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1848 in 48 Kapiteln: Geschichte einer Revolution
1848 in 48 Kapiteln: Geschichte einer Revolution
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eBook357 Seiten3 Stunden

1848 in 48 Kapiteln: Geschichte einer Revolution

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Über dieses E-Book

Die Revolution neu und anders erzählt
Die Revolution von 1848/49 gehört zu den Sternstunden der europäischen Geschichte. Matthias von Hellfeld liefert zum 175. Jahrestag der Revolution kurz und kompakt das notwendige Faktenwissen. In 48 kurzweiligen Kapiteln stellt er uns die Vorgeschichte der eigentlichen Revolution vor, geht an die wichtigsten Orte, porträtiert die entscheidenden Personen und benennt außergewöhnliche Objekte, die für die Geschichte von 1848 eine herausragende Rolle spielen. So verleiht er diesem Meilenstein hin zu Gleichberechtigung, Meinungsfreiheit und Gleichheit auf höchst unterhaltsame und anschauliche Weise neuen Glanz.
Neben vielem bekannten Schulwissen lernt man in diesem Buch aber auch Neues kennen. Wir erfahren, was es mit einer berühmten Laterne in Wien auf sich hat, hören von ersten Luftangriffen mittels Heißluftballons, von der Gründung des ersten amerikanischen Turnvereins und dem Kommunistischen Manifest, vom Oberbefehlshaber der badischen Revolutionsarmee, dem Polen Ludwik Mierosławski oder der brasilianisch-italienischen Freiheitskämpferin Anita Garibaldi.

Glossare, Zeittafeln und Karten sorgen für die notwendige Orientierung. Ein schön gestaltetes Buch für alle Freunde der Demokratiegeschichte und der populären Unterhaltung.
SpracheDeutsch
HerausgeberVerlag Herder
Erscheinungsdatum10. Okt. 2022
ISBN9783451828447
1848 in 48 Kapiteln: Geschichte einer Revolution
Autor

Matthias von Hellfeld

Matthias von Hellfeld ist promovierter Historiker und Journalist (WDR, VOX, Dt. Welle, ZDF, Deutschlandfunk, DRadioWissen), Autor zahlreicher historischer und politischer Sachbücher zur Geschichte Deutschlands und Europas und zum Rechtsextremismus. Zudem hat er zahlreiche TV- und Hörfunk-Beiträge zu historischen Themen verfasst. Er ist Dozent des Masterstudiengangs "OnlineRadio" der Martin-Luther-Universität Halle/Wittenberg und beim Kölner Campus für lebenslanges Lernen, sowie Vertrauensdozent einer politischen Studienstiftung.

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    Buchvorschau

    1848 in 48 Kapiteln - Matthias von Hellfeld

    Matthias von Hellfeld

    1848 in 48 Kapiteln

    Geschichte einer Revolution

    © Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2022

    Alle Rechte vorbehalten

    www.herder.de

    Umschlagmotiv und -gestaltung: Lukas Woßagk

    E-Book-Konvertierung: Carsten Klein, Torgau

    ISBN Print 978-3-451-39155-2

    ISBN E-Book (EPUB) 978-3-451-82844-7

    Inhalt

    Von Philadelphia bis Wien 1776–1815

    Vorgeschichte 1815–1847

    1. Der Wiener Kongress – Gemeinsame Kontrolle über Europa

    2. Die Jenaer Burschenschaft – Keimzelle der Revolution 1815

    3. Das Wartburgfest 1817 – Wetterleuchten der deutschen Revolution

    4. Karlsbader Beschlüsse – Verfolgung der »Demagogen« 1819

    5. Das Hambacher Fest – Einheit und Freiheit 1832

    6. Die Rheinkrise – Es lebe die Nation 1840

    7. Der Weberaufstand in Schlesien – Gegen den Hunger 1844

    Orte

    8. Paris: Februarrevolution in Frankreich – Initialzündung für Deutschland 1848

    9. Berlin: Barrikadenkämpfe 1848

    10. Mannheim: Die Märzforderungen der »Mannheimer Petition« 1848

    11. Odenwald: Bauernkrieg und antijüdische Pogrome 1848

    12. Cincinnati: Der erste deutsche Turnverein in den USA 1848

    13. München: Die Abdankung König Ludwigs I. von Bayern – 1848

    14. Frankfurt: Das Paulskirchenparlament – 1848

    15. Prag: Der Pfingstaufstand – 1848

    16. Malmö: Der preußisch-dänische Waffenstillstand – 1848

    17. Dresden: Der Maiaufstand – 1849

    18. London: Karl Marx und die Exilanten – 1849

    19. Rastatt: Das Ende der Badischen Revolution – 1849

    20. Olmütz: Das Ende der Revolution – 1850

    Personen

    21. Anita Garibaldi – Die italienische Freiheitskämpferin

    22. Johann von Österreich – Der Reichsverweser

    23. Heinrich von Gagern – Der Präsident der Nationalversammlung

    24. Klemens Fürst Metternich – Der Außenminister Österreichs

    25. Robert Blum – Der radikale Revolutionär

    26. Friedrich Wilhelm IV. – Der preußische König

    27. Philipp Jakob Siebenpfeiffer – Der demokratische Publizist

    28. Johann Georg August Wirth – Kämpfer für Einheit und Freiheit

    29. Ludwig Uhland – Der Dichter

    30. Friedrich Hecker – Der Radikaldemokrat

    31. Carl Schurz – Der Politiker und Feldherr

    32. Otto I. von Wittelsbach – Der griechische König

    33. Karl Schapper – Der Arbeiterführer

    34. Franz Sigel – Der Kriegsminister der Badischen ­Revolution

    35. Amalie Struve – Die Revolutionärin der ersten Stunde

    36. Louise Otto-Peters – Die Gründerin der Frauenbewegung

    37. Emma Herwegh – Die unangepasste Revolutionärin

    38. Ludwik Mierosławski – Der polnische General

    Objekte

    39. Revolutionäre Solidarität – Die Polenvereine in Deutschland 1830

    40. Der erste Binnenmarkt – Das Zollpfund 1834

    41. Hunger und Elend – Kartoffelrevolution 1847

    42. Germania – Der deutsche Mythos

    43. Schwarz-Rot-Gold – Die deutsche Trikolore 1848

    44. Lynchjustiz – Der Laternenpfahl in Wien 1848

    45. Internationale Solidarität – Das Kommunistische Manifest 1848

    46. Alle sind gleich – Erklärung der Grundrechte des ­deutschen Volkes 1848

    47. Italienischer Unabhängigkeitskrieg – Heißluftballone als Bombe 1849

    48. Einheit und Freiheit – Die Paulskirchenverfassung 1849

    Die Revolution ist nicht ­gescheitert!

    Glossar

    Chronologie der Deutschen Revolution von 1815 bis 1849

    Literatur

    Bildnachweise

    Über den Autor

    Von Philadelphia bis Wien 1776–1815

    Die Geschichte der Revolutionen in Europa, von denen die Deutsche Revolution von 1848 eine war, begann eigentlich Ende des 18. Jahrhunderts im Nordosten des amerikanischen Kontinents. Dort hatten sich englische Siedler niedergelassen und im Auftrag ihres Königs dreizehn Kolonien gegründet. Um diese und viele andere Kolonien ging es zwischen 1756 und 1763 im Siebenjährigen Krieg. Er wurde zeitgleich in Mitteleuropa, Portugal, Nordamerika, Indien, in der Karibik und auf den meisten Weltmeeren ausgetragen. Frankreich und England waren darin verwickelt, weil beide um die koloniale Vormachtstellung in der Welt kämpften. Am Ende dieser globalen Auseinandersetzung, die mitunter auch »Erster Weltkrieg« genannt wird, standen Frankreich und England vor einem Staatsbankrott. Die britische Krone wollte durch eine Besteuerung von Waren für die Kolonisten einen Teil der Kosten für deren militärischen Schutz decken, löste damit aber einen Aufstand in den Kolonien aus, der am 16. Dezember 1773 zur Boston Tea Party und zum Beginn des amerikanischen Unabhängigkeitskriegs führte.

    Als die Delegierten der dreizehn britischen Nordamerika-­Kolonien in Philadelphia im US-Bundesstaat Pennsylvania am 4. Juli 1776 die amerikanische Unabhängigkeitserklärung unterzeichneten und sich damit von der britischen Krone lossagten, schrieben sie Geschichte. Denn zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte wurden bürgerliche Rechte und Freiheiten formuliert und garantiert: »Alle Menschen sind gleich geschaffen, der Schöpfer hat ihnen bestimmte unveräußerliche Rechte verliehen, zu denen Leben, Freiheit und das Streben nach Glück«¹ gehören.

    Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von Amerika

    Diese unveräußerlichen Rechte finden sich in der französischen »Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte«² vom 26. August 1789 ebenso wieder wie in dem von der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche beschlossenen Katalog der »Grundrechte des Deutschen Volkes«³ vom 27. Dezember 1848. Diese Verfassungen waren von den Gedanken der europäischen Aufklärung inspiriert. Jene geistesgeschichtliche Entwicklung hat rationales Denken und wissenschaftliches Erforschen dem Glauben an eine göttliche Schöpfung der Welt entgegengestellt. Mit dem neuen Denken rückten die Menschen und ihre Rechte in den Mittelpunkt des Interesses. Im Rückgriff auf die frühen Humanisten, die die Philosophie der griechischen Antike wiederentdeckt hatten, sollte der »Mensch das Maß aller Dinge« sein.

    Die Aufklärer propagierten rationales Denken und forderten, jeden einzelnen Menschen in die Lage zu versetzen, sein Schicksal selbst zu bestimmen. Auf die Frage, was denn eigentlich die Aufklärung sei, antwortete der Königsberger Philosoph Immanuel Kant 1784: »Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit.« Der Mensch, so Kant weiter, solle sich also seines Verstandes bedienen, um der Unmündigkeit zu entkommen. Absolutistische Herrscher des ausgehenden 18. Jahrhunderts schreckten angesichts solcher Aufforderungen hoch, denn ihre Herrschaft basierte auf dem Gegenteil des von Immanuel Kant geprägten Anspruchs der Aufklärung. Zwar war das neue Denken anfangs auf intellektuelle Zirkel beschränkt, aber aufhalten ließ es sich nicht mehr.

    In dieser Situation war nicht nur die britische Staatskasse wegen der vielen Kriege geplündert, sondern auch die französische. König Ludwig XVI. hatte die amerikanischen Aufständischen um George Washington gegen England unterstützt. Das französische Kalkül zielte auf eine globale Schwächung des Konkurrenten England und eine Stärkung der eigenen Position in Nordamerika ab. Dem Rivalen England dort eine Niederlage beizubringen, war dem französischen König wichtiger als die eigenen Staatsfinanzen. Als Ergebnis des amerikanischen Unabhängigkeitskriegs verlor England 1783 seine dreizehn nordamerikanischen Kolonien, und Frankreich war nun endgültig bankrott. Zur Konsolidierung der Staatsfinanzen wollte der französische König Steuern und Abgaben erhöhen, musste sich dafür aber die Zustimmung der Generalstände einholen. Diese Generalstände repräsentierten den Adel, den Klerus und das Bürgertum und waren zuletzt 1614 nach Paris eingeladen worden. Die Versammlung der Generalstände widersprach zwar dem absolutistischen Amtsverständnis des französischen Königs, aber für Steuererhöhungen brauchte Ludwig XVI. die Zustimmung der Generalstände.

    Für den König war das eine reine Formsache, zu der er per Gesetz verpflichtet war. Aber die Delegierten machten am 9. Juli 1789 aus ihrer Versammlung eine Verfassungsgebende Nationalversammlung und lösten damit die Französische Revolution aus. In den nächsten Wochen wurden die Monarchie gestürzt, die erste Französische Republik ausgerufen und der Revolutionsdreiklang »Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit« über Europa ausgerufen. Wie die amerikanische Unabhängigkeitserklärung von 1776 und die amerikanische Verfassung von 1787 war auch die Französische Revolution eine Folge der Aufklärung. Nahezu wortgleich zur amerikanischen Unabhängigkeitserklärung stellte die französische Nationalversammlung dies am 26. August 1789 mit der »Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte« auch unter Beweis. Das Postulat der Gleichheit der Menschen und ihrer unveräußerlichen Rechte wurde in die französische Verfassung aufgenommen: »Die Menschen sind und bleiben von Geburt frei und gleich an Rechten. Diese Rechte sind Freiheit, Eigentum, Sicherheit und Widerstand gegen Unterdrückung. Die Freiheit besteht darin, alles tun zu können, was einem anderen nicht schadet. So hat die Ausübung der natürlichen Rechte eines jeden Menschen nur die Grenzen, die den anderen Gliedern der Gesellschaft den Genuss der gleichen Rechte sichern.« Damit waren zum ersten Mal in Europa die universell gültigen Menschen- und Bürgerrechte formuliert, auf die sich rund sechzig Jahre später auch die Revolutionäre in Deutschland berufen sollten.

    Die Befreiung des Menschen aus den Zwängen absolutistischer Herrscher, die Trennung von Kirche und Staat und die Gültigkeit der Menschenrechte – diese Ziele unterstützten die meisten Europäer. Die Ideen der französischen Revolutionäre von einem starken Parlament, dem Ende des Absolutismus, dem Zurückdrängen des kirchlichen Einflusses auf Politik und Gesellschaft und die von den französischen Revolutionären durchgesetzte Meinungs-, Presse-, Versammlungs- und Glaubensfreiheit machten vor keinem europäischen Land Halt. Die Vorstellung einer konstitutionellen Monarchie, in der der Herrscher an eine vom Parlament kontrollierte Verfassung gebunden war, traf auf nahezu ungeteilte Zustimmung, weil viele Bürger eine Veränderung der Verhältnisse wollten. Das 19. Jahrhundert war folgerichtig gekennzeichnet vom »Nation Building«, in dem zwischen 1830 und 1871 in Griechenland, Belgien, Frankreich, Deutschland und Italien konstitutionelle Monarchien entstanden. Aber die Entstehung der Nationalstaaten war begleitet von heftiger Gegenwehr des Ancien Régime. Beim Wiener Kongress 1814/15 hatten sich die »alten« Monarchien Europas zu einem antirevolutionären Schutzbündnis zusammengeschlossen. Sie beriefen sich dabei auf ihre angeblich von Gottes Gnaden übertragene Macht und versicherten sich gegenseitigen Beistand, wenn ihre Macht durch Revolutionen ins Wanken geraten würde. Nationalen Bewegungen, die es überall in Europa gab, sagten sie den Kampf an. Mit der rigorosen Verfolgung Andersdenkender und der Inhaftierung von Anhängern der nationalen Opposition in Deutschland läuteten sie das Zeitalter der Restauration ein, mit der die Machtverhältnisse der Zeit vor der Französischen Revolution wiederhergestellt und langfristig abgesichert werden sollten.

    Der Wiener Kongress hatte einerseits den Charakter einer »Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa«, weil die Großmächte gemeinsame Verantwortung für Frieden und Sicherheit auf dem Kontinent übernahmen. Andererseits verbarg sich hinter den Beschlüssen des Kongresses enorme Sprengkraft, deren Wirkung dramatisch unterschätzt wurde. Die nationalen Bewegungen in Europa waren mit den Ergebnissen des Kongresses nicht zufrieden und machten daraus auch keinen Hehl. Je länger der Zustand andauerte, desto mehr begehrten diese Bewegungen auf – erst in Belgien und Griechenland, dann in Polen und Deutschland und schließlich in Italien. In Deutschland empörten sich Angehörige der nationalen Opposition wie der Philosoph und Staatsmann und spätere Gründer der Berliner Universität Wilhelm von Humboldt darüber, dass in Wien »kein Funken Gefühl für Deutschland« zu spüren gewesen sei.

    Frankreichs Kalkül eines »Kleindeutschland« ging durch die Gründung eines Deutschen Bundes unter preußischer und österreichischer Führung zunächst ebenso auf, wie sich Russlands Hoffnung erfüllte, eine weitere Großmacht verhindert zu haben, die sich gegen russische Interessen wenden könnte. Für den russischen Zaren Alexander I. war damit der Weg frei zu einer autoritären Herrschaft in Polen, das vom Wiener Kongress zwar »wiederhergestellt«, aber unter russische Hegemonie gestellt worden war. Ohnehin hatten die kleineren europäischen Völker grundsätzliche Bedenken gegenüber einem großen, ökonomisch wie militärisch mächtigen Deutschland. Für England zählte hingegen nur, dass Deutschland, egal wie es im Inneren organisiert sein würde, Russland im Osten und dem Erzrivalen Frankreich im Westen die Stirn bieten würde. Auf dieser Grundlage war 1815 die Gründung eines deutschen Gesamtstaates nur gegen den Willen der europäischen Mächte zu realisieren und deshalb utopisch.

    Darüber waren die Anhänger der deutschen nationalen Bewegung enttäuscht, weil sie sich von einer europäischen Nachkriegsordnung einen gemeinsamen deutschen Nationalstaat erhofft hatten. Aber die fünf Großmächte Frankreich, England, Preußen, Russland und Österreich einigten sich stattdessen auf die Gründung eines Deutschen Bundes. Dieser Bund verhinderte die Entstehung eines geeinten deutschen Staates und garantierte den Großmächten auch weiterhin politischen Einfluss auf die deutschen Länder in der Mitte des Kontinents. In Artikel 11 der Deutschen Bundesakte vom 8. Juni 1815 wurde geregelt, dass sich die »Mitglieder des Bundes versprechen, sowohl ganz Deutschland als auch jeden einzelnen Bundesstaat gegen jeden Angriff in Schutz zu nehmen und ihre Besitzungen sich gegenseitig zu garantieren«. Keines der Mitglieder durfte »einseitig Waffenstillstand oder Frieden schließen« oder »Verbindungen eingehen, welche gegen die Sicherheit des Bundes oder einzelner Staaten gerichtet wären«.⁴ Damit war zwar einerseits ein Sicherheitsnetz über die Mitglieder des Deutschen Bundes gezogen, aber jede Veränderung von Grenzen im Inneren des Bundes war genauso ausgeschlossen wie die gewaltlose Gründung eines deutschen Nationalstaates.

    Die europäischen Großmächte wollte den Status quo vor der Französischen Revolution festschreiben und, wenn nötig, mit Gewalt aufrechterhalten. Deutschland war vor 1789 in viele kleine Territorien aufgeteilt und sollte es – wenn auch in einem gemeinsamen Bund vereint – nach 1815 bleiben. Das war weniger eine antideutsche, sondern vor allem eine antirevolutionäre und antinationale Politik der Großmächte. Sie garantierten zwar den Deutschen ihre Existenz in der Mitte Europas, verhinderten aber gleichzeitig einen deutschen Nationalstaat, der aller Voraussicht nach im Konzert der Großmächte eine ernstzunehmende Rolle gespielt hätte. Die Konsequenz dieser Politik zeigte sich rasch: Die Mitte des Kontinents war unruhig. In Polen und Deutschland waren die nationalen Töne nicht mehr zu überhören, Griechenland und Belgien strebten das Ende der osmanischen bzw. niederländischen Herrschaft an, und aus Italien waren bald die Töne des Risorgimento nicht mehr zu überhören.


    1 Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten gegeben im Kongress am 4. Juli 1776 (in einer Übersetzung aus dem Jahr 1849: http://www.verfassungen.net/us/unabhaengigkeit76.htm

    2 Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte vom 26. August 1789: www.conseil-constitutionnel.fr

    3 Die Grundrechte des deutschen Volks vom 27. Dezember 1848: http://www.documentarchiv.de/nzjh/1848/grundrechte1848_ges.html

    4 Deutsche Bundesakte vom 8. Juni 1815: http://www.documentarchiv.de/nzjh/dtba.html

    Vorgeschichte 1815–1847

    1. Der Wiener Kongress – Gemeinsame Kontrolle über Europa

    Im September 1814 versammelten sich in Wien rund 300 gekrönte Häupter und Diplomaten aus Europa. Sie standen vor der selbstgewählten Aufgabe, den europäischen Kontinent nach den Kriegen gegen Napoleons Revolutionstruppen wieder so zu ordnen, dass es keine neuerlichen Revolutionen wie die von 1789 in Frankreich geben würde. 1814 – und noch einmal nach der Schlacht bei Waterloo 1815 – hatten sie in zwei Friedensverträgen Frankreich die Hand gereicht und wieder in den Kreis der europäischen Großmächte aufgenommen. So konnte die gerade erst installierte Monarchie des Bourbonenkönigs Ludwig XVIII. am Wiener Kongress teilnehmen, obwohl Frankreich Revolution und Krieg über Europa gebracht hatte. Die Delegationen waren in Wien zusammengekommen, um das »Rad der Entwicklung anzuhalten«. Damit lösten sie unterschiedliche Reaktionen aus: Die einen waren zufrieden über die »Restauration« des machtpolitischen Zustands Europas aus der Zeit vor 1789. Die anderen hielten verbittert an ihrem Vorwurf fest, die Gründung von Nationalstaaten und damit eine notwendige Entwicklung verhindert zu haben.¹

    Der Wiener Kongress in einer zeitgenössischen Darstellung

    Die Verhandlungsdelegationen aus Frankreich, Preußen, Österreich, Russland und England folgten zunächst also dem Prinzip der Restauration, mit der der alte Zustand von 1789 mit absolutistischen Monarchien, die an keinerlei verfassungsmäßige Einschränkungen gebunden waren, wiederhergestellt wurde. Zudem galt fortan das Prinzip der Solidarität, denn die Monarchen sollten untereinander solidarisch sein und immer dann, wenn die wiederhergestellte alte Ordnung in einem ihrer Königreiche bedroht war, sich gegenseitig zu Hilfe eilen. Und schließlich einigten sie sich auf das Prinzip der Legitimität, damit legitime Ansprüche auf einen Thron auch durchgesetzt werden konnten. So wurden mit der »Wiener Congreß-Akte« vom 8. Juni 1815² die Königreiche Spanien, Portugal und Neapel wiederhergestellt, zudem erhielten die Niederlande die »österreichischen Niederlande« zurück, und die Schweiz erlangte ihre Unabhängigkeit wieder. Polen hingegen wurde nicht wieder zu einer Monarchie, sondern ein weiteres Mal unter Fremdherrschaft gestellt. Nach langem geopolitischem Geschacher wurde das Herzogtum Warschau – eine Gründung Napoleons – durch das sogenannte Kongresspolen ersetzt.

    Europa 1815

    Der russische Zar Alexander wollte Polen wiederherstellen und in Personalunion selbst regieren. Damit Preußen diesem Plan zustimmte, musste Friedrich Wilhelm III. für die Gebiete entschädigt werden, die bei den drei Teilungen Polens 1772, 1793 und 1795 von Preußen annektiert worden waren. Für das Kulmerland, Hinterpommern, die Kurmark, für »Südpreußen« mit Posen und »Neuostpreußen« mit Warschau bekam Preußen Teile Sachsens sowie Gebiete in Westfalen und am Rhein. Preußen war damit zur deutschen Großmacht geworden, stand an den Ufern des Rheins dem französischen »Erbfeind« gegenüber und hielt in deutschem Namen die später so bezeichnete »Wacht am Rhein«. Österreich verzichtete auf alle Ansprüche in Polen, Belgien und im Westen Deutschlands und wurde dafür mit Venezien und der Lombardei »entschädigt«. Damit war der Weg frei für das russisch beherrschte »Kongresspolen«, dessen Bewohner fortan einer drastischen Russifizierung ausgesetzt waren. Aber der polnische Wunsch nach einem eigenen Nationalstaat ließ sich nicht unterdrücken, wie 1835 aus einer Rede des späteren Zaren Nikolaus I. hervorging: »Wenn Ihr darauf besteht, an Euren Träumen von (…) einem unabhängigen Polen und allen diesen Chimären festzuhalten, so werdet Ihr großes Unheil über Euch heraufbeschwören. (…) Bei der geringsten Unruhe werde ich die Stadt beschießen lassen.«³

    Die deutschen Fürsten waren am Wiener Kongress nicht beteiligt, über die Zukunft ihrer Länder entschieden die Großmächte, indem sie den von Napoleon gegründeten Rheinbund auflösten und an gleicher Stelle einen »Deutschen Bund« ins Leben riefen. Damit sollte die Mitte Europas unter ihrer Kontrolle bleiben und für politische Ruhe sorgen. Insofern kamen die Delegationen von Wien ihrer Gesamtverantwortung für den Kontinent nach, die mit der Gründung einer »Heiligen Allianz« von Preußen, Russland und Österreich auch eine stabilisierende Einheit hervorbrachte. Fortan sollte diese Allianz die Ordnung des Wiener Kongresses garantieren und dem christlichen Herrschaftsprinzip auf dem Kontinent zum Durchbruch verhelfen. Im Allianzvertrag vom 26. September 1815 verkündeten sie, dass sie »als die Richtschnur ihres Verhaltens (…) allein die Gebote dieser heiligen Religion« ansehen und nur »den Geboten der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens« folgen werden.

    Der Wiener Kongress war nach dem Westfälischen Frieden von 1648 die zweite europäische Sicherheitskonferenz, die das fragile Verhältnis zwischen den europäischen Völkern austarieren sollte. Dazu trug wesentlich die Teilnahme Frankreichs bei. Ein Friedensschluss gegen oder ohne Frankreich hätte mit einiger Sicherheit den Keim neuerlicher Konflikte in sich getragen. Die »deutschen Frage« wurde in Wien nicht beantwortet, aber mit der Gründung des Deutschen Bundes konnte die politisch-territoriale Einheit Deutschlands erhalten werden.⁵ Österreich, das bis dahin in Konkurrenz zu Preußen um die Vormacht in Deutschland gestritten hatte, wurde durch die territorialen Zugewinne in Norditalien eine südosteuropäische Schutz- und Großmacht, während Preußen diese Rolle für den deutschsprachigen Raum außerhalb Österreichs übernahm. Dadurch dass Preußen nun stärker in Westdeutschland vertreten war, verlagerten sich auch dessen Interessen nach Zentraleuropa.

    Streitpunkte oder unlösbare Fragen, die beim Wiener Kongress auftauchten, wurden auf Folgekonferenzen⁶ verwiesen, was darauf hindeutet, dass es den Delegationen um die Realisierung des Machbaren ging und nicht nur um die Durchsetzung der eigenen Interessen. Insofern hat dieser Kongress diplomatische Maßstäbe gesetzt. In Wien sollte gleichermaßen Schutz vor neuen revolutionären Prozessen gewährleistet wie die Interessen der europäischen Großmächte berücksichtigt werden. England, Russland, Preußen, Österreich und Frankreich übernahmen gemeinsame Verantwortung für Europa, dem sie Frieden durch Stabilität brachten. Zweifellos waren ihre Ordnungsvorstellungen rückwärtsgewandt – eben restaurativ –, aber dadurch konnte revolutionären Entwicklungen wenigstens eine Zeitlang der Boden

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