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Die Goldminen von Midian: Reisen und Forschungen im Biblischen Land
Die Goldminen von Midian: Reisen und Forschungen im Biblischen Land
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eBook378 Seiten4 Stunden

Die Goldminen von Midian: Reisen und Forschungen im Biblischen Land

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Über dieses E-Book

Richard Francis Burton war einer der größen Abenteurer aller Zeiten. Er sprach über 30 Sprachen, hatte als Muslim verkleidet Mekka und Medina besucht und auf einer sensationellen Expedition zu den Quellen des Nils den Tanganjikasee entdeckt. Als ihm 1877 vom in finanzielle Nöte geratenen Vizekönig von Ägypten der Auftrag erteilt wurde, im legendären biblischen Land Midian nach Gold für die Schatzkammern zu suchen, witterte Burton die Chance auf neue Abenteuer und Ruhm -
Burtons Bericht bietet dem Leser und heutigen Reisenden ein faszinierendes Bild eines Landes, in dem Gold gesucht, stattdessen aber unbezahlbare landschaftliche und kulturelle Schätze gefunden wurden, die heute noch im Nordwesten Saudi-Arabiens, Burtons sagenhaftem Midian, zu finden sind.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum12. März 2021
ISBN9783843806770
Die Goldminen von Midian: Reisen und Forschungen im Biblischen Land

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    Buchvorschau

    Die Goldminen von Midian - Richard Francis Burton

    KAPITEL I

    In Alexandria

    Endlich! Wieder einmal ist es mein Geschick, dem Gefängnisleben eines zivilisierten Europas zu entfliehen und Körper und Geist durch das Studium der Natur in ihrer nobelsten und bewundernswertesten Form zu erquicken. Abermals sollte ich den Anblick der »herrlichen Wüste« genießen dürfen und durch einen kurzen Besuch bei den Wilden in ihrer urtümlichen Heimat Kraft schöpfen.

    Dies fügte sich wie folgt: Seine Hoheit, der Vizekönig von Ägypten, hatte von einem gemeinsamen Freund erfahren, dass ich viele Jahre zuvor Kenntnis von der Stätte eines Goldfeldes erlangt hatte, und ehrte mich nun mit der Einladung, über diese Angelegenheit persönlich zu berichten. Ich beantragte einen Monat Urlaub, der mir vom Außenamt Ihrer Britannischen Majestät in Anbetracht des grimmigen Winters und meiner Erschöpfung in der »tagtäglichen Tretmühle« zu Triest zuvorkommend gewährt wurde.

    So ging ich denn am 3. März 1877 ungeachtet aller weisen Ratschläge, welche die Gattin dem Ehemann ans Herz legt, an Bord der Aurora, des österreichisch-ungarischen Lloyd-Schiffes von Kapitän Markovich.

    Die Reise über zwölfhundert Meilen entlang jener malerischen Küsten von Istrien und der Hochländer und Inseln von Dalmatien verlief über die Maßen angenehm. Jenseits des romantischen Bocche di Cattaro, dem Bosporus des Westens, hatten wir außer schlechtem Wetter nichts zu befürchten und konnten unbesorgt auf die eisgekrönten Gipfel und schneegepuderten Hänge der großartigen Cimariot-Bergkette blicken: Das weithin gerühmte Akrokeraunion wurde in den letzten Jahren vor allem für seinen Feuerstein-Abbau berühmt. Es war wie gewöhnlich schwarze Nacht, als wir vor der Zitadelle und den Forts von Korfu ankerten; früher einmal eine höchst bezaubernde Militärstation, liegt sie seit dem traurigen Jahr 1864 infolge des Unabhängigkeitskampfes in Ruinen.

    Vorbei an jener Brandung, die bei Leukas an dem Felsen aufläuft, von dem sich Sappho stürzte, und die noch immer von ihrem Blut gefärbt ist; durch den weithin berühmten Kanal mit dem rauen Theaki (Ithaca) an Backbord und dem erhabenen Kephalonia an Steuerbord; hart an Zante vorbei, dessen liebliche Hänge und befestigte weiße Stadt sie zur Blume der Levante gemacht haben; über den Golf von Patras und zur Stadt Katakolo, mit dem alten Pondiko Kastro, dem venezianischen Fort, das hoch über johannisbeerbewachsenen Tieflanden thront; vorbei an dem von Deutschen heimgesuchten Aipheus des Jupiter Olympius; an dem felsig zerklüfteten und vom Wind gepeitschten Arkadien, das so seltsamerweise zum Geburtsort der lieblichen arkadischen Erzählung und des Gesanges wurde; vorbei auch unter den wilden Mauern des steinigen Peloponnes und über die historische Navarino-Bucht mit ihrem von Ruinen gekrönten Wellenbrecher zur Insel Sphagia … An all diesen erinnerungswürdigen Plätzen dampften wir vorüber und erwachten am Morgen des vierten Tages, als wir in Küstennähe an den südlichen Ufern von Kreta entlangfuhren.

    Das lange schmale Felsmassiv, dessen Konturen und Blöcke aus silbern getupften Berggipfeln und Felsspitzen sich mitunter bis auf 8000 Fuß erheben, war das letzte für uns sichtbare Stück Land auf unserem Weg. Es bot uns all seine Schönheit dar, die auf ihre Weise sogar dem unübertroffenen alpinen Charme einer intensiv strahlenden Sonne und des funkelnden Schnees gleichkommt: Goldstaub regnete auf den reinsten Hermelinpelz, und die ganze Szenerie hob sich ab vor dem mittelländischen Blau, während das Meer zur Musik der Winde tanzte. Mit dem tief empfundenen Wunsch, dass Kreta – welches im Jahre des Herrn 1680 von Mohammed IV., dem letzten Sultan, der persönlich im Felde stand, annektiert wurde – sich am Abend seiner Tage über die Wiedervereinigung mit dem Christentum und der Fahne des heiligen Georg glücklich schätzen möge, entboten wir der Insel ein zärtliches Lebewohl und wunderten uns, den Seeweg so von Schiffen verlassen zu sehen. Am 8. März warfen wir Anker im alten Eunostos, dem neuen Hafen von Alexandria, welcher ein vortreffliches Werk und Ägyptens größter Tage würdig ist. Wir Reisende hielten jetzt Ausschau nach einer Gepäck-Anlandungsgesellschaft, die uns vor den Kasteiungen des kreischenden Bootsverleihers und des habgierigen Dragomans bewahren sollte.

    Der »libysche Vorort« – die Stadt sowohl des Propheten Daniel, Alexanders des Großen und des Apostels Markus – ist nicht mehr wie im Jahre 1853 eine Stadt falscher Bezeichnungen, wo die Trockendocks immer nass und die marmornen Springbrunnen ewig trocken sind; deren »Nadel der Kleopatra« weder mit Kleopatra verbunden noch eine Nadel ist; deren »Säule des Pompeius« nie den geringsten irdischen Bezug zu Pompeius aufwies und deren »Bäder« der Kleopatra, wahrheitsliebenden Reisenden zufolge, von jeher alles andere als Bäder waren.

    Doch es ist ihr unerfreuliches Schicksal, von jedem Reisenden beschimpft zu werden. Nie verbrachte ein Tourist mehr als wenige Stunden im Abbat’s oder im Hôtel de l’Europe, aber jeder wirft einen kleinen Stein auf sie. Selbst die »Gewöhnlichkeit des Westens« wirft man ihr vor! Vom Meer aus betrachtet, verlangt das große Emporium (Handelszentrum), das wir in Karatschi entrüstet ablehnen, einigen Respekt. Die in anderen Mittelmeerhäfen, insbesondere in Triest, »Verbesserungen« genannten Misserfolge sprechen für Alexandria: Die vormals schwierige und gefährliche Einfahrt ist sicher mit Bojen markiert; der das Ufer beschützende vortreffliche Wellenbrecher benötigt nur einen besseren Leuchtturm an diesem Punkt; das Innere des alten Hafens wurde mit Molen und Docks ausgestattet; der Landungsplatz wird vertieft, indem man – vielleicht ein wenig zu sehr – die küstennahen Untiefen auffüllt, und schließlich werden breite, mit Steinplatten gepflasterte Kais entlang des Hafens in absehbarer Zeit Transit und Verkehr erleichtern.

    »Semper Libya novi aliquid parit«, sagt der Historiker – und niemals hat Libyen etwas glücklicher hervorgebracht als jenen neuen Hafen.

    Besagte Verbesserungen, die in Alexandria wirklich diesen häufig missbrauchten Begriff verdienen, finden sich vor allem um die Place de Consuls, jetzt Méhémet-Ali-Platz genannt. Im Jahr 1853 war dieser große rechteckige Platz eine kahle, von Winden gepeitschte, unfruchtbare Wildnis, die abwechselnd von Staub und dunklem Schlamm bedeckt wurde. Seitdem nun Europa die Sache in die Hand genommen hat, entwickelte er sich zu einem hochgeschätzten Ort, gesäumt von Bürgersteigen und Gehwegen aus Stein. Die den Spaziergängern vorbehaltene innere Fläche, wo der Turban tragende Napoleon inmitten von grünenden Bäumen und fließendem Wasser auf seinem arabischen Ross sitzt, ist von Pfählen und Ketten eingefasst, und allenfalls der verschwenderische Umgang mit Metall dürfte hier als sündhaft bezeichnet werden: Sie sind massiv genug für den Notanker eines Panzerschiffes, und die mächtigen Spitzen erinnern gruselig an die Mamelukenbeys und ihre bevorzugte Bestrafungsart, welche – ohne Musurus Pascha zu nahe treten zu wollen – nicht gänzlich aus der Mode gekommen ist. Den runden weißen Bassins mangelt es nicht länger an Wasser. Es gibt kioskartige Musikpavillons, wo Musik die schönen Sommernächte belebt; die englische Kirche erscheint weniger hausbacken-hässlich, als ihr gewöhnlich nachgesagt wird, und der hellblaue Palazzo Tositza am östlichen Ende beherbergt eine hinlänglich funktionierende Stadtverwaltung sowie den Gerichtshof. Obwohl es die britische Art ist, außerhalb der Stadt zu leben, sind die alten, nach Norden gerichteten Palazzi groß und komfortabel, da sie die Meeresbrise einfangen und zugleich die Sonne ausschließen.

    Aber Alexandria wird, gleich Damaskus und ähnlichen Orten, mehr von dem Land-Reisenden geschätzt, der auf anderem Wege eintrifft, wie auch von dem Zurückkehrenden, der die Stadt von Süden her betritt. Die Kairo-Eisenbahnlinie zeigt sich allen anderen weit überlegen: Selbst die von Einheimischen benutzten Bummelzüge sind pünktlich, und die Postzüge legen ihre 131 Meilen in viereinhalb Stunden zurück. In der warmen Jahreszeit ist die erste leichte Meeresbrise so erfreulich wie das erste Glas Nilwasser, und der Anblick des Máryút-Sees erfrischt Orientalen und Abendländern gleichermaßen das Auge, das unter dem blendenden Licht von Kairo und der Wüste gelitten hat. Die Hauptstraßen sind ebenfalls nach der Mode italienischer Städte mit großen Steintafeln aus jenem eolithischen Sandstein gepflastert, mit dem Triest noch immer einen schwunghaften Handel treibt. Die Häuser sind nummeriert, obwohl die Hauptverkehrsstraßen keine Namen haben.

    Die europäischen Geschäfte präsentieren sich wie Kaufläden – nicht wie die erbärmlichen französischen Marktbuden der Hauptstadt, wo einem für drittklassige Artikel erstklassige Pariser Preise berechnet werden. Das »Einkaufen« ist in der Tat in ganz Ägypten ein teurer und unbefriedigender Zeitvertreib: Bei Ebners Buchhandlung in Kairo wurde ich um zehn Franken für die letzte Druckschrift meines Freundes Brugsch-Bey erleichtert, welche Leipzig für fünfeinhalb Franken verkauft, während die Zentralapotheke mir vier Franken für Augentropfen – ein halbes Quäntchen Borax in einer Rosenwasser-Phiole – abverlangte.

    Der »Kanal der zwei Meere« (Suezkanal) war das erste Unglück für Alexandria, welches einmal so stolz auf seine Vorrangstellung als Hafen-Hauptstadt der Levante war. Der Hafen hatte sich zum erfolgreichen Rivalen von Algier und Smyrna entwickelt. Dem folgte am 19. April ein weiterer Schock, als der Süßwasserkanal »El Ismaelíyyeh«, der den Nil bei Kairo mit dem Timsáh-See verbindet, das Gebiet mit seinen Importen und Exporten auf den absolut kleinsten Umkreis beschränkte. Die Stadt ist arm, und ihre Armut greift um sich.

    Ihr bleibt nun nichts anderes übrig, als Fisch aus dem Fieber ausbrütenden Máryút-See gegen Getreide, Wein und Öl zu tauschen, wie es mehr als eine englische Handelsgesellschaft vorgeschlagen hat. Das schwindende Fahrgastaufkommen jedoch macht die Hotels weit angenehmer und bequemer als ehedem.

    Doch leider muss ich sagen, dass die Aussicht auf Bankrott keineswegs dazu angetan war, die Lebensgeister von Alexandria zu wecken. Die »Araber«, wie die Ägypter genannt werden – wahrscheinlich weil so wenig arabisches Blut in ihren Adern fließt –, sind mürrisch, und der umtriebige Stamm der Levantiner ist noch verdrießlicher. Bei einem Dschihad, einem heiligen Krieg, und dem drohenden Entfalten des Chirqa Scheríf – des heiligen und apostolischen Banners – werden die Muslime Schutz gegen die Christen anfordern. Kairo ist in Glaubensfragen immer schon gleichgültig gewesen, während Suez nach wie vor fanatisch »gläubig« ist.

    Die neue Polizei in Alexandria hat einiges zur Verminderung der Plage getan, welche jeder Fremde in der »düsteren und herzbedrückenden Stadt« des Jahres 1852 zu beklagen hatte. Als der Handel mit Baumwolle und Getreide den Hafen bereicherte, verkam sie zum Diebesnest – zur gewöhnlichen Gosse für all den Abschaum und Auswurf des Mittelmeeres. Ab und an wurden energische Maßnahmen gegen die griechischen und italienischen Proleten mit ihren schnellen Messern ergriffen: Man wies sie aus, aber irgendwie gelang es ihnen, immer wieder zurückzukommen. Während meiner letzten zwei Besuche bemerkte ich jedoch eine deutliche Verbesserung in dieser Hinsicht, und zweifellos wird die Zeit das Ihre dazu tun.

    Der Zustrom von Ausländern birgt gewiss Nachteile – dennoch dürfen wir unsere Augen nicht vor der Kehrseite der Medaille verschließen. Man vergleiche Ägyptens aufstrebende Hauptstadt, seinen ausgezeichneten Hafen, seinen Meeresund Süßwasser-Kanal sowie seine fünfzehn Eisenbahnlinien mit dem unglücklichen Syrien, dessen Beirut lediglich ein Dorfhafen und dessen Hauptstadt Damaskus, das »Auge des Orients«, ein baufälliger Haufen geworden ist. Seit jenen Tagen, als Ibrahim Pascha Ägypten durch Eroberungsfeldzüge zu erweitern und mit Verwaltungsreformen und verschiedenen fortschrittlichen Maßnahmen zu modernisieren suchte, kann das Heilige Land kein einziges bedeutendes öffentliches Bauwerk mehr vorweisen außer denjenigen, die ihm von den Ägyptern selbst vermacht wurden. Ibrahim Paschas Bestrebungen wurden allerdings von Lord Palmerston vereitelt, der drohte, »Mohammed Ali in den Nil zu werfen«, und dabei unabsichtlich zum Helfershelfer Russlands wurde.

    Nil-Landschaft

    Hätte sich Letzterer in Stambul auf den Thron gesetzt, wäre die Türkei nicht zum hoffnungslose Bankrotteur geworden – ein erobertes Königreich und Schatten seines früheren Selbst.

    Die Hauptaufregung in Alexandria verursachte selbst in jenen Tagen, als die Russen am 24. April den Pruth überquerten, die große Obeliskenfrage. Mohammed Ali Pascha hatte 1801 England den Zwillingsobelisken von »Kleopatras Nadel« angeboten, der einmal den Tempel des Sonnengottes Tom in On (Heliopolis), der Stadt der untergehenden Sonne, zierte; aber England, von liberalen Wirtschaftsideen geplagt und zu arm, um 10 000 Pfund zu zahlen, hatte das Geschenk abgelehnt, das infolgedessen null und nichtig geworden war. Das Angebot wurde durch Scheríf Pascha unter dem gegenwärtigen Vizekönig wiederholt und diesmal angenommen – obwohl die Oberfläche des Obelisken im Laufe von 3500 Jahren stark gelitten hatte. Auf der nach Norden weisenden Seite ist nur die Kartusche Pharao Thuthmoses’ III. gut erhalten. Von der Unterseite, die im Erdboden gelegen hat, wurde die Erde abgekratzt, und einer örtlichen Legende zufolge kroch eine königliche Hoheit persönlich unter den »hässlichen alten Felsblock« – wie eine englische Zeitung ihn profan bezeichnet –, um festzustellen, dass der Stein in seinem feuchten Grab keinen ernsthaften Schaden gelitten hat. Ist außerdem Dr. Richard Lepsius nicht jederzeit bereit, Obeliskenschäden aller Art zu restaurieren? Anfang 1877 trat der Streit um die Große Nadel in eine absonderliche Phase, denn nun ging es um die Eigentumsfrage. M. Giovanni de Demetrio, der Antiquitätensammler, hatte Anspruch auf das Monument erhoben und war am Gericht vor Ort mit seiner Klage abgewiesen worden. Er benahm sich indessen sehr großmütig, und aus Ehrerbietung gegenüber der englischen Regierung verzichtete er auf weitere Hemmnisse. Dies wäre einige Jahre zuvor, als Ägypten noch das glückselige Jagdrevier der westlichen Barbaren war, undenkbar gewesen. Von Said Pascha – einem geistreichen Prinzen, der einen guten Scherz zu schätzen wusste – erzählt man sich, dass er, als ein wohlbekannter »Anspruchsteller« in seiner Gegenwart den Hut zog, ausgerufen haben soll: »Mein Herr, bedecken Sie sich! Wenn Sie sich eine Erkältung holen, verlangen Sie gewiss Schadenersatz von mir.«

    Kurz nach meiner Abreise aus Ägypten erhielt Herr Dixon, von löblicher Wissbegierde getrieben, am 20. Juni 1877 die Erlaubnis, den Sockel des stehenden Obelisken »Kleopatras Nadel« freizulegen. Ihm waren gewisse »eigentümliche Kerben« im Sockel des umgestürzten Pendants sowie mysteriöse Bronzestatuen am antiken Modell im Madrider Museum aufgefallen. Er stellte fest, dass die vier unteren Ecken des Monolithen abgeschlagen worden waren und eine in den Säulenschaft eingelassene Metallstange erkennen ließen, welche ihn mittels bemerkenswert gut gearbeiteter, Krabben darstellender Bronzefüße mit dem Granitsockel verbindet. Ursprünglich waren nur die Tiere sichtbar, und glücklicherweise blieb eines der südlichen erhalten und zeigt zwei bedeutende Inschriften. Diejenige an der Außenseite trägt in gut leserlichen Buchstaben fünf achtel Zoll hoch folgende Inschrift:

    H KAIΣAPOS

    BAPBAPOS ANEΘHKE

    APXITEKTONOΥNTOS

    ΠONTIOY.

    Und auf der richtigen Seite oder der südsüdwestlichen Klaue lesen wir:

    ANNO VIII

    AVGVSTI CAESARIS

    BARBARVS PRAEF

    AEGYPTI POSVIT

    ARCHI TECTAN TE

    PON TIO

    Für diese Informationen und die begleitenden Skizzen habe ich den Herren W. E. Hayns und Willoughby Faulkner zu danken. Sie fügten hinzu, dass alle Füße der erhalten gebliebenen Krabbe verstümmelt worden sind und durch grob behauene Steinbrocken ersetzt wurden, die man mit Lehm und schlechtem Kalk eingepasst hat. Da der Obelisk etwa acht Zoll vom Sockel angehoben worden ist, ruht das ganze Gewicht auf dem Mauerwerk und dem Metallträger; denn die Nadel hat eine »Schräglage« in Richtung Meer nach Nordwesten; die steinernen Stützen sind gesprungen und das ehrwürdige Relikt wird alsbald fallen, wenn nicht umgehend etwas getan wird. Wollen wir hoffen, dass es nicht das Schicksal des alten Orotava-Drachenbaumes auf Teneriffa teilen muss, dessen von ständigem und widerstreitendem Rat gequälter Eigentümer schließlich gar nichts unternahm, um ihn zu

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