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Energie: erwacht
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eBook312 Seiten4 Stunden

Energie: erwacht

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Über dieses E-Book

Wer oder was bin ich?
Kann ich zwei Menschen zugleich sein?
Lia Leander, ein Mensch mit Gefühl UND Prinzessin der Reinheit von Assunta mit bedingungsloser Disziplin? Ist mir das erlaubt? Kann das gut sein? Steh ich mir nicht selbst im Weg, wenn ich zweierlei bin? Bin ich bereit, mich auf eine Reise zweier Welten und Leben zu begeben und zwischen Hoffnung und Hoffnungslosigkeit mein Leuchten zu finden?

»Ein Blick auf unsere Hände lässt mir den Atem stocken. Sie glühen in einem hellen Silberblau und es beginnt sich auszubreiten in Richtung Arm. Geschockt ziehe ich die Hand zurück und genauso schnell erlischt unser Leuchten.«

»Die Berührung löst ein Déjà-vu in mir aus, als würde ich diese fremde Person kennen. Vertrautheit umgarnt mich. Und eine schreckliche Furcht, ohne dieses Gefühl nie mehr leben zu können, versetzt mir einen Kloß im Hals.«
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum25. Juli 2023
ISBN9783757858018
Energie: erwacht
Autor

Stefanie Fox

1983 kam Stefanie Fox als erste von drei Kindern, im ländlichen Rheinau am Rhein zur Welt. Die Begeisterung für fantastische Geschichten entwickelte sie schon in frühester Kindheit. Ihr Großvater gab seine Leidenschaft zum Erfinden von unglaublichen Geschichten an seinen Sohn weiter. Und dieser an sie. Kein Schulwettbewerb war vor ihr sicher! Das Erschaffen fantastischer Welten, Wesen mit Superkräften auszustatten und die Möglichkeit, das Happy End der Geschichte zu bestimmen, ist ihr absolutes Ding! 2003 beendete sie ihr kaufmännisches Fachabitur und begann eine kaufmännische Ausbildung. Mit dem ehrgeizigen Ziel, die Ausbildung mit bestem Abschluss zu beenden, schränkte sie ihre Leidenschaft zur Literatur auf das Lesen ein, um erst einmal ein »ordentliches Handwerk« zu erlernen. Während ihrer Tätigkeit im stressigen Management von 2003 bis 2012 tauchte sie zur Erholung in die Tiefen der Fantasy ein. Romane wurden in Massen verschlungen. Wobei ihr Verlangen, selbst ein Buchprojekt in die Hand zu nehmen, mehr und mehr wuchs. Ihre Urbanromantasy-Trilogie »Energie« geht bereits in die nächste Runde. Band I erscheint zusammen mit Band II in neuem Gewand. Stefanie Fox fühlt sich aber in vielen Genres zuhause und wird ganz bald auch außerhalb der Fantastic veröffentlichen. Ihr Motto: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt!

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    Buchvorschau

    Energie - Stefanie Fox

    FINDE AUCH

    DU

    DEIN

    LEUCHTEN!

    PLAYLIST

    Prolog – My Immortal - Evanesence

    The girl – Lena

    The River – Aurora

    All Stars – Martin Solveig

    Cure For Me – Aurora

    Anti-Hero – Taylor Swift

    I´ll be there – Jess Glynne

    Pieces – Avaion

    Mood – 24kgoldn

    Pieces - Avaion another Version

    Keep on dancing – Avaion

    Pray forme – Xanemusic

    Galaxies - Lena

    Worth nothing – Twisted

    Won´t Forget you – Shouse

    Killer Queen – Robin Schulz

    Beat to my melody – Lena

    Ghost – Ava Max

    End of youth - Ed Sheeran

    Everything i wan´t – Billi Eilish

    The night we met – Lord Huron feat. Phoebe Bridgers

    Blackbird – Alter Bridge

    When the party´s over – Billie Eilish

    Wild & Free – Lena

    Hundred Miles – Yall

    OK – Lena

    Sleep now – Lena

    Here with me – Dido

    Inhaltsverzeichnis

    PROLOG

    KAPITEL EINS: LIA UND CARO

    KAPITEL ZWEI: FRISCHFLEISCH

    KAPITEL DREI: SCHWARZER

    KAPITEL VIER: KEIN KUSS

    KAPITEL FÜNF: DIE ZEIT DRÄNGT

    KAPITEL SECHS: DIE ERSTEN AUSWIRKUNGEN

    KAPITEL SIEBEN: DIE ERSTE HEILUNG

    KAPITEL ACHT: DAS ERWACHEN

    KAPITEL NEUN: PLANUNG

    KAPITEL ZEHN: TRAINING

    KAPITEL ELF: LIAMS RÜCKKEHR AUF ASSUNTA

    KAPITEL ZWÖLF: ZEITGLEICH AUF DER ERDE

    KAPITEL DREIZEHN: ZUSAMMEN AUF AUSSUNTA

    KAPITEL VIERZEHN: ZURÜCK AUF DER ERDE

    KAPITEL FÜNFZEHN: DANACH

    EPILOG

    PROLOG

    Während ich geduckt vom Kristallpalast wegschleiche, schmunzle ich verlegen in mich hinein, denn es ist die einzige Freiheit, die ich mir noch bewahre. Ich kann nur hoffen, dass mir diese Angewohnheit nicht zum Verhängnis wird. Nur ein einziges Laster kann in dieser Situation unseren Fall bedeuten.

    »Ich wäre nicht die erste Anführerin, die ihrem Volk durch eine simple kleine Schwäche, den Untergang bringt«, raune ich mir selbst mahnend zu.

    Nachdem ich jedoch die nötige Distanz zwischen mich und den Kristallpalast gebracht habe, rede ich mir ein, dass es ausgesprochen schade wäre, umzukehren. Wo ich doch solche Risiken auf mich nehme, um wenigstens einen Moment für mich allein zu sein.

    »Der Preis für das Ende jeglichen Leids auf dieser Welt, ist wohl auch das Ende jeglicher Privatsphäre!«, rutscht es mir, zu meiner eigenen Überraschung, laut heraus. Obwohl ich bei meinen heimlichen Ausflügen grundsätzlich besondere Sorgfalt darauflege, meine Gedanken vor den restlichen Santis abzuschirmen, bin ich mir darüber im Klaren, dass es in Wahrheit niemandem entgehen kann, was ich hier tue. Die Santis, die unserer Lebensweise fanatisch nachgehen, sind davon überzeugt, dass es die Pflicht der Prinzessin ist, als gutes Beispiel voranzugehen. Was eben bedeutet, dieser Angewohnheit zu entsagen.

    »Aber ist Fanatismus nicht ebenso ein Zwang?«, frage ich mich gequält und streiche mir mein langes Haar über die Schulter.

    Drei Tage sind vergangen, seitdem ich den Antrag von Mephisto abgelehnt habe. Wenn ich mit meiner Befürchtung richtigliege, dass er nicht nach unseren Idealen lebt, wird jeder noch so winzigkleine Makel an mir, meinen Widersachern in die Hände spielen, um ihre Lobby zu vergrößern. Mein Herz wiegt schwer, als sich ein weiterer Gedanke hinzudrängt Wie könnte ich eine Verbindung mit jemandem eingehen, wenn mein Herz bei einem anderen höherschlägt? Erschrocken über mich selbst, beiße ich mir auf die Unterlippe, um die Gedanken zum Schweigen zu bringen. Dieses Gefühl spricht gegen all die Grundsätze des Santivolkes. Schlagartig gesellt sich mein Verantwortungsbewusstsein zu dem Bleigewicht, das bereits auf meinem Herzen sitzt, hinzu und nimmt erdrückend in meiner Brust Platz.

    Schwer atme ich meinen Gedankenstrudel aus und lasse mich in meine geliebte Blumenwiese fallen. Gierig sauge ich den reinen Geruch der Erde und der Blumen tief in mich hinein. Kurz halte ich inne und genieße den Moment der Ruhe. Hinter mir liegt schützend der Kristallpalast und rundherum wiegen Kornfelder sanft im Wind, die kurz vor ihrer Ernte stehen.

    »Kann denn etwas Falsches daran sein, einer Gewohnheit nachzugehen, die so viel Kraft und Liebe spendet?«, flüstere ich in den Wind und sauge ihn wehmütig in mich hinein. Die Verantwortung, die ich jetzt schon mehr als hundert Jahre trage, lastete noch niemals in diesem Ausmaß auf meinen Schultern. Einem hoch entwickelten Volk anzugehören und über dermaßen großartige Fähigkeiten zu verfügen, war immer ein Geschenk für mich, doch jetzt frage ich mich, ob ich dessen überhaupt noch würdig bin. Mit diesem Gedanken gehe ich meiner Gewohnheit nach. Noch niemals hat mein Gemütszustand ein größeres Bedürfnis danach empfunden. Den Kopf in den Nacken gelegt und die Arme vom Körper abgespreizt, schüttle ich alle Gedanken von mir ab und suche die Verbindung zu Gaya. Mit den Fingern streichle ich zärtlich die Luft und werde eins mit meiner Umgebung. Wie ein Segen kriecht die Energie der Natur in meine Fingerspitzen und das beruhigend gewohnte Summen erklingt, während ich sie in mir aufnehme. Durch die geschlossenen Augen kann ich mein bronzefarbenes Leuchten scheinen sehen. Glückseligkeit erfüllt mich und endlich gewinne ich die ersehnte Entspannung zurück.

    Der Boden unter meinen Füßen bebt und herzzerreißende Hilferufe schreien in meinen Gedanken wild durcheinander. Ein stechender Schmerz fährt durch meine Brust, drängt mich die Augen aufzureißen. In meinem Kopf dröhnt es weiter. Kinderstimmen wimmern, Männer und Frauen weinen jämmerlich. Sie rufen nach Hilfe. Nach meiner Hilfe! Das starke Beben des Bodens bringt mich nicht aus dem Gleichgewicht. Das Ausbalancieren ist, dank meiner Fähigkeiten, mehr ein Routinevorgang für mich, aber derart schreckliche Schreie, welche mir bis jeher gänzlich unbekannt waren, werfen mich aus meiner Konzentration.

    »Dreh dich um und schau dir an, was du zu verantworten hast!«, übertönt hallend eine machtvolle Stimme die kläglichen Hilferufe in meinem Kopf.

    »Mephisto!«, entfährt es mir erschrocken.

    Das Blut gefriert in meinen Adern. Ruckartig drehe ich mich um und der grausame Anblick, der sich vor mir auftut, zwingt mich in die Knie. Mein Magen verkrampft sich und Gallensaft drängt sich meinen Hals hinauf. Der strahlende Kristallpalast, der das Sinnbild unserer Verbundenheit mit allem Leben auf Assunta ist, wird von einem anthrazitgrauen Nebel aufgefressen. Wie Schlangengift, das sich seinen Weg in Richtung Herz erkämpft, verschlingt der Nebel die Reinheit des Palastes. Brennende Schmerzen lähmen meinen Körper. Allein der Gedanke daran, dass alle Santis, die sich dort befinden, das gleiche Schicksal erleiden und ich nicht bei ihnen bin, um zu helfen, bringt mich um den Verstand. Nicht eine Sekunde länger ertrage ich die verzweifelten Rufe. Geballt schreie ich all das Leid, das ich höre und fühle, aus mir heraus. Benommen von diesen Qualen, dreht sich alles um mich herum und ich befürchte, das Bewusstsein zu verlieren.

    Angestrengt bündle ich so viel Energie wie irgend möglich, um dem Unvermeidlichen zu entkommen. Am Ende meiner Kräfte angelangt, krümme ich mich auf dem Boden. Einsamkeit war für mich nicht mehr als ein Wort aus uralten Zeiten – fremd – und jetzt droht sie mich aufzufressen.

    Flüsternd streift mich eine vertraute Stimme: »Rhea, alles wird gut werden, hab Vertrauen, wir werden dich schützen! Das ist nicht unser Ende …«

    Immer und immer wieder streichelt die vertraute Stimme liebevolle Worte über meine Seele. Eine Woge der Zuversicht erfüllt mich, denn meine Krieger haben mich noch nicht verlassen. Dennoch wickelt sich eine erlösende Schwärze um mich und verwandelt sich in einen schlingenden Sog. Dieser Sog nimmt mich in sich auf und trägt mich in einer angenehmen Geschwindigkeit fort. Fort von der Zerstörung, ohne dass ich einer einzigen Santiseele zu Hilfe kommen kann … .

    EINS

    LIA UND CARO

    Der Boden unter mir vibriert, mein Kopf schlägt gegen einen harten Gegenstand. Zwei wild gewordene Biester springen ungebremst, mit den Füßen voraus, direkt in mich hinein.

    Mein Unterleib schmerzt. Ein bittersüßer Schmerz, den ich zu gut kenne, brennt sich durch meinen Bauch hinauf in meine Kehle. Mit einem geübten Griff packe ich meine Brüder und wirble sie von meinem Bett auf den Fußboden.

    Geläutert treten sie zungestreckend die Flucht an, während ich den Kampf gliederstreckend von mir abschüttle.

    Wer braucht heutzutage schon einen Wecker, wenn man solche Krawallschachteln als Brüder hat?

    Ein Blick aus meinem Zimmerfenster verrät mir, heute ist einer dieser perfekten Sommertage, von denen man einfach nicht genug haben kann. Über meinem Heimatdorf Memprechtshofen lacht die Sonne mit einer sanften, kühlenden Windbrise, die meinen Vorhang am Fenster zärtlich umspielt. Ist das ein Omen für den besten Tag?

    Eine kriegerische Schlacht zu Beginn des Tages kann mich schon lange nicht mehr aus dem Konzept bringen. Ich bin super gelaunt und auf dem Weg meine beste Freundin zu treffen, denn wir wollen eine ganz besondere Party planen. Ganz besonders deswegen, weil es einen großartigen Anlass gibt. Meinen siebzehnten Geburtstag!

    Also, um Missverständnisse auszuräumen, nicht wegen des Geburtstags an sich, sondern weil ein Jahr näher an der Unabhängigkeit, um nicht zu sagen näher an der Freiheit. Aber es ist auch das letzte Jahr in der unbekümmerten Verantwortungslosigkeit, um genau zu sein bis zum Schulabschluss. Also feiern wir nicht meinen Geburtstag, sondern vielmehr den Abschied meiner Kindheit und das Begrüßungsfest des Erwachsenseins. Und dabei wird mich meine beste Freundin tatkräftig unterstützen. Sie ist nicht nur meine beste Freundin. Sie ist mehr wie eine Schwester, die ich nie hatte, enger verbunden, als es Blutsbande können. Aus peinlichen und aus dramatischen Situationen hat sie mich schon so oft gerettet. Sie ist das Mädchen für alle Fälle. Die, die immer parat steht, wenn es knifflig wird. Wie eine schützende Löwenmutter hat sie sich zu jeder Zeit vor mich gestellt, auch dann, als ich beinahe dem Gespött der Schule zum Opfer gefallen wäre. Da waren wir noch in der Unterstufe. Sarah, die mit uns dieselbe Klasse besucht, hatte es sich zur Aufgabe gemacht, den »Oberstuflern« die Stirn zu bieten. Es gab da diese Tradition, dass die Neulinge an der Schule der Abschlussklasse den Butler machen mussten. So war es jedenfalls bei den Mädchen. Unsere Aufgaben waren Dinge wie, die Schultaschen auf dem Pausenhof in Empfang zu nehmen, um sie dann in ihre Klassenzimmer zu befördern. In der Schulmensa musste das gewünschte Menü geholt und den Herrschaften am Tisch serviert werden. Ab und an wurden auch kleine Geschenke erwartet. Zugegebenermaßen, ich habe diese Tradition auch nicht sonderlich ehrenwert gefunden, aber dennoch, als braver Frischling, erfüllt. Alle taten es und ich wollte nicht aus der Reihe tanzen. Wenn diese oberflächlichen Weiber Spaß daran hatten, meinetwegen, mir tat es nicht weh. Sobald sie ihren Abschluss hinter sich gebracht hätten, würden sie sowieso dem wahren Leben ins Gesicht schauen müssen. Die Realität würde sie schon noch einholen und eines Besseren belehren. So hatte ich das damals meinem Gerechtigkeitssinn mahnend erklärt. Sarah jedenfalls, konnte nicht damit leben und weigerte sich nach einigen Wochen noch irgendeine weitere Aufgabe zu leisten. Nur das konnten sich wiederum die »Oberstufler« natürlich nicht bieten lassen, denn sie hatten riesige Angst davor, die Tradition könnte gebrochen werden. Sie selbst hatten sie ja auch bitter geschluckt.

    Daher nahmen sie Sarah auf der Toilette in die Mangel, um ihr eine Abreibung zu verpassen. Caro und ich machten uns währenddessen nichts ahnend auf den Weg zum Unterricht. Wie üblich, waren wir spät dran, doch zum Glück, musste ich dringend auf die Toilette, denn ausnahmsweise hatte ich statt einem, zwei Milchkaffees zum Frühstück und den musste ich unbedingt loswerden. Während ich die Sanitäranlagen aufsuchte, ging Caro schon zum Klassenzimmer vor und als ich eintrat, waren die Oberstufenmädchen gerade dabei, Sarah in das befüllte Waschbecken zu tauchen. Zu dritt hatten sie meine Klassenkameradin in der Mangel. Ihr ängstlicher Blick traf mich wie einen Schlag ins Gesicht.

    Sie hatten ihr die Arme hinter dem Rücken gefesselt. Am Waschbecken lag ein blutverschmierter Zirkel und an ihrem Oberarm prangten senkrecht die Buchstaben B-u-t-l-e-r.

    Blutrot!

    Das ging definitiv zu weit!

    Sie waren so sehr beschäftigt, dass ich seitens des Geschehens unbemerkt blieb. Mein Körper kribbelte und glühte vor Aufregung und meine Hände brannten wie Feuer. Der Ansturm dieser eigenartigen Gefühle in mir, zwang mich zu einem lauten Schrei, der aber direkt von einem grauenhaften Schmerzensschrei übertroffen wurde. Eines der Mädchen hielt sich zitternd die Hand. Der Schock stand ihr bleich im Gesicht. Verstört stießen sie Sarah zu Boden und verließen dann allesamt verängstigt die Toilette. Zu meiner Überraschung war von da an die entwürdigende Tradition gebrochen. Keines der älteren Mädchen hatte danach je wieder eine Leistung eingefordert.

    Und auch wenn wir nie darüber gesprochen haben, hat mich Sarah zu jeder Zeit ihre Dankbarkeit in ihren Augen sehen lassen. Dabei war sie mir keinen Dank schuldig. Ich war einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort.

    Zu meinem Leid hingegen war ich daraufhin die nächsten Wochen das Thema Nummer eins an der Schule. Natürlich ist es niemandem entgangen, dass keine Menüs mehr serviert wurden und sonst auch keine weiteren Dienste von den Unterstufenmädchen erbracht wurden. Damit ihre unehrbare Tat nicht in Umlauf kam, haben sich die »Oberstufler« für eine verrückte Horrorgeschichte mit dem Titel »Freaky Elektra alias Lia Leander« entschieden. Angeblich soll ich sie mit einem Elektroschocker attackiert haben. Und hier kommt wieder meine Caro ins Spiel. Sie hat damals Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, meinen Namen reinzuwaschen und den tatsächlichen Tathergang verbreitet. Sie war damit so erfolgreich, dass sogar das Rektorat Wind von der Sache bekam und die Mädchen von der Schule verwiesen wurden. Darauf war sie aber keines Wegs stolz. Sie war eher enttäuscht darüber, dass sich keiner der Erwachsenen die Mühe gemacht hat, sie über das Unrecht ihrer Tat aufzuklären. Ihrer Meinung nach wäre »Der Weg zur Einsicht« pädagogisch wertvoller gewesen. Meine Caro ist einfach unverbesserlich vernünftig und ich bin so dankbar dafür, dass wir uns in solchen Punkten immer einig sind.

    Also, ich bin grade auf dem Weg zu Caroline, die ich am See (unserem üblichen Platz) treffen soll, und fahre mit dem Rad unterm Po und den AirPods in den Ohren an den Maisfeldern entlang über eine kleine Brücke. Das Bächlein, das darunter fließt, erfrischt die warme Luft. Als ich durch das vertraute kurze Waldstück fahre, erfüllt mich ein Windzug mit dem Duft von jungem Mais und warmer Sommerluft. Jeder Millimeter meines Körpers kribbelt und erweckt meine Lebensgeister. Ich liebe meine Heimat, ich bin ein Kind vom Lande, durch und durch. Gerade stimmt das nächste Lied an, als ich total gedankenverloren glaube, im Augenwinkel Umrisse einer Gestalt inmitten der Felder zu sehen. Der Bauer, der sie bestellt, ist normalerweise nicht um diese Jahreszeit unterwegs, erst wieder zur Erntezeit. Und selbst wenn doch, müsste irgendwo sein Traktor stehen. Doch weit und breit steht keiner. Auch die Spaziergänger betreten die Felder nicht, denn alle wissen, dass selbst der kleinste Schaden die Ernte schmälert. Ein komisches Kribbeln breitet sich in meinem Bauch aus. Jeder andere würde sich davonmachen, doch ich, getrieben von meiner Neugier, steige ins Eisen. Ich muss der Sache einfach auf den Grund gehen. Bei jedem Horror-Film brülle ich gegen die Mattscheibe, dass sie nicht der Stimme in den Keller folgen sollen, doch meine eigene Neugierde wird mir bestimmt mal genauso zum Verhängnis.

    Knapp nach dem Waldstück beginnt ein wunderschönes Gerstenfeld, das mir nicht ganz bis über die Hüften reicht. Ich hätte wirklich schwören können, dass eine Gestalt in das Feld gehuscht ist, doch ich kann niemanden entdecken.

    Trotzdem, die Anwesenheit von irgendetwas oder irgendjemandem liegt definitiv in der Luft.

    Das war schon oft so. Schon als kleines Mädchen hatte ich das Gefühl, wenn ich durch die Felder geschlendert bin, dass mich jemand oder etwas begleitet. Angst hatte ich nie, im Gegenteil, es hat mich immer beruhigt und erfüllt. Es hat mich der Natur nähergebracht. Oft hatte ich sogar das Gefühl, ich könne die Bäume und Gräser sprechen hören, wie eine Art summender Gesang.

    Doch das jetzt gerade unterscheidet sich davon. Etwas in mir ist total aufgeregt. Wie ein kleines Kind, das zum ersten Mal den Geschmack von Eiscreme kennenlernt. Entdecken kann ich immer noch nichts. Mir ist ganz warm und ich habe das Gefühl ich glühe. Mein Herz hüpft nervös auf und ab und erfüllt mich mit Leben. So etwas habe ich noch nie empfunden.

    Zu meiner Enttäuschung entschwindet dieses einzigartige Gefühl so unerwartet, wie es gekommen ist.

    Die Anwesenheit dieses Jemanden oder Etwas löst sich ebenso auf. Das mentale Loch, was dieses zerronnene Glück auslöst, füllt sich schlagartig mit Verlassenheit.

    Irritiert und leer setze ich mich auf mein Rad und fahre, mit extremster Verspätung, endlich zu unserem Treffpunkt. Mir war die Zeit absolut entgangen, doch ich muss dort mindestens eine Dreiviertelstunde gestanden haben.

    Mit tippendem Fuß sitzt Caro auf der Rückenlehne unserer heiß geliebten Stammbank. Ungeduldig ruft sie mir zu.

    »Jetzt wird es aber echt mal Zeit, Frau von und zu. So ein siebzehnter Geburtstag plant sich nicht von alleine und schon gar nicht, wenn der Ehrengast so unkooperativ ist.« Noch bevor ich etwas erwidern kann, springt sie von der Bank und fährt fort. »Das ist so typisch für dich. Wenn du weiterhin so unpünktlich bist wie die letzten sechzehn Jahre, können wir gleich deinen achtzehnten Geburtstag feiern! Damit das nicht passieren wird, schenke ich dir höchstpersönlich einen Pack Pünktlichkeit, meine Liebe.«

    Oh ja, da hat sie so verdammt nochmal Recht. Das mit der Pünktlichkeit muss ich mit dem siebzehnten Lebensjahr echt in den Griff bekommen. Doch jetzt muss ich erst mal schmunzeln. Wie sie so dasteht, mit ihren gletscherblauen Augen und ihrem weißblonden Haar, wie ein Engel … .

    Nur mit leicht geröteter Haut, vom Warten in der Sonne. Einen Engel mit Sonnenbrand habe ich echt noch nie gesehen. Jetzt wird mein Schmunzeln zu einem Lachen und das Lachen steigert sich zu einem jaulenden Bauchgrunzen. Endlich steigt auch Caro mit lautem Gelächter ein.

    »Lia, dein grunzendes Bauchlachen hat mich noch nie kaltlassen können. Dir kann man einfach nicht böse sein. Was hast du für ein Glück, dass du so eine tolle beste Freundin hast, die nicht nachtragend ist!« Und nun grunzen wir gemeinsam.

    Während wir uns wieder beruhigen und nach Luft schnappen, krame ich eine Flasche Eistee und mein iPad aus meiner Tasche, um wichtige Anweisungen zu notieren. Ich bin noch nicht ansatzweise bereit, da sprudeln die Ideen schon förmlich aus ihr heraus, sodass ich fast nicht nachkomme, alles zu notieren. Zuerst folgen Instruktionen für die Einladung. Was heißen soll, soweit ich mitschreiben kann, was der Wasserfall neben mir plätschert:

    See-Party; jeder soll was mitbringen, um Kosten zu dämpfen; großes Lagerfeuer mit Würstchen grillen; Beginn bei Dämmerung; Ende, wenn fertig!

    Was für eine Rolle spiele ich eigentlich auf meiner Geburtstagsparty? Würstchen sind das einzige Lebensmittel auf diesem Planeten, dessen Einnahme ich strikt verweigere. Obwohl, ich darf mich wirklich nicht beschweren. Top durchdacht ist die Sache allemal. See-Partys kommen immer gut an und zu Hause gibt’s keine Sauerei. Bin begeistert. Für mich bringe ich einfach ein Veggie-Steak mit. Klare Sache, zum Vorbereiten bleiben noch zwei Wochen, das müsste zeitlich locker ausreichen.

    Wir plaudern noch ein wenig über dies und das, aber mein merkwürdiges Erlebnis von vorhin behalte ich für mich. Sie hat meine extreme Verbindung zur Natur und wie viel Kraft ich durch sie empfinde, schon immer etwas belächelt. Aber da ich auch ihren besonderen Hang zum Wasser respektiere und wir prinzipiell einander akzeptieren, wie wir sind, würde sie mich niemals auslachen. Ehrlich gesagt fühle ich mich im Moment einfach nicht in der Lage von diesem komischen Erlebnis zu erzählen, es schockiert mich selbst ein wenig. Wahrscheinlich habe ich mir das alles mal wieder nur eingebildet.

    Als wir uns verabschieden, fällt ihr nur ganz beiläufig ein, die brandneue Nachricht des Tages preiszugeben.

    »Hey Lia, hast du auch schon mitbekommen? Unser kleines Dorf hat Zuwachs bekommen«, sagt Caro, als wir bereits dabei sind uns wieder auf die Räder zu schwingen.

    »Ach ja? Sag bloß, das alte Bauernhaus ist endlich verkauft worden?«

    »Nein, die Familie ist in die Castle-Villa eingezogen. Es müssten vorhin sogar noch die Umzugswagen vor dem Haus gestanden haben.«

    »Echt? Habe ich gar nicht gesehen. Die scheinen ja Geld zu haben, wenn sie sich die Villa leisten können.«

    »Sie sollen sogar recht vermögend sein, soll nur nicht jeder wissen. Ist ihnen wohl ein bisschen unangenehm wohlhabend zu sein. Oder sie machen sich nicht besonders viel aus Geld, weiß nicht so genau.« Sie zuckt mit den Schultern.

    Caros Vater ist Vorsitzender des Gemeinderates und somit weiß auch automatisch Caro über den neuesten Klatsch und Tratsch Bescheid. Neuzuzöglinge werden prinzipiell von den Schmidts willkommen geheißen und mit Kaffee und Kuchen empfangen. Dabei werden sie in die Gepflogenheiten des Dorfes eingewiesen und die Vereine werden vorgestellt.

    Die »Neuen« sollen sich ja auch schnell wohlfühlen und ein Mitglied der Gemeinschaft werden, laut Caros Vater.

    Nun gut, jetzt bin ich auch auf dem Laufenden. Ich setze mich auf den Sattel. »Ja cool. Ich werde beim Heimweg mal ein Auge darauf werfen.«

    Hektisch fuchtelt Caro mit ihren Handflächen auf und ab. »Warte, warte, es kommt noch besser. Die Familie ist ja nicht alleine eingezogen, sondern mit ihren zwei Neffen. Die sind sogar in unserem Alter und jetzt rate mal, wie einer von ihnen heißt. Ich habe mir vor Lachen fast ins Höschen gemacht.«

    Überfordert schaue ich sie an, doch

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