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Der Zen-Kämpfer: Meister Kimura und mein Leben mit Karate
Der Zen-Kämpfer: Meister Kimura und mein Leben mit Karate
Der Zen-Kämpfer: Meister Kimura und mein Leben mit Karate
eBook203 Seiten1 Stunde

Der Zen-Kämpfer: Meister Kimura und mein Leben mit Karate

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Über dieses E-Book

Wie kaum ein anderer Kampfsport-Treibender ist Urs Spörri (8. Dan) nicht nur durch intensives Üben in das Geheimnis des Zen in der Bewegung eingedrungen, sondern geht ihm auch auf biomechanischer Ebene auf den Grund.

Sein Buch soll dem westlichen Leser vertraut machen, wie man durch intensives Training des Mushin (des Nichtwollens und Nichtdenkens) das Satori erreichen kann.

"Mein Ziel ist es, dass diese Lektüre für viele Kampfsportler, Intellektuelle und Suchende zu einem Schlüsselerlebnis wird."

Zudem berichtet Spörri aus seinem bewegten Leben und v. a. über seine Erfahrungen und Erlebnisse mit Meister Kimura. Dessen Kampftechniken beschreibt er im Detail.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum26. Mai 2022
ISBN9783347656833
Der Zen-Kämpfer: Meister Kimura und mein Leben mit Karate
Autor

Urs Spörri

URS SPÖRRI BETREIBT SEIT 52 KARATE: Wie kaum ein anderer Kampfsport-Treibender ist Urs Spörri nicht nur durch intensives Üben in das Geheimnis von Zen in der Bewegung eingedrungen, sondern geht ihm auch auf biomechanischer Ebene auf den Grund. Sein Schreiben soll dem westlichen Leser vertraut machen, wie man mit intensivem Training dem Mushin, dem nicht wollen, das Satori erreichen kann. "Mein Ziel ist es, das diese Lektüre für viele Kampfsportler, Intellektuelle und Suchende zu einem Schlüsselerlebnis wird."

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    Buchvorschau

    Der Zen-Kämpfer - Urs Spörri

    Das Satori in der Bewegung erfahren

    1 Mein Weg im Karate

    Als junger Mann träumte ich davon, stark zu sein, mich in jeder Situation verteidigen zu können.

    Es waren die späten 1950er-Jahre.

    Man schwang sich über den Barren, rannte mit den anderen um die Wette.

    Die Aktivitäten im Turnverein waren geprägt durch die Kameradschaftlichkeit und Anlässe, bei denen das ganze Dorf auf den Beinen war, um Medaillen aus Trompetengold und später die Bewunderung der Mädchen gewinnen konnte.

    Der Sportgeist – mit ihm verbinde ich bis heute Disziplin und Anstand – vor allem aber die Möglichkeit, wieder aufzustehen, wenn man zu Boden gegangen ist.

    Heute, über ein halbes Jahrhundert später, sitze ich auf der Veranda meines Bungalows.

    Ich bin das Rauschen im Wind.

    Ich bin eine Woge, die über das Meer treibt.

    Mein Zuhause ist von baumgroßen Farnen und Palmen umgeben, exotische Tierstimmen begleiten mein Aufwachen und mein Einschlafen.

    Ich lebe auf der karibischen Insel im Einklang mit der Natur, den Menschen und mit meinem Leben.

    Es war und ist dem Karate gewidmet: Dem äußeren, vor allem aber dem inneren Zen-Weg, der mit der japanischen Kampfkunst verbunden ist und von dem ich hier erzählen will.

    Ich wuchs im Turbenthal auf, der Vater arbeitete als Weber in einer der unzähligen Tuchfabriken, meine Mutter war Hausfrau. Fünf Kinder mussten ernährt und gekleidet werden. Vater züchtete Hühner, die Fleisch und Eier lieferten, Mutter bewirtschaftete einen Garten, der frisches Gemüse und Früchte auf den Tisch brachte. Zu essen gab es immer genug, aber für Extravagantes reichte es natürlich nicht. Ich erinnere mich an die Spielsachen der anderen. Bruno fuhr auf dem Hinterrad seines Velos. Ein schönes Gefährt und seine Kunststücke sorgten dafür, dass er im Mittelpunkt stand. Da ich kein Velo, kein Tretauto und auch sonst nur wenig Spielsachen besaß, musste ich andere Mittel und Wege suchen, um Anerkennung zu finden.

    Solche Interpretationen, die meinen Weg im Karate erklären und Gründe liefern könnten, warum ich mich für dieses Leben entschloss, folgten erst Jahrzehnte später, nachdem ich im Schwingkeller des Dorfes die ersten Gegner in den Sand warf und andere Buben im Schwitzkästen hielt, bis sie rot anliefen.

    Wenn ich von meiner Kindheit spreche, sehe ich die sanft geschwungene Natur des Tösstals vor mir und in meiner Vorstellung ist es fast immer Frühling oder Sommer. Wir lebten in einem Kosthaus, das zur Weberei gehörte, ein sehr einfaches Haus mit 3 Zimmern, die über eine Etage verteilt waren, die Toilette befand sich außerhalb der Wohnung im Freien. Der Umschwung, die Wälder und Wiesen wurden auch den anderen Weber-Kindern zu einem Zuhause. Wir stauten Bäche, schwammen im glasklaren Nass, rannten durch den Regen, schüttelten die Tropfen danach im Sonnenschein als Kristallregen von den Büschen und im Winter stapften wir durch den Schnee und ich betrachtete die Eiskristalle auf meinen Handschuhen aus dunkler, grober Wolle.

    Das Wasser.

    Ein Wunder der Natur. In einem Wasserfall wirkt es beängstigend und rau, in einem kleinen Bach jedoch ruhig und sanft. Man kann darin eintauchen oder sich mit einem kühlen Schluck erfrischen. Nichts ist weicher als Wasser, doch wenn es auf ein Hindernis trifft, wird nichts seinen Weg blockieren. Wasser hat keinen Schatten, aber es passt sich jedem Behälter an. Wird es zu Dampf erhitzt, ist es unsichtbar und bleibt doch stark genug, um die Welt zu überschatten.

    Man nennt es Wasser, es ist aber gleichzeitig viel mehr als der Begriff vermuten lassen könnte; genauso wie die Prinzipien des Zen für den Budo-Kämpfer mehr bedeuten als es vordergründig den Anschein erwecken könnte.

    In jenen Jahren gelangten die ersten Gastarbeiter in die Schweiz und auch in den florierenden Tuchfabriken wurden sie gebraucht. Es führte dazu, dass in unserem Dorf bald nicht mehr nur das Urschweizerische vorherrschte, ein Umstand, den ich mit einer gewissen Faszination beobachtete.

    Die Frauen und Männer, dunkelhaarig und schnell sonnengebräunt, liefen Arm in Arm die Hauptstraße entlang, einmal links und einmal rechts und sangen aus vollen Kehlen italienische Gassenhauer.

    Diese Begegnungen waren exotisch, hatte ich doch in meinem ganzen Leben noch nie einen Nicht-Schweizer gesehen und sofort verband ich mit dem Neuen und Unbekannten auch Lebensweisen, die mich interessierten, die ich eines Tages entdecken wollte und verstehen würde. Ich wollte kein Weber werden, ein anderes Leben führen als meine Eltern. Ich wollte dem Schicksal ein Schnippchen schlagen und das Dorf eines Tages verlassen.

    Das geschah schneller als gedacht und anders als ich es mir vorgestellt hatte. Die prekären finanziellen Verhältnisse sorgten seit Längerem für Spannungen zwischen den Eltern. Meine vier Geschwister, allesamt viel älter als ich, hatten in der Zwischenzeit das Haus verlassen. Vater und Mutter fällten eine für die damalige Zeit ungewöhnliche Entscheidung, die allenfalls den Mitgliedern der höheren Gesellschaft vorbehalten war: sie ließen sich scheiden.

    Mein Kinderleben endete etwas abrupt mit 13 Jahren und nachdem ich noch einige Monate lang mit Mutter zusammengelebt hatte, verbrachte ich längere Zeit auf einem Bauernbetrieb. Es waren anständige Leute. Für Kost und Logis arbeitete ich auf dem Hof mit, die Schule kam zwangsläufig etwas zu kurz.

    Danach kam ich nach Schlieren in die Pestalozzistiftung, wo man sich mehr um die Schulleistungen bemühte. Als es darum ging, sich für einen Beruf zu entscheiden, war ich zwar auf mich allein gestellt, doch hatte dieser Umstand auch Gutes.

    Ich wählte frei und im Nachhinein das Richtige: Da wir Pferde hatten, ich mit ihnen fahren durfte und ich auch in die Schmiede mitgehen konnte, war für mich klar – ich wollte Hufschmied werden.

    Die Lehrzeit war körperlich hart, ich legte an Muskeln zu, vor allem aber stellte ich meine Leidensfähigkeit unter Beweis. Die extremen Temperaturen, wenn das heiße Eisen aus dem Feuer mit einer Hand gehalten und mit der anderen den Hammer führend geschmiedet wird, ist hauptsächlich im Winter eine Herausforderung. Speziell für die Hände, wenn man das Eisen aus dem Schnee holen musste und dann wieder diese Hitze. Man sieht meinen Händen heute noch diese Arbeit an.

    Manche nennen den Beruf brachial und die Arbeitsweise authentisch. Doch die Faszination liegt in den Feinheiten, die nicht auf den ersten Blick ersichtlich sind.

    Der Kontakt mit meinen Lieblingstieren, den Pferden und der Umgang mit einem Material, das nur vordergründig schwer und hart ist, führten dazu, dass ich in dieser Tätigkeit noch viel mehr erkannte. Ein Pferdehuf ist etwas Individuelles, man kann den Huf nicht ausmessen, man arbeitet, nachdem man Augenmaß genommen hat und vor allem muss man das Eisen – wie es so schön heißt – schmieden, solange es heißt ist. So bleibt die Arbeit ein fortlaufender Prozess, bei dem die Konzentration und das unmittelbare Erschaffen im Vordergrund steht.

    Auch dekorative Formen, die ein Kunstschmied realisiert, sind das Resultat einer Arbeit, die genau ausgeführt und technisch perfekt sein muss. Auf manche Begebenheiten, die sich aufgrund der eigenen Tagesform ergeben oder weil spontan ein Problem auftaucht, muss man sofort und intuitiv reagieren und Fehler können im Nachhinein nicht oder nur einige Sekunden lang korrigiert werden. Beschlägt man den Huf jedoch mit einem perfekt passenden und formschönen Hufeisen, ist es ein spezieller, fast möchte ich sagen, ein erhabener Moment. Präzision und Schnelligkeit, eine einwandfreie Kenntnis des Materials und die Technik, machen einen guten Schmied aus.

    All diese Voraussetzungen sollten auch auf meinem Weg im Karate eine Rolle spielen.

    Ich legte in dieser Zeit an körperlicher Kraft zu. Die Arbeit war derart anstrengend, dass ich keine sportlichen Herausforderungen benötigte, nach Abschluss der Lehre aber etwas anderes sehen und erleben wollte. Auf dem Weg in die große weite Welt, gelangte ich zuerst in die französische Schweiz, nach Nyon und fand eine Anstellung als Hufschmied für das Beschlagen von Rennpferden.

    Ich war fasziniert, denn die beschlagenen Hufe, konnten nun über Sieg oder Niederlage entscheiden. Waren die Eisen beim Trabrennen zu schwer, setzten die Pferde während des Rennens die Hufe zu früh ab und verloren Zentimeter, die beim Durchlauf der Ziellinie ausschlaggebend sein konnten. Zu leichte Hufeisen, ließen die Tiere hingegen in den Galopp fallen, ein Grund, um sie zu disqualifizieren.

    Dabei brachte man auf den Hufeisen kleine Schweißpunkte an, die den perfekten Ausgleich schufen, damit die Tiere den Sieg erlangen konnten. Später zog ich weiter, nach Genf und arbeitete dort als Landwirtschaftsmechaniker.

    Mein jugendlicher Wunsch, stark zu sein, war in der Zwischenzeit in Erfüllung gegangen. Doch ich wollte mehr. Meine Alterskollegen fuhren Rennrad, stemmten Gewichte oder versuchten sich im Boxring.

    Den tieferen Sinn von Karate und sein Potenzial erkannte ich damals nicht. Praktische Gründe standen im Vordergrund, um mich der Budo-Kunst zu widmen: Karate bedeutet so viel wie mit „leeren Händen".

    Das assoziierte ich am Anfang mit dem Umstand, dass die japanische Kampfsportart ohne Hilfsmittel ausgeübt wird. Dass man keine teure Sportausrüstung benötigt, war ein Grund, um sie auszuüben. Unterbewusst muss noch ein anderer Vorteil mitgewirkt haben: Ohne Statussymbole erreichen zu müssen, die in einer Peer-Group oder in einem gesellschaftlichen Umfeld normalerweise den Erfolg anzeigen und für Anerkennung sorgen, konnte ich mir Bewunderung erarbeiten und eine Einzigartigkeit erlangen, die allein auf meiner physischen Kraft und meiner psychischen Stärke beruhen würde.

    Kurz: Ich konnte ein anderer werden, als ich war.

    Wenn ich wollte. Ich wollte vorrangig mehr

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