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Akteurzentrierte Unterstützung bei Gefahrensituationen in der U-Bahn: Ein ganzheitliches Konzept
Akteurzentrierte Unterstützung bei Gefahrensituationen in der U-Bahn: Ein ganzheitliches Konzept
Akteurzentrierte Unterstützung bei Gefahrensituationen in der U-Bahn: Ein ganzheitliches Konzept
eBook298 Seiten2 Stunden

Akteurzentrierte Unterstützung bei Gefahrensituationen in der U-Bahn: Ein ganzheitliches Konzept

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Über dieses E-Book

Diese Arbeit trägt zum Verständnis bei, wie Erkenntnisse aus der Informationsbereitstellung und deren individueller Verwendung beim Entscheiden in U-Bahn-Gefahrensituationen eingesetzt werden können, um Akteure zum effektiveren Handeln zu befähigen.
Das derzeitige Vorgehen in der Gefahrenabwehr und die zur Anwendung kommenden Maßnahmen werden dahin gehend untersucht, welche Rolle Informationen zukommt. Darüber hinaus werden Informationsverfügbarkeit und -bedarf für den betrachteten Anwendungsfall analysiert. Erkenntnisse aus der Informationsbereitstellung und der individuellen Informationsverarbeitung werden gegenüber gestellt.
Auf dieser Basis wird ein Konzept zur ganzheitlichen Informationsnutzung in Gefahrensituationen in der U-Bahn entwickelt, prototypisch umgesetzt und hinsichtlich des Nutzens evaluiert. Ergebnisse zeigen, dass eine effiziente Informationsnutzung einen wichtigen Einfluss auf den Erfolg im Umgang mit Gefahrensituationen in U-Bahnen besitzt.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum19. Dez. 2017
ISBN9783743932104
Akteurzentrierte Unterstützung bei Gefahrensituationen in der U-Bahn: Ein ganzheitliches Konzept

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    Buchvorschau

    Akteurzentrierte Unterstützung bei Gefahrensituationen in der U-Bahn - Marco Plaß

    1Einführung

    U-Bahnen in Großstädten ermöglichen einem großen Teil der Bevölkerung, schnell und bequem an ihr jeweiliges Ziel zu gelangen. Das Transportmedium U-Bahn ist unter anderem wegen des im Verhältnis zu anderen Verkehrsmitteln hohen Sicherheitsniveaus so erfolgreich. Trotz umfangreicher Maßnahmen zur Verhinderung fanden in der Vergangenheit allerdings immer wieder Ereignisse in U-Bahn-Systemen statt, die Menschenleben bedrohten oder kosteten. Diverse Beispiele von großen Bränden in unterirdischen Verkehrsanlagen zeigen, wie groß die Gefahr für Menschen ist (London 1987: 31 Tote, Baku 1995: 289 Tote, Kaprun 2000: 155 Tote, Daegu 2003: 192 Tote [Duck08, S. 395]).

    Die große Anzahl von Personen in geschlossenem Raum [Blen05, S. 338 und S. 458] mit wenigen Zu- und Ausgängen sowie die bei Brand durch Feuer und Rauch zu erwartende Ausdehnung des Gefahrenbereichs schränken die Fluchtmöglichkeiten ein. Daher sind Menschenleben in unterirdischen Bahnhöfen oder Zügen gegenüber Ereignissen an der Oberfläche in besonderem Maße gefährdet.

    Mehrere Studien vergangener Ereignisse in U-Bahn-Systemen identifizieren aus allen möglichen Ereignissen Brandereignisse als größte Gefahr, da sie mit erheblichen Personenschäden verbunden sind (z. B. [Blen05, S. 40], [Schr10, S. 10ff.]). Ereignisse mit terroristischem Hintergrund sind nach den Anschlägen in Tokyo (1995), London (2005) oder Brüssel (2016) zu den großen Gefahren für Menschenleben in U-Bahn-Systemen hinzugetreten.

    Gefahrenereignisse – seien sie spontan aufgetreten oder beabsichtigt herbeigeführt worden – lassen sich nicht verhindern (vgl. u. a. [UpSa11, S. 35]). Es ist zu erwarten, dass sie in Zukunft erneut auftreten werden.

    Um die Eintrittswahrscheinlichkeit zu verringern und die Auswirkungen zu mindern, empfiehlt der Verband deutscher Verkehrsunternehmen den Betreibern die Erarbeitung ganzheitlicher Sicherheitskonzepte (vgl. [VDV7018, S. 9]). Neben umfangreichen präventiven Maßnahmen beinhalten sie Handlungsempfehlungen für Gefahrenfälle. In einem konkreten Gefahrenfall obliegt es allen Beteiligten, diese zu berücksichtigen und schnell sinnvoll zu handeln.

    Direkt beteiligt sind alle Personen, die sich zum Zeitpunkt eines Ereignisses in Bahnhöfen und Zügen aufhalten. Dazu gehören Fahrgäste in Zügen, Wartende am Bahnsteig und Fahrer sowie in Bahnhöfen tätige Personen. Darüber hinaus beteiligt sind Mitarbeiter des Betreibers in den Leitstellen und die in das Schadensgebiet beorderten Mitarbeiter sowie Feuerwehr, Rettungskräfte und Polizei.

    Die aus der Situation gegebene Forderung nach schnellem, sinnvollem Handeln stellt für die Beteiligten eine besondere Herausforderung dar (z. B. [KoPl10, S. 180f]).

    Technische und organisatorische Maßnahmen unterstützen derzeit bei der Informationssammlung im Gefahrenfall. Fahrgäste finden sowohl im Bahnhof als auch in Tunneln und Zügen Notausgangsschilder vor. Sie weisen zum nächstgelegenen Ausgang und unterstützen beim Verlassen der U-Bahnhöfe und Züge. Darüber hinaus erhalten Fahrgäste über Lautsprecherdurchsagen Hinweise auf eine drohende Gefahr.

    In anderen Ländern (z. B. Singapur¹) wird mit Fahrgästen das Verhalten im Gefahrenfall geübt. In Deutschland finden keine Übungen – weder angekündigt noch unangekündigt – statt. Annähernd vollständig fehlt eine personelle Unterstützung für Fahrgäste während der Selbstrettungsphase, da U-Bahnhöfe nicht mehr personell besetzt sind. Lediglich der im Schadensgebiet befindliche Fahrer nimmt diese unterstützende Aufgabe als eine unter vielen wahr.

    Feuerwehr und Betreiber planen für jeden Bahnhof einzeln Abläufe und Maßnahmen zur Gefahrenabwehr und üben diese – teilweise gemeinsam [Blen05, S. 426]. Umfangreiche Informationssammlungen, die unabhängig von einer jeweiligen Situation Gültigkeit besitzen, werden angelegt (z. B. Alarm- und Gefahrenabwehrpläne [Blen05, S. 404-410], Feuerwehrpläne [DIN14095, S. 5], Feuerwehreinsatzpläne [FwDV100, S. 43f.], etc.). Sie müssen nicht erst im jeweiligen Fall gesammelt oder abgestimmt werden.

    Die Beteiligten sammeln daher nur situationsspezifische Informationen, weil ein umfangreicher Teil statischer Informationen bereits verfügbar ist. Die gesparte Zeit steht für die Entscheidungsfindung und für Handlungen zur Verfügung. Zudem wirken die genannten qualitätsbestimmenden Faktoren der Informationssammlung wie Zeitdruck, Stress, etc. hauptsächlich für den situationsspezifischen Teil der Informationen und nicht für statische Informationen.

    1.1 Motivation

    In der Vergangenheit stellte der ingenieurwissenschaftlich geprägte Bereich der Gefahrenabwehr in U-Bahn-Systemen hauptsächlich zu ergreifende Maßnahmen des Brandschutzes [Schr10, S. 8f] in das Zentrum der Betrachtung. Neuerdings ist ein Wechsel hin zur Analyse bestehender Risiken und danach auszuwählender technischer sowie organisatorischer Maßnahmen zu beobachten [BMVI14, S. 5]. Ein definiertes und als angemessen erachtetes Sicherheitsniveau wird erreicht. Zu verhindern ist der Eintritt von Gefahrenereignissen damit allerdings nicht.

    Für das Ausmaß von Auswirkungen hauptbestimmend sind Handlungen und Entscheidungen von Akteuren. Die Ergebnisqualität von Handlungen und den zugrunde liegenden Entscheidungen hängen in besonderem Maße von zwei Aspekten ab: Von verfügbaren und verarbeiteten Informationen sowie von Fähigkeiten und Einflüssen auf handelnde Akteure. Zu letzterem gehören zum Beispiel Stress, Verlässlichkeit von Informationen, Human Factors und typische Fehler in komplexen Situationen (z. B. [Hofi07, S. 115ff]).

    Für die Ergebnisqualität von Aktivitäten in Unternehmen ist die Bedeutung von Informationen seit geraumer Zeit bekannt (u. A. [Krcm15b, S. 5f], [StHa05, S. 437], [Stic14, S. 4]). Informationen wird mittlerweile der Stellenwert eines Produktionsfaktors beigemessen. Die große Bedeutung führte zur Entwicklung umfangreicher Strukturierungshilfen, Modelle und Methoden. Sie ermöglichen, den Faktor Information für Unternehmen ganzheitlich zu erschließen und sein Potenzial für Effektivitäts- und Effizienzsteigerungen auszunutzen. Die entwickelten Konzepte werden unter dem Begriff des Informationsmanagements (IM) zusammengefasst.

    Da Rahmenbedingungen von Tätigkeiten in Unternehmen deutliche Unterschiede zu Aktivitäten bei Gefahrensituationen aufweisen, ist anzunehmen, dass die Übertragung unternehmerischer Konzepte der Effektivitätssteigerung nicht ohne Weiteres möglich ist. Rahmenbedingungen, unter denen Akteure in Gefahrensituationen handeln, sind Untersuchungsgegenstand der sozialwissenschaftlichen Bereiche des komplexen Problemlösens und der Human Factors Forschung. Für maßgebliche Aktivitäten des Entscheidens und Handelns von Menschen im Allgemeinen (z. B. [Funk03]) und unter physischem und psychischem Druck, wenig verfügbarer Zeit und großen Auswirkungen eigenen Handelns im Speziellen (z. B. [Hofi13, S.6ff]) sind Theorien und Modelle entwickelt worden. Darin wird die Rolle von Informationen analysiert und ihre Bedeutung für den Umgang mit Gefahren hervorgehoben.

    Werden sozialwissenschaftliche Erkenntnisse bei der Verwendung von Konzepten des Informationsmanagements auf das U-Bahn-Gefahrenmanagement berücksichtigt, besteht Aussicht auf eine Übertragbarkeit. Eine Effektivitätssteigerung von Akteuren bei Handlungen und Entscheidungen wäre die mögliche Folge. Jedoch wurde dieser Ansatz bisher nicht verfolgt.

    1.2 Ziel

    Daher ist das Ziel dieser Arbeit, Potenziale auszuschöpfen, die aus der Berücksichtigung von sozialwissenschaftlichen Erkenntnissen bei der Übertragung von Konzepten des Informationsmanagements auf das U-Bahn-Gefahrenmanagement entstehen. Im Gegensatz zum derzeitigen U-Bahn-Gefahrenmanagement wird der Akteur als Handelnder in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt. Auf Basis der wissenschaftlichen Bereiche des Handelns und Verhaltens in komplexen Situationen ist ein Konzept zu erstellen, welches die individuelle Informationssammlung und -verarbeitung durch Verwendung von Konzepten des Informationsmanagements unterstützt.

    Quelle: Verfasser

    Abbildung 1: Betrachtungsbereiche bei der Konzeption von Unterstützungsmaßnahmen

    Den Zusammenhang von Betrachtungsbereichen bei der Erarbeitung eines Konzepts zur Unterstützung von Akteuren zeigt Abbildung 1.

    1.3 Vorgehen

    Um die Arbeit in den aktuellen Stand von Forschung und Anwendung einzuordnen, werden in Kapitel 2 zunächst Grundlagen der Betrachtungsbereiche U-Bahn-Gefahrenmanagement, Verhalten und Handeln in komplexen Situationen und relevante Konzepte des Informationsmanagements beschrieben. Es folgt eine Erläuterung von angewendeten Maßnahmen, die das derzeitige Niveau an Sicherheit in U-Bahn-Systemen ermöglichen. Zudem wird zusammengefasst, welche Handlungs- und Entscheidungsstrategien Akteure in komplexen Situationen verfolgen und wie dabei Informationen gesammelt, strukturiert und bewertet werden. Das Kapitel schließt mit einer Gegenüberstellung von ausgewählten Konzepten des Informationsmanagements, die eine Ausschöpfung der Ressource Information in Unternehmen ermöglichen.

    Im Anschluss ist das Vorgehen auf die Identifikation von Schwachstellen (Kapitel 3) ausgerichtet, deren Eliminierung oder Minderung durch eine Verwendung von Strukturierungshilfen, Modellen und Methoden des Informationsmanagements zu erwarten ist. Vorhandenes, aber ungenutztes Potenzial zur Verbesserung wird angenommen und zur Formulierung der Forschungshypothese der Arbeit (H) verwendet.

    Kapitel 4 behandelt die Erarbeitung eines Vorgehens aus der Zusammenführung des Modells individueller Informationssammlung und -verarbeitung mit dem Modell der Informationswirtschaft. Das Vorgehen führt zu Anforderungen an eine Unterstützung und zu einer Zerlegung von Teilfunktionen. Über diese Struktur wird die Forschungshypothese in vier Teilhypothesen (H1-H4) operationalisiert.

    Die Erarbeitung, Umsetzung und Bewertung der erforderlichen Teilfunktionen mit Detaillierung und Verifikation von Teilhypothesen stehen im Mittelpunkt des Kapitels 5.

    Daran schließt sich im Kapitel 6 die Zusammenführung von Teilkonzepten zu einer Gesamtlösung an. Sie wird bewertet und aufgestellte Hypothesen werden verifiziert. In Kapitel 7 folgen ein abschließendes Fazit und eine Zusammenfassung der Arbeit sowie ein Ausblick.

    Quelle: Verfasser

    Abbildung 2: Aufbau der Arbeit Die Abbildung 2 fasst den Aufbau und das Vorgehen in dieser Arbeit stichpunktartig zusammen.

    ¹ Nach BVG-interner Videoquelle

    2Grundlagen

    Um das Ziel der Arbeit zu erreichen, ist zuvor eine Basis von bereits bekannten Erkenntnissen zu schaffen. Dieses Kapitel fasst relevante Erkenntnisse aus den Bereichen sicheres Massentransportmittel U-Bahn, Entscheiden und Handeln in komplexen Situationen, Bedeutung von Informationen sowie Wahrnehmung und Konzepte des Informationsmanagements zusammen. Deren Analyse ermöglicht die Ableitung eines Handlungsbedarfs.

    2.1 Massentransportmittel U-Bahn in Deutschland

    Deutsche U-Bahnen erbrachten im Jahr 2012 annähernd 6 Mrd. Personenkilometer (das Produkt aus beförderten Personen und zurückgelegter Entfernung). Von dieser Transportleistung entfallen 78% auf Großstädte mit mehr als 0,5 Mio. Einwohnern. Die durchschnittliche Auslastung von Zügen betrug ca. 18%. Bei 8 Mio. U-Bahn-Fahrten pro Tag, einer mittleren Fahrentfernung von 4,32 km und unter getroffenen Annahmen² befinden sich in den Hauptzeiten ca. 440.000 Personen gleichzeitig im unterirdischen Bereich von deutschen Großstadt-U-Bahn-Systemen. [VDVS12, S.36f.]

    Trotz des Bevölkerungsrückgangs der letzten zehn Jahre [StBu09, S.13] stiegen die Fahrgastzahlen im ÖPNV in einer Größenordnung von ca. 1% pro Jahr [VDVS12, S.21] kontinuierlich an. Mit Fortschreibung dieser Entwicklung wird der potenziell verursachte Schaden von Gefahrensituationen zukünftig größer. Umso wichtiger wird das Ausschöpfen von Potential zur Verbesserung der Sicherheit.

    2.2 Sichere U-Bahn-Systeme

    U-Bahn-Systeme gelten nach Kriterien der Europäischen Union (Anzahl Opfer, wirtschaftlicher Verlust und Auswirkungen auf die Öffentlichkeit) als kritische Infrastruktur [2008114EG, Artikel 3 Abs. 2]. Die Aufrechterhaltung und der Ausbau des derzeitigen Schutzniveaus erfordern großen Aufwand. Im Folgenden wird der derzeitige Stand der Gefahrenabwehr in deutschen U-Bahn-Systemen erläutert. Auf eine Zusammenfassung von Ursachen für Gefahrensituationen und den regulatorische Rahmen folgt die Darstellung des zeitlichen Verlaufs eines Gefahrenereignisses mit Hilfsmitteln zu dessen Analyse. Dann werden das Vorgehen im Gefahrenmanagement und die darin möglichen Maßnahmen erläutert. Der Abschnitt schließt mit einer Analyse der heutigen und zukünftigen Finanzierungssituation für Sicherheitsmaßnahmen.

    2.2.1 Gefahrensituationen in U-Bahn-Systemen

    Die Ursachen für Gefahrensituationen in U-Bahn-Systemen sind vielfältig. Der Verband deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) ordnet sie ohne eine Priorisierung in die Kategorien

    •Unfall/Unglück,

    •Brand/Explosion/giftige Stoffe,

    •Terrorismus/Extremismus,

    •Kriminalität/Naturereignisse,

    •Ereignisse in der Umgebung des Betriebs und

    •Pandemie [VDV7018, S.8].

    Davon verursachen Brandereignisse und terroristische Angriffe maßgeblichen Personenschaden und sind daher besonders zu betrachten [BlGi05, S.40]. Dem schließt sich das Referat 6 der Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes e.V. (vfdb) an, erweitert um die zwei für U-Bahn-Systeme weniger wichtigen Gefahren Hochwasser und Extremwetterlagen (vgl. [LaGe09, S.44]).

    In der Vergangenheit waren Brandereignisse bezogen auf die Auftrittshäufigkeit und den verursachten Schaden die bestimmenden Ereignisse in U-Bahn-Systemen. Schadenverursachend war bisher weniger das Feuer als der Rauch (vgl. [BBDR+78, S.22]). Sie treten 6,56*10-8 Mal pro gefahrenen Zugkilometer auf. Die Rate wurde aus Ereignissen der vergangenen 10 Jahre bei deutschen Betreibern ermittelt [Schr10, S.53]. Unter Berücksichtigung dieser Auftrittshäufigkeit sind bei 48 Mio. zurückgelegten Zugkilometern [VDVS12, S.36] im unterirdischen Bereich deutschlandweit annähernd 3 Brandereignisse – überwiegend ohne ernsthafte Gefahr für Verletzungen – pro Jahr zu erwarten.

    Für Brandereignisse zeigt das Beispiel in Daegu exemplarisch die Herausforderung bei der Flucht von Personen auf. Da drei Atemzüge von Kohlenmonoxyd-haltigem Rauch zur Bewusstlosigkeit führen, musste einer horizontalen Rauchausbreitungsgeschwindigkeit von 3 bis 5 m/s (vgl. [TKO11, S.573]) mit einer deutlich höheren Gehgeschwindigkeit als den üblichen ca. 1,1 m/s unter Stress, Enge und Sichteinschränkung begegnet werden.

    Terroristische Angriffe auf Bahninfrastrukturen werden seit 2000 immer mehr mit dem Ziel durchgeführt, Menschen zu töten anstatt Vermögenswerte zu schädigen. Nach einer Analyse von 541 kriminellen Ereignissen der vergangenen 45 Jahre werden nun große, hoch frequentierte Bahnhöfe für derartige Angriffe ausgewählt. In der Mehrzahl der Fälle wurden unkonventionelle Sprengvorrichtungen verwendet; die größte Zahl an Betroffenen wurde durch Giftgas verursacht. [CMPS13, S. 475]

    Eine Eintrittswahrscheinlichkeit terroristischer Angriffe ist schwer bestimmbar. Der für die Bundespolizei verantwortliche Innenminister stuft sie für Deutschland Anfang 2016 als „so hoch wie nie" ein [Vett16].

    Beiden Gefahrensituationen gemeinsam sind eine Gefahrenquelle, mit sich potenziell schnell vergrößerndem Gefährdungsbereich in einem umschlossenen Gebäude mit wenigen Ab- und Zugängen und einer hohen Anzahl dort befindlicher Personen. Die Geschwindigkeit, mit

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