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Biokunststoffe unter dem Blickwinkel der Nachhaltigkeit und Kommunikation: Status quo, Möglichkeiten und Herausforderungen
Biokunststoffe unter dem Blickwinkel der Nachhaltigkeit und Kommunikation: Status quo, Möglichkeiten und Herausforderungen
Biokunststoffe unter dem Blickwinkel der Nachhaltigkeit und Kommunikation: Status quo, Möglichkeiten und Herausforderungen
eBook378 Seiten3 Stunden

Biokunststoffe unter dem Blickwinkel der Nachhaltigkeit und Kommunikation: Status quo, Möglichkeiten und Herausforderungen

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Über dieses E-Book

Das Buch zeigt, wie eine Nachhaltigkeitsbewertung von Biokunststoffen gelingen kann und wie die Ergebnisse einer solchen Bewertung ausfallen. Es analysiert die öffentliche Wahrnehmung beim Verbraucher sowie die politischen Rahmenbedingungen von Biokunststoffen.
SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer Vieweg
Erscheinungsdatum23. Jan. 2020
ISBN9783658277956
Biokunststoffe unter dem Blickwinkel der Nachhaltigkeit und Kommunikation: Status quo, Möglichkeiten und Herausforderungen

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    Buchvorschau

    Biokunststoffe unter dem Blickwinkel der Nachhaltigkeit und Kommunikation - Hans-Josef Endres

    Teil IEinführung

    © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020

    H.-J. Endres et al. (Hrsg.)Biokunststoffe unter dem Blickwinkel der Nachhaltigkeit und Kommunikationhttps://doi.org/10.1007/978-3-658-27795-6_1

    1. Über dieses Buch

    Marina Mudersbach¹  

    (1)

    Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe, Hochschule Hannover, Hannover, Deutschland

    Marina Mudersbach

    Email: marina.mudersbach@hs-hannover.de

    Das vorliegende Buch ist ein Produkt des Verbundprojektes Neue Wege, Strategien, Geschäfts- und Kommunikationsmodelle für Biokunststoffe als Baustein einer nachhaltigen Wirtschaft (BiNa), welches im Rahmen der Fördermaßnahme „Nachhaltiges Wirtschaften im Forschungsrahmenprogramm „Forschung für Nachhaltige Entwicklungen (FONA) durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) zusammen mit 30 weiteren Forschungsverbünden im Zeitraum von 2015 bis 2018 gefördert wurde.

    Mit dem übergeordneten Ziel, eine ökologisch sowie sozial verträgliche und dabei gleichzeitig wettbewerbsfähige Wirtschaft zu erreichen, verfolgte die Fördermaßnahme die Entwicklung von neuen Geschäftsmodellen und sozialen Innovationen und deren Erprobung in der Praxis. Dabei sollten auch bessere Mess- und Bewertungsmöglichkeiten für die Fortschritte des nachhaltigen Wirtschaftens sowohl einzelner Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette als auch für die Green Economy insgesamt entwickelt und getestet sowie das VerbraucherInnenverhalten noch besser verstanden werden, um Konsumentinnen und Konsumenten gezielter über nachhaltige Produkte und Dienstleistungen informieren zu können und diese zu einem nachhaltigeren Konsumverhalten anzuregen. Darüber hinaus sollten auch politische Instrumente auf ihre Anreizfähigkeit, das Verhalten von Unternehmen und Konsumierenden in Richtung eines nachhaltigen Wirtschaftens zu lenken, untersucht werden.

    1.1 Verbundprojekt „BiNa"

    Das Ziel von „BiNa" war es, den Wissensstand zu Biokunststoffen in den übergeordneten Themenfeldern Kommunikation und Nachhaltigkeit zu untersuchen und zu erforschen, ob und wie Biokunststoffe im Rahmen einer Ressourcenwende ein Baustein des nachhaltigen Wirtschaftens sein können. Die Arbeiten wurden in einem fachlich breit angelegten Konsortium durchgeführt und betrachteten die Aspekte der ökologischen und sozioökonomischen Nachhaltigkeit von Biokunststoffen ebenso wie die Chancen und Herausforderungen, die bei der Kommunikation und Vermarktung dieser Werkstoffe auftreten.

    Der Idee für die Verknüpfung dieser beiden thematischen Schwerpunkte zu einem Forschungsprojekt, ergab sich aus der in der Öffentlichkeit entstandenen kontroversen Debatte um die Nachhaltigkeit oder Sinnhaftigkeit des Einsatzes von Biokunststoffen. Da diese häufig emotional geführten Debatten vor allem durch einen mangelnden Informationsfluss aus der Wissenschaft und eine unzureichende Kommunikationspolitik in Kombination mit rechtlichen Auseinandersetzungen einiger Konsumgüterkonzerne bei der Einführung von biobasierten (Verpackungs-)Produkten geprägt zu sein schienen, sollten die Chancen und Herausforderungen der Substitution fossiler Kunststoffe durch biobasierte Kunststoffe daher genauer betrachtet und bewertet werden.

    Das Verbundprojekt war nach inhaltlichen Schwerpunkten in sechs Teilprojekte untergliedert (Abb. 1.1). Neben den organisatorischen Teilprojekten Projektkommunikation und Projektkoordination bildeten die ökologische Bewertung sowie die öffentliche Wahrnehmung und die verbraucherInnengerechte Informationsbereitstellung zu Biokunststoffen den Schwerpunkt „Kommunikation".

    ../images/466252_1_De_1_Chapter/466252_1_De_1_Fig1_HTML.png

    Abb. 1.1

    Teilprojekte im Verbundprojekt BiNa

    Begleitend dazu befasste sich ein weiteres Teilprojekt mit den politischen Rahmenbedingungen im Kontext zu Biokunststoffen. Die aktuellen politischen Entwicklungen auf EU- und Länderebene sind in diesem Bereich derzeit sehr volatil. Im Zuge z. B. der Kunststoffstrategie der EU ist mit Änderungen in Richtlinien und Gesetzgebung zu rechnen, sodass die Herausgeber eine Abbildung des Status quo der Rahmenbedingungen für Biokunststoffe an dieser Stelle für nicht sinnvoll erachten.

    Die methodischen Ansätze im Bereich Kommunikation und Nachhaltigkeit umfassten z. B. Literatur- und Webseitenanalysen, Ökobilanzierung, Sozialbilanz, Lebenszykluskostenrechnung, Gruppendiskussionen, ExpertInneninterviews sowie stakeholderspezifische Workshops. Die Ergebnisse der verschiedenen Ansätze wurden anschließend zusammengeführt. Ein wesentlicher Projektoutput war die Erstellung von Handlungsempfehlungen für verschiedene Stakeholder in den untersuchten Bereichen. Diese sind öffentlich auf der Projektwebseite (www.​biokunststoffe-nachhaltig.​de) und in den Zusatzmaterialien zu diesem Buch abrufbar (auf der Internetseite des Verlags zum Buch).

    Im Rahmen des Forschungsprojektes wurde ein enger Austausch mit Industrie, Wissenschaft, Bevölkerung und Politik gepflegt, um den Informationsstand der unterschiedlichen Interessensgruppen zu Biokunststoffen zu untersuchen, damit verbundene Chancen und Risiken darzustellen und Empfehlungen auszusprechen, um identifizierte Problemfelder zu verbessern. Insgesamt haben über 100 Personen aus verschiedenen Interessensfeldern an den ausgerichteten Veranstaltungen teilgenommen.

    Koordiniert wurde die Forschungsplattform BiNa von Herrn Prof. Dr.-Ing. H.-J. Endres vom Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe (IfBB) der Hochschule Hannover (HsH). B.A.U.M. e. V. war mit der externen Projektkommunikation sowie der Organisation von Workshops und Projektveranstaltungen betraut. Auf wissenschaftlicher Ebene wirkten mit: die Fakultät Medien, Information und Design der HsH unter Frau Prof. Dr. Möhring, das Fraunhofer Institut für Bauphysik – Abteilung Ganzheitliche Bilanzierung unter Herrn Dr.-Ing. Albrecht, das Fachgebiet für Marketing und Management Nachwachsender Rohstoffe der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf unter Herrn Prof. Dr. Menrad und das Institut für Werkzeugmaschinen und Fertigungstechnik der Technischen Universität Braunschweig unter Herrn Prof. Dr.-Ing. Herrmann. Begleitet wurde BiNa durch einen Beirat bestehend aus European Bioplastics e. V. und WWF Deutschland.

    1.2 Buchstruktur

    Das Buch gliedert sich in drei inhaltliche Teile. Im ersten Teil erfolgt eine Einführung zum Hintergrund des Buches sowie zum Begriffs- und Themenkomplex Biokunststoffe, im Sinne von biobasierten sowie biologisch abbaubaren Kunststoffen unterschiedlicher rohstofflicher Herkunft. Die Einführung soll darstellen, wieso die inhaltliche Zusammenstellung in vorliegender Form erfolgt ist und einen Überblick zur Definition sowie wichtige Hintergrundinformationen zu Biokunststoffen geben.

    Nach der allgemeinen Einführung werden die Themenkomplexe Nachhaltigkeit und Kommunikation in Bezug auf Biokunststoffe adressiert.

    Im zweiten Teil des Buches werden zunächst nachhaltigkeitsbezogene Aspekte mit Blick aus einer ökologischen sowie aus einer sozialökonomischen Perspektive beleuchtet. Im Rahmen der ökologischen Nachhaltigkeitsbewertung werden vorhandene Standards und Richtlinien zur ökologischen Bewertung von Biokunststoffen intensiver betrachtet und bewertet sowie Veröffentlichungen mit entsprechenden Kennwerten analysiert und Ökobilanzinformationen zu verschiedenen Biokunststoffen aufgezeigt.

    Da der Energiebedarf bei der Herstellung und Verarbeitung als Bestandteil der Wertschöpfungskette ebenfalls einen Beitrag zu den ökologischen Auswirkungen des Lebenszyklus von Biokunststoffen liefert, erfolgt auch ein vertiefter Blick auf die Energieeffizienz bei Verarbeitungsprozessen von Biokunststoffen, im Speziellen auf das Spritzgießverfahren als gängigstes Produktionsverfahren für Kunststoffprodukte.

    Im Kapitel zur sozioökonomischen Nachhaltigkeitsbewertung werden Grundlagen, Forschungsstand und Methoden sowie ein in BiNa erarbeitetes Indikatorenset für die sozioökonomischen Auswirkungen von Biokunststoffen bzw. die Bioökonomie als solche vorgestellt.

    Im dritten Teil des Buches werden Biokunststoffe aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive beleuchtet. Dabei werden zum einen der aktuelle Stand kommunikativer Strategien von Stakeholdern in der Öffentlichkeit anhand von Webseitenanalysen und ExpertInneninterviews mit VertreterInnen unterschiedlicher Interessensgruppen dargestellt. Basierend auf einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung werden Ergebnisse zur Wahrnehmung, Erfahrungen und Assoziationen zu Biokunststoffen in der Bevölkerung nach Gruppen differenziert aufgezeigt und zuletzt erfolgt ein vertiefender Blick auf die Käuferinnen und Käufer von Produkten aus Biokunststoffen, deren Produkterfahrung und deren Kaufmotive.

    © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020

    H.-J. Endres et al. (Hrsg.)Biokunststoffe unter dem Blickwinkel der Nachhaltigkeit und Kommunikationhttps://doi.org/10.1007/978-3-658-27795-6_2

    2. Biokunststoffe – Hintergründe

    Hannah Behnsen¹   und Hans-Josef Endres

    (1)

    Institut für Kunststoff- und Kreislauftechnik, Leibniz Universität Hannover, Garbsen, Deutschland

    Hannah Behnsen

    Email: behnsen@ikk.unihannover.de

    Vor dem Hintergrund globaler gesellschaftlicher Herausforderungen, wie dem Klimawandel und der Endlichkeit fossiler Ressourcen, steht die Entwicklung hin zu einer biobasierten Ökonomie seit einigen Jahren im Fokus der Forschung und Politik (Patermann und Aguilar 2018). Angesichts dieser Tatsache rücken die Biokunststoffe als potenzieller Baustein einer biobasierten Wirtschaft verstärkt ins Blickfeld verschiedener Interessensgruppen. Dabei sind Biokunststoffe keine neue Erfindung: Mit ihnen begann um 1870 das Zeitalter der Kunststoffe. Knöpfe aus Galalith, dem sogenannten Kunsthorn, zierten Uniformen, Filmaufnahmen wurden aus Zelluloid gemacht. Beides Kunststoffe, deren Herstellungsgrundlage nachwachsende Rohstoffe bilden. Erst mit der zunehmenden Verfügbarkeit von Erdöl und der Weiterentwicklung der Erdölchemie ab 1950 wurden die bestehenden Kunststoffe bis auf wenige Ausnahmen nach und nach durch petrochemische Erzeugnisse ersetzt. Der Wunsch nach Rohstoffunabhängigkeit und die zunehmende Wahrnehmung nachteiliger Entsorgungseigenschaften bei diesen synthetischen Kunststoffen bescherten den Biokunststoffen, hier vor allem den biologisch abbaubaren Varianten, ab den 1990er-Jahren einen Entwicklungsschub (Endres und Siebert-Raths 2011).

    Biobasierte Kunststoffe werden auf Basis nachwachsender Rohstoffe wie Zucker, Stärke, Pflanzenölen oder Zellulose hergestellt. Auch Stoffe tierischen Ursprungs, wie beispielsweise Chitin, können die Grundlage für die Herstellung biobasierter Kunststoffe bilden. Eine Unterscheidung erfolgt hierbei in beständige, also möglichst lang haltbare und biologisch abbaubare biobasierte Kunststoffe. Diese beiden Varianten bilden zusammen mit den fossilbasierten biologisch abbaubaren Kunststoffen die Biokunststoffe (Endres und Siebert-Raths 2011), welche eine Unterklasse der Werkstoffgruppe Kunststoffe darstellen. Eben diese Einteilung, zusammengefasst unter dem Oberbegriff Biokunststoff, neben weiteren Bezeichnungen wie „grüner Kunststoff, „Bioplastik oder „aus nachwachsenden Rohstoffen", sorgt häufig für Missverständnisse und Unsicherheiten, da eine eindeutige Begriffsklärung und Standardisierung bis dato nicht vorliegt (Mudersbach et al. 2017). Abb. 2.1 zeigt diese Einteilung einmal bildlich auf.

    ../images/466252_1_De_2_Chapter/466252_1_De_2_Fig1_HTML.png

    Abb. 2.1

    Einteilung der Werkstoffgruppe Kunststoffe nach Eigenschaften.

    (© Endres 2019 All rights reserved)

    Das bedeutet, dass Biokunststoffe – im momentanen Verständnis – nicht zwangsweise aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen müssen. Umgekehrt sind nicht alle auf nachwachsenden Rohstoffen basierenden Kunststoffe automatisch biologisch abbaubar.

    Ebenso missverständlich und dadurch kritisch zu betrachten ist die Vorsilbe „bio" im deutschen Sprachraum. Die Interpretation, dass die Produktion der Rohstoffpflanzen vermutlich nach biologisch-dynamischen Richtlinien erfolgt, liegt für viele Menschen nahe (vgl. Kap. 9). Dies ist so aber in der Regel nicht der Fall. Dazu kommen die von Unternehmen gemachten Nachhaltigkeitsclaims im Gegensatz zur Berichterstattung von Umwelt- und VerbraucherInnenschutzorganisationen. Kein Wunder also, dass sich Biokunststoffe einem kritischen gesellschaftlichen Diskurs stellen müssen (vgl. Kap. 8).

    Novel, Drop-in und New Economy Biokunststoffe

    Ausgehend von der chemischen Struktur unterscheidet man die Biokunststoffe (unabhängig davon, ob diese biologisch abbaubar sind oder nicht) des Weiteren noch in die neuartigen (Novel) und die Drop-in-Werkstoffe, diese werden gemeinsam als New Economy Biokunststoffe bezeichnet (vgl. Abb. 2.2). New Economy deshalb, da die hier zusammengefassten Materialien innerhalb der letzten 20 bis 30 Jahre entstanden sind. Im Gegensatz dazu stehen die Old Economy-Werkstoffe für Materialien, die noch vor Erscheinen der heute vorwiegend genutzten petrochemischen Kunststoffe entwickelt wurden und bis heute so bestehen. Die biobasierten Drop-ins, wie zum Beispiel Biopolyethylen (Bio-PE), sind strukturgleich zu ihren konventionellen Pendants, besitzen also dieselben chemischen und mechanischen Eigenschaften und können für die gleichen Anwendungen eingesetzt und problemlos zusammen recycelt (z. B. PET und Bio-PET) werden. Die Novel-Werkstoffe, dazu gehört unter anderem Polymilchsäure (PLA), besitzen ganz eigene charakteristische Eigenschaftsprofile.

    ../images/466252_1_De_2_Chapter/466252_1_De_2_Fig2_HTML.png

    Abb. 2.2

    Klassifikation Biokunststoffe.

    (© Endres/IfBB 2016 All rights reserved)

    Ergänzend ist zu beachten, dass als Biokunststoffe häufig nur die thermoplastisch verformbaren Materialien betrachtet werden. Es gehören aber ebenso die biobasierten und/oder biologisch abbaubaren Duroplaste und Elastomere in die Gruppe der Biokunststoffe.

    Synonym für Biokunststoffe wird, neben vielen anderen, oft der Begriff Biopolymere verwendet. Dies ist allerdings nur bedingt korrekt, denn eigentlich versteht man unter einem Biopolymer ein Makromolekül, welches in einer lebenden Zelle synthetisiert wird und meist strukturelle Funktionen erfüllt oder als Energiereserve angelegt wird. Etwas genauer wäre der Begriff technische Biopolymere. Dieser beschreibt allerdings lediglich einen technisch (aus biogenen Rohstoffen) synthetisierten Ausgangsstoff oder ein chemisch modifiziertes Biopolymer. Erst durch die Zugabe verschiedener Additive, wie Stabilisatoren oder Verarbeitungshilfsmittel, entsteht der Biokunststoff, der dann ready to use zur Herstellung verschiedenster Produkte verwendet werden kann.

    2.1 Definitionen

    Ein kleiner Begriff, viele Unklarheiten. Um Verständnis für die sich daraus ergebenden Fragestellungen zu erzeugen und um eine einheitliche Wissensgrundlage zu schaffen, folgen an dieser Stelle einige Definitionen und Abgrenzungen. Der Begriff Biokunststoffe kann drei verschiedene Bedeutungen haben. Dahinter kann sich ein bioabbaubarer Kunststoff oder ein biobasierter Kunststoff oder ein biobasierter und biologisch abbaubarer Kunststoff verbergen. Dies führt in der Öffentlichkeit oft zu Missverständnissen und so ist es zu empfehlen, die genauer definierten Begriffe zu verwenden.

    Biobasiert

    Ein biobasiertes/biogenes Produkt besteht laut EN 16575 vollständig oder teilweise aus Biomasse. Das bedeutet, dass bei einem 100-%-biobasierten Kunststoff die Rohstoffquelle des Kunststoffes kein Erdöl war, sondern Zucker, Stärke oder Pflanzenöle aus Biomasse wie z. B. Mais oder Zuckerrohr. Bei teilbiobasierten Kunststoffen liegt eine Mischung aus biobasierten und petrochemisch basierten Kunststoffen vor. Für Hersteller gibt es bislang keine konkreten Vorgaben, wie der biobasierte Anteil ausgezeichnet werden sollte. Es existieren allerdings Zertifizierungen, denen definierte Methoden zugrunde liegen, um den biogenen Materialanteil zu bestimmen und auszuweisen. Die Feststellung über die Höhe des biobasierten Anteils erfolgt hier in der Regel über die Ermittlung des biobasierten Kohlenstoffs mittels Radiokarbonmethode, z. B. gemäß EN 16785-1:2015, aber auch andere Verfahren, die neben dem biobasierten Kohlenstoff weitere biobasierte Masseanteile, wie Stickstoff oder Sauerstoff berücksichtigen können nach CEN/TR 16721:2014 herangezogen werden.

    In Normungsausschüssen und Technischen Komitees auf nationaler und europäischer Ebene werden die Regeln zur Bestimmung des biobasierten (Kohlenstoff-)Anteils von Produkten und zur Deklaration und Zertifizierung biobasierter Produkte stetig weiterentwickelt und begrifflich harmonisiert.

    Biologisch abbaubar

    Die Begriff biologisch abbaubarer Kunststoff bedeutet, dass der Kunststoff unter bestimmten Bedingungen durch Mikroorganismen vollständig zu CO2 und Wasser abgebaut wird. Bei diesem Begriff ohne weitere Erläuterung ist jedoch nicht definiert, unter welchen Bedingungen und in welchem Zeithorizont dies erfolgt und hat somit wenig Aussagekraft. Genauere Definitionen, die auch die Bedingungen beschreiben und hinter denen festgelegte Prüfnormen stehen, sind folgende:

    Industrielle Kompostierbarkeit

    Heim- und Gartenkompostierbar

    Bioabbaubar in Boden

    Bioabbaubar in Süßwasser

    Bioabbaubar in Meerwasser

    Die jeweiligen Prüfverfahren und -programme dazu sind aus Tab. 2.1 zu entnehmen.

    Tab. 2.1

    Übersicht von Prüfbedingungen zur biologischen Abbaubarkeit in unterschiedlichen Habitaten. (Nach Burgstaller et al. 2018)

    a mindestens 90 % oder von 90 % des maximalen Wertes einer geeigneten Referenzsubstanz

    Die Untersuchung der biologischen Abbaubarkeit organischen Materials erfolgt in der Regel im Labormaßstab, da hier die für den Abbau wichtigen Parameter, wie bspw. Temperatur oder Feuchtigkeit kontrolliert eingestellt und so reproduzierbare Ergebnisse erzielt werden können. Oft müssen die Testparameter, hier vor allem die Temperatur, allerdings so angepasst werden, dass Ergebnisse in einem überschaubaren Zeithorizont vorliegen können (z. B. sechs Monate). Dies entspricht selten der Variabilität natürlicher Umweltbedingungen, was eine beschränkte Übertragbarkeit der Ergebnisse unterschiedlicher Testmethoden auf die Realität zulässt.

    Eine detaillierte Auflistung von nationalen und internationalen Normen, Prüfstandards und Zertifizierungsnachweisen (Label) sowie weitere Informationen zu den Grundprinzipien/Grundmechanismen der (biologischen) Abbaubarkeit können u. a. in dem Buch „Engineering Biopolymers: Markets, Manufacturing, Properties and Applications oder der Studie des UBA von 2018 „Gutachten zur Behandlung biologisch abbaubarer Kunststoffe eingesehen werden.

    2.2 Marktüberblick

    Derzeit machen Biokunststoffe nur einen sehr kleinen Anteil in der Kunststoffproduktion aus. Von insgesamt etwa 348 Mio. Tonnen Kunststoff, die im Jahr 2017 weltweit hergestellt wurden, sind nur ca. 2,3 Mio. Tonnen den Biokunststoffen zuzurechnen. Biokunststoffen wird allerdings in den kommenden Jahren ein starkes Marktwachstum vorausgesagt, was besonders für biobasierte Kunststoffe aus pflanzlichen Rohstoffen gilt, die für haltbare Produkte verwendet werden (vergl. Abb. 2.3).

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    Abb. 2.3

    Produktionskapazitäten Biokunststoffe.

    (IfBB 2018)

    Die Einsatzgebiete für Biokunststoffe sind vielfältig und erstrecken sich von Anwendungen im Baubereich über Verpackungssysteme für Lebensmittel bis hin zur Medizintechnik. In Abb. 2.4 ist die Aufteilung der Biokunststoffe auf verschiedene Marktsegmente dargestellt.

    ../images/466252_1_De_2_Chapter/466252_1_De_2_Fig4_HTML.png

    Abb. 2.4

    Einsatzgebiete verschiedener Biokunststoffe.

    (IfBB 2018)

    Biokunststoffe finden sich in allen Marktsegmenten wieder, den größten Teil stellt aber – wie bei den konventionellen Kunststoffen auch – der Verpackungssektor.

    Wie bei allen anderen Werkstoffgruppen sollte sich ein sinnvoller Einsatz an den Materialeigenschaften des Werkstoffes orientieren, also funktionsorientiert sein. Somit lassen sich Biokunststoffe, je nach Eigenschaftsprofil überall dort einsetzen, wo diese den verlangten technischen Anspruch erfüllen. Aktuell scheitert der Einsatz meist am Preis, weniger an der technischen Machbarkeit, denn die derzeit noch geringen Produktionskapazitäten führen meist zu höheren Preisen von Biokunststoffprodukten im Vergleich zu herkömmlichen Kunststoffprodukten. Höhere Preise sind wiederum für die VerbraucherInnen eine bedeutende Konsumbarriere, weshalb die verstärkte Nachfrage ausbleibt. Daneben sind an dieser Stelle vor allem mangelndes Wissen der VerbraucherInnen über Biokunststoffe an sich (vgl. Kap. 9), aber auch über die Verfügbarkeit entsprechender Produkte als Gründe gegen den Kauf von Produkten aus Biokunststoffen zu nennen (Iles und Martin 2013).

    Neben der Endlichkeit fossiler Ressourcen ist der Wunsch, Materialien mit einem verbesserten Nachhaltigkeitsprofil anbieten zu können, ein wichtiger Treiber für die Entwicklung von Biokunststoffen (Behnsen et al. 2018). So bietet der Einsatz von erneuerbaren pflanzlichen Rohstoffen eine Chance zur Schonung endlicher Ressourcen (Khoo et al. 2010) und gleichzeitig eine Verminderung von CO2-Emissionen zu ermöglichen. Außerdem können biologisch abbaubare Biokunststoffe Vorteile bei der Entsorgung gegenüber herkömmlichen Kunststoffen haben, die aufgrund mangelnder Entsorgungsmöglichkeiten in vielen Ländern häufig über lange Zeit in der Natur bestehen können und dabei giftige Substanzen an Böden und Gewässer freigeben (Moore 2008; Rochman et al. 2013). Dennoch spielen gerade bei den biobasierten Biokunststoffen durch den notwendigen Anbau pflanzlicher Rohstoffe Umweltbeeinträchtigungen eine wichtige Rolle, die bei der Bewertung der Biokunststoffe neben den möglichen Vorteilen zu beachten sind (Álvarez-Chávez et al. 2012; Hottle et al. 2013). Eine vertiefte Betrachtung der Nachhaltigkeitsbewertung von Biokunststoffen findet sich in Abschnitt II dieses

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