seinem Leben immer wieder eine neue Wendung zu geben. Denn hatte er den Zwist mit König Grjotgard endlich beigelegt, war in seinem zuhause im Süden nun der Streit mit König Ragnar⁸ von Ranrike⁹ entfacht. Dieser war immer noch Einars Lehensherr, und er war ihm zu Gehorsam verpflichtet. Doch statt diesem auf einen Raubzug nach Britannien zu folgen, wie er es versprochen hatte, hatte sich Jarl Einar in das Trøndelag, hoch im Norden von Norwegen begeben, und der Königin Andur beizustehen. Und Ragnar Sigurdsson zeigte sich wegen des Treuebruchs äußerst erbost. Da kam es, dass sich Einar von König Ragnar freisprach, und sein Dorf Askby in dem Gau Ranrike aufgab, um zurück nach Tautra zu segeln. Nur wenige aus Einars Gefolgschaft blieben im Süden zurück, denn bei ihnen war der Hass auf König Grjotgard größer, als der auf König Ragnar.

    Jetzt war mehr als ein voller Mond vergangen, und Einar war wieder der Jarl in Sørhamna, der Siedlung auf der Südinsel von Tautra. Er war heimgekehrt, auf die Insel seiner Jugend. Alles war gut!

    Der König in der großen Siedlung Lade¹⁰ hatte ihm, auf Drängen der Königin, für dieses Jahr die Steuern erlassen, damit er die Insel wieder zu ihrer einstigen Größe zurückführen konnte. Viele der Menschen, die er aus Ranrike mitgebracht hatte, waren auf die Nordinsel gegangen, und hatten dort dem Dorf Nordbuktavik neues Leben eingehaucht.

    So wie seine Ziehschwester Ferun und ihr Gemahl Thorberg. Diese hatten wieder ihr altes Haus bezogen, welches sie vor zwei Wintern verlassen hatten, um Einar in den Süden zu folgen. Und auch andere hatten leerstehende Häuser zu ihrem Eigentum erklärt. Auch vier neue Höfe waren auf der Insel entstanden, was Einar gefreut hatte.

    Bereits in kürzester Zeit zeigte sich, dass sich etwas geändert hatte. Die Worte, die Einar als neuer Jarl an sein Gefolge gerichtet hatte, hatten Gehör gefunden und die Euphorie des Neuanfangs in der alten Heimat war groß. Schon wenige Tage nach dem Einars Schnigge¹¹ mit dem Namen Wellenwolf aus Lade zurückgekommen war, und im Hafen von Sørhamna festgemacht hatte, rief der Jarl die Bewohner der Insel auf dem Platz vor der großen Jarlshalle zusammen. Und er hatte sie darauf eingeschworen, dass die Zeit unter Jarl Thorsti der Vergangenheit angehörte. Alle wussten was dies bedeutete! Die meisten begrüßten es, doch es gab auch Zweifler, die von Thorstis Art zu regieren profitiert hatten. Sie unterdrückten die Schwächeren und bereicherten sich an ihnen.

    Thorsti, den man den Schönling genannt hatte, war ein schwacher Anführer gewesen. Unter ihm hatte sich die Insel zum Schlechten gewandelt. Doch nun würde sich das wieder ändern! Dies hofften die meisten Bewohner der Insel.

    „Die Götter haben bestimmt, dass ich nach Tautra zurückkehren sollte. Und nun bin ich wieder hier!" So hatte er begonnen, und viele auf dem Platz jubelten ihm zu, aber nicht alle. „Ich werde Tautra zu neuem Reichtum führen.

    Und keiner wird im Winter Hunger leiden müssen." Er sah von einem zum anderen. „Wir werden die Vorratshäuser füllen, bevor der erste Schnee kommt. Jeder wird seinen Teil abgeben. „Er zeigte auf Raban, den Mann, der als sächsischer Sklave zu den Kriegern des Jarls gestoßen war.

    Der kahlköpfige Raban war groß und durchaus muskulös.

    Er beherrschte die Sprache der Nordleute, als spreche er diese seit seiner Geburt. Und er hatte mehr als einmal bewiesen, dass er dem Jarl mit dem roten Auge treu ergeben war. „Raban hier, wird dafür Sorge tragen, dass sich das Vorratshaus fühlt, und dass jeder seinen Teil dazu beiträgt."

    Der Sachse nickte zustimmend.

    „Du bist kaum angekommen, da willst du uns schon ausnehmen?, rief ein Mann erbost. Einar Blutauge sah den Mann mit freundlichem Blick an, und hielt auch Raban zurück, der bereits die Treppen des Langhauses hinunterwollte. „Wie ist dein Name?, fragte Einar den Rufer. „Ich bin Siegmar, der Fischer!"

    „Ja, du hast ein Haus an der Südküste des Sees, erkannte Einar den Mann. „Du bist der Sohn von Fiskefelle Sven! Ich kannte dich schon als wir noch junge Burschen waren, und ich mit meinem Vater Thord zum Fischen auf den See fuhr.

    Da nickte Siegmar. „Ja, so ist es, Jarl Einar. Und doch willst du uns unseres Fanges berauben?"

    „Der Winter wird kommen, und es muss genügend Vorrat für alle angeschafft werden, sprach Einar eindringlich, und hoffte auf Verständnis. „Eure Abgaben werden neu geregelt, denn im nächsten Jahr wird auch König Grjotgard seine Steuern von uns verlangen. Doch in diesem Winter heißt es alle Inselbewohner zu versorgen. Siegmar verstand, was dies bedeutete. Sie sollten die Neuankömmlinge durch den Winter füttern, und dies gefiel ihm ganz und gar nicht. Nun ergriff Raban das Wort, und er sollte die Gedanken des Fischers sofort bestätigen. „Jeder wird seinen Teil abgeben müssen, denn die Leute aus Ranrike kamen mit leeren Händen nach Tautra zurück. Dein getrockneter Fisch wird eingelagert, genau wie der Anteil der anderen Fischer. Wie das Fleisch der Jäger, wie das Schweinefleisch der Viehzüchter und dass Korn der Bauern. Verstehst du das Fiskefelle Siegmar?"

    „Warum soll ich die Ranriker durch den Winter füttern?, blieb der Siegmar stur. Da wurde Raban nun lauter, und seine Stimme veränderte sich. Er musste sich wirklich zusammenreißen, denn er war durchaus in Versuchung diesen Fischer ordentlich durchzuprügeln. Doch Einar hielt ihn zurück. „Der Fiskefelle Hof wird seinen Teil geben, Siegmar, und niemand auf Tautra wird Hunger leiden. Du nicht, so wie deine Familie. Und auch nicht die Ranriker, wie du uns nennst. Das ist mein Befehl! Beleidigt wandte sich Siegmar ab, und verließ schnellen Schrittes den Platz. Der größte Teil der Bevölkerung zeigte sich mit dem Vorhaben des Jarls einverstanden. In den letzten Wintern hatten sie oft Tote beklagen müssen. Meist Alte die in ihren Hütten verhungert oder erfroren waren, oder die Kinder und Neugeborenen. Und dieser Jarl wollte, dass so etwas nicht mehr geschah.

    Raban sorgte dafür, dass die alten Vorratshäuser, die noch aus den Zeiten Jarl Einars stammten, wiederaufgebaut wurden. Und er begann damit, diese zu füllen. Bei einigen Bauern und Fischern kam es zu Handgreiflichkeiten. Doch der Sachse und seine Männer waren durchaus in der Lage, diese schnell zu beenden.

    Seit diesem Tag hatten die Bewohner der Insel Hand in Hand gearbeitet. Sie hatten Häuser wiederhergerichtet oder neu aufgebaut. Und die Gefolgschaft, die mit Einar nach Tautra gekommen war, hatte den Bauern, Fischern und Viehzüchtern bei der Arbeit geholfen. Denn noch hatten sie keine eigenen Felder oder Viehbestände die ihre Zeit und Arbeitskraft benötigten. Und jetzt, nachdem mehr als ein voller Mond vergangen war, zeigte sich bereits, dass der Zusammenhalt den Einar befohlen hatte, tatsächlich Früchte trug.

    *

    Langsam senkten sich nun die Augenlieder, und das Glitzern der Sterne begann zu verblassen. Da spürte Einar eine Berührung. Er öffnete die Augen, wollte zum Messer greifen, und erkannte das schöne Gesicht der Ilva. „Mein Bett ist so leer, flüsterte sie traurig, und legte sich neben den Mann in das hohe Gras. „Der kleine Thord schläft jetzt bei der Sif, so wie Thorvi und Ulf auch. Wir könnten wieder ins Haus zurück. Da winkte Einar ab.

    „Oh nein! Es ist doch angenehm warm hier, und nicht so stickig wie in der Kammer. Ilva legte ihren Kopf auf Einars Brust ab. „Schau dir nur diesen Himmel an. Sieh nur, wie die Sterne glitzern und funkeln. Er zeigte in den dunklen Nachthimmel. „Ob uns die Götter von dort oben beobachten?", fragte er, und Ilva zuckte mit den Schultern.

    „Bestimmt!"

    „Ob auch wir eines Tages von dort auf Midgard¹² herabschauen?"

    „Das weiß ich ni…" Mehr sagte Ilva nicht, und nur ein leises Schnarchen drang an Einars Ohren. Er lächelte zufrieden.

    Es war wirklich sehr warm in dieser Nacht, und daher war die Unruhe des Säuglings nicht verwunderlich. Aber nun war es die obodritische Sklavin Sif, die schon so lange zum Hausstand des Einar gehörte, die sich liebevoll um die Kinder kümmerte. Und so schloss der Jarl seine Augen, und seinen Arm um sein Weib, und bald darauf schlief auch er ein.

    Der achte Monat neigte sich dem Ende zu, und der Jarl rief seine Gefolgschaft in die große Methalle. Denn an jedem Monatsende, wenn der Mond seine volle Rundung erreichte, ließ er sich bei einem kleinen Thing¹³ von ihnen berichten.

    Vom Fortschritt der Arbeiten an den Gebäuden. Von der Arbeit auf den Feldern, denn es war nun die Zeit der Ernte¹⁴ gekommen. Und auch die unangenehmen Dinge kamen nun zur Sprache. Streitigkeiten unter Nachbarn, Ehestreitereien, Diebstahl und auch schwere Verbrechen, die man ihm vorher angezeigt hatte. Diese waren auf Tautra unter Jarl Thorsti gar nicht selten gewesen. Denn als der Schönling und sein Weib Alwara noch das herrschende Paar auf Tautra waren, störte sie die Verrohung ihrer Gefolgschaft wenig.

    Dies sollte nun unter Jarl Einar wieder anders werden. Aber es gab Männer, die das Leben unter Thorsti und seinem Weib, der Base des Königs, gar nicht so schlecht fanden.

    Männer die ihren Willen durchzusetzen wussten. Auf die eine oder andere Art.

    Es war der Abend des ersten Odinstages nach dem Vollmond, an dem Jarl Einar die Gefolgschaft in die Jarlshalle von Sørhamna rief. Und die Menschen kamen zahlreich. Schließlich war es das zweite Zusammentreffen seit der Ankunft der Ranriker, wie die Ankömmlinge aus dem Süden, zum Ärger des Jarls, immer noch genannt wurden. Und bei der ersten Versammlung hatte noch nicht viel stattgefunden. Nun aber, war mehr als ein voller Mond vergangen. Es hatte einige Vorfälle gegeben, die besonders die Ranriker betrafen.

    Auf dem Podest stand der Hochstuhl des Jarls, und daneben der der Jarlsgattin. Und seitlich davon standen die Stühle des Rates. Auf diesen Stühlen nahmen der große, blonde Olaf, Kjelt, der Steuermann des Wellenwolfes, und Ubbe ihre Plätze ein. Dazu kamen noch Thoke, der Zimmermann und der einstige Sklave Raban. Ein Stuhl blieb leer, denn auf diesem hatte zuvor Ilva gesessen. Doch diese war nun, nach dem Tode der einstigen Jarlsgattin Alma, die erste und einzige Gemahlin Einars. Und ihr gebührte der Hochstuhl an der Seite des Jarls.

    Alle Plätze an den Tischen waren besetzt, und so standen die vielen Besucher an den Wänden, um dem Geschehen beizuwohnen. Von der ganzen Insel waren sie gekommen.

    Die Fischer von den Küsten und vom großen See in der Mitte der Insel. Die Bauern, die ihre Höfe über der ganzen Insel verteilt hatten, und auch die Bewohner von Nordbuktavik waren über die lange, schmale Landbrücke nach Sørhamna gekommen. Allen voran Thorberg, der der Schwager des Jarls war. Er wurde begleitet von Ferun, seinem Weib, die die Tochter des alten Jarls Oyvind war, der Einar vor so langer Zeit adoptiert hatte.

    Natürlich kam auch sein Schwager Hrani, welcher der Bruder der Ferun war, und als Knecht im Haus Thorbergs lebte. Liebend gern wäre Thorberg diesen losgeworden, doch fühlte Hrani sich im Haushalt seiner Schwester doch recht wohl. An der Hand der Ferun ging die kleine Hrana, welche nun schon fünf Winter zählte. Sie war ein hübsches Kind, mit langem, braunem, zu Zöpfen geflochtenem Haar.

    So wie es ihre Mutter Ferun auch gerne trug. Und an deren Seite lief der große Hund Freki, den Thorberg nach einem von Odins Wölfen benannt hatte. Diesen mochte Jarl Einar besonders, und daher war seine Freude groß, als seine Gesippen in sein Haus traten. Anders als in Askby, wo der Jarl in der großen Jarlshalle lebte, gab es in Sørhamna ein Jarlshaus. Hier hatte einmal Ulla gelebt, die Gemahlin des einstigen Jarls Oyvind, und eine der Ziehmütter Einars.

    Doch die Mutter der Ferun und des Hrani hatte im letzten Winter Midgard verlassen, und war dem alten Oyvind gefolgt. Ihr hatten es die Götter nicht vergönnt, die Rückkehr in die Heimat zu erleben.

    Nun am Abend waren auch der Jarl und seine Gesippen in die große Methalle gegangen. Die Kinder ließen sie wie immer in der Obhut der Sklaven Sif und Polk.

    Begleitet von sechs Kriegern seiner Leibwache, betraten der Jarl und seine Gemahlin die Halle. Erhellt vom Schein der vielen Kerzen auf den Tischen, von den Fackeln in den eisernen Haltern an den dicken Stützen, die das Dach trugen, und nicht zuletzt vom Feuer in der länglichen Feuerstelle, begrüßte sie ein wärmendes Licht. Ein lautes Stimmengewirr schallte ihnen entgegen, und ließ auch nicht nach, als der Jarl den breiten Gang zum Podest entlangging.

    Thorberg und sein Weib, sowie Hrani begaben sich an einen der Tische, die den Gesippen des Jarls vorbehalten waren.

    Einar und Ilva traten durch den Mittelgang, vorbei an der großen Feuerstelle, hinauf auf das Podest. Auch dort stand eine eherne Feuerschale in der die Holzscheite brannten.

    Ilva nahm auf ihrem Stuhl platz. Einar blieb jedoch stehen!

    Es schien, als wollte man den Jarl nicht beachten, denn es war immer noch laut in der Halle. Da trat der Krieger Rotger an eine der Säulen, an der ein Signalhorn hing. Er griff nach dem Horn, und blies kräftig hinein. Jetzt endlich verstummten die Stimmen. Einar sah den Krieger an, und nickte dankend. Dann grüßte er die Anwesenden, zeigte auf den leeren Stuhl, und sprach: „Meinem Rat fehlt eine Stimme, wie ihr sehen könnt. Diesen Stuhl will ich heute besetzen, und einen aus euren Reihen benennen, der mir mit seinem Rat zur Seite stehen soll." Es wurde unruhig in der Halle. Einige jubelten, andere sprachen nur miteinander. Da trat ein Mann in den Vordergrund. Dieser war Einar unbekannt, obwohl er eigentlich die meisten Bewohner der Insel schon seit langer Zeit kannte.

    Er schätzte den Fremden auf mehr als dreißig Winter. Sein blondes Haar war knapp über den Ohren abgeschnitten, und sein Kinn war glattrasiert. Dafür trug er einen buschigen Schnauzbart. Der Jarl nickte dem Mann zu.

    „Sei mir gegrüßt, Jarl Einar Blutauge, sagte dieser. „Ich bin Röde. Mein Hof liegt am Westufer der Nordbucht. Ich glaube, ein Bauer wäre genau der richtige Mann, und darum biete ich mich für deinen Rat an. Da trat Einar langsam die drei Stufen des Podestes herab. Er musterte den Mann, der etwas größer war, als der Jarl. „Ich kenne dich nicht, Röde.

    Warum sollte ich ausgerechnet deinen Rat annehmen?"

    „Es gibt viele Bauern, Fischer und Handwerker auf Tautra.

    Glaubst du nicht, diesen steht eine Stimme in deinem Rat zu?, sagte der Mann frech. Da wurde es unruhig in der Halle. Einige stimmten dem Bauern Röde zu, andere aber waren erzürnt, und maulten und beschimpften ihn. Jarl Einar sah sein Weib fragend an, denn er verstand diese Reaktion der Einwohner nicht. Er trat zurück auf das Podest. „Was, bei Lokis pickeligem Arsch, geht hier vor sich?, rief er erzürnt. Da erhob sich Rotger von der Bank, auf der er gesessen hatte. Langsam trat er durch die Menge derer, die sich nun vor dem Röde drängten. Er ging zu dem Podest, und winkte den Jarl heran. Rotger war einmal einer von Jarl Thorstis Kriegern, doch er war auch einer derjenigen, die Thorsti nach Helheim¹⁵ geschickt hatten. Dieser hatte ihnen den Befehl erteilt, gegen die Ankömmlinge aus Ranrike vorzugehen. Doch viele seiner Krieger hatten Gesippen unter den Heimkehrern, und so wandten sie sich gegen den Jarl, der einst einer von Einars Gefährten gewesen war. Jarl Einar trat heran, und beugte sich dem Rotger entgegen.

    „Mein Jarl, du solltest einiges wissen, bevor du dir eine Laus in den Pelz setzt, sprach Rotger ernst. Verwundert, aber doch interessiert sah Einar den dunkelblonden Krieger an. „Röde ist einer von Borkells Männern, begann er, während in seinem Rücken die Gefolgschaft immer lauter stritt. „Er hat sich von Borkell losgesagt, weil ihm Thorsti Land anbot. Der Schönling brauchte Krieger, und Röde nahm das Angebot an."

    „Und da hat Röde den Borkell verlassen?", fragte Einar, und Rotger nickte. „Er war einer der wenigen, die sich gegen uns stellten, als wir Jarl Thorsti nach Nàströnd¹⁶ schickten. Doch da ihre Zahl zu gering war, konnten sie uns nicht daran hindern, und Thorsti starb."

    „Aber, wenn er gegen mich ist, warum will er in den Rat?, fragte Einar verwundert. „Verstehst du nicht, Jarl? Es gibt immer noch Kräfte auf der Insel, die den Tod des Thorsti betrauern. Er ließ sie wirken, wie es ihnen gefiel. Sie nahmen sich, was sie wollten. Unterdrückten ihre Nachbarn, und bestahlen sie. Und nun wollen sie natürlich ihren Spitzel an deiner Seite haben. Einar Blutauge sah auf, und betrachtete den Streit der Anwesenden, in dessen Mitte dieser Röde sich verteidigen musste. Heute hatte er zum ersten Mal davon erfahren, dass es Leute gab, die gegen ihn waren. „Warum erfahre ich erst jetzt davon? Er sah den Rotger streng an. „Oh, mein Jarl, ich dachte, du wüsstest längst von den Anhängern des Schönlings.

    „Nein, das wusste ich nicht. Gut, Rotger, ich erwarte dich in meinem Haus. Du wirst mir alles berichten, was ich wissen muss", befahl Einar, und der Krieger nickte. Dann trat er an die Säule, hängte das Horn wieder an den Nagel und begab sich auf seinen Platz an einem der langen Tische.

    Einar sah noch einmal auf den Tumult, und versuchte zu ordnen, wer von den Anwesenden sich auf die Seite des Röde geschlagen hatte. Dann rief er laut: „Schluss jetzt!

    Ruhe!" Da wurden die Anwesenden wieder auf den Jarl aufmerksam. Viele schwiegen sofort, und nahmen wieder auf den Bänken platz. Andere brauchten ein wenig länger, maulten sich noch gegenseitig an. So der Fischer Siegmar und der Bauer Röde, die von dem Jarl ermahnt wurden.

    Einar schien, dass diese beiden schon länger in Fehde lagen, denn sie taten sich bei dem Streit besonders hervor. „Ich will, dass ihr alle entscheidet, wer den Rat vervollständigt.

    Und darum schlage ich Siegmar vom Fiskefelle Hof vor."

    Dieser sah den Jarl erstaunt an. „Also, wer stimmt für Röde?", fragte Einar laut. Da hoben sich einige Hände, aber nicht viele. Einar zählte elf Arme, die gehoben wurden.

    Und er versuchte zu erkennen, wer für Röde stimmte. Doch dies war schwierig. Nur zwei oder drei Männer erkannte Einar. „Und wer ist dafür, dass Siegmar sich meinem Rat anschließt?"

    Nun hoben sich viele Arme, und es brach Jubel aus. Jarl Einar grinste, wandte sich um, und sah sein Weib an, die zustimmend nickte. Mit bösem Blick setzte sich der Bauer Röde wieder auf seinen Platz. Eigentlich hatte man von ihm Gezeter und Gebrüll erwartet, doch er schwieg beleidigt.

    Der Jarl aber rief: „Ihr habt gewählt, und die Entscheidung ist gefallen. Siegmar, nimm auf dem freien Stuhl Platz. Du gehörst nun zum Rat." Der Fischer erhob sich, und betrat etwas unsicher das Podest, um den Worten des Jarls zu folgen. Die Männer auf den Stühlen nickten dem Fischer stumm entgegen.

    „Und nun Raban, berichte. Wie geht es mit den Vorräten voran? Einar setzte sich auf seinem Hochstuhl, und Raban erhob sich von dem seinen. „Die Vorratshäuser haben wir repariert, und wir haben damit begonnen sie zu befüllen. Die meisten Bewohner haben ihre Abgabe geleistet, erzählte der Kahlkopf. „Nur wenige halten sich zurück. Doch dieses Problem werde ich noch lösen." Jarl Einar nickte, denn er wusste, was dies bedeutete. Es wurden aber auch Stimmen laut, und zwar die, von den Bauern, Jägern und Fischern, welche die Abgabe noch schuldig waren. Mancher beschwerte sich, dass er zahlen musste, sein Nachbar aber nicht. Oder sie hatten in Erfahrung gebracht, dass die Abgabe der Nachbarn kleiner war, als die eigene. So kam es immer wieder zum Streit zwischen den Bewohnern der Insel, und dem großen Sachsen. Doch Raban legte die Mengen fest, und dabei richtete er sich nach dem Besitz der einzelnen Schuldner. Und er ließ sich nicht beirren. Auch Raban hatte bei der Abstimmung genau aufgepasst, wer für wen den Arm hob. Und diejenigen, die für Röde gestimmt hatten, waren genau die, die ihre Abgabe noch schuldig waren. Dies aber behielt der Sachse vorerst für sich.

    „Wenn der Winter kommt, werden die Vorratshäuser gefüllt sein." Raban nickte dem Jarl zu, und setzte sich wieder auf seinen Stuhl.

    Nun erhob sich Olaf, und trat an den Rand des Podestes. Ihn hatte Einar zum Anführer der Leibwache gemacht. Olaf sollte eine Truppe aufstellen, die dem Jarl als Krieger dienen würde. Männer und Frauen mit denen er seine Schiffe besetzen konnte. Krieger die während seiner Abwesenheit seine Familie beschützten, und auf der Insel für Ordnung sorgten. Einar hatte zwar die Mannschaft des Wellenwolfs, doch diese würde nicht ausreichen. Und so verkündete er sein Anliegen.

    „Unser Jarl hat beschlossen ein Heer aufzustellen, das seine Leibwache verstärken wird. Wer sich uns anschließen will, der wird es nicht bereuen. Jeder Krieger wird einen Sold erhalten, und auch an der Beute der Raubzüge beteiligt. Da erhob sich der junge Birk, der ein Krieger aus den Reihen des Thorsti war. Sein rotes, lockiges Haar fiel dem Krieger auf die Schultern und ein kurzgeschnittener Bart, zierte sein Gesicht. Birk zählte gerade einmal zwanzig Winter, hatte aber schon oft seinen Mut bewiesen. „Sag mir, Olaf, was ist dieser Sold, den du uns versprichst?

    Da begannen viele in der Halle zu lachen, und Olaf wusste, dass darunter einige waren, die nur aus Scham mitlachten, selbst aber darauf hofften zu erfahren, was Sold eigentlich war. Olaf grinste, und hob seine Arme, um die Lacher zu besänftigen. „Nun beruhigt euch mal wieder. Was gibt es da zu lachen?, rief der große Blonde in die Menge. „Es ist die Bezahlung, die du erhalten wirst, wenn du dich Jarl Einar Blutauge als Kämpfer anschließt. Die Könige und Fürsten im Süden nennen so den Lohn für ihre Krieger. Da meldete sich Rotger zu Wort. „Und wie hoch ist dieser Sold?"

    Da antwortete Jarl Einar: „An jedem vollen Mond erhält ein Krieger ein viertel Stück Hacksilber." Dies war viel!

    Nun nickte Rotger. „Gut, dann will ich der Erste sein, der sich deinen Kriegern anschließt, Jarl." Und auch Birk zeigte großes Interesse. Aber Olaf sollte sich noch wundern.

    „Und nun…, wieder erhob sich Einar und trat vor, bis an die Stufen des Podestes. „Seit mehr als einem vollen Mond bin ich der Jarl auf Tautra, und genau so lange suche ich nach dem Reichtum Jarl Thorstis. Keiner kann mir weißmachen, dass der gierige Kerl nicht einen Schatz angehäuft hat. Und es muss auf dieser Insel jemanden geben, der davon weiß. Jetzt wurde es ruhig in der Halle, denn das Wort Schatz ließ sie aufhorchen. Wieder war es Rotger, der das Wort ergriff. „Du liegst gar nicht so falsch mit deiner Vermutung. Auch wir suchten bereits kurz nachdem Thorsti uns verlassen hatte. Doch wir fanden nichts. Der Kerl war wohl ärmer als eine Maus!"

    „Oh nein, Rotger, ich kenne Thorstis Weib, die Alwara, nur zur Genüge, widersprach der Jarl. „Nichts war diesem Weib wichtiger als Reichtum.

    „Dann hat Alwara alles mitgenommen, rief der rotlockige Birk dazwischen. „Sie ist bei Nacht und Nebel von der Insel verschwunden. Und wie es scheint, mit ihr der Schatz des Jarls! Da erschraken viele unter den Anwesenden, denn dies bedeutete, dass der neue Jarl der Insel arm war, und somit auch Tautra. Es wurde wieder laut. Einige forderten den Kopf der einstigen Jarlsgattin. Doch Einar winkte ab.

    Diese Forderung konnte er seinen Leuten nicht erfüllen, denn Alwara, so schlecht sie auch war, gehörte immer noch zur Sippe des Königs. „Dieser Schatz gehört Tautra, und muss zurückgeholt werden, rief Olaf laut in die Menge, und alle begannen zu jubeln. Da ergriff nun auch Ilva das Wort. Sie erhob sich, und trat vor. „Wir müssen herausfinden, wohin sich das Weib geflüchtet hat. Haltet eure Augen und Ohren auf. Besonders diejenigen, die in den Siedlungen der anderen Gaue Handel treiben. Jeder Hinweis kann uns zu dem Schatz von Tautra führen!

    „Ilva hat Recht, rief Jarl Einar. „Irgendwer wird sicher etwas von der einstigen Jarlsgattin von Tautra gehört haben.

    Danach gab es noch einige Zwistigkeiten zu verhandeln. Ein Bauer beschuldigte seinen Nachbarn, ihm vier Schafe von der Weide gestohlen zu haben. Einar und Ilva saßen nun wieder auf ihren Hochstühlen, und der Bauer trat vor.

    Es war Erling, der Bauer vom Bärenhof. Und mit ihm trat sein Sohn Ivar an das Podest. Einar sah den Mann an, und auch seinen Sohn, den er erkannte. „Du bist Ivar", sagte er, und der junge Bursche nickte. Jetzt erkannte der Jarl auch den Mann, der vor einigen Wintern an seiner Seite kämpfte.

    „Erling vom Bärenhof, ich grüße dich. Es ist mir eine Freude dich wiederzusehen!"

    „Und ich hätte nicht daran gedacht, dich noch einmal auf diesem Stuhl zu sehen, Einar Thordsson, sprach der Bauer ein wenig unfreundlich. „Aber es ist gut so. Ich hätte mir zwar einen schöneren Grund für unser Zusammentreffen gewünscht, doch dies ist nun mal nicht so.

    „Dann bring deine Anklage vor. Wir hören dich!" Einar zeigte auf den Rat, der an seiner Seite saß.

    „Vier meiner besten Schafe hat man mir von der Weide gestohlen, rief Erling erbost. „Doch ich wusste genau, wo ich sie zu suchen hatte. Er wandte sich um, und sah in die Menge. „Und ihr wisst es auch!" Es gab viele

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