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Videospiele: Digitale Bildkulturen
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eBook97 Seiten54 Minuten

Videospiele: Digitale Bildkulturen

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Über dieses E-Book

Let's-Plays gehören zu den beliebtesten Genres auf YouTube. Bildwelten von Videospielen prägen die Weltbilder von Millionen. Gaming ist Hobby und Massenspektakel.

Die Geschichte der Videospiele war lange vor allem die ihres technischen Fortschritts: von pixeligen Figuren in 2D hin zu immer überzeugenderen Wirklichkeitsillusionen in Spielen wie Control. Zugleich entstehen eigenständige Spielwelten wie etwa in der expressionistischen Dystopie Disco Elysium. Jacob Birken analysiert anschaulich die verschiedenen Typen und Generationen von Games, gibt Einblicke in das Zusammenwirken von Hard- und Software und zeigt, wie neuere Videospiele stilistisch Bezug auf die Vergangenheit des eigenen Mediums nehmen. Aber werden damit auch die nicht eingelösten Zukunftsversprechen der Informationsgesellschaft wiederbelebt?
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum17. März 2022
ISBN9783803143495
Videospiele: Digitale Bildkulturen

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    Buchvorschau

    Videospiele - Jacob Birken

    1 | Erwachen in HD

    Als der junge Elf Link 1993 am Strand einer rätselhaften Insel angespült wird, ist er kaum mehr als ein winziges Rasterbildchen: Jeweils zwei Pixel müssen für die Augen ausreichen, fünf, um im Profil seine Nase anzudeuten. (# 1) Link’s Awakening ist bereits der vierte Teil der seit 1986 erscheinenden Reihe The Legend of Zelda, in der der Elf die Hauptrolle spielt, aber der erste für den Game Boy. Die Hardware der kleinen Spielekonsole setzt dem, was auf ihrem Bildschirm zu sehen sein kann, klare Grenzen, und so ist auch die Welt, in der Link dieses Abenteuer erleben wird, eine sehr schematische – anhand eines strengen Rasters aus immer gleichen Kacheln zusammengesetzt, die mal eine Pflanze, mal die Felswand einer Höhle oder ein Möbel darstellen; jeweils 20 mal 16 Kacheln pro Screen und nur so viele unterschiedliche, wie in den Speicher des Game Boy passen.

    Wie die Icons auf den Computer-Desktops dieser Zeit macht diese auf Piktogramme reduzierte Grafik die fantastische Welt von Link’s Awakening schnell begreifbar: Das mit wenigen Linien gezeichnete Gras kann ohne weiteres durchquert, aber auch mit Links Schwert gemäht werden, um darunter vielleicht ein Juwel zu entdecken; Felsbrocken versperren den Weg, können aber aufgehoben werden, sobald Link die nötige Kraft erlangt hat. Vieles über diese Lesbarkeit des Interfaces hinaus bleibt der Vorstellung überlassen. Nur in einem kurzen Trickfilm am Anfang und in der gedruckten, dem Spiel beigelegten Anleitung ist der Elf noch als detaillierte Comicfigur zu sehen, die darzustellen für das Spiel selbst zu komplex wäre.

    # 1 Link (Seitenansicht) in The Legend of Zelda: Link’s Awakening , 1993

    Als Link 2019 erneut am gleichen Strand angespült wird, haben er und die Insel eine erstaunliche Verwandlung durchgemacht. Anstatt auf Pixelkacheln blicken wir nun auf putzige Dioramen hinab, wie vielleicht mit einem Playmobil-Spielset zusammengebaut; ein Tilt-Shift-Effekt, der die Bildränder unscharf verschwimmen lässt, verstärkt die Anmutung einer Miniaturwelt.¹ Spielerisch ist Link’s Awakening von 2019 jedoch ein weitgehend originalgetreues Remake und übernimmt daher die streng rasterförmige Anlage seiner Umwelt. Was allerdings 1993 technische Notwendigkeit war, wird jetzt in einen Stil übersetzt. Auch in der Version von 2019 sind alle Blumen, Steine, Bäume identisch – wie es sich eben für eine Plastikspielzeug-Welt gehört, in der alles aus einem Guss sein sollte.

    Link’s Awakening ist beispielhaft für das, was Videospiele heute als eine Bildkultur ausmacht. Die Hardware der letzten Jahre ist zunehmend in der Lage, fotorealistische Bilder zu produzieren. Seit langem geht es nicht mehr darum, wie etwas überhaupt auf lesbare Weise dargestellt werden kann, sondern um die spektakuläre Illusion, um immer neue, immer überzeugendere Simulationen optischer Effekte wie Lichtreflexe, Schattenwürfe oder Transparenzen. Dass Link’s Awakening zeitgenössische Technologie nutzt, um ausgerechnet ein Spiel von 1993 in die fotorealistischen Bilder einer Spielzeugwelt zu übertragen, ist die andere Seite der Entwicklung von Gaming in den letzten Jahren: Das Medium ist mittlerweile in einem Alter, in dem es sich mindestens so viel mit seiner Vergangenheit beschäftigt wie mit seiner Zukunft. Von den drei letzten Titeln der Zelda-Reihe ist nur einer – Breath of the Wild von 2016 – tatsächlich neu: Neben dem Remake von Link’s Awakening ist auch das 2021 erschienene Skyward Sword HD die Auffrischung eines zehn Jahre alten Spiels für die aktuelle Hardware. Eine »Retromania«, wie sie Musikkritiker Simon Reynolds bereits 2011 als die gegenwärtige Besessenheit von einer immer kürzere Zeit zurückliegenden Vergangenheit beschrieb, durchdringt die Spieleszene noch mehr als andere Medien: sowohl im beständigen Strom von Neuauflagen und Remasterings wie in dem selbst seit Jahren anhaltenden Trend, neue Spiele in einer alten Optik zu produzieren.²

    Die folgenden Kapitel sind der Versuch einer kurzen Bestandsaufnahme zu Videospiele-Bildern – vier Jahrzehnte nachdem das Medium an Arcade-Automaten, Konsolen und Heimcomputern seine ersten großen Erfolge verzeichnete. Auf der einen Seite wird es dabei um die Faszination für die Simulation und das oft naiv technikgläubige Wetteifern um eine immer überzeugendere, aber immer unzulänglich bleibende Wirklichkeitstreue des 3D-Bilds gehen; auf der anderen um die Suche nach einer genuin digitalen Bildkultur, wie sie sich in den letzten Jahrzehnten manchmal dialektisch, manchmal eher symptomatisch zwischen Games und anderen Medien entwickelt hat.

    2 | Software als Medium

    Zuerst muss jedoch die etwas verfängliche Frage gestellt werden, auf welche Weise es sich bei Games überhaupt um ein Medium handelt. Ein kurzer Blick auf eine Liste der am besten rezensierten, 2021 erschienenen oder neu aufgelegten Spiele auf der Website Metacritic liefert keine Anhaltspunkte für eine verbindliche Definition: Mit einem als sogenannte Visual Novel erzählten Horror-Epos, einem dystopischen Rollenspiel in originellem Impasto-Malstil, einer gestalterisch ebenso aufwändigen, unterschwellig queeren Action-Satire auf die griechische Mythologie, einem Flugsimulator und einem Skateboard-Spiel sind hier Genres, Spielmechanismen, Ansprüche und Ästhetiken vertreten, die sich in

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