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Ein Moment des Glücks
Ein Moment des Glücks
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eBook308 Seiten4 Stunden

Ein Moment des Glücks

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Über dieses E-Book

Strahlender Sonnenschein dringt durch die matten Fensterscheiben der privaten Frauenklinik in der Marien- straße in Neumünster. Es ist der achte Juni im Jahre 1970, die Uhr zeigt die vierzehnte Stunde des Tages an. Natha- lie gibt ihr Leben kund, ein quäkendes, hohlkehliges Schreien eines Neugeborenen.
Eine Weile später blickt Vater Rudolf Schönau auf sein erstes, schönes und einziges Kind, das mit geschlos- senen Augen friedlich in seinem kleinen Babybettchen liegt und immer wieder versucht die zu winzigen Fäusten geballten kleinen Händchen in den Mund zu bekommen, um kräftig daran zu saugen. Tränen der Freude schim- mern in seinen stahlblauen Augen und glückselig nimmt er das kleine Geschöpf wahr, das ihn nahezu fasziniert, so dass er seinen Blick gar nicht davon abwenden kann.
SpracheDeutsch
HerausgeberEuropa Edizioni
Erscheinungsdatum23. Aug. 2022
ISBN9791220132343
Ein Moment des Glücks

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    Buchvorschau

    Ein Moment des Glücks - Elfie Böge

    Elfie Böge

    Ein Moment des Glücks

    © 2022 Europa Buch | Berlin www.europabuch.com | info@europabuch.com

    ISBN 979-12-201-240-89

    Erstausgabe: August 2022

    Gedruckt für Italien von Rotomail Italia

    Finito di stampare presso Rotomail Italia S.p.A. - Vignate (MI)

    Ein Moment des Glücks

    Strahlender Sonnenschein dringt durch die matten Fensterscheiben der privaten Frauenklinik in der Marienstraße in Neumünster. Es ist der achte Juni im Jahre 1970, die Uhr zeigt die vierzehnte Stunde des Tages an. Nathalie gibt ihr Leben kund, ein quäkendes, hohlkehliges Schreien eines Neugeborenen.

    Eine Weile später blickt Vater Rudolf Schönau auf sein erstes, schönes und einziges Kind, das mit geschlossenen Augen friedlich in seinem kleinen Babybettchen liegt und immer wieder versucht die zu winzigen Fäusten geballten kleinen Händchen in den Mund zu bekommen, um kräftig daran zu saugen. Tränen der Freude schimmern in seinen stahlblauen Augen und glückselig nimmt er das kleine Geschöpf wahr, das ihn nahezu fasziniert, so dass er seinen Blick gar nicht davon abwenden kann.  „Das nun ist unsere Tochter", dabei dreht er seinen Kopf ein wenig seiner Frau zu, die sichtlich erschöpft, doch überaus glücklich, ihre beiden liebsten Menschen aus ihrem Bett heraus betrachtet – ihren Mann, der sich gar nicht satt sehen kann an seiner Tochter und das Wunder ihres eigenen Kindes. 

    Als ihr die Hebamme während der Geburt zurief: 

    „Es ist alles vorhanden und Sie haben eine gesunde Tochter zur Welt gebracht", kullerten vor Erschöpfung und gleichzeitiger Erleichterung doch ein paar Tränen über die von der anstrengenden Geburt aufgeheizten, leicht geröteten Wangen der jungen Mutter. 

    Es ist einige Tage später, die junge Familie bringt neues Leben in das Einfamilienhaus, das vor zwei Jahren in dem kleinen Ort Padenstedt, das unmittelbar an Neumünster angrenzt, erbaut wurde.

    Stolz zeigt sich in Rudolf Schönaus blanken stahlblauen Augen, als er seine Tochter, die in einer roten Cord-Babytragetasche, eingehüllt in einer blütenweißen Ausfahrtgarnitur, liegt, ins Haus trägt. Seine Frau, die hinter ihm das Haus betritt, beobachtet liebevoll ihre beiden Liebsten und Glück erfüllt ihr Herz und lässt es ein wenig schneller schlagen:

    „Jetzt sind wir eine vollständige Familie Rudolf, was brauchen wir noch mehr zu unserem Glück?"

    Sie erfasst die Hand ihres Mannes, lehnt sich an ihn und sinnend betrachten sie gemeinsam das kleine Wesen, das friedlich seinen Einzug hält.

    Das Ehepaar Schönau ist auch fortan täglich immer wieder aufs Neue begeistert von ihrer süßen, bezaubernden Tochter, die auch als einziger Nachwuchs in der Familie mit viel Liebe und Geduld erzogen wird.

    Nathalies Mutter, eine gelernte Verkäuferin, nimmt sich das Recht und scheidet zunächst aus ihrem Berufsleben aus, um sich ganz der Familie zu widmen. 

    Für Nathalies Vater, der als Setzer beim Zeitungsverlag arbeitet, dem „Holsteinischer Courier" in Neumünster, ist der schönste Zeitvertreib im Laufe der Jahre, sich mit seiner kleinen Tochter zu beschäftigen, die er abgöttisch liebt. Beide Elternteile bemühen sich täglich rührend um die kleine Nathalie, die mit ihren großen dunklen Augen in die Welt blickt, als wolle sie alles auf einmal erfassen. Ein keckes Grübchen in der linken Wange unterstreicht ihr schemenhaftes Lächeln. 

    Nathalie wächst als ein glückliches und wohlbehütetes Kind auf. Ihre schokoladenbraunen Augen leuchten, wenn sie lacht und ihre schwarzen Haare umschmeicheln ihr etwas rundliches Gesicht. Volle Lippen geben dem Antlitz einen ungewöhnlichen Liebreiz. Ihre Bewegungen sind spielerisch graziös und ihre liebevolle Art gegenüber anderen Menschen macht sie bereits von Kindesbeinen an nicht nur bei Freundinnen, sondern allgemein beliebt.

    Als Nathalie in ihrem dritten Lebensjahr anfängt die Lieder ihrer CDs aus Oper und Operette nachzusingen, reagieren ihre Eltern freudig überrascht und hören erstaunt, wie gut sie diese Melodien mitsingt.

    Aus ihrem kleinen silberfarbenen Kassettenrekorder in ihrem Kinderzimmer tönt laufend Musik. Ihre Lieblingsmusik jedoch sind Stücke von Mozart, Beethoven oder auch Chopin. 

    Es ist Mitte Mai. Die Sonnenstrahlen, die durch Nathalies Zimmerfenster fallen, erwärmen den Raum stark und so sitzt Nathalie lieber auf dem Fußboden. Um sich herum hat sie ihre sämtlichen Barbiepuppen verstreut und ihre kleinen Hände ziehen diese Puppen unermüdlich aus und an, denn aus der Vielzahl der vor ihr liegenden Kleidung sucht sie immer wieder die Teile heraus, um ihr Lieblingsspielzeug in einem neuen Outfit zu betrachten. 

    Vor ihr, unterhalb des Sprossenfensters steht der Kassettenrekorder, sie lauscht beim Wechsel der Kleidung ihrer Barbiepuppen ihrem Lieblings-Komponisten – Mozart. Neben ihr auf dem Fußboden liegen noch weitere CDs von Schubert und Chopin verteilt, die sie schon gehört hat oder noch hören will, denn so kann sie sich stundenlang spielend mit ihren Puppen die Musik dieser großen Komponisten verinnerlichen.

    Irgendwann später summt sie die Melodien immer wieder nur leise mit, dann beginnt sie diese laut mitzusingen. Im Laufe der Zeit aber kann Nathalie bereits ohne musikalische Begleitung viele Melodien allein singen.

    Nathalies feiner und dennoch zeitweilig kräftiger Gesang, der manchmal fröhlich und manchmal ernsthaft klingt, versetzt alle, die es hören, in helles Entzücken, denn in jedem Stück, das sie singt, liegt unsagbar viel Gefühl und die völlige Hingabe zur Musik. Oftmals tanzt sie zu ihrer Musik oder dreht sich einfach nur im Kreis, die Musik, so scheint es zumindest, liegt ihr einfach im Blut und so versetzt sie so manchen Zuhörer in Begeisterung.

    Nathalie kann es überhaupt nicht vertragen, wenn jemand sie belächelt, da sie unbedingt ernst genommen werden möchte trotz so manchem Ausrutscher, weil es ihr, was ja verständlich ist, nicht immer ganz gelingt, den richtigen Ton zu finden.

    So nimmt die Musik sie ganz gefangen und wird zu einem sehr wichtigen Teil ihres Lebens. 

    Bereits den Erzieherinnen im Kindergarten fällt sie durch ihre Gesangsfreude auf. Egal wo Nathalie sich aufhält, sie summt immer eine Melodie vor sich her oder trällert fröhlich ein Liedchen. Ihre Lebenslust ist geradezu ansteckend und macht sie überall sehr beliebt.

    *****

    Ein ganz besonders liebevolles Verhältnis führt Nathalie zu ihrer Großmutter Sabrina Schönau. Diese wohnt auch in der näheren Umgebung, das heißt, in Neumünster in der neuen Gartenstadt, so dass sich Oma und Enkelin öfter sehen können. Ihren lieben Großvater Sebastian durfte Nathalie nur noch als Kleinkind erleben, da er leider recht früh einem schweren Krebsleiden erlegen ist. Jedoch bleibt Nathalie die Zeit mit ihrem Großvater in guter Erinnerung. 

    Oftmals durfte sie auf dem Schoß ihres Opas sitzen und er las ihr dann Geschichten aus einem Märchenbuch vor denen sie mit Hingabe lauschte. Manchmal kraulte sie dabei ganz in Gedanken versunken seinen etwas wilden Bart, der sein Gesicht unterhalb der Nase und sein bereits etwas erschlafftes Kinn bedeckte, so dass in den träumerischen Blicken der Enkelin Opas Mund wie aus einer dunklen Höhle zu ihr sprach. 

    Er konnte aber auch ganz viel Interessantes erzählen und jeder hörte ihm gerne zu. Da er beruflich viel auf Reisen war wurde er oftmals schon sehnsüchtig von der Familie erwartet, denn er brachte immer wieder neue interessante Geschichten mit.

    Auch rauchte Opa ab und an eine Pfeife und der Duft des Tabaks erinnerte Nathalie oftmals an Vanillepudding, den sie mit Vorliebe aß – vor allem mit heißen Kirschen. Das wusste Oma Sabrina auch und kochte deshalb so oft es ging dieses leckere Gericht für ihre kleine Enkelin.

    Hin und wieder weckt Nathalie die Erinnerung an Großvater wach, war er doch ein Teil ihres Lebens, an den sie liebevoll zurückdenkt. Ihrem Opa konnte sie alle Fragen stellen, immer hatte er eine Antwort parat. Auch konnte er immer alles gut erklären, wenn sie etwas nicht verstand. Er kannte unzählige Bücher und konnte stundenlang tolle Geschichten erzählen, denen sie nur zu gerne zuhörte. Opa war ein sehr liebevoller Mensch und brachte bei seinen Erzählungen immer seine Gefühle mit ein, so dass er oftmals selber zu Tränen gerührt war, wenn er etwas vortrug.

    Der Tod ihres geliebten Opas machte Nathalie sehr traurig, gehörte er doch zu der Welt der Träume aber auch zur Realität, denn sein Wissen war fast unerschöpflich und er gab davon gerne so vieles weiter.

    Für Großmutter ist es jedoch zeitweilig sehr schwer und es dauert nach Großvaters Tod eine ganze Weile, bis sie über den Verlust ihres Mannes einigermaßen hinweggekommen ist, ohne dass sie, wenn sie liebevoll über ihn spricht, gleich in Tränen ausbricht. Irgendwann jedoch gewinnt sie neuen Lebensmut und so widmet sie sich immer öfter und intensiver ihrer einzigen Enkelin. Die viele freie Zeit, über die Großmutter nunmehr verfügt, stellt sie überwiegend in den Dienst ihrer geliebten Nathalie. 

    So darf Nathalie auch ab und an bei ihrer Oma Schönau übernachten, wenn sie beide mal im Theater waren oder sonst eine gemeinsame Unternehmung durchgeführt haben. Auch kocht die Großmutter auf Wunsch von Nathalie selbstverständlich nur die leckeren Dinge, die ihrer Enkelin am besten schmecken.

    Aber auch Sabrina Schönau findet es mit der Zeit abwechslungsreich und interessant, wenn sie bei ihren Kindern in Padenstedt für ein oder zwei Tage übernachtet und sich dann ausgiebig mit ihrer Enkelin aber auch mit der ganzen Familie beschäftigen kann. 

    Das gemeinsame Essen wird meist in fröhlicher Runde eingenommen und im Anschluss daran finden oftmals Gesellschaftsspiele wie Brettspiele und Knobeln statt aber auch andere Spiele stehen ebenfalls immer auf dem Plan.

    Es ist ein lauer Spätsommerabend. 

    Oma Schönau fährt gemeinsam mit Nathalie in ihrem silberfarbenen Golf nach Kiel, um mit ihr die Ballettaufführung des wunderbaren Stückes „Schwanensee" mit der fantastischen Musik von Tschaikowsky zu erleben. Auf dem Weg dorthin erklärt Oma ihr die tänzerische Abfolge ein wenig und somit kann dann Nathalie später begeistert die Vorstellung mit den Tänzerinnen und ihren Partnern wahrnehmen. Nathalie verfolgt aufgeregt die gesamte Aufführung und applaudiert heftig dazu. Das Stück nimmt sie offenbar ganz gefangen und ab und zu bewegt sie ihre Hüften im Takt der Musik. Nach Beendigung des Stückes ergreift Nathalie in der großen Eingangshalle die Hand ihrer Großmutter:

    „Du, Omi, es war eine wunderbare Idee von dir mit mir nach Kiel zu fahren und hier im Opernhaus „Schwanensee anzuschauen und zu hören. Ich bin so glücklich, ich danke dir. Du bist die allerliebste Oma für mich auf der ganzen Welt.

    Bei solchen lieben Worten ihrer Begleiterin geht bei Großmutter Schönau natürlich das Herz auf und Nathalie erhält ein strahlendes Lächeln als Dankeschön, denn sie ist geradezu darüber entzückt, wie freudig Nathalie das ihr Dargebotene wahrnimmt.

    So beschließt Sabrina Schönau auch weiterhin ab und zu ihre Enkelin an die Hand zu nehmen, um mit ihr im Kino gemeinsam mit Popcorn und Coca-Cola einen interessanten Kinderfilm zu erleben, in den Tierpark zu gehen, um die Tiere dort zu füttern und wahrzunehmen. Wobei sie dann jedes Mal entdecken, wenn neue Tiere wiederum hier ein neues Zuhause gefunden haben. Aber oftmals nimmt ihre Oma sie auch zu sonstigen Veranstaltungen mit, um ihrer kleinen Nathalie viel vom Leben zu zeigen.

    Durch all diese Erlebnisse kann Oma Schönau live miterleben, wie ihre Enkelin freudig ins Leben hineinwächst und sie selbst dabei erkennen muss, wie schnell die Jahre vergehen und sie immer mehr dem Ende ihres Lebens entgegeneilt. 

    *****

    Im Reitstall des Reitervereins e.V. im Forstweg in Neu-münster beginnt Nathalie bereits mit fünf Jahren zunächst mit dem Voltigieren, danach wird sie im Reiten ausgebildet. In dieser Zeit begleitet sie eine AraberSchimmel-Stute und die beiden werden vertraut miteinander, fast wie Gefährten. Freudig wiehert „Arabeska" Nathalie entgegen, wenn sie deren Stimme schon aus der Ferne wahrnimmt. Aber auch Nathalie selbst fühlt sich nicht wohl, wenn sie ihr Pferd mal einen Tag lang nicht sehen kann und am folgenden Tag gibt es dann erst einmal eine stürmische Begrüßung von beiden Seiten.   

    Im Laufe des herrlich warmen Juliwetters veranstaltet der Reiterverein ein Sommerfest. Einige der schon etwas älteren Kinder dürfen allein durch den nahen gelegenen Wald reiten, andere werden mit der Kutsche durch die nähere Umgebung gefahren, hier dürfen auch Eltern mitfahren, um die jüngsten Kinder zu betreuen. In einem dieser Pferdefuhrwerke sitzen auch Nathalie und drei weitere Kinder sowie die Betreuerin Jessica und zwei Mütter, die ihre Kinder zu diesem sommerlichen Fest begleiten. Als Jessica ein Lied anstimmt, fallen die beiden Mütter und – etwas zögerlich – auch die Kinder mit ein. Nathalie singt frohen Herzens und laut klingt die Melodie „Hoch auf dem gelben Wagen" durch den Forstweg.

    Nach Beendigung der Ausritte und Kutschfahrten geht es mit einem fröhlichen Hallo zurück zum Reitstall, wo ein paar fleißige Hände bereits Tische und Stühle aufgebaut haben. Hier nun dürfen alle Teilnehmer des Sommerfestes nach Herzenslust Kuchen vertilgen, der von den Müttern einiger Kinder gebacken und gespendet wurde, und von den Teilnehmern selbst mitgebrachte Getränke zu sich nehmen. 

    Es herrscht rege Beteiligung und einige der Kinder lernen sich neu oder besser kennen. 

    Der spätere Abend jedoch ist für die älteren Teilnehmer reserviert und lockt mit Lagerfeuer dann noch viele andere Reiter und deren Freunde an, um am Grillen teilzunehmen. Es gibt Stockbrot, Würstchen und kleine Nackensteaks, dazu werden kleine Salate und Brot gereicht. 

    Unter den jüngeren Teilnehmerinnen befindet sich auch Leonie, ein zierliches hellblondes Mädchen. Nathalie und Leonie kommen sich an diesem Abend ein wenig näher. Leonie kommt im Stall dazu, als Nathalie Schwierigkeiten mit dem Auskratzen der Pferdehufe hat und eilt ihr zur Hilfe. 

    „Du solltest es anders halten." 

    Dabei zeigt Leonie ein verständnisvolles Lächeln und nimmt den linken Vorderhuf des Pferdes in ihre Hände.

    Dann kippt sie ihn ein wenig nach hinten weg, 

    „Am besten, so."

    Nun beginnt sie mit dem Auskratzen. Arabeska hält auch brav still und Nathalie beobachtet die Szene genau und lernt somit wieder etwas Neues dazu.

    „Vielen Dank Leonie, das ist wirklich nett von dir. Wir sollten uns öfters gegenseitig unterstützen. Vielleicht kann ich dir ja auch mal helfen." 

    Sie stehen noch eine Weile beieinander und plaudern bis Leonie sich verabschiedet und zu ihrem eigenen Pferd eilt.

    Dieses Vorgehen bringt die beiden Mädchen näher und so sehen sie sich von diesem Abend an öfter. Da Nathalie den Wunsch innehat, immer alles gut zu machen, holt sie sich ab und zu einen guten Tipp von Leonie, weil diese schon etwas länger mit ihrem Pferd dem Reitstall zugehörig ist und offensichtlich besser in manchen Dingen Bescheid weiß. So unternehmen sie fortan beide gemeinsame Ausritte in den unmittelbar angrenzenden Stadtwald und im Laufe der Zeit entwickelt sich langsam eine junge Freundschaft zwischen den beiden fröhlichen Mädchen, die sich im Laufe der Jahre noch vertiefen wird. 

    Allgemeine Bewunderung findet die liebliche Stimme Nathalies und wird vielfach sehr gelobt, selbst im Reiterverein bei verschiedenen Anlässen. So fühlt sie sich hier gut aufgehoben, hat viel Freude am Reiten und auch an den Menschen ob jung oder im fortgeschrittenen Alter.

    Auch verschafft ihr das Reiten einen guten inneren Ausgleich. Als sie jedoch zwölf Jahre alt ist, gibt Nathalie das Reiten zunächst wieder auf, da ihr alles zu anstrengend wird. Eines Abends am Abendbrottisch als die kleine Familie beisammensitzt, spricht sie ihre Eltern darauf an: „Wisst ihr was, ich glaube mir wird im Augenblick alles zu viel. Ich reite gern und werde Arabeska auch nicht aufgeben aber reiten, singen, die Schule und alles andere drumherum, nein, ich glaube das schaffe ich nicht mehr so ohne weiteres."

    „Das kannst nur du selbst entscheiden, Nathalie, wir können uns zwar vorstellen, dass dir alles über den Kopf wächst und somit sollten wir eine gute Lösung für dich finden." 

    Die drei diskutieren noch eine ganze Weile miteinander und nach einem einstimmigen Beschluss erhält „Arabeska" eine Reitbeteiligung – Caroline. Sie ist 19 Jahre alt, hat braune lange Haare und haselnussbraune Augen, die freudig in die Welt blicken. Caroline kümmert sich an bestimmten Tagen um Arabeska, das heißt, das Pferd pflegen und füttern, die Box sauber halten und natürlich darf sie Arabeska auch ausreiten, deshalb braucht sie sich auch nicht an den Kosten für Unterbringung und Futter zu beteiligen. 

    So bleibt Nathalie frei in der Entscheidung, wann sie ihr Pferd reitet, wann sie ihrer Musik nachgeht oder sonstiges unternimmt. 

    Das Singen jedoch verschlingt im Laufe der nächsten Jahre fast ihre gesamte Freizeit da ihr aber die Musik am allermeisten am Herzen liegt, muss sie sich von einigen anderen lieben Gewohnheiten verabschieden, wenn sie nicht ganz auf Freizeit verzichten möchte.

    Das Ballett jedoch nimmt sie zunächst weiterhin für sich in Anspruch und besucht daher regelmäßig die Ballettschule Laminare in Neumünster. Ihre Freude zeigt sie in der graziösen Haltung, ihre zarte Figur wirkt bezaubernd während ihres Auftritts im Ballett und so spielt und singt sie bereits bei kleineren Aufführungen und das Publikum ist jedes Mal hingerissen, dieses nimmt Nathalie aufgrund des langanhaltenden Beifalls und der begeisterten Zurufe wahr.

    Ihre brillante Stimme nimmt einen jeden gefangen und ihre Stimme wird immer ausgefeilter mit der Zeit aber auch der Tanz im Laufe der Jahre.

    *****

    Die Grundschule absolviert Nathalie in Neumünster in der Gartenstadtschule im Nachtredder. Eigentlich müsste sie in Padenstedt zur Schule gehen, da dort ihre Eltern wohnen. Aber Nathalies Mutter ist wieder in ihren Beruf zurückgekehrt und fährt Nathalie oftmals vor Arbeitsbeginn in die Schule oder sie setzt sie morgens bei der Großmutter ab, wenn der Unterricht erst zur zweiten oder dritten Stunde beginnt. Oma Schönau hat ihre Enkelin mit zweitem Wohnsitz in der neuen Gartenstadt angemeldet und somit durch einen kleinen Trick die Erlaubnis erlangt, dass Nathalie die Schule im Ortsteil „alte Gartenstadt" von Neumünster besuchen kann.

    Durch ihren Liebreiz und ihren allgemein guten Umgangsformen ist Nathalie nicht nur bei den Mitschülern beliebt, sondern genießt auch bei den Lehrkräften eine Sonderstellung, die sich noch verstärkt, als der Chorleiter, ein schmaler, nicht gerade groß gebauter Mann in den besten Jahren, bereits mit einer spiegelnden Fläche auf seinem Kopf bedacht, der Meinung ist, Nathalies Stimme sei für besondere Gesangsstücke geeignet. So singt sie bereits im letzten Jahr der Grundschule an einem Vormittag auf einer Tagung der Lehrkräfte, die im „Conventgarten", einem sehr schön gelegenen Restaurant am Ufer des Nord-Ostsee-Kanals in der kleinen Stadt Rendsburg, stattfindet. 

    In einem riesigen Raum haben weit über hundert Lehrkräfte aus ganz Schleswig-Holstein Platz genommen. Der Lärmpegel ist ziemlich hoch, die Schulkinder aufgeregt und voller Erwartung. 

    Nach Aufforderung des Chorleiters baut sich der Schulchor im Halbkreis um Nathalie herum im Saal auf einer kleinen Plattform auf. Sie selbst aber wartet doch leicht nervös vor einem großen Standmikrofon auf ihren Einsatz, denn hier lässt sie im lauten Solo ihre Sopranstimme erklingen. Ihre dunklen Augen glänzen vor Aufregung, ihre Hände greifen immer wieder in den rotkarierten Rock, den ihre Mutter ihr anlässlich dieses Auftritts gekauft hat, ab und zu gleiten ihre Hände über den hellgrauen Pullover und ziehen ihn ein wenig weiter über die Hüften, mit dieser Erregung kann sie ihre Hände einfach nicht stillhalten. 

    Die Stimmgabel des Chorleiters klingt an die Ohren der Sänger und Sängerinnen und damit kehrt Ruhe ein.

    Er gibt die Töne für die jeweilige Stimmlage an, dann wird es ernst für die kleinen und größeren Schüler und mit einem Mal liegt der große Saal schweigend da.

    Es erklingen die ersten Volkslieder. Solch ein Chor ist immer wieder ein Ohrenschmaus für sämtliche Zuhörer.

    Doch dann endlich kommt Nathalies Einsatz und mit dem Gesang verschwindet auch ihre Nervosität, ihre Stimme klingt kräftig und die Freude, die aus der Stimme Nathalies erklingt, überträgt sich ebenfalls auf die Zuhörer. 

    Die Lehrkräfte, die aus dem ganzen Land angereist sind, genießen offensichtlich die wunderbaren Stimmen dieses Schulchores, denn sie äußern sich anschließend begeistert über die hervorragenden Stimmen vor allem aber über die Stimme Nathalies, die der Chorleiter zu aller Zuhörer Freude in seinem Schulchor so herausfiltern konnte.

    Allen Kindern wird der riesige Beifall nach dem Konzert im Bewusstsein haften bleiben – ein ganzes Leben lang.

    Voller Stolz kehrt Nathalie nach dieser Veranstaltung nach Hause und berichtet immer noch aufgeregt ihren Eltern von dem Erlebten: 

    „Stellt euch nur vor, alle Kinder standen um mich herum und ich musste ganz allein am Mikrofon singen. Das war ganz schön aufregend, das kann ich euch sagen. Aber es hat mir sehr gefallen aber auch die Lehrer waren von unserem Gesang sehr angetan."

    „Wir freuen uns, dass du so viel Gefallen an dem Gesang hast und finden es gut, dass die Lehrkräfte aus unserem schönen Schleswig-Holstein deinem Gesang gelauscht haben. Deine Mutter und ich hören dich auch sehr gerne singen. Du hast eine ganz wundervolle Stimme Nathalie."

    Der Vater nimmt sie voller Stolz in die Arme, lobt sie entsprechend dafür und in seinen Armen findet Nathalie wieder Ruhe und das Gefühl der Geborgenheit.

    Die Eltern zeigen sich natürlicherweise auch begeistert von der musikalischen Leistung ihrer Tochter und schwärmen fast den ganzen Abend über die außergewöhnlich schöne Stimme ihrer geliebten Tochter. 

    *****

    Nach Beendigung der Grundschule wechselt Nathalie in die Holstenschule, einem Gymnasium in der Altonaer Straße in Neumünster, das bereits im Jahre 1871 gegründet wurde. Dieses allerdings als private Schule nur für Jungen aus gutsituierten Verhältnissen und dann erst im Jahre 1973 zum Gymnasium für Jungen und Mädchen erhoben wurde. 

    Hier spielt der Zufall des Lebens wieder eine Rolle, denn Nathalie und Leonie begegnen sich nach langer Zeit hier wieder und nun schließen sie endgültig eine feste Freundschaft, die ihr ganzes Leben lang hält. Einer wird für den anderen im Laufe der Schulzeit immer unentbehrlicher. Sie unternehmen vieles zusammen und oftmals sitzen sie auch gemeinsam über schwierige Lernaufgaben. 

    Nicht selten aber bringt Leonie ihre Gitarre am Nachmittag mit nach Padenstedt und dann sitzen sie oftmals fröhlich singend im Garten wo Mutter Jasmin die beiden Mädchen mit Limonade und Gebäck verwöhnt. Aber immer wieder gern lauscht sie dem Spiel und dem angenehmen Gesang der beiden Freundinnen.

    Aber auch hier an dem Gymnasium fällt Nathalie während ihrer gesamten Schulzeit an der Holstenschule immer wieder durch ihre außergewöhnliche Stimme und durch ihren freudigen Einsatz im Schulchor auf. 

    Bereits im letzten Jahr ihrer Gymnasiasten Zeit wechselt sie zu einem großen Chor der Stadt Neumünster, dem Holsteinchor, der bereits im Jahre 1950 gegründet wurde. Hier singt sie immer wieder voller Begeisterung und ihre Stimme wird in dieser Gemeinschaft weiter geschult und läuft bereits zur Höchstform auf. Aber auch hier fällt sie aus dem Rahmen der übrigen Chorsänger heraus und deshalb filtert der Chorleiter, Justus Schweiger, sie auch wieder aus dem Pulk der anderen Sängerinnen zur Solistin für bestimmte Veranstaltungen heraus. 

    Es ist ein grauer Septemberabend, leichter Sprühregen legt sich wie Tau über Dächer und Straßen als im Jahre 1986 ein Klavierkonzert des Chorleiters Justus Schweiger in der neuerbauten Stadthalle zu Neumünster angekündigt ist. Die junge Solistin in seiner Begleitung ist Nathalie Schönau.

    Nathalies Stimme gewinnt nach ihrer Pubertät eine etwas kräftigere Stimmlage. Durch Prüfung ihres Gesanglehrers stellen sie fest, dass Nathalie selbst ohne Schwierigkeiten das hohe „C" hervorbringt und so nimmt sie die Rolle als Sopranistin auf der Veranstaltung ein.

    Zunächst aber tritt der Chorleiter mit seinem Klaviersolo auf. Angespannt steht Nathalie, dem Spiel des Meisters lauschend und von einem Bein aufs andere tretend, hinter der Bühne. Es ist

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