Ökonomie ist menschlich: Wirtschaft und Wirtschaftslehre neu gedacht
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Ökonomie ist menschlich - Michael-Burkhard Piorkowsky
Michael-Burkhard Piorkowsky
Ökonomie ist menschlich
Wirtschaft und Wirtschaftslehre neu gedacht
1. Aufl. 2020
../images/495433_1_De_BookFrontmatter_Figa_HTML.pngMichael-Burkhard Piorkowsky
Universität Bonn, Bonn, Deutschland
ISBN 978-3-658-30613-7e-ISBN 978-3-658-30614-4
https://doi.org/10.1007/978-3-658-30614-4
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020
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Meinem Enkel Max gewidmet
Inhaltsverzeichnis
1 Einführung 1
Literatur 7
2 Ökonomie als Teil der Welt 9
2.1 Bedürfnisse und Versorgungsprobleme 10
2.2 Wirtschaft als Geldkreislauf 11
2.3 Wirtschaft als materielles Durchflusssystem 13
2.4 Wirtschaft als mehrdimensionales Transformationssystem 16
2.5 Kommentierte Literaturhinweise 18
Literatur 18
3 Ökonomie als Güterwelt 21
3.1 Menschen und Güter 22
3.2 Institutionen, Organisationen und Wirtschaftssysteme 26
3.3 Wirtschaft als Aspekt 41
3.4 Kommentierte Literaturhinweise 42
Literatur 42
4 Ökonomie als Selbstorganisation 47
4.1 Gründung und Entwicklung privater Haushalte 48
4.2 Gründung und Entwicklung privater Unternehmen 54
4.3 Gründung und Entwicklung privater Verbände 64
4.4 Gründung öffentlicher Betriebe 69
4.5 Kommentierte Literaturhinweise 70
Literatur 71
5 Ökonomie als Bildungsgut 75
5.1 Ökonomische Bildung auf dem Prüfstand 76
5.2 Vielfalt und Einfalt ökonomischer Bildungsangebote 78
5.3 Ein evolutorischer Ansatz für die ökonomische Bildung 87
5.4 Kommentierte Literaturhinweise 94
Literatur 94
6 Ökonomie als Wissenschaft 99
6.1 Grundlegungen altgriechischer Ökonomik 100
6.2 Ausformungen alteuropäischer Ökonomik und Chrematistik 104
6.3 Umformungen zu klassischen und modernen Ökonomiken 108
6.4 Alternative Ansätze mit Neuen Ökonomiken 122
6.5 Kommentierte Literaturhinweise 134
Literatur 135
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020
M.-B. PiorkowskyÖkonomie ist menschlichhttps://doi.org/10.1007/978-3-658-30614-4_1
1. Einführung
Michael-Burkhard Piorkowsky¹
(1)
Universität Bonn, Bonn, Deutschland
Zusammenfassung
Mit Ökonomie wird herkömmlich sowohl der Realbereich der Wirtschaft als auch die Wirtschaftswissenschaft bezeichnet. Beides ist ineinander verwoben und wird auch in diesem Buch behandelt. Fachwissenschaftlich genauer wird der Realbereich der Wirtschaft als Ökonomie und die Wirtschaftswissenschaft als Ökonomik bezeichnet. Beide Bereiche sind „Menschenwerk" – im Guten wie im Schlechten. Dies schließt natürlich Irrtümer sowie unterschiedlich bewertbare Regelungen und Handlungen ein. Die Wort- und Textwurzeln, und damit auch das Grundverständnis von Ökonomie im doppelten Sinn, reichen bis in die griechische Antike zurück. Dieses Kapitel führt in die Thematik ein. An historischen und aktuellen Beispielen wird gezeigt, warum und wie wirtschaftliche Praxis, Theorie und Politik zusammenhängen und nicht nur durch Erkenntnisse, sondern auch durch Kontroversen und Irrtümer geprägt sind.
Ökonomie ist menschlich. Was ist damit gemeint? Ökonomie ist zunächst als ein organisiertes Handlungsgefüge zu verstehen. Im Alltag wird oft von „der Wirtschaft" gesprochen. Allerdings ist damit häufig nur der Unternehmenssektor gemeint. Private Haushalte und andere Gruppen von Betrieben, z. B. Vereine, werden dann nicht zur Wirtschaft gerechnet. Das fördert ein verkürztes Verständnis von den Möglichkeiten und Grenzen sowie den Chancen und Risiken des Wirtschaftens. Einem verkürzten Verständnis von Ökonomie entgegenzuwirken, ist mit diesem Buch beabsichtigt.
Durch das Wirtschaften wollen wir uns mit Gütern für die Erhaltung und Gestaltung des Lebens versorgen. Ganz überwiegend wird gemeinschaftlich und abgestimmt mit anderen gewirtschaftet. Das geschieht teils direkt in organisatorischen Einheiten, die allgemein als Betriebe bezeichnet werden, und teils indirekt über mehr oder weniger organisierte Mechanismen, z. B. auf Märkten. In seltenen Fällen muss alleine gewirtschaftet werden, z. B. dann, wenn jemand auf einer unbewohnten Insel gestrandet ist, wie Daniel Defoes Romanfigur Robinson Crusoe. Die reale Wirtschaft und also das Wirtschaften ist folglich Menschenwerk. Allein insofern ist Ökonomie menschlich. Das kommt uns zwar nicht immer so vor, etwa dann, wenn wir an Ungerechtigkeiten denken, an Ausnutzung von Zwangslagen, an Betrug und Übervorteilung sowie an Drogen- und Menschenhandel. Aber auch das gehört leider zu den – weniger schönen – Seiten menschlichen Handelns. Die gute Nachricht ist: Manches davon lässt sich zumindest erschweren und eindämmen. Ökonomische Aufklärung und Bildung können dabei helfen. Diese optimistische Sicht wird hier eingenommen. Über menschliches Fehlverhalten und die dunkle Seite der Wirtschaft zu schreiben, wäre sicherlich ausreichend Stoff für ein anderes Buch.
Ökonomie ist also zunächst einmal insofern menschlich, als es moralisch gutes und schlechtes Handeln einschließen kann – und das sogar bei ein und derselben Person in unterschiedlichen Situationen. Und nicht nur Moral, sondern auch Irrtum ist im Spiel. Irren ist menschlich, und nicht wenige ökonomische Einsichten und Entscheidungen beruhen auf Fehleinschätzungen, z. B. über die Entstehung und Funktion von Betrieben und Märkten, die Qualität von Dienstleistungen und die Wertentwicklung von Finanzinvestitionen. Dass Ökonomie menschlich ist, gilt folglich auch mit Blick auf die Wahrnehmung von Wirtschaft.
Ökonomie ist zwar zunächst als der Realbereich der Wirtschaft und des Wirtschaftens zu verstehen. Aber wie bereits angedeutet, gehört auch das Nachdenken, Forschen und Lehren über die Wirtschaft und das Wirtschaften dazu. Und auch das ist selbstverständlich, man kann sogar sagen natürlich Menschenwerk. Bereits früh haben Menschen darüber nachgedacht, wie das Wirtschaften gut gestaltet und verbessert werden kann. Aus der griechischen Antike sind Texte überliefert, in denen Ratschläge für eine gute wirtschaftliche Haushaltsführung, die „Oikonomia, gegeben werden. Die Lehre von der Kunst der Haushaltsführung, verstanden als praktische Philosophie, wurde als „Oikonomik
bezeichnet – entsprechend den Bezeichnungen für die Kunst der Staatsführung, die Politik, und die moralische Urteilsbildung, die Ethik.
Von Wirtschaftswissenschaftlern im deutschsprachigen Raum wird für die eindeutige Abgrenzung und Bezeichnung – der altgriechischen Namensgebung folgend – zwischen Ökonomie, für Wirtschaft, und Ökonomik, für Wirtschaftswissenschaft, unterschieden. Im Englischen ist die Unterscheidung zwischen Economy (Wirtschaft) und Economics (Wirtschaftswissenschaft) üblich. „Ökonomik" klingt ein wenig nach alten verstaubten Büchern. Deshalb wird oft auch die Wissenschaft von der Wirtschaft mit Ökonomie bezeichnet. Ökonomen gehen leichtfertig davon aus, dass fachkundige Leser aus dem dargestellten Zusammenhang erkennen, ob von Wirtschaft oder von Wirtschaftswissenschaft die Rede ist. Aber beides ist, wie bereits gesagt, ineinander verwoben.
Das Nachdenken über Wirtschaft hat schon immer zu unterschiedlichen Anschauungen und Überzeugungen geführt, wie die Wirtschaft richtig zu gestalten sei. Die im Meinungsstreit erfolgreichen Ideen haben Einfluss auf die Politik genommen und sind bereits früh in Schriften und in Vorlesungen an Hochschulen verbreitet worden. Was wir heute über Wirtschaft denken und wie wir wirtschaften, das ist – bewusst oder unbewusst – auch durch traditionsreiche Lehrmeinungen in Universitäten und durch ökonomische Bildung in der Schule beeinflusst. Ein Beispiel dafür ist das in Kap. 2 näher betrachtete Modell der Wirtschaft als Geldkreislauf, dessen frühe Form bereits 1758/1759 veröffentlicht worden ist. Auch heute streiten Fachleute darüber, wie die Wirtschaft zu verstehen und zu gestalten sei. Das wird bereits im folgenden Abschnitt dieses Kapitels beispielhaft deutlich werden und auch in weiteren Kapiteln zur Sprache kommen. Weil es für die Meinungsbildung wichtig ist, soll auch die Geschichte der Wirtschaftswissenschaft zum Schluss des Buches kurz dargestellt werden.
Die angedeuteten Probleme bei der Suche nach Erkenntnis sind zum einen durch unterschiedliche philosophische Anschauungen zu erklären. Die alteuropäische Ökonomik ist im Rahmen der griechischen Philosophie entstanden und hat im Zusammenhang mit der gesellschaftlichen und ideengeschichtlichen Entwicklung in der westlichen Welt eine besondere Prägung erfahren. Zum anderen unterliegt die Wirtschaft – auch gefördert durch ökonomische Anschauungen und deren Umsetzung in der Wirtschaftspolitik – einem ständigen Wandel. Denken wir nur in grober Unterscheidung an den Wandel von der Agrargesellschaft zur Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft und beispielhaft an die sozialen Umbrüche während der Industrialisierung. Heute sind nicht mehr Dampfmaschine und Fließband die Schreckgespenster bzw. – bei gegenteiliger Sicht auf die Dinge – die Fortschrittsboten, sondern Mikrochip und „Künstliche Intelligenz". Wir können uns durch Wissen wappnen und die Ökonomie mitgestalten. Das ist die Leitidee dieses Buches.
Allerdings sind die Möglichkeiten der Erkenntnisgewinnung über ökonomische Sachverhalte und die Absicherung ökonomischer Entscheidungen und Handlungen beschränkt, denn die Zukunft ist unbekannt, nicht alles verfügbare Wissen kann zur Kenntnis genommen werden, und die Aufnahme und Verarbeitung von Informationen ist stets auch subjektiv gefärbt. Perfekte ökonomische Rationalität gibt es nur im Modell des Wirtschaftsmenschen, wie er in manchen Forschungs- und Lehrkonzeptionen vereinfachend unterstellt wird, um zu eindeutigen Aussagen in der Theorie zu gelangen. Werden solche Vorstellungen als gültig für das Alltagsleben angenommen und z. B. zur Grundlage politischer Rahmensetzungen gemacht, kann das nicht gut gehen. Die Vorstellung, in Unternehmen würde strikt rational und in Haushalten irrational gehandelt, ist doppelt falsch. Starke Rationalität im Sinn der ökonomischen Theorie setzt insbesondere vollständige Information über die Ausgangsbedingungen und die aktuellen und künftigen Folgen von Handlungen voraus. Beides ist nicht zu erlangen, weder für den Geschäftsführer eines Unternehmens noch für den Hausmann von nebenan.
Obwohl die ausschließlich auf theoretische Überlegungen beschränkte Bedeutung des Modells rationalen Verhaltens bereits länger klar war und der Modellcharakter nur sehr selten infrage gestellt wurde, konnte sich diese Erkenntnis erst in den letzten 20 Jahren nach und nach Geltung in Theorie und Politik verschaffen. Aber die Zählebigkeit von überholten Denkweisen zeigt sich beispielhaft daran, dass einige Ökonomen die Abweichungen vom Modell des rationalen Entscheidens und Handelns zumindest zunächst noch als Verhaltensanomalien statt als Normalverhalten bezeichnet und in Publikationen und Vorlesungen unter dieser Bezeichnung präsentiert haben (vgl. dazu z. B. Feld o. J.). Das ist zumindest irritierend. Festgestellt sei aber noch einmal, dass rationales Verhalten lediglich beschränkt, aber nicht völlig ausgeschlossen ist. Gezielte Beschaffung von Informationen, Aufbau von Wissen und kritisches Denken können den Wahrnehmungs- und Entscheidungshorizont deutlich ausweiten – auch das ist empirisch gut belegt.
Dass nicht nur alltägliches Entscheiden und Handeln von Menschen „wie du und ich" beschränkter Rationalität unterliegen, sondern dies auch für den Fachwissenschaftler und für journalistisches Arbeiten gilt, hat der Verhaltensökonom Richard H. Thaler mit einem Interview anlässlich der Verleihung des Alfred-Nobel-Gedächtnispreises für Wirtschaftswissenschaften 2017 für seine Forschungen über Irrationalität und Irrtumsanfälligkeit im Wirtschaftsleben auf sehr eingängige Weise – teils beabsichtigt, teils unbeabsichtigt – deutlich machen können (siehe Euronews.com mit DPA 2017). Auf die Frage eines Journalisten an Thaler, ob er das Preisgeld von rund 94.000 Euro „humanly ausgeben werde, hat er geantwortet: „I will try to spend it as irrationally as possible!
. Die launige Antwort hat das Nobelpreiskomitee am 9. Oktober 2017 auf Twitter veröffentlicht, und zahlreiche Medien haben es verbreitet, u. a. noch am selben Tag auch Euronews.com. Aber in dieser Pressemitteilung wurde Thalers Antwort – sinnentstellt – folgendermaßen zitiert: „Ich werde es so rational wie nur möglich ausgeben" (ebd.). War das ein Irrtum oder tiefere Weisheit, Freud’sche Fehlleistung oder Informationsüberlastung in der Übermittlungskette? Auf jeden Fall ist es ein Beispiel und Beleg dafür, dass auch Fachökonomen menschlich sind, dass die Ökonomie als Wissenschaft in der Erkenntnisgewinnung voranschreitet, dass sich Erkenntnisse nur langsam durchsetzen und dass alte Denkschablonen nicht immer ohne Weiteres einfach ausgetauscht werden können.
Irrationalität und Irrtum in Wirtschaftswissenschaften und Wirtschaftspolitik sowie im Wirtschaftsalltag waren auch Anlass und Themen für eine Tagung des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft und des Handelsblatts mit dem Titel „Ökonomie neu denken. Die Wirtschaftswissenschaft zwischen Wirtschaft und Wissenschaft" am 23. und 24. Januar 2012 in Frankfurt am Main. In den Vorträgen und Diskussionen ging es vor allem um die Förderung neuer Konzeptionen für die Erklärung wirtschaftlichen Handelns, für die Messung des Wohlstands, für die Fundierung der Wirtschaftspolitik und für die Neuausrichtung der akademischen und schulischen Wirtschaftsbildung. Unter den Teilnehmern war unbestritten, dass überkommene Vorstellungen zu überwinden seien und ein zutreffenderes Bild der wirtschaftlichen Entwicklung gewonnen und vermittelt werden müsse (vgl. dazu Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft 2012).
Zu den Irrtümern im Alltagsdenken und auch bei manchen Fachleuten gehören die Vorstellungen über die Größenstrukturen im Unternehmenssektor. Verbreitet ist vor allem die Ansicht, Unternehmen seien grundsätzlich groß, vor allem deutlich größer als private Haushalte. Über Jahrzehnte hinweg galt die Kategorie der Klein- und Mittelunternehmen (KMU) als passendes Etikett für die in Deutschland sogenannte mittelständische Wirtschaft und damit für den Unternehmenssektor schlechthin, wobei im Denken das „M" in dem Kürzel KMU dominierte. Tatsächlich sind die meisten Unternehmen nicht größer als die Haushalte von Familien. Das zeigen empirische Strukturanalysen des Unternehmenssektors, die zu einer weiteren Differenzierung zwischen kleinen und sehr kleinen Unternehmen geführt haben. Seit 2001 werden von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sehr kleine Unternehmen unter der Bezeichnung „Micro-Enterprises" nachgewiesen (Organisation for Economic Co-operation and Development 2001). In der deutschen Unternehmensforschung werden sie als „sehr kleine Unternehmen oder „Kleinstbetriebe
bezeichnet. Als Abgrenzungsmerkmal gilt – international nicht ganz einheitlich – die Zahl der Beschäftigten, die überwiegend mit höchstens neun angesetzt wird. In den liberalen Volkswirtschaften sind die allermeisten Unternehmen Mikrounternehmen, in Deutschland sind es weit über 80 %. Näheres dazu wird in Kap. 3 dargelegt.
Aber auch diese Einordnung ist genau genommen noch zu grob. Denn nicht alle Mikrounternehmen haben neun, acht oder sieben Beschäftige. Das ist vermutlich einer breiten Öffentlichkeit indirekt erst im Frühjahr 2020 bekannt geworden, als in den Nachrichten tagelang im Zusammenhang mit der Ankündigung finanzieller Unterstützung für Unternehmen zur Milderung der Umsatzeinbußen durch die Folgen der Coronavirus-Krise auch von Finanzhilfen für „Solo-Selbstständige" die Rede war. In der Gründungsforschung ist dies bereits länger bekannt (vgl. Leicht und Philipp 1999). „Solo-Selbstständigkeit ist weitgehend deckungsgleich mit „Einpersonen-Unternehmung
, die vor allem bei freiberuflich Selbstständigen sowie kleinen Gewerbetreibenden im Handwerk und im Handel häufig vorkommt. Das ist ein Indiz dafür, dass der Unternehmenssektor auch Miniunternehmen in beachtenswertem Umfang beinhaltet. Fraglich ist allerdings, ob sehr kleine Unternehmen überhaupt als gesonderte ökonomische Organisationen jenseits der Unternehmer-Haushalte verstanden werden können oder ob Haushalt und Unternehmen in solchen Fällen eine ökonomische Einheit bilden. Antworten auf diese Frage finden sich in Kap. 3 und 4.
Zu den zählebigen traditionsreichen Lehrmeinungen und Denkweisen gehört auch die Zweiteilung des Wirtschaftsprozesses in einen Produktionsprozess und einen Konsumprozess, wobei Produktion als Güterhervorbringung in Unternehmen und Konsum als Güterverzehr in Haushalten gedeutet wird. Die Entgegensetzung von Produktion und Konsum wird auf Adam Smith, den Begründer der Klassischen Politischen Ökonomie, zurückgeführt, aber seine Differenzierung war nie unbestritten. Verkannt wird aber noch heute der produktive Charakter von Haushaltstätigkeiten, beginnend spätestens bei der Anmietung und Einrichtung der ersten eigenen Wohnung und nicht etwa endend mit dem Verzehr der für den Konsum aufbereiteten Güter, z. B. für die Nahrungsversorgung. Übersehen wird vor allem die weitergehende Verschränkung von Güterbeschaffung, Güternutzung und Lebenshaltung als produktiv-konsumtive Gestaltung des Lebens. Dass die Mitglieder privater Haushalte nicht nur Konsumenten, sondern auch Produzenten sind und sogar häufig nicht nur ihre Arbeitskraft, sondern auch ausgesonderte Haushaltsgüter auf spezialisierten Märkten anbieten, hat zu Diskussionen in der Verbraucherforschung geführt. Teils wird das als Entgrenzung der traditionellen Verbraucherrolle gewertet, teils aber auch als Ergebnis einer zu engen Definition der Verbraucherrolle gesehen und für ein zeitgemäßes Verbraucherverständnis plädiert