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Digitalisierung im Spannungsfeld von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Recht: 2. Band: Wissenschaft und Recht
Digitalisierung im Spannungsfeld von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Recht: 2. Band: Wissenschaft und Recht
Digitalisierung im Spannungsfeld von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Recht: 2. Band: Wissenschaft und Recht
eBook810 Seiten7 Stunden

Digitalisierung im Spannungsfeld von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Recht: 2. Band: Wissenschaft und Recht

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Über dieses E-Book

Dieses Beitragswerk bringt Vorreiter, öffentliche Meinungsbildner und renommierte Fachexperten zu Fragestellungen des digitalen Wandels zusammen und bündelt deren Blickwinkel auf dieses entscheidende Zukunftsthema. Somit beleuchten die hochkarätigen Autoren aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Recht mit ihren Beiträgen, in zwei Bänden des Herausgeberwerkes, unterschiedliche Facetten der Digitalisierung. Dabei wird bewusst kein abschließendes, wertendes Fazit vorweggenommen – gerade die durchaus kontroversen Sichtweisen der Autoren tragen zum Mehrwert des vorliegenden Werkes und insbesondere der gesellschaftlichen Diskussion zum digitalen Wandel bei. 

SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer Gabler
Erscheinungsdatum23. Mai 2018
ISBN9783662564387
Digitalisierung im Spannungsfeld von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Recht: 2. Band: Wissenschaft und Recht

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    Buchvorschau

    Digitalisierung im Spannungsfeld von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Recht - Christian Bär

    Herausgeber

    Christian Bär, Thomas Grädler und Robert Mayr

    Digitalisierung im Spannungsfeld von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Recht2. Band: Wissenschaft und Recht

    ../images/463363_1_De_BookFrontmatter_Figa_HTML.png

    Herausgeber

    Christian Bär

    DATEV eG, Nürnberg, Deutschland

    Thomas Grädler

    honert + partner mbB, München, Deutschland

    Robert Mayr

    DATEV eG, Nürnberg, Deutschland

    ISBN 978-3-662-56437-0e-ISBN 978-3-662-56438-7

    https://doi.org/10.1007/978-3-662-56438-7

    © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018

    Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

    Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.

    Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral.

    Springer Gabler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature.

    Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany

    Geleitwort des Präsidenten des Deutschen Bundestages a. D.

    Ob wir wollen oder nicht – wir leben zu Beginn des 21. Jahrhunderts in einer global vernetzten Welt, die uns dank der Digitalisierung zuvor nicht gekannte Kommunikationsmöglichkeiten eröffnet und uns die Chance gibt, hochkomplexe Automatisierungsprozesse oder weltumspannende Datentransfers in Echtzeit ins Werk zu setzen. Zugleich spüren wir die unberechenbare Wirkung entfesselter Kräfte – die Mischung aus technischer Machbarkeit und ökonomischer Nutzbarkeit beschleunigt gleichermaßen erfreuliche wie auch beunruhigende oder gefährliche Entwicklungen in einer kaum mehr überschaubaren Realität. Der Begriff der „künstlichen Intelligenz" ist der wohl signifikanteste Ausdruck dieser gravierenden Veränderungen in allen Lebensbereichen und insbesondere im Verhältnis zwischen Mensch und Medium.

    Aus der Digitalisierung erwachsen nicht zuletzt für die Politik immense Herausforderungen, die längst nicht mehr von Nationalstaaten allein bewältigt werden können. Angesichts der globalen Entwicklung sind die über Jahrhunderte gewachsenen, wenngleich immer wieder versetzten Grenzen Europas endgültig perforiert und in unvorhersehbarer Weise bisher gängige rechtliche Grenzsetzungen außer Kraft gesetzt. Die Formulierung ethischer Normen und gesetzlicher Regelungen hinkt dem rasanten Wandel, den wir derzeit erleben, in beunruhigender Weise hinterher – die traditionellen Rechtsräume verlieren ihre einhegende Wirkung, wichtige Rechtsgüter wie beispielsweise der Persönlichkeitsschutz oder der Schutz der Privatsphäre sind akut gefährdet. Offenkundig ist die Digitalisierung längst nicht mehr nur eine technische Errungenschaft, sondern eine so hochkomplexe wie hochpolitische Angelegenheit.

    Aber vergessen wir nicht: „Künstliche Intelligenz" wird so bezeichnet, eben gerade weil sie künstlich geschaffen, also menschengemacht ist, so sehr sie sich im Einzelnen auch verselbstständigen mag. Wie alles Menschengemachte muss sie sich einfügen in einen historisch gewachsenen rechtlichen Rahmen, der die ökonomische Nutzbarkeit regelt und auf ethischen Normen basiert. In der digitalisierten Welt einen solchen Rahmen von weltweiter, allgemeiner Gültigkeit zu setzen, ist eine ebenso gewaltige Herausforderung wie die daraus folgende Aufgabe, das Recht auch durchzusetzen und Verstöße dagegen zu ahnden – zumal in Zeiten, da internationale politische Organisationen an Akzeptanz selbst unter ihren Mitgliedsstaaten verlieren und in der Durchsetzung ihrer Vereinbarungen gegenüber global tätigen Konzernen mehr und mehr ins Hintertreffen geraten. Wenn der vorliegende Band zur dringend erforderlichen Neuvermessung des Verhältnisses von Politik, Ökonomie und Recht in Zeiten der Globalisierung einen Beitrag leisten kann, so ist viel gewonnen. Meiner festen Überzeugung nach kommt es auf die Nutzung menschlicher Intelligenz an – was zu der Erkenntnis führt, dass die Politik weder die Digitalisierung noch die Wirtschaft wird steuern können, diese allerdings auch nicht sich selbst überlassen bleiben dürfen.

    Norbert Lammert

    Vorwort

    Die zentrale Aufgabe von Wirtschaft, Politik, Recht und Wissenschaft ist es, den digitalen Wandel aktiv zu gestalten und voranzutreiben. So beschreibt es die Digitale Agenda der Bundesregierung und so verlangen es die bereits laufenden Veränderungsprozesse durch den technologischen Fortschritt und die damit verbundene Digitalisierung unseres Alltags.

    Mit diesem Werk wollen die Herausgeber sowie die Autoren, mitsamt Vorreiter, öffentliche Meinungsbildner und renommierte Fachexperten, die Facetten der Digitalisierung als eines der entscheidendsten Zukunftsthemen beleuchten. Die Autoren widmen sich hierbei unterschiedlichen Fragestellungen des digitalen Wandels aus Sicht ihres Wirkungskreises. Damit soll die gesellschaftliche Tragweite, insbesondere der Einfluss der Digitalisierung auf all unsere Lebensbereiche deutlich gemacht werden. Die kontroversen Sichtweisen sind hierbei bewusst gewählt, um hervorzuheben, dass es bei diesem Thema kein Schwarz und Weiß gibt. Daher wurde in diesem Werk auf eine Zusammenfassung der zahlreichen Standpunkte bewusst verzichtet. Gerade das breite Spektrum der Beiträge mit den unterschiedlichen Blickwinkeln der Experten trägt zum Mehrwert des vorliegenden Werks bei und legt die Chancen und Risiken der Digitalisierung für uns als Gesellschaft dar.

    Die Digitalisierung mit all ihren Implikationen ist keineswegs nur ein Phänomen der nächsten Jahre, sondern verändert die Zukunft unserer Gesellschaft grundlegend. Die gesammelten Beiträge geben einen tieferen Einblick über diese Veränderungen sowie deren Auswirkungen und machen damit nochmals deutlich, dass dieser Wandel von allen Richtungen aktiv mitgestaltet werden muss. Somit ist das Buch als praxisbezogenes Grundlagenwerk konzipiert und richtet sich an die verschiedenen Zielgruppen aus allen Bereichen gleichermaßen.

    Wir danken allen Autoren, die durch ihren Beitrag wesentlich zum Gelingen dieses Werks beigetragen haben. Die Erstellung der Beiträge kostet Zeit, die bei allen Autoren aufgrund ihrer Funktionen und Aufgaben sehr knapp bemessen ist. Dies verdeutlicht nochmals die hohe Bedeutung des Themas für uns als Gesellschaft.

    Ein besonderer Dank gilt Herrn Dr. Markus Weiß, der mit sehr hohem Engagement die Koordination der Bucherstellung übernommen hat.

    Wir danken auch dem Verlag Springer für die Veröffentlichung dieses Werks. Die Zusammenarbeit war äußerst professionell und zielführend.

    Christian Bär

    Thomas Grädler

    Robert Mayr

    Inhaltsverzeichnis

    1 Digitalisierung im Spannungsfeld der grundgesetzliche​n Kompetenzträger 1

    Wilfried Bernhardt

    2 Selbstverwaltete​ digitale Identitäten – Chancen und Herausforderunge​n für die weltweite Digitalisierung 25

    Uwe Der, Stefan Jähnichen und Jan Sürmeli

    3 Die Digitalisierung des Besteuerungsverf​ahrens – Änderungen durch das Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverf​ahrens 35

    Thomas Grädler und Marco Ottenwälder

    4 „Kann man da das Internet auch ausschalten?​" – Digitale Werkzeuge im Spannungsfeld zwischen Spielen und Lernen im naturwissenschaf​tlichen Unterricht 47

    Jorge Groß

    5 Standardisierung​ in der digitalen Finanzberichters​tattung 63

    Klaus Henselmann

    6 Die Geschenk-Ökonomie der digitalen Gesellschaft – Paradoxien am Beispiel von Open Source 79

    Thomas Hoeren

    7 Legal Tech – Zugang zum Recht im Zeitalter der Digitalisierung 87

    Nico Kuhlmann

    8 Der digitale Nachlass 103

    Knut Werner Lange und Marian Holtwiesche

    9 Arbeitszeit und Ort 4.​0 119

    Hans Link

    10 Economy on Demand am Beispiel von Crowdworking 127

    Michael Link

    11 Die Digitalisierung – Nur Hilfsmittel zur Steuererhebung oder (r)evolutionäre Entwicklung auch für das deutsche Steuersystem?​ 139

    Karl-Georg Loritz

    12 Digitalisierung und Industrie 4.​0 – eine kritische Sicht 151

    Peter Mertens und Dina Barbian

    13 Herausforderunge​n des Rechtsstaats im Zeitalter der Digitalisierung 171

    Hans-Jürgen Papier

    14 Sichere Software im Umfeld von Industrie 4.​0 185

    Sachar Paulus

    15 Ohne IT-Sicherheit gelingt keine nachhaltige Digitalisierung 195

    Norbert Pohlmann

    16 Politik unter den Rahmenbedingunge​n der Digitalisierung – Problemstellunge​n und Handlungsfelder 213

    Key Pousttchi

    17 Die Digitalisierung im Rechtsmarkt 227

    Thomas Remmers

    18 Glückliche/​zufriedene Mitarbeiter – eine in jeder Hinsicht „entscheidende" Herausforderung für Führung in Zeiten der Digitalisierung 235

    Karlheinz Ruckriegel, Christian Ruckriegel und Eva-Regina Ruckriegel

    19 Auswirkungen des Einsatzes von 3D-Druckern auf die Besteuerung im Land des privaten Abnehmers 259

    Wolfram Scheffler und Christina Mair

    20 „Weiterbildung 4.​0" für die Wirtschaft 4.​0 283

    Thomas Schildhauer, Thomas Flum und Hilger Voss

    21 Digitalisierung und MemberValue 299

    Theresia Theurl und Eric Meyer

    22 Rechtliche Herausforderunge​n der Digitalisierung 313

    Hans-Heinrich Trute

    23 Industrie 4.​0 aus Perspektive der nachhaltigen industriellen Wertschöpfung 331

    Kai-Ingo Voigt, Daniel Kiel, Julian Marius Müller und Christian Arnold

    24 Die digitale Wirtschaft:​ Was ändert sich am Arbeitsmarkt?​ 345

    Ulrich Walwei

    25 Herausforderunge​n der Digitalisierung aus der Perspektive der öffentlichen Verwaltung 363

    Alexander Windoffer

    26 Digitalisierung der Arbeitswelt – Herausforderunge​n für die soziale Sicherung 377

    Matthias Wrede

    27 Der Notar als Digitalisierungs​muffel?​ – Das Zentrale Urkundenarchiv bei der Bundesnotarkamme​r und andere elektronische Neuerungen im deutschen Notarwesen 393

    Josef Zintl

    © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2018

    Christian Bär, Thomas Grädler und Robert Mayr (Hrsg.)Digitalisierung im Spannungsfeld von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Rechthttps://doi.org/10.1007/978-3-662-56438-7_1

    1. Digitalisierung im Spannungsfeld der grundgesetzlichen Kompetenzträger

    Wilfried Bernhardt¹  

    (1)

    Universität Leipzig Juristenfakultät, Leipzig, Deutschland

    Wilfried Bernhardt

    Email: bernhardt-wi@t-online.de

    1.1 Organisationsstrukturen als Hürden der Digitalisierung

    1.2 Neue Organisationsstrukturen – mit Verfassung vereinbar?

    1.2.1 Die klassische Gewaltenteilung zwischen Legislative, Exekutive und Judikative spiegelt sich auch bei der Digitalisierung wieder

    1.2.2 Das Bundesstaatsprinzip im Sinne einer vertikalen Gewaltenteilung – eine besondere Herausforderung?

    1.2.3 Prinzip der kommunalen Selbstverantwortung und Kooperationsprinzip

    1.2.4 Informationelle Gewaltenteilung

    1.2.5 Digitale Gewaltenteilung Staat/Wirtschaft

    1.3 Fazit

    Literatur

    Zusammenfassung

    Die Digitalisierung erfasst immer stärker auch Staat und Verwaltung in Deutschland. Treiber der digitalen Transformation sind die fortschreitenden Entwicklungen in Wirtschaft und Gesellschaft. Insbesondere die im deutschen Verfassungsrecht ausgeprägten Gewaltenteilungsprinzipien im Sinne von Checks and Balances bilden rechtliche Leitplanken für die politische Fortentwicklung von E-Government. Als Hürden für Fortschritte der Digitalisierung erscheinen oft Verfassungsprinzipien wie die klassische Gewaltenteilung zwischen Legislative, Exekutive und Judikative, das Ressortprinzip, der föderale Staatsaufbau mit Kompetenzzuweisungen an Bund, Länder und Kommunen und die informationelle Gewaltenteilung auf der Basis des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung. Nicht alle konkreten Kompetenzzuweisungen können aber zeitlose Gültigkeit beanspruchen. Vielmehr sind die Prinzipien von Checks and Balances im Kontext der großen Herausforderungen der digitalen Transformation zu interpretieren und können so zusammen mit der digitalen Gewaltenteilung zwischen Staat und Wirtschaft helfen, die Spannungen zwischen Politik, Wirtschaft und Recht aufzulösen und die Chancen der digitalen Transformation zu nutzen.

    Dr. Wilfried Bernhardt war 2009–2014 Staatssekretär im Sächsischen Staatsministerium der Justiz und für Europa sowie Chief Information Officer der sächsischen Staatsregierung und ist Rechtsanwalt sowie Honorarprofessor für Internetrecht, insbesondere E-Government und E-Justice an der Universität Leipzig.

    1.1 Organisationsstrukturen als Hürden der Digitalisierung

    „Föderalismus als Digital-Bremse (Ralf Koenzen, Wirtschaftswoche vom 03.11.2016): Ein solcher kritischer Blick auf den Zusammenhang von Föderalismus und Digitalisierung ist nicht untypisch. Der Bundesminister des Innern konstatierte auf dem „Zukunftskongress Staat & Verwaltung am 20. Juni 2017, es gäbe zu viele verschiedene, unvernetzte Angebote von Bund, Ländern und Kommunen. Ein Ausweg aus der Zwickmühle zwischen föderalistischer Selbstverantwortung und Zentralisierung sei die Vernetzung der Verwaltungsangebote. Man müsse gemeinsame Strukturen aufbauen und an vielen Stellen Verwaltung neu denken (BWI Blog zum 5. Zukunftskongress Staat und Verwaltung am 23.06.2017).

    Auch der Nationale Normenkontrollrat lässt regelmäßig die Hindernisse beleuchten, die sich aus seiner Sicht der Digitalisierung des öffentlichen Sektors in Deutschland in den Weg stellen. Gerade die weiterhin hohen Belastungen von Wirtschaft und Bürgern durch eine unzureichende Digitalisierung hat der Normenkontrollrat immer wieder zum Anlass genommen, Organisationsvorschläge zu entwickeln. So beklagt der NKR, dass Bund, Länder und Kommunen die digitalen Zugänge zu den Verwaltungsleistungen in sehr unterschiedlicher Weise ausgestalten. Der Vorsitzende des NKR Johannes Ludewig verwies 2015 in einer Pressemitteilung des NKR (2015) darauf, in Deutschland gebe es „eine heterogene und zerklüftete IT- und E-Government-Landschaft mit vielen Insellösungen und einsamen Leuchttürmen. Das Gutachten „Vom Abstieg zum Aufstieg von 2015 (Fromm et al. 2015) konstatiert, dass von den untersuchten Kommunen die Hälfte nicht mehr als zwei Online-Dienste zur Verfügung stellt und nur wenige mehr als zehn Dienste anbieten. Auch entwickelten und betrieben die Verwaltungsebenen Bund, Länder und Kommunen eigenständige IT-Lösungen anstatt gemeinsame Komponenten zu verwenden. Dies wiederum führe zu erheblichen Mehrkosten von jährlich 13 Milliarden Euro. Aus der geringen Nachfrage bei den Nutzern entstehe ein Teufelskreis, weil bei gleichzeitig hohen Kosten die Verwaltung demotiviert werde, weitere Angebote zu entwickeln und noch mehr Geld in Design und Nutzerfreundlichkeit zu investieren. Zuletzt hat sich der NKR im Gutachten 2017 (2017b) mit der aus seiner Sicht dringend erforderlichen Modernisierung der deutschen Registerlandschaft auseinandergesetzt und fordert, ressort- und ebenenübergreifende Standards zu etablieren und ausgewählte Register in eine „gesamtstaatliche Infrastruktur für digitalen Zugriff zu integrieren". Zugleich lässt das Gutachten auch erkennen, dass es bei der Modernisierung des öffentlichen Sektors um neue organisatorische Strukturen geht: Bürger und Unternehmen sollen Basisdaten nach dem Once Only-Prinzip für viele Verwaltungsleistungen und privatwirtschaftliche Transaktionen nur noch einmal angeben müssen und diese dann elektronisch erledigen können.

    Der sächsische Koalitionsvertrag von 2009 (2009a) sprach bewusst nicht nur von der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung, sondern von der Staatsmodernisierung. Die staatliche Aufgabenerfüllung und Verfahren sollten darauf überprüft werden, ob sie angesichts der sich durch die Digitalisierung ergebenden Chancen einer grundlegenden Veränderung bedürfen. Die Potenziale der IT sollten umfassend in den Dienst der Verwaltungsmodernisierung gestellt werden. So hat die damalige Regierungskoalition im August 2010 in Sachsen einen umfassenden Modernisierungsprozess beschlossen, der zahlreiche Maßnahmen von unterschiedlicher Dauer vorsah. Mit einem im Januar 2010 vom sächsischen Landtag beschlossenen Standortegesetz wurde die Neuausrichtung der Behördenstruktur im Freistaat Sachsen geregelt. Ferner setzte die Regierung Aufgabenkritik und Prozessoptimierung in Gang und schuf im Rahmen einer Multikanalstrategie moderne Verwaltungszugänge, um sicherstellen, dass die Verwaltung auch zukünftig in der Fläche präsent bleibt. Um auf die demografische Entwicklung im Freistaat zu reagieren, wurden im Freistaat gemeinsam mit den Projektpartnern mobile Bürgerkoffer und Bürgerterminals entwickelt, die insbesondere im ländlichen Raum der älteren Bevölkerung die Chance vermitteln sollten, staatliche Verwaltungsinformationen und -leistungen digital, schnell und einfach zu erlangen.

    Digitalisierung ist nicht als ein technisches Hilfsmittel zu betrachten, das die Gestaltung des Inhalts unberührt lässt. Die Technik verändert den Inhalt. IT greift in Aufgaben und Organisation öffentlicher Verwaltungen ein. IT verändert das Aufgabenverständnis der öffentlichen Verwaltung, lässt Aufgaben entfallen, neue Aufgaben entstehen. IT verändert Verwaltungsstrukturen und Verwaltungshierarchien. IT führt zu einer Trennung ursprünglich einheitlicher Verfahren in unterschiedliche Verfahrensschritte und zur Zusammenfügung bisher getrennter Verfahrensschritte. IT stellt neue Qualifikationsanforderungen an das Verwaltungspersonal. IT hat das Potenzial, Verwaltungsverfahren völlig neu zu konstruieren. Die digitale Vernetzung innerhalb der Staatsorganisation führt zu neuen Formen der Funktions- und Arbeitsteilung. So haben bereits Köhl, Lenk, Löbe, Schuppan & Viehstädt gefordert, das noch auf die preußischen Reformen von Karl Freiherr vom Stein bzw. später Karl August Fürst von Hardenberg vor über 200 Jahren zurückgehende Verwaltungssystem im Sinne eines Stein-Hardenberg 2.0 zu einer Architektur einer vernetzten Verwaltung mit E-Government fortzuentwickeln (S. 22 ff., 91 ff.). Die bayerische Staatsregierung will auf der Basis der Strategie „Montgelas 3.0 E-Government-Leistungen gebündelt „auf einen Klick anbieten und hat entsprechend mit den kommunalen Spitzenverbänden am 13.11.2014 einen E-Government-Pakt (2014) geschlossen.

    Bund und Länder sind gefordert, es der Wirtschaft gleichzutun und auf die Entwicklungen von Big Data, Industrie 4.0 oder Internet of things, Blockchain, künstlicher Intelligenz und insbesondere auf die mit Internet ausgelöste Enträumlichung bzw. Entgrenzung mit neuen Strukturkonzepten zu reagieren.

    Andere Staaten in Europa wie z. B. Estland haben bei der Bewältigung der digitalen Transformationsaufgabe in der Verwaltung eine Vorreiterrolle eingenommen. Dabei übernahm die 2001 eingeführte dezentralisierte Onlineplattform „X-Road eine zentrale Rolle: Rund 1000 Institutionen sind eingebunden und bieten eine Vielzahl von digitalen Diensten an. Praktisch jeder Este besitzt eine eID-Card, mit der er eine Fülle von „e-Services nutzen kann. Er kann seit vielen Jahren komplett die Steuererklärung online erstellen, online wählen und bereits seit 15 Jahren mit Mobiltelefonen bezahlen. Bei der Frage der Übernahme von estnischen Lösungen durch die deutsche Verwaltung ist allerdings stets darauf zu verweisen, dass es sich bei Estland um einen relativ kleinen Staat mit knapp 1,3 Millionen Einwohnern mit zentralstaatlicher Struktur handelt und die Bundesrepublik Deutschland mit 81 Millionen Einwohnern und einer föderalen Verfassung sowie mit der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung vor ganz anderen Herausforderungen steht.

    1.2 Neue Organisationsstrukturen – mit Verfassung vereinbar?

    Neue organisatorische Strukturen lassen also regelmäßig die Frage aufkommen, inwieweit dies mit den geltenden Verfassungsprinzipien und grundrechtlichen Vorgaben – wie dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung – vereinbar ist.

    Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass die Digitalisierung zwar eine intensive Umgestaltung staatlicher Strukturen verlangt, aber überwiegend die von der Verfassung vorgezeichneten Bahnen nicht verlassen muss.

    Damit wird der Blick gelenkt auf die besonderen Strukturprinzipien des Grundgesetzes, die eine spezifische Gewaltenteilung bzw. Checks and Balances vorsehen. Auf welche Weise lenken diese Prinzipien die Digitalisierung, behindern oder fördern sie?

    Die klassische horizontale Gewaltenteilung zwischen Legislative, Exekutive und Judikative kommt in Art. 20 Abs. 2 GG zum Ausdruck. Die Staatsgewalt wird demnach durch „besondere Organe" ausgeübt, die sogenannte organisatorische Gewaltentrennung. Das Ressortprinzip (Art. 65 S. 2 GG) verleiht den Ressortministern eigene Rechte. Im Sinne einer vertikalen Gewaltenteilung teilt das Grundgesetz die Verantwortung zwischen Bund, Ländern und Kommunen auf. Auch die Europäische Union ist in eine vertikale Kompetenzverteilung eingebunden; Deutschland hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, gemäß Art. 23 GG Hoheitsrechte auf die EU zu übertragen.

    Die informationelle Gewaltenteilung wurde vom Bundesverfassungsgericht im sogenannten Volkszählungsurteil entwickelt und verpflichtet zu einer Abschottung personenbezogener Daten zwischen staatlichen Behörden, soweit die Übermittlung von Daten nicht durch Gesetz erlaubt ist (Urteil vom 15.12.1983 – 1 BvR 209/83 u. a., NJW 1984, S. 419 ff., 426 f.).

    Schließlich ist aber auch eine „digitale Gewaltenteilung" zwischen Staat und Privatwirtschaft zu beachten, weil Verfassungsnormen den Staat verpflichten, nicht zu weit in die Rechte privater Unternehmen einzugreifen bzw. die Aufgabe der digitalen Transformation nicht ausschließlich mit eigenen Behörden und Behördenmitarbeitern zu erledigen.

    Eine strikte Trennung der Gewalten sieht das Grundgesetz nicht vor, vielmehr eine funktionsgerechte Kompetenzzuordnung, die eine wechselseitige Begrenzung und Kontrolle der Machtausübung sichert. Dieses System von Checks and Balances hat durchaus Relevanz für die Digitalisierung:

    1.2.1 Die klassische Gewaltenteilung zwischen Legislative, Exekutive und Judikative spiegelt sich auch bei der Digitalisierung wieder

    1.2.1.1 Sonderrolle der Justiz und Richterliche Unabhängigkeit

    Zwar sah die aus Anlass der Expo 2000 gestartete E-Government-Initiative BundOnline 2005 zunächst ohne Differenzierung zwischen Exekutive und Judikative vor, dass alle „online-fähigen Dienstleistungen der Bundesverwaltung bis 2005 über das Internet verfügbar sein sollten. In Kabinettbeschlüssen von 2001 wurde dann das Bundesministerium des Innern mit der Koordinierungsaufgabe und mit der Bildung einer Projektgruppe beauftragt, zu der dann auch das Bundesjustizministerium eingeladen war. Das BMJ sollte zusammen mit dem BMI dafür sorgen, die „Dienstleistungen der Bundesgerichte wie Verwaltungsdienstleistungen einer Bundesbehörde online zu stellen. Im Zuge der Erörterungen, ob die Digitalisierung der Justizverfahren auch die durch die Verfassung garantierte eigenständigen Rolle der Justiz berücksichtigen müsse und die richterliche Unabhängigkeit es verbiete, Maßstäbe der durch den Verwaltungsmitarbeiter einzusetzenden elektronischen Mittel ohne Weiteres auf den Richter zu übertragen, verwendete ich als Zuständiger des Bundesjustizministeriums für Fragen des IT-Einsatzes in Anlehnung an E-Government den Begriff „E-Justice, der sich dann in den folgenden Jahren durchsetzte und 2005 erstmals in einem Dokument des Gesetzgebers, nämlich als Haushaltsvermerk zur „Durchführung von E-Justice-Maßnahmen im Bundesministerium der Justiz und seinem Geschäftsbereich im Bundeshaushaltsplan 2005 wiederfand (zur Entwicklung des Begriffs Bernhardt 2007, Abs. 1–4).

    Die Prinzipien richterlicher Unabhängigkeit, Legalitätsprinzip oder sachliche Unabhängigkeit der Rechtspfleger bedingen auch eine Berücksichtigung bei der Softwareprogrammierung. Die besondere Funktion der Justiz fordert regelmäßig ein höheres Maß an IT-Sicherheit als bei E-Government-Anwendungen, denn die Justiz gründet sich vor allem auf das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in ihre Unabhängigkeit. Integrität, Vertraulichkeit und der datenschutzkonforme Umgang mit hochsensiblen personenbezogenen Daten bedürfen besonderer Schutzvorkehrungen, die Hochverfügbarkeit von Justizdaten muss gewährleistet sein.

    Diese Besonderheiten sind nicht allein theoretischer Natur: Als nach Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs beim Bundesgerichtshof die dabei anfallenden Daten auch in eine elektronische Gerichtsakte eingestellt und innerhalb des BGH ein elektronischer Workflow errichtet werden sollten, erwies sich schnell, dass die für die Verwaltung erstellten E-Akten-Lösungen für den Arbeitsplatz und die Arbeitsweise des Richters ungeeignet waren. Gerade der elektronischen Richter an einem Bundesgericht arbeitet nicht – wie manche Verwaltungsmitarbeiter – schematisch Vorgänge ab, sondern muss möglichst jedem Einzelfall erforderlichenfalls auch durch Rechtsfortbildung gerecht werden. Das setzt der Anwendung starrer elektronischer Formulare oder starrer Workflows Grenzen. Dem Richter sind daher ausreichende Möglichkeiten einzuräumen, eigene Wege zu beschreiten, von elektronischen Formularen abzuweichen oder gar eigene Formulare zu erstellen.

    Das Prinzip der Eigenständigkeit der Justiz ist (natürlich) nicht auf Deutschland begrenzt. Es führt in einigen anderen EU-Mitgliedstaaten auch dazu, dass sich die Justiz selbst verwaltet und Justizverwaltungsräte den Haushalt der Gerichte unmittelbar beim Parlament einwerben, im verfassungsrechtlich zulässigen Rahmen ihre Personalentscheidungen selbst treffen und eine Rechenschaftspflicht nur gegenüber dem Parlament besteht. Auch der Deutsche Richterbund fordert seit Langem eine solche Selbstverwaltung der Justiz. Die Selbstverwaltung führt auch zu einer entsprechenden, von der Verwaltung teilweise unterschiedlichen Gestaltung der unterstützenden IT. Unter Hinweis auf die Besonderheiten der Justiz beschloss auf der EU-Ebene der Rat der europäischen Justizminister auf Vorschlag des deutschen Justizministeriums 2007, auch für den Bereich der Digitalisierung eine eigenständige EU-Ratsarbeitsgruppe für E-Justice zu installieren und diese mit den Arbeiten am Aufbau europäischen E-Justice-Portals zu betrauen. Allerdings waren die ersten Diskussionen über die Agenda der Ratsarbeitsgruppe von unterschiedlichen Auffassungen darüber geprägt, welchen Inhalt dem Begriff Justiz im Hinblick auf die damit verbundenen Kompetenzen beizumessen ist.

    Damals zeigte sich allerdings auch, dass die Rechtsordnungen der EU-Mitgliedsstaaten die Justizaufgaben von den Verwaltungsaufgaben nicht einheitlich abgrenzen. Beispielsweise sind nicht in allen EU-Mitgliedsstaaten bestimmte Register wie das Handelsregister der Justiz zugeordnet. Je stärker die EU Regelungskompetenzen auch für grenzüberschreitende Justizverfahren beansprucht, umso mehr wird es erforderlich sein, den Begriff Justiz europäisch zu definieren und die Inhalte aus dem Unionsrecht sowie rechtsvergleichend zu ermitteln.

    Die Sonderrolle der Justiz und das Prinzip der richterlichen Unabhängigkeit befreien aber nicht den Richter davon, die Digitalisierung auch für sein Arbeitsfeld zu nutzen. Als auf der Basis von EU-Vorgaben die Handelsregister 2007 digitalisiert wurden, wehrte sich ein deutscher Handelsrichter gegen seinen elektronischen Arbeitsplatz und forderte, die Gerichtsgeschäftsstelle sollte weiterhin alle für ihn wesentlichen Dokumente ausdrucken. Während die vorinstanzlichen Gerichte dem Richter einen solchen Anspruch zunächst zugestanden (Dienstgericht Düsseldorf, U. v. 29.01.2008 – DG 5/07 – BDVR-Rundschreiben 2009, 68; Dienstgerichtshof für Richter bei dem Oberlandesgericht Hamm, B. v. 20.10.2009 – 1 DGH 2/08) , stellte schließlich der BGH mit Entscheidung vom 21.10.2010 zur Nutzungspflicht der Elektronik durch Handelsrichter klar, dass die Unabhängigkeit dem Richter kein persönliches Privileg verschaffe (Dienstgericht des Bundes, DRiZ 2011, 66). Die richterliche Unabhängigkeit stehe vielmehr für eine „funktionsbezogene Gewährleistung des Freiraums, dessen der Richter zur sachgerechten Erfüllung der ihm gestellten Rechtsprechungsaufgabe in einem Rechtsstaat bedarf. Die Frage der Nutzung elektronischer Instrumente gehört nicht zum „Kernbereich der rechtsprechenden Tätigkeit der eigentlichen Rechtsfindung. Insoweit kann der Richter nicht aus der richterlichen Unabhängigkeit heraus beanspruchen, sich gegen Fortschritte im Bereich der Digitalisierung zu wenden. Bei der Frage, welche technischen Fortschritte der Richter akzeptieren muss, ist nicht auf den gestrigen, innovationsfeindlichen Richter, sondern auf den innovations- und technikoffenen, lernfähigen Durchschnittsrichter abzustellen. Allerdings darf daraus wiederum nicht der Schluss gezogen werden, man dürfe die Richter mit komplizierten Programmen ausstatten und sie im Übrigen allein lassen. Die Justizverwaltungen haben hinreichende Schulungs- und Fortbildungsveranstaltungen anzubieten und hierfür ausreichend Finanzmittel bereitzustellen. Programme sollten überdies ohne überlange Spezialschulung nutzbar sein. Zuweilen fehlt aber vielleicht auch beim Personal selbst die Bereitschaft, sich für die eigene Fortbildung zu engagieren.

    Auch eine weitere, noch vor einigen Jahren höchst umstrittene Frage aus dem Themenbereich der Unabhängigkeit der Richter ist weitgehend verfassungsrechtlich geklärt. So forderte der ehemalige Präsident des NRW-Verfassungsgerichtshofs Bertrams (Bertrams (2009), S. 201 ff.) unter Hinweis auf die verfassungsrechtlichen Justizgarantien, die Haltung der Justizdaten strikt durch getrennte Dienstleister von den Verwaltungsdaten abzuschotten, denn die Datenverarbeitung und -verwendung durch die Exekutive ermögliche eine verfassungsrechtlich bedenkliche Kontrolle über die Richterschaft. Auch die Arbeitsgruppe „Zukunft" der BLK für Datenverarbeitung und Rationalisierung in der Justiz befasste sich kritisch mit der IT Zentralisierung von Justizdaten (2009b).

    Aus dem (Nichtannahme-) Beschluss des BVerfG vom 17.1.2013 zur richterlichen Unabhängigkeit bei Zentralisierung der Justiz (Beschluss vom 17.01.2013, BVerfG, 2 BvR 2576/11 – Rn. (1–12)) ist aber zu entnehmen, dass eine justizexterne Datenhaltung nicht prinzipiell ausgeschlossen ist. Eine Verwaltungsorganisation darf demnach auch Justizdaten verwalten, wenn Exekutive und Dritte über keine Zugriffserlaubnisse hinsichtlich der von Richtern für ihre dienstlichen Aufgaben verwendeten Daten verfügen, wenn Zugriffsrechte der Systemadministratoren auf betriebsnotwendige Maßnahmen zum Funktionieren des EDV-Netzes beschränkt und die Weitergabe von richterlichen Dokumenten an die Exekutive oder an Dritte untersagt sind.

    Auch bei der Gründung des IT-Planungsrats auf der Basis des Art. 91c GG stellte sich die Frage, welche Bindung von seinen Beschlüssen auf die Justiz ausgeht. Nach längerer Diskussion, die ich damals als einziger Staatssekretär mit Ressort- Doppelverantwortung für E-Government und E-Justice mit meiner Forderung nach einer speziellen Justiz-Klausel in der Geschäftsordnung entfacht hatte, einigte man sich auf eine Protokollerklärung zu § 10 Geschäftsordnung des IT-Planungsrats. Diese Klausel stellt fest, dass bei Beschlüssen des IT-Planungsrats die aus den verfassungs-und einfachrechtlich garantierten Positionen der unabhängigen Rechtspflegeorgane resultierenden Besonderheiten zu beachten sind und die richterliche Unabhängigkeit zu wahren ist. Im Rahmen der Beteiligung der Justizministerkonferenz durch den IT-Planungsrat werde die Einhaltung dieser Grundsätze geprüft. Der 2012 gegründete E-Justice Rat (2012), dem die Amtschefinnen und Amtschefs der Justizverwaltungen des Bundes und der Länder angehören, „koordiniert die Zusammenarbeit der Länder untereinander und mit dem Bund in Fragen der Informationstechnik der Justiz, entscheidet über die grundlegenden Fragen der Informations- und Kommunikationstechnik der Justiz und der IT-Projekte, legt die fachübergreifenden, justizspezifischen IT-Interoperabilitäts- und IT-Standards fest und stellt die Mitwirkung der Justiz im IT-Planungsrat sicher" (§ 2 der Vereinbarung über die Errichtung des E-Justice-Rats und über die Grundlagen der Zusammenarbeit beim Einsatz der Informationstechnologie in der Justiz).

    Mittlerweile zeigen die Erfahrungen mit der Fortentwicklung von E-Government und E-Justice, dass es kaum Bereiche gibt, in denen aus verfassungsrechtlichen Gründen unterschiedliche Standards erarbeitet werden müssten.

    Zum einen benötigen alle Staatsgewalten eine einheitliche Basisinfrastruktur für ihre Anwendungen. Gerichte wie Verwaltungen sind sowohl intern wie auch in der externen Kommunikation mit Bürgern und Unternehmen auf ein schnelles Internet über Breitband und Mobilfunk angewiesen. Im Interesse der Bürger und der Unternehmen hat auch der Bundesgesetzgeber bei der fast zeitgleichen Verabschiedung des Bundes-EGovG und des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten („E-Justice-Gesetz") weitgehend dieselben Regeln für eine sichere Kommunikation vorgesehen. So soll die qualifizierte elektronische Signatur ebenso wie DE-Mail und die Nutzung der elektronischen Identifizierungsfunktion des Personalausweises zusammen mit elektronischen Formularen die manuelle Schriftform ersetzen können. Besonderheiten für die Justiz finden sich in der Festlegung, dass bei Nutzung der besonderen elektronischen Anwaltspostfächer und Behördenpostfächer ab 01.01.2018 auf das Anbringen einer qualifizierten elektronischen Signatur als Unterschriftenersatz verzichtet werden kann.

    Natürlich hätte man sich wünschen können, dass die erleichterten elektronischen Kommunikationen nicht einseitig auf die Verbindungen zu den Gerichten beschränkt bleiben, sondern auch bei elektronischen Kommunikationen innerhalb besonders geschützter Räume oder Kanäle zwischen verschiedenen Behörden und zwischen Behörden einerseits und besonderen Berufsgruppen und Verbänden andererseits auf die als eher kompliziert eingeschätzte qualifizierte elektronische Signatur verzichtet werden könnte. Dies setzt allerdings eine entsprechende Erweiterung der E-Government-Gesetze von Bund und Ländern voraus. Immerhin hat es bereits diesbezügliche gemeinsame Bemühungen von IT-Planungsrat und E-Justice-Rat gegeben. Konkrete Ergebnisse und die Lösung der derzeitigen Sicherheitsprobleme beim besonderen Anwaltspostfach bleiben abzuwarten.

    Darüber hinaus sind die Staatsgewalten immer dann auf gemeinsame Standards angewiesen, wenn Daten übergreifend ausgetauscht und weitergenutzt werden müssen. Insoweit beinhaltet das Prinzip der Gewaltenteilung auch ein Kooperationsgebot, soweit die Funktionsfähigkeit des Staatsganzen dies erfordert. So geht es im Verwaltungsprozess darum, elektronische Verwaltungsdokumente digital weiterverarbeitungsfähig an die Gerichte zu übersenden oder umgekehrt gerichtliche Entscheidungen als elektronische Dokumente an die Verwaltung zu übersenden und dort ohne Medienbruch in die Verwaltungsarbeit einspeisen zu können. Registrierungen von Flüchtlingen müssen in einem Verwaltungsprozess über standardisierte Schnittstellen medienbruchfrei weiterverarbeitet werden können. Auch eine in Zeiten digitaler Transformation weiterhin funktionsfähige Strafjustiz setzt einen standardisierten Datenaustausch zwischen Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichten voraus. Entsprechende Festlegungen sind auch im Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 5. Juli 2017 (BGBl 2017 I, 2208 ff.) enthalten. So sieht der neue § 32b Abs. 3 StPO eine entsprechende Aktenübermittlung und Abs. 5 die Festlegung von Standards durch die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates vor.

    1.2.1.2 E-Parlament

    Auch die erste Gewalt, die Legislative, also das Parlament erfährt aufgrund der digitalen Transformation neue Chancen und Herausforderungen. Neue Potenziale in der Öffentlichkeitsarbeit könnten etwa durch Onlineübertragungen aus Parlamentsdebatten und elektronische Kommunikationsmöglichkeiten zwischen Abgeordneten und Bürgern erwachsen.

    Insbesondere sollten sich neue Online-Partizipationsmöglichkeiten auch im Sinne einer intensiven elektronischen Interaktion zwischen Parlamentsgremien und interessierten Bürgern etablieren, möglichst auch und gerade im Rahmen von Gesetzgebungsaktivitäten, wobei die Gefahren für die Repräsentationsfunktion des Parlaments nicht aus dem Blickfeld geraten dürfen. Eine möglichst moderierte Online-Partizipation den Bürgern an den Gesetzesberatungen aus Anlass von Ausschusssitzungen könnte den Parlamentariern neue Impulse für die Analyse von Gesetzentwürfen liefern, ohne die Verantwortung des Parlaments für die eigentliche Entscheidungsfindung in Frage zu stellen. Auch wenn das Parlament in ähnlicher Weise wie die Justiz eine digitale Abhängigkeit von der Verwaltung ablehnt, so sollte doch die Zusammenarbeit im technischen Bereich zwischen den Staatsgewalten dabei aber nicht ausgeschlossen sein. So wurde das vom Bundestag verantwortete Serversystem, über das das interne Bundestagsnetz „Parlakom" betrieben wird, zum Ziel intensiver Cyberangriffe, die im Ergebnis 2015 das gesamte System lahmlegten. Eine intensivere Zusammenarbeit mit der Exekutive, die regelmäßig über die entsprechenden IT-Sicherheitsressourcen verfügt, könnte zukünftige Sicherheitsrisiken minimieren.

    1.2.2 Das Bundesstaatsprinzip im Sinne einer vertikalen Gewaltenteilung – eine besondere Herausforderung?

    1.2.2.1 Leitidee des Bundesstaatsprinzips: Der Grundgedanke der Dezentralisierung wird in Europa attraktiver

    Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland kombiniert mit dem Prinzip der vertikalen Gewaltenteilung die Eigenschaften der parlamentarischen Systeme und der föderalen Systeme. Weder den Ländern noch dem Bund steht alle Staatsgewalt zur Verfügung. Insbesondere üben die deutschen Länder selbst Aufgaben der legislativen, judikativen und exekutiven Gewalt aus und beschränken damit die Staatsgewalt des Bundes. Dies verhindert eine Machtkonzentration beim Bund und wirkt – dies aus historischen Gründen gut nachvollziehbar – gegen die Gefahr des Aufbaus einer neuen Diktatur.

    Die Leitidee einer dezentralen Ausübung von staatlichen Kompetenzen ist dabei nicht grundsätzlich unmodern. Insbesondere die Autonomiebestrebungen von Regionen zum Beispiel in Spanien oder Italien lassen erkennen, dass in Staaten mit einer starken zentralen Entscheidungsebene der Wunsch der Bevölkerung wächst, Verwaltungs- und Entscheidungsstrukturen zu dezentralisieren. Offenbar kann eine föderal geprägte Verfassung mit einer größeren räumlichen Nähe der Landesregierung zu den Bürgern eine stärkere Rückkoppelung an die Politik vermitteln. Durch die Möglichkeit von Wahlen auf der Regionalebene kann der Bürger häufiger seine politische Meinung äußern und erhält durch die Regionalparlamente zudem eine Vertretung für die besonderen Probleme seiner Region.

    1.2.2.2 Das Bundesstaatsprinzip unterfällt der „Ewigkeitsgarantie", aber nicht jede Kompetenzzuordnung

    Das Bundesstaatsprinzip ist in Deutschland bekanntlich in Art. 20 Abs. 1 GG mit dem Begriff der „Bundesrepublik" angesprochen und in den Art. 20, 28, 30, 50 ff., 79, 83, 84 und 85 GG näher definiert. Die sogenannte Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG schützt das Bundesstaatsprinzip auch gegen seine Abschaffung oder grundlegende Veränderung beispielsweise durch Auflösung aller Länder oder starke Aushöhlung ihrer Befugnisse. Den Ländern muss vielmehr prinzipiell die Organisationshoheit über ihre Verwaltungsbehörden und Verwaltungsbeschäftigten sowie ein Mitwirkungsecht an der Bundesgesetzgebung über den Bundesrat verbleiben. Das Bundesverfassungsgericht verlangt eine bilanzierende Betrachtung aller autonomen, auf das jeweilige Landesgebiet bezogenen Befugnisse und der Einwirkungsmöglichkeiten auf Entscheidungsprozesse im Bund und lässt insoweit Kompetenzverschiebungen durch Kompensationen von Zu- und Abgang von Länderbefugnissen zu.

    Zwar gibt es keine dauerhaft feststehende Systematik der Verteilung von Befugnissen in Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung zwischen Bund und Ländern. Viele Prinzipien der Verteilung von Kompetenzen auf Bund und Länder sind eher historisch gewachsen und deshalb auch nicht gegen zukünftige Veränderungen abgesichert. Und doch wurde zumeist eine Landeszuständigkeit bei den Fragen angenommen, bei denen die räumliche Nähe der Bürgerinnen und Bürger zur Gestaltungsaufgabe im Vordergrund steht. In der Vergangenheit sah man einen solchen räumlichen Bezug im Wesentlichen bei Fragen der Polizei und der inneren Sicherheit, der Kultur und der Bildung. Die fortschreitende Ökonomisierung nahezu aller Lebensbereiche führte allerdings zu einer faktischen Ausweitung der Bundesgesetzgebungskompetenz und einer immer stärkeren Aushöhlung von Länderkompetenzen, der wiederum mehrere Verfassungs- und Föderalismusreformen mit Kompetenzverschiebungen zugunsten der Länder entgegenwirken sollten – z. B. im Bereich des öffentlichen Dienstrechts, im Strafvollzugsrecht, aber auch im Umweltrecht.

    1.2.2.3 Digitalisierung und Enträumlichung

    Allerdings stellt die Digitalisierung zunehmend das Erfordernis einer räumlichen Nähe der Bürgerinnen und Bürger zur Gestaltungsaufgabe in Frage, da es in der virtuellen Welt in letzter Konsequenz nur noch einen zentralen Raum, den Cyberraum gibt, in dem sich die Menschen ohne Grenzen, ohne räumlichen Bezug bewegen. IT-Sicherheit im Zeitalter der grenzüberschreitenden Kommunikation kann oft nicht ausreichend allein auf der Landesebene sichergestellt werden. Waren Verwaltungsverfahren in der Vergangenheit schon deshalb dezentral zu organisieren, weil die Komplexität eine zentrale Lenkung und Verantwortung ausgeschlossen hätte, dann hilft heute die Informationstechnik, diese Komplexität so zu reduzieren, dass die bisherige plausible Begründung für eine dezentrale Aufgabenwahrnehmung entfällt. Die neuen informationstechnologischen Instrumente ermöglichen eine netzwerkartige Zusammenführung verschiedenster Verfahrensstränge und Verwaltungsebenen und stellen gerade bei der Digitalisierung von Prozessabläufen entlang von Lebenslagen die traditionelle örtliche und sachliche Kompetenzverteilung in Frage (Köhl et al. 2014, S. 61 ff.).

    1.2.2.4 Deutschland hinkt hinter den Entwicklungen in anderen europäischen Staaten hinterher

    Angesichts der unübersehbaren Defizite in der E-Government-Entwicklung, die jüngst auch wieder der eGovernment MONITOR 2017 deutlich gemacht hat, wächst daher der Druck, Kompetenzen von den Ländern auf den Bund zu verlagern. Die Nutzung von E-Government-Diensten hat in Deutschland demnach in den letzten zwölf Monaten nicht signifikant zugenommen, obwohl immerhin die Angebote durchaus bekannt sind. Die Zufriedenheit mit E-Government in Deutschland hat stark abgenommen, weil E-Government nicht mit entsprechenden Entwicklungen in der Wirtschaft Schritt halten kann. In Österreich und auch in der föderal verfassten Schweiz sind demgegenüber E-Government-Angebote stärker genutzt. Der Abstand in der E-Government-Nutzung von Deutschland gegenüber Österreich ist eher größer geworden.

    Deutschland belegt im EU-Digitalisierungsindex 2016 (2016) der Verwaltungen nur Platz 11 von 28. Es hinkt weit hinter anderen Staaten wie z. B. Estland, aber auch Österreich zurück. Bei der Ursachenforschung für den Digitalisierungsrückstand stößt man zumeist auf das föderale Verfassungs- und Verwaltungssystem, aber auch auf Probleme in der Zusammenarbeit verschiedener Ressorts miteinander. Es ist eine Binsenweisheit, dass sich Vorteile der Digitalisierung beim E-Government, also beim elektronischen Regieren und Verwalten nur einstellen, wenn die IT-Strukturen und Anwendungen in Staat und Gesellschaft miteinander kompatibel, standardisiert oder harmonisiert sind. Insoweit stellen sich in einem föderal verfassten Staat höhere Hürden als in einem Zentralstaat. Unzufrieden ist man aber auch mit unterschiedlichen elektronischen Zugängen zur Justiz einerseits und zur Verwaltung andererseits sowie mit weiterhin unzulänglicher IT-Unterstützung der Justiz. Der Befund, dass man sich in Deutschland mit der Digitalisierung von Verwaltung und Justiz schwerer tut als andere Länder in Europa oder in der Welt, ist nicht neu. Dennoch kann der Hinweis auf föderale Strukturen in Deutschland allein nicht überzeugen, wenn z. B. die Schweizer Eidgenossenschaft mit 26 Kantonen und der Überwindung der Sprachbarrieren derzeit die E-Government-Herausforderungen erfolgreicher bewältigt.

    1.2.2.5 Grundgesetzänderung führt zu erweiterten Bundeskompetenzen

    2016 brachten einige Zugeständnisse des Bundes im Rahmen der Länderfinanzausgleichsverhandlungen die Länder dazu, einer Kompetenzverschiebung im Bereich E-Government zuzustimmen: So erhielt der Bund im Rahmen der am 20. Juli 2017 Kraft getretenen Ergänzung des Art. 91c GG um einen Abs. 5 das Recht zur Regelung eines übergreifenden informationstechnischen Zugangs zu den Verwaltungsleistungen von Bund und Ländern. Auch wenn der neue Art. 91c Abs. 5 GG vordergründig dem Bund eine Regelungskompetenz für einen harmonisierten elektronischen Zugang von Bürgern und Unternehmen zur Verwaltung verschafft und sich auf eine Vereinheitlichung der Internetpräsentation bzw. auf eine Definition von Schnittstellen zwischen Bürger und Verwaltung beschränkt, so ist doch auch eine andere Auslegung nicht ausgeschlossen, die dem Bund die Möglichkeit eröffnet, inhaltliche Maßgaben für die Bereitstellung elektronischer Verwaltungsangebote von Ländern und Kommunen, also auch für die Gestaltung des Verwaltungsverfahrens gesetzlich festzulegen.

    Das auf der Basis des erweiterten Art. 91c GG zeitgleich in Kraft getretene Onlinezugangsgesetz (OZG) verpflichtet Bund und Länder zur Schaffung eines bundesweiten Portalverbunds, der den Zugang von Bürgern und Unternehmen zu allen elektronischen Verwaltungsleistungen des Staates (Bund, Länder und Kommunen) sicherstellen soll. Schließlich verpflichtet das OZG Bund und Länder, bis Ende 2022 ihre Verwaltungsleistungen auch übergreifend – also auch außerhalb des eigenen Verwaltungsportals – online erreichbar zu machen. Neben dem einheitlichen Nutzerkonto sind einheitliche IT-Anwendungen, Basisdienste, Kommunikationsschnittstellen und Sicherheitsstandards für alle Verbundteilnehmer geplant, so dass der Service über eine Verlinkung von Online-Angeboten hinausgeht. Die Bundesregierung kann mit Rechtsverordnungen IT-Anwendungen und Basisdienste sowie die technische Umsetzung von Standards und Sicherheitsvorgaben auch für die Länder regeln. Der IT-Planungsrat muss zukünftig in diesen Fällen – wenn überhaupt – nur noch „ins Benehmen" gesetzt werden. Damit wird die bisher in Art. 91c Abs. 2 Grundgesetz vorgesehene Kompetenz des IT-Planungsrats, Standards für die Kommunikation und Sicherheit innerhalb der IT der deutschen Verwaltung durch Beschlüsse festzulegen, weitgehend durch Verordnungsermächtigungen für den Bund ersetzt. Der IT-Planungsrat kann im Anwendungsbereich des OZG nur noch insoweit agieren, als die Bundesregierung von ihren Verordnungsermächtigungen keinen Gebrauch macht. Allerdings ist noch nicht gesichert, dass das Instrument eines Verordnungserlasses die Digitalisierung wirklich beschleunigen wird: Erfahrungsgemäß verlangsamt allein das Abstimmungserfordernis innerhalb der Bundesregierung vor dem Verordnungserlass die Entscheidungsfindung.

    Die tatsächlichen Wirkungen der Kompetenzverschiebungen dürften erst sichtbar werden, wenn die Bundesregierung von den Verordnungsermächtigungen tatsächlich Gebrauch macht und sich dann herausstellt, wie tief die Bundesregelungen in die materielle Verwaltungsverfahrenskompetenz der Länder eingreifen. Je tiefer der Eingriff sein wird, desto intensiver müsste über die zukünftigen Grenzen der Kompetenzverschiebung zwischen der Bundes- und der Landesebene nachgedacht werden. Auch wenn eine Ausarbeitung der wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages (2017c) zur Auffassung gelangte, dass der neue Art. 91c Abs. 5 GG mit dem Maßstab des Art. 79 Abs. 3 GG (also mit der sogenannten Ewigkeitsgarantie des Bundesstaatsprinzips) vereinbar ist, so müssen doch die Wirkungen der Grundgesetzänderung im Blick gehalten werden.

    1.2.2.6 Subsidiaritätsprinzip tauglicher Maßstab für Kompetenzabgrenzung?

    Eine Kompensation der Kompetenzverschiebungen ist dann dringend geboten – so das Bundesverfassungsgericht –, wenn die Länder durch Auszehrung ihrer Gesetzgebungsbefugnisse in einem Kernbereich autonomer Gestaltung getroffen werden und auf die Stufe von bloßen Verwaltungseinheiten herabzusinken drohen bzw. ihre Stellung als Machtzentren gegenüber dem Bund im Wesentlichen einbüßen. Wenn aber die „räumliche Nähe zur Gestaltungsaufgabe als Kriterium für eine Kompetenzzuordnung zunehmend an Aussagekraft verliert, welche Maßstab ist zukünftig zu Grunde zu legen? Hier könnte eine Bezugnahme auf das Subsidiaritätsprinzip sachdienlich sein, wie es im Recht der Europäischen Union verankert ist und in Art. 23 Abs. 1 GG bezogen auf das Verhältnis der EU zur Bundesrepublik Deutschland Erwähnung findet. Darauf deutet auch Art. 72 Abs. 2 GG hin, der im Zusammenhang mit der Regelung der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz bei bestimmten Materien die Bundeskompetenz gerechtfertigt sieht, „wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht. Was also ohne Gefährdung gleichwertiger Lebensverhältnisse und der Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit auf der unteren Ebene verantwortet werden kann, ist auch dort kompetenzmäßig anzusiedeln. Bisher allerdings fehlt es an einer durchgehenden verfassungsrechtlichen Fixierung des Subsidiaritätsprinzips als Ausprägung des Bundesstaatsprinzips. Zweifelhaft bleibt auch, ob ein solches Prinzip den Gesetzgeber tatsächlich daran hindern würde, immer mehr Bereiche für die Zentralisierung von Kompetenzen beim Bund vorzusehen, um gleichartige Lebensverhältnisse herzustellen. Legt man strikt das Subsidiaritätsprinzip zugrunde, so trägt immerhin der Bund die Begründungslast für Kompetenzverschiebungen: Denn er hätte nachzuweisen, dass seine Zuständigkeit für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung zwingend erforderlich wäre.

    1.2.2.7 Folgerung für Verwaltungsportale

    Schaut man auf die Einrichtung von Internetportalen, so treten die Gefahren für eine Verschiebung von Organisationszuständigkeiten besonders deutlich zutage. Indem Portale Verwaltungsebenen verbinden, unterschiedliche Verwaltungsleistungen integrieren und übergreifende Verfahren innerhalb der Verwaltung initiieren, passen sie wenig zur tradierten Zuständigkeitsordnung, die sich auf eine strikte Kompetenzverteilung mit genau abgegrenzten Aufgaben- und Befugnisbereichen der jeweiligen Verwaltungseinheit gründet. Auch bei der Gestaltung des neuen Elterngeldportals, über das Eltern zukünftig Elterngeldleistungen elektronisch beantragen können, erweist sich die Ausführung des Bundeselterngeldgesetzes durch die Länder mit entsprechenden, von Land zu Land unterschiedlichen Antragsformularen als noch verbesserungsbedürftig im Sinne eines durchgehend elektronischen Anwendungskomforts. Es erschien allerdings als verfassungsrechtlich problematisch, über ein Bundesportal ohne Einverständnis der Länder nur noch ein einziges vereinheitlichtes elektronisches Antragsformular anzubieten, obwohl antragstellende Eltern dies sicherlich begrüßen würden.

    Die aktuelle Gestaltung des Europäischen E-Justice-Portals, für dessen Konzeption 2007 das deutsche Justizportal www.​justiz.​de Pate stand, lässt dennoch erkennen, dass es keineswegs ausgeschlossen sein muss, Zuständigkeitsgrenzen zwischen der Zentralität (EU-Kommission) und den Mitgliedstaaten so zu definieren, dass der Nutzer Informationen grenzüberschreitend komfortabel abrufen kann. Denn die am Portalaufbau beteiligten Mitgliedstaaten waren sich bisher darin einig, zwar auf europäischer Ebene ein zentrales Portal mit einem einheitlichen Layout zu schaffen, dessen Inhalte aber dezentral von den Mitgliedsstaaten verantworten zu lassen. Die Diskussionen in den letzten Jahren haben allerdings gezeigt, dass diese vermeintlich klare Grenzziehung nicht immer weiterführt, wenn das Portal über eine Informationsquelle hin zu einem Leistungs- und Transaktionsportal ausgebaut werden soll. Auch insoweit werden Rechtsänderungen mit dem Ziel erörtert, der EU mehr inhaltliche Kompetenzen für IT-gestützte Verwaltungstransaktionen zu geben. Schließlich zeigen die Bemühungen der EU-Kommission um ein Single Digital Gateway (2017e) auch, wie wichtig es ist, zentrale (EU-) Vorgaben für einen Portalverbund so zu dosieren, dass die Mitgliedstaaten nicht ihre Regelungsbefugnisse verlieren. Intensiv wird derzeit darüber diskutiert, ob die zukünftige EU-Verordnung lediglich eine Verlinkung nationaler Portale vorschreiben oder der Single Digital Gateway einen direkten digitalen Zugriff auf die Verwaltungsinformation/Verwaltungsleistung vermitteln soll. Die erste Alternative dürfte die Einigung über die Verordnung beschleunigen, die zweite Alternative den Anwendungskomfort stärken. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass gerade in der jungen Bevölkerung die Bereitschaft, Portale zu nutzen, gering ist. Stattdessen sind Suchmaschinen der bevorzugte Einstieg. Auch daraus könnte man die Konsequenz ziehen, den Zugang zu Verwaltungsleistungen und Verwaltungsinformationen möglichst einfach zu gestalten- also etwa über möglichst wenige „Mausklicks".

    Die vom IT-Planungsrat am 05.10.2017 beschlossenen Grundprinzipien der Architektur des zukünftigen Portalverbunds (Planungsrat 2017) sind aus dem Blickwinkel eines kooperativen Föderalismus von dem Bemühen getragen, Bund und Länderkompetenzen jeweils zu respektieren und auszutarieren.

    1.2.2.8 Neujustierungen der bundesstaatlichen Organisationsstruktur in Zeiten der digitalen Transformation: verstärkte Mitwirkungsrechte der Länder bei zentralen, effizienten Entscheidungsprozessen

    Für die nationale Ebene gilt: Ein moderner, digital transformierter Staat mit einer elektronisch arbeitenden Verwaltung benötigt eine zeitgemäße bundesstaatliche Organisationsstruktur, die nicht als Barriere gegen die Digitalisierung wirkt, sondern die mit der Digitalisierung verbundenen Chancen fördert.

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