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Die Besserwisser von Isoland: Wie man ein Paradies zerstört
Die Besserwisser von Isoland: Wie man ein Paradies zerstört
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eBook339 Seiten4 Stunden

Die Besserwisser von Isoland: Wie man ein Paradies zerstört

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Über dieses E-Book

Ein Meeresbiologe stellt die extreme Vermehrung sogenannter Blaualgen im Ostseewasser fest und warnt eindringlich vor den damit verbundenen Gesundheitsgefahren. Deshalb verhängt die Regierung des kleinen idyllischen Inselstaates Isoland ein Badeverbot.
Ein abergläubischer erfolgloser Schriftsteller und die abservierte Geliebte des Meeresbiologen gründen daraufhin die Bewegung der Besserwisser, die die Regierung sowie den Meeresbiologen vehement bekämpft. Diese selbst ernannten Freiheitskämpfer schrecken nicht vor Hass, Hetze und Gewalt zurück, um die Regierung zu stürzen. Auf diese Weise zerstören sie am Ende ihre Heimat.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum7. März 2022
ISBN9783347553293
Die Besserwisser von Isoland: Wie man ein Paradies zerstört
Autor

Wilfried Hildebrandt

Wilfried Hildebrandt wurde im Jahr 1948 in Ost-Berlin geboren. Schon immer las er gern und spürte früh den Drang, selbst Bücher zu schreiben. Trotzdem arbeitete er in verschiedenen technischen Berufen, schrieb aber zwischen 1970 und 1989 zahlreiche humoristische Artikel für den „Eulenspiegel“, die „Berliner Zeitung“ und andere DDR-Presseorgane sowie Sketche für die Sendung „Spaß am Spaß“ beim DDR-Rundfunk. Während der Wendezeit und danach arbeitete er in der EDV und schrieb Computerprogramme, wozu er seine Kreativität und Fantasie gut gebrauchen konnte. Nach Erreichen des Rentenalters setzte Wilfried Hildebrandt endlich seinen Traum in die Tat um und schrieb Bücher. Er begann mit den beiden humorvollen und selbstironischen Reiseberichten „Reisehusten“ und „Wer nicht fährt, der fliegt“. Danach reflektierte er sein langes und nicht immer unproblematisches Arbeitsleben in dem Buch „Er war stets bemüht“. Durch die unerwarteten Erfolge mutig geworden, begann er mit dem Verfassen ernsthafter Literatur. Er will in seinen Büchern für Toleranz und Nächstenliebe werben und seinen Lesern und Leserinnen zu zeigen, wie viel lebenswerter ein Leben ohne Vorurteile und Rassismus ist. Seine Tragikomödie „Geliebte Feindin – verhasste Freunde“ handelt von einem deutsch-polnischen Paar, das sich gegen die Vorurteile seiner teilweise rassistischen Umwelt durchsetzen muss. In seinem zweiten Roman „Onkel Bürgermeister“ erzählt uns Hildebrandt vom Leben eines Mannes, der infolge eines Missbrauchs geboren wird und später auf seinen Erzeuger trifft, der ihm das Leben zur Hölle macht. Corona und die erschreckenden Reaktionen darauf veranlassten den Autor, ein Buch gegen Aberglaube, Verschwörungstheorien und Wissenschaftsfeindlichkeit zu schreiben. Der Roman „Die Besserwisser von Isoland“ soll zeigen, wohin es führen kann, wenn ungebildete Menschen ihr Wissen überschätzen und ihre eigene Freiheit über die Erfordernisse der Allgemeinheit stellen. In dem Buch „Was für ein Milieu!“ erzählt Wilfried Hildebrandt einige Episoden aus dem Berliner Bezirk Prenzlauer Berg, in dem er aufwuchs und 70 Jahre lebte. Auch in diesem Buch kommen Humor und Spannung nicht zu kurz. Als Fortsetzung des Romans "Die Besserwisser von Isoland" schildert der Autor in "Die Besserwisser auf der Flucht" die Erlebnisse und Erfahrungen von Flüchtlingen. Während die einen gesetzestreu leben und dabei stets an Grenzen stoßen, werden die anderen kriminell und scheinen erfolgreicher zu sein als die Ehrlichen.

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    Buchvorschau

    Die Besserwisser von Isoland - Wilfried Hildebrandt

    Kapitel 1

    Albert Salomons Leben begann vor etwas mehr als 40 Jahren in der damals noch ruhmreichen Sowjetunion, die es allerdings mit den dort lebenden Juden nicht gut meinte. Deshalb floh die Familie 1980 von dort und fand auf Isoland, das damals noch ein Teil von Ubequitanien war, eine neue Heimat. Hier wuchs Albert als Kind angesehener und intelligenter jüdischer Eltern auf, denn sein Vater Igor Igorowitsch Salomon war ein hochdekorierter Physikprofessor und seine Mutter Irina war Oberstufenlehrerin für Physik, Chemie und Mathematik. Beide fanden schnell Arbeit im neuen Land und vor allem der Vater war sehr erfolgreich. Er war federführend beim Bau des Kernkraftwerkes auf der Insel. Sein Ruf war so gut, dass er die Regierung von Isoland davon überzeugen konnte, ein solches Kraftwerk aus sowjetischer Produktion errichten zu lassen. Die Bedenken dagegen zerstreute er mit dem Argument, dass der Reaktor in Tschernobyl nur wegen menschlichen Versagens explodiert sei. Er verwies auf den Wodka-Konsum in der Sowjetunion und war sicher, dass die Ingenieure in jener Katastrophennacht betrunken gewesen waren. Ein solches Fehlverhalten hielt er in Westeuropa für ausgeschlossen.

    Zum Zeichen seines Vertrauens in die Sicherheit des Atommeilers kauften sich die Salomons ein Haus in dessen unmittelbarer Nähe und wohnten fortan darin.

    Der Vorname ihres Sohnes sollte gutes Omen und Verpflichtung zugleich für den Jungen sein, in die Fußstapfen des Vaters zu treten und auch einmal ein erfolgreicher Physiker zu werden.

    In der Schule hatte es Albert leicht, flog ihm doch das Wissen nur so zu. Seine Zweisprachigkeit machte ihm das Erlernen weiterer Fremdsprachen sehr einfach. Aus diesem Grund und wegen seiner naturwissenschaftlichen Begabung hatte er keine Mühe, das Abitur mit Bestnoten zu bestehen und somit war ihm ein Studienplatz an der Universität gewiss.

    Zum größten Ärger seines Vaters wandte sich Albert jedoch nicht nur immer weiter vom jüdischen Glauben ab, sondern studierte Biologie statt Physik. Damit wurde das Vater-Sohn-Verhältnis auf eine harte Probe gestellt. Als Albert jedoch wegen seiner hervorragenden Studienleistungen nach dem Studium an der Universität bleiben konnte, dann erfolgreich promovierte und schon nach kurzer Zeit Anwärter für eine Professur an der naturwissenschaftlich-technischen Fakultät wurde, versöhnte sich sein Vater wieder mit ihm und war sehr stolz auf seinen Sohn.

    Auch in der Liebe lief es gut für Albert, denn er lernte Malaika kennen und es war bei ihnen beiden Liebe auf den ersten Blick. Niemand in ihrer Umgebung schien Anstoß daran zu nehmen, dass Malaika dunkelhäutig war. Vielmehr schwärmten alle von ihrer Schönheit und beneideten Albert um sein Glück.

    Als ihre Söhne John und Paul geboren wurden, war es wohl eine Laune der Natur, dass sie den einen Sohn so schwarz wie seine Mutter färbte, während der andere so weiß wie sein Vater war. Selbst Albert als Biologe musste darüber staunen, dass so etwas bei eineiigen Zwillingen möglich ist. Das Elternpaar erregte überall Aufsehen, wo es mit den Kindern auftauchte. Alberts Eltern, die inzwischen pensioniert waren, liebten und verwöhnten ihre Enkel über alle Maßen.

    Malaikas Eltern lebten nicht mehr. Sie waren auf der Flucht von Afrika nach Europa vor den Augen ihrer Tochter im Mittelmeer vor Entkräftung vom Schlauchboot ins Wasser gefallen und ertrunken.

    Trotz Malaikas Trauma war das Leben des Paares bisher großartig verlaufen. Sie standen finanziell sehr gut da, denn Albert war ein gefragter Wissenschaftler, der von einer Tagung zur nächsten reiste und sehr gut bezahlt wurde.

    Als intelligenter Mensch nahm Albert selbstverständlich auch am gesellschaftlichen Leben und an der Politik Anteil. Bei der Volksabstimmung über die Loslösung von Ubequitanien hätten die Salomons mit Nein gestimmt, wenn sie damals schon wahlberechtigt gewesen wären, denn sie waren strikt dagegen, aber eine knappe Mehrheit der Inselbevölkerung wollte die Autonomie und so wurde die Abspaltung vollzogen.

    Nach der Staatsgründung stellte Albert zu seinem Ärger fest, dass die beiden großen Parteien von Isoland nichts Besseres zu tun hatten, als sich gegenseitig zu beschimpfen. Die Debatten im Parlament regten ihn jedes Mal furchtbar auf, denn sie brachten die Insel keinen Millimeter weiter bei der Lösung irgendeines Problems. Wenn eine Partei etwas vorschlug, das Albert für durchaus vernünftig hielt, wurde es von der anderen Partei reflexartig abgelehnt, ohne dass eine sachliche Prüfung stattgefunden hätte. Als Wissenschaftler, der es gewohnt war, Fakten zu sammeln, um daraus eine schlüssige Beweisführung zu konstruieren, fand er das Vorgehen der Politiker absolut unmöglich.

    Trotzdem konnte man feststellen, dass es auf der Insel keine Feindschaft zwischen den Lagern gab. Gewann die eine Partei, dann nahm die andere es sportlich und versuchte es bei der nächsten Wahl besser zu machen. Alles in allem lebte man gut und friedlich in Isoland und das war für die meisten Bürger das Wichtigste.

    Wenn Albert und Malaika Salomon mit ihren Freunden zusammensaßen, kam nach kurzer Zeit zwangsläufig die Politik aufs Tapet. Alle wussten, was im Domus falsch lief und wie man es besser machen konnte, aber keiner ihrer Freunde ergriff die Initiative. Sie alle waren sehr intelligent, aber wahrscheinlich war genau das der Grund, warum sie nicht in die Politik gehen wollten.

    Politiker waren schlecht angesehene Menschen. Die generelle Meinung des kleinen Mannes auf der Straße war die, dass die Politiker nur etwas zustande brachten, wenn es darum ging, sich die eigenen Taschen zu füllen. Jeder Stammtischbesucher wusste genau, wie man es besser machen konnte und hielt damit nicht hinter dem Berg, wie man bei Straßeninterviews immer wieder hören konnte. Warum also sollte ein intelligenter Mensch sich auf einen Wechsel vom angesehenen Wissenschaftler oder erfolgreichen Journalisten zum nichtsnutzigen Politiker einlassen?

    So hielt auch Albert sich jahrelang vornehm zurück und beobachtete das Treiben mehr oder weniger belustigt aus der Ferne. Dabei bemerkte er gar nicht, wie sehr er sich immer mehr in den sprichwörtlichen Elfenbeinturm zurückzog. Sein Leben war erfüllt, er hatte seine Arbeit und seine Familie, das reichte ihm völlig aus zum Glücklichsein.

    ***

    Seit Anfang des Jahres 2009 leitete Professor Dr. Albert Salomon den Fachbereich Meeresbiologie, denn er galt als überaus kompetenter Wissenschaftler und auch als ein charismatischer Mann. Schon von Kindheit an hatte es ihm die Meeresbiologie besonders angetan. Als Insulaner lag es für ihn vorrangig auf der Hand, sich mit dem die Insel umgebenden Wasser, dessen Temperatur, Salzgehalt, Verunreinigung und vielen anderen Eigenschaften zu befassen. Am wichtigsten für Albert waren jedoch Flora und Fauna der Ostsee.

    Um alle notwendigen Untersuchungen und Messungen durchführen zu können, besaß der Fachbereich Meeresbiologie der Universität ein Laboratorium am Südufer der Insel. Die besten Forschungsergebnisse konnte man dort bei Nacht erzielen, da weder das Sonnenlicht noch die Bugwellen vorbeifahrender Sportboote die Messungen beeinflussten. Aus diesem Grund hielt sich Albert unzählige Nächte in diesem Labor auf und viele seiner Studentinnen und Studenten schlossen sich ihm gerne an. So verbrachten sie gemeinsam viele Nachtstunden, um die verschiedenen Parameter des Wassers aufzunehmen.

    Eine auffällig hübsche blonde Studentin war ganz besonders eifrig und leistete dem Professor jede Nacht Gesellschaft beim Forschen und Messen. Wenn die übrigen Studenten übermüdet das Labor verließen, blieb sie noch da, sodass er oft mit ihr alleine war. Sie war sehr schlank, was sie äußerst zerbrechlich wirken ließ und sie fror ständig, wenn es in der Nacht kühl wurde. Deshalb ließ sich Albert gelegentlich dazu hinreißen, sie in den Arm zu nehmen, um sie zu wärmen. Das verstand sie wohl völlig falsch, denn sie schmiegte sich immer mehr an ihn und wie es nicht anders zu erwarten war, kam es bald zu Zärtlichkeiten zwischen ihnen.

    Albert hätte zwar schwören können, dass die Initiative dazu von ihr ausgegangen war, aber er wusste genau, dass er es nicht gedurft hätte, denn schließlich war er ihr Lehrer, aber trotzdem konnte er der Versuchung nicht widerstehen. Sie war einfach ein enormer Kontrast zu Malaika, was nicht nur die Hautfarbe betraf, sondern auch die Figur, denn Malaika war eine Frau, die man mit dem Begriff kurvig recht gut beschreiben konnte. Eigentlich liebte Albert diese Üppigkeit seiner Frau, aber bei der Studentin lockte ihn plötzlich deren schlanke Gestalt. Er erklärte sich das damit, dass der Mensch nun mal die Abwechselung liebt – besonders der Mann.

    Schon nach kurzer Zeit empfanden sie die Anwesenheit anderer Studenten als Belästigung und konnten es kaum erwarten, bis diese sich verabschiedeten. Sobald sie beide alleine waren, verschwanden sie umgehend in den kleinen Ruheraum, den sich Albert einst eingerichtet hatte, um sich hinlegen zu können, wenn er wieder einmal so lange geforscht und gemessen hatte, dass es sich nicht mehr lohnte, nach Hause zu gehen. Während er sorgfältig die Tür verschloss, schlüpfte sie in Windeseile aus ihrer Kleidung und wenn er sich umdrehte, konnte er den Anblick seiner nackten Geliebten auf dem Feldbett genießen.

    Die Beobachtungen und Erfahrungen, die sie dann miteinander machten, hatten zwar im weitesten Sinne auch etwas mit Biologie, aber nichts mit der des Meeres zu tun, waren aber mindestens ebenso atemberaubend für beide. Bis dahin war Alberts erste und einzige Sexpartnerin seine Frau Malaika gewesen. Darum fand er es ausgesprochen exotisch und zugleich erotisch, die nackte weiße Haut seiner Studentin zu sehen und zu berühren. Sie dagegen war schon sehr erfahren in Liebesdingen, sodass Albert für sie nicht der erste, aber immerhin der erste beschnittene Mann war, mit dem sie Sex hatte.

    Von dieser jungen Geliebten lernte Albert ganz neue Spielarten der körperlichen Liebe kennen. Malaika war keinesfalls prüde, aber der Sex mit ihr war doch eher Hausmannskost gegenüber der Nouvelle Cuisine, die ihm von der hübschen Studentin geboten wurde.

    ***

    Dass seine Gespielin nicht besonders intelligent war, hatte Albert natürlich längst festgestellt, aber das störte ihn während ihres intimen Zusammenseins nicht, denn dabei waren andere Qualitäten gefragt. Erst als genau diese Studentin eines Tages bei ihm zur Prüfung erschien, wurden ihm die Konsequenzen seines Handelns in ihrer vollen Tragweite bewusst. Er befand sich jetzt in einer ausgesprochenen Zwickmühle. Obwohl sie durch völlige Unwissenheit glänzte, konnte er sie nicht einfach durchfallen lassen, denn selbstverständlich wollte er ihr nicht schaden, nachdem sie ihm so viele schöne Stunden bereitet hatte. Außerdem befürchtete er, dass sie im Fall ihres Nichtbestehens ihr Verhältnis zu ihm öffentlich machen könnte, was nicht nur seine Reputation als Wissenschaftler und Leiter des Fachbereiches, sondern auch seine Ehe ruinieren würde. Darum musste er sie entgegen der Meinung seines Beisitzers die Prüfung bestehen lassen und machte sich damit ziemlich verdächtig.

    Nur kraft seines Amtes konnte Albert den Beisitzer dazu bringen, zuzustimmen, die Kandidatin bestehen zu lassen. Er behauptete wider besseres Wissen, dass die junge Dame während des gesamten Semesters hervorragende Leistungen vollbracht hätte, aber heute offensichtlich so von ihrer Prüfungsangst gepeinigt werde, dass sie keine vernünftigen Antworten zu geben in der Lage war. Beides stimmte nicht, denn sie war zu keiner Zeit durch besonders solide Kenntnisse aufgefallen und bei der Prüfung machte sie einen ausgesprochen ruhigen Eindruck. Sie war sich offenbar absolut sicher, dass er sie unter keinen Umständen durchfallen lassen würde.

    Das war zugegebenermaßen ein starkes Stück gewesen, wie er rückblickend einräumen musste. Außer einem permanent schlechten Gewissen hatte er von diesem Moment an deswegen auch Probleme mit dem Kollegium. Er konnte weder das hämische Grinsen seiner Mitarbeiter, noch die vernichtenden Blicke der Mitarbeiterinnen übersehen, wenn er einen Raum betrat, in dem sie wahrscheinlich gerade über ihn hergezogen waren. Auch bei den Studentinnen schien seine Bevorzugung der hübschen Kommilitonin nicht unbemerkt geblieben zu sein. Die jungen Damen, die befürchten mussten, bei der nächsten Prüfung schlecht abzuschneiden oder die einfach nur ihre Noten verbessern wollten, erschienen plötzlich ausnahmslos mit äußerst kurzen Röcken und extrem tiefen Ausschnitten zu Professor Salomons Vorlesungen und Seminaren. Nach den Lehrveranstaltungen kamen sie scharenweise zu ihm, um Fragen zu stellen, wobei er von ihrem aufreizenden Parfüm fast ohnmächtig wurde und ihm wegen der tiefen Blicke in die überwiegend gut gefüllten Dekolletees schwindlig wurde. Manche versuchten sogar, sich mit ihm zu einer Übungsstunde am Abend zu verabreden. Wegen seiner schlechten Erfahrung und um nicht noch mehr Probleme zu bekommen, blieb er jedoch eisern und wies sie alle ab.

    Spätestens jetzt sah er ein, dass er dringend aus der Beziehung mit der Studentin herausmusste und so verabredete er sich ein letztes Mal mit seiner heimlichen Geliebten, um mit ihr Schluss zu machen.

    Als das Treffen stattfand, versuchte er ihr die Trennung mit einem finanziellen Abschiedsgeschenk zu versüßen, aber sie wollte kein Geld, sondern ausschließlich ihn. Offensichtlich hatte sie sich schon als seine Ehefrau gesehen. Da jedoch sein Entschluss feststand und er ihr unwiderruflich den Laufpass gab, war sie sehr wütend und ließ nichts unversucht, um ihn weiter an sich zu binden. Nachdem sie jedoch begriffen hatte, dass es zwecklos war, wurde sie äußerst aggressiv und schwor ihm bittere Rache. Er hoffte in diesem Moment, dass sie sich wieder beruhigen und ihr Glück mit einem anderen Mann finden würde. Zu dieser Zeit konnte er noch nicht ahnen, welche Bedeutung sie und ihre Wut noch für ihn und die gesamte Insel und deren Bewohner haben sollten.

    ***

    Obwohl Albert nun seine junge Geliebte los war, blieb er aus alter Gewohnheit und auch um sich bei Malaika nicht verdächtig zu machen, weiterhin vorerst fast jede Nacht der eigenen Wohnung fern. Anstatt sich mit der schönen blonden Studentin im lauschigen Liebesnest zu beschäftigen, wurden seine Hände und Augen nun wieder ausschließlich von den Mess- und Beobachtungsgeräten des Labors in Anspruch genommen. Allerdings wurde er in der ersten Zeit ständig an die schönen Stunden erinnert, die er mit ihr erlebt hatte und oft schwelgte er in Erinnerungen, was eine wissenschaftliche Arbeit so gut wie unmöglich machte. Nur nach und nach gelang es ihm, sich wieder auf die Messungen zu konzentrieren.

    Irgendwann jedoch hatte er sich gefangen und war wieder ganz in seinem Element. So war es nur eine Frage der Zeit, dass er auf den inzwischen unübersehbaren Anstieg der Konzentration von Cyanobakterien und Vibrionen im Meerwasser aufmerksam wurde. Er war sehr erschrocken darüber, dass er diese Zunahme vorher nicht bemerkt hatte, war es doch ein eindeutiger Beweis dafür, dass er sich bis dahin nicht richtig auf seine Arbeit konzentriert hatte. Was er fand, waren zwar zuerst nur wenige Mikrogramm der Bakterien pro Liter Meerwasser, aber die Werte stiegen täglich höher.

    Als er die Bakterien einer genauen Untersuchung unterzogen hatte, musste er zu seinem Erschrecken feststellen, dass zumindest die Cyanobakterien mutiert waren. Er hatte im Moment keine Ahnung, welche Bedeutung diese Tatsache für Mensch und Natur hatte, war aber sehr besorgt.

    In seinem Büro schaute er im Internet auf den einschlägigen Seiten nach, ob andere Meeresbiologen auch schon auf dieses Phänomen aufmerksam geworden waren. Das schien jedoch nicht der Fall zu sein. Somit war er offenbar der Erste, der diesen Anstieg verbunden mit der Mutation entdeckt hatte.

    Stolz teilte er seinen Kollegen aus den Anliegerstaaten der Ostsee seine Messergebnisse mit. Nach einigen Tagen erhielt er die ersten Antworten, aus denen hervorging, dass andere Wissenschaftler noch keine signifikanten Anstiege der Blaualgenpopulation und der Vibrionenkonzentration in der Ostsee und auch keine Mutationen festgestellt hatten. Es schien sich also offenbar vorerst nur um ein lokales Phänomen zu handeln.

    Die Ursache der Vermehrung der Bakterien lag auf der Hand. Es handelte sich um einen schon lange zu erwarteten Effekt der globalen Erderwärmung, verstärkt durch die Einleitung von zu vielen Nährstoffen in die Gewässer. Für viele Länder der Erde mochte das nur eine Randnotiz sein, der man keine weitere Bedeutung beimessen musste, für eine Urlaubsinsel wie Isoland war das jedoch eine erschreckende Erkenntnis. Sogenannte Blaualgen und Vibrionen sind schließlich dafür bekannt, dass sie bei Badenden Hautreizungen und andere Probleme hervorrufen können. Besonders schlimm ist es, wenn derartiges Wasser verschluckt wird, was vor allem bei Kindern sehr oft vorkommt.

    Wer würde jetzt noch seinen Sommerurlaub auf dieser Insel verbringen, wenn er Angst haben musste, nach einem Bad in der Ostsee Durchfall, Erbrechen sowie Hautausschläge und im schlimmsten Fall sogar Atemnot zu bekommen? Wohl kein vernünftiger Mensch.

    ***

    Als die Messungen eine erschreckende Dynamik der Vermehrung der Bakterien gezeigt hatten, hielt es Professor Albert Salomon für seine Pflicht, die zuständigen Stellen von seiner Erkenntnis zu unterrichten. Schließlich bestand die Gefahr, dass Badende früher oder später sehr unangenehme Bekanntschaft mit den großen Mengen an Blaualgen und Vibrionen machen würden. Diese Mikroorganismen waren für erwachsene Menschen vermutlich nicht allzu gefährlich, aber Kinder und Haustiere könnten durch ein Bad in dem verunreinigten Wasser schwer geschädigt werden – insbesondere, wenn sie dieses Wasser verschluckten oder gar in die Lunge bekämen.

    Nicht zu unterschätzen war auch die Gefahr, die beim Einatmen der durch die absterbenden Cyanobakterien entstehenden Fäulnisgase auftreten könnte. Zwar würde niemand in stinkendem Wasser baden, aber bei Landwind wäre der Schwefelwasserstoff vom Strand aus nicht zu riechen, würde aber beim Schwimmen seine mehr als unangenehme Wirkung entfalten. Außerdem war es abzusehen, dass auf so einer kleinen Insel wie Isoland, die praktisch ständig an einer Seite Seewind hatte, es in nicht allzu ferner Zukunft an jedem Ort nach faulen Eiern riechen würde.

    Auf eine Reaktion zu seinem Schreiben an die Kurverwaltung wartete Albert lange geduldig, aber dennoch vergeblich. Als er nach zwei Wochen immer noch keine Antwort bekommen hatte und auch nicht feststellen konnte, dass der Gefährdung beim Baden in irgendeiner Weise Rechnung getragen wurde, rief er beim Chef des Tourismusbüros an. Dieser tat zuerst so, als wisse er von nichts, um dann letztlich aber doch zuzugeben, dass er den Brief vom Herrn Professor bekommen und gelesen habe. Alberts direkte Frage, warum denn bisher nichts unternommen worden war, wurde vom Tourismuschef ziemlich ungehalten beantwortet.

    „Hören Sie mal, Herr Professor, was denken Sie, was hier los ist, wenn ich den Urlaubern mitteile, dass das Baden bei uns gefährlich ist? Die meisten kommen doch nur wegen der schönen Sandstrände und des sauberen Wassers auf unsere Insel. Wenn die hier nicht mehr baden können, dann stirbt der Tourismus und wir verlieren unsere wichtigste Einnahmequelle."

    Bevor Albert etwas entgegnen konnte, legte der Angerufene einfach den Hörer auf.

    Das war eine für Albert nicht hinnehmbare Situation, denn er konnte es doch nicht zulassen, dass jemand zu Schaden käme, nur weil er vor den Gefahren des Badens in der Ostsee nicht gewarnt worden war. Deshalb versuchte er mit Nachdruck alle infrage kommenden Ämter des Landes auf das Problem hinzuweisen, aber auch diese Bemühungen waren vergebens, wie er am Ende der nächsten Woche feststellen musste.

    Nicht einmal bei den Mitarbeitern in seinem Institut fand Albert Gehör. Er musste zur Kenntnis nehmen, dass sein Ruf zu stark ramponiert war. Seine früheren Mitstreiter wollten ihm nicht einmal zuhören, wenn er versuchte, ihnen seine Messergebnisse und deren Konsequenzen zu erläutern. Von denen brauchte er sich also keine Unterstützung zu erhoffen.

    Nach langer reiflicher Überlegung beschloss er aus purer Verzweiflung an die Presse zu gehen. Er entsann sich seines alten Freundes, eines Journalisten bei der großen Boulevard-Zeitung. Zwar mochte Albert diese Zeitung mit den großen Buchstaben und den schrecklichen Übertreibungen und Vereinfachungen überhaupt nicht, aber in diesem Fall schien sie ihm bestens geeignet zu sein. Deshalb rief er seinen Bekannten an und versprach ihm brisante Neuigkeiten, woraufhin der zu einem baldigen Treffen bereit war.

    Als sie dann bei einer Tasse Kaffee in Alberts Wohnzimmer zusammensaßen, hörte Gisbert, wie der Journalist hieß, dem Professor aufmerksam zu, machte sich Notizen, fragte nach, wenn er etwas nicht verstanden hatte und versprach abschließend einen Zeitungsartikel daraus zu machen.

    Beruhigt widmete sich Albert danach wieder seiner normalen Arbeit, die er in der letzten Zeit ziemlich vernachlässigt hatte. Er war überzeugt, dass ein Zeitungsartikel die Verantwortlichen aufrütteln würde, auf dass sie endlich tätig würden. Zumindest konnten sie wenigstens hinterher nicht behaupten, sie hätten von nichts gewusst.

    Kapitel 2

    Reinhardt Düstermann wachte am Mittag auf. Es ging ihm nicht gut, denn das gesamte Zimmer drehte sich um ihn herum. Da er alles doppelt sah, schloss er vorsichtshalber ein Auge, damit er sich einigermaßen orientieren konnte. Am Tag zuvor war er mit Freunden um die Häuser gezogen. Einer seiner Kumpel hatte Geburtstag gefeiert und aus diesem Grund die Spendierhosen angehabt. Da hatte sich Reinhardt nicht lange bitten lassen, sondern alle alkoholischen Getränke in sich hinein geschüttet, die angeboten worden waren. Das war ihm ganz offensichtlich nicht gut bekommen, aber er hatte gemeint, die Gelegenheit wahrnehmen zu müssen. Schließlich war er schon seit geraumer Zeit zu klamm, um eine Bar oder Kneipe aufzusuchen. Genau genommen hatte er überhaupt kein Geld, denn er war ein bislang erfolgloser Schriftsteller. Zwar hielt er selbst sich für genial und die von ihm geschriebenen Bücher für Weltliteratur, aber das war den Entscheidungsträgern in den Verlagen, denen er seine Manuskripte zugesendet hatte, offensichtlich bisher entgangen, denn sie hatten noch nicht ein einziges Buch von ihm veröffentlicht.

    Nachdem er mit dem geöffneten Auge auf den Kalender geschaut hatte, stöhnte er laut auf. Was er sehen musste, erschütterte ihn bis in die Grundfesten, denn es war Freitag, der 13. März 2009. Mit wackligen Beinen verließ er das sich wie wild drehende Bett und taumelte ins Bad.

    Zuerst musste er sich den gestrigen Alkohol durch den Kopf gehen lassen, dann beschloss er, sich ausnahmsweise einmal die Zähne zu putzen. Normalerweise verzichtete er auf dieses Ritual, aber heute schien es ihm unumgänglich, denn das Kratzen im Hals war unerträglich.

    Um nicht umzufallen, hielt er sich im Badezimmer mit einer Hand am Waschbecken fest, während er mit der anderen ungelenk versuchte, den Zahnputzbecher nebst Zahnbürste – die Zahnpastatube lag schon seit Wochen leer herum – von der Ablage zu nehmen. Ungeschickt wie er war, blieb er an dem von ihm nur provisorisch befestigten Spiegel hängen und riss diesen von der Wand, sodass das Glas auf dem Fußboden zersplitterte. Auch das noch, schoss es ihm durch den Kopf. Nicht nur das heutige Datum versprach einen schlechten Tag, sondern nun auch noch der zerbrochene Spiegel. Er wusste, dass er nun sieben Jahre Pech haben würde, was ihn erschaudern ließ. Ging denn heute wirklich alles schief?

    Als Nächstes versuchte er sich in der Küche mit zitternden Händen Kaffee zu bereiten. Zu seinem Ärger war jedoch ausgerechnet jetzt kein Kaffeepulver mehr vorhanden. Er brauchte aber unbedingt einen starken Kaffee. Da blieb ihm nichts anderes übrig, als seine Mutter um Rat zu fragen, was er denn in diesem Fall machen sollte.

    Er musste nicht lange warten, bis sie auf ihrem angestammten Platz am Küchentisch erschien. Sie schüttelte sorgenvoll den Kopf, was wohl an den schlechten Omen lag, die ihr Sohn an diesem Tag schon bekommen hatte oder an seinem Zustand. Dann riet sie ihm, den noch in der Maschine befindlichen Kaffee von Mittwoch erneut aufzubrühen. Sie erinnerte ihn daran, dass Oma immer davon erzählt hatte, in ihrer Jugend hätten die armen Leute ausschließlich den zweiten oder dritten Aufguss vom Kaffee getrunken. Oma hatte sogar behauptet, dass man keinen Unterschied zum ersten Aufguss geschmeckt habe.

    Das würde er jetzt überprüfen können und müssen.

    Nachdem er jedoch Wasser in die Kaffeemaschine gefüllt und sie dann eingeschaltet hatte, tat sich nichts. Reinhardt schaute erst einen Moment verdutzt auf die Maschine, dann betätigte er den Schalter mehrmals, aber die Kontrollleuchte blieb dunkel. „So ein Mist!", schimpfte er. „Jetzt ist auch noch

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