BürgerProtest – aber mit System!
Von Helmar Lang
()
Über dieses E-Book
Ähnlich wie BürgerProtest – aber mit System!
Ähnliche E-Books
Kunst, Krise, Subversion: Zur Politik der Ästhetik Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenProvoziert!: Die Bedeutung provokanter Aktionen für den politischen Protest Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenZivilgesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland: Aufbrüche, Umbrüche, Ausblicke Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenPolitische Partizipation jenseits der Konventionen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDoing Culture: Neue Positionen zum Verhältnis von Kultur und sozialer Praxis Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGestalten gestalten: . DIAGONAL, Jg. 2015 Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSozialrecht im Spannungsfeld von Politik und Praxis: Eine Gedenkschrift für Dieter Giese (SD 47) Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenPolitical Interventions: Edition Digital Culture 1 / Christoph Wachter & Mathias Jud Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWas ist Public Interest Design?: Beiträge zur Gestaltung öffentlicher Interessen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenNoPegida: Die helle Seite der Zivilgesellschaft? Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDieter Kunzelmann: Avantgardist, Protestler, Radikaler Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenStreit um den Staat: Intellektuelle Debatten in der Bundesrepublik 1960–1980 Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDresden 1945–1948: Politik und Gesellschaft unter sowjetischer Besatzungsherrschaft Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie konformistische Revolte: Zur Mythologie des Rechtspopulismus Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenMediated Scandals: Gründe, Genese und Folgeeffekte von medialer Skandalberichterstattung Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenKlaus Lederer: Die Sterne über Berlin Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenOccupy in Deutschland: Die Protestbewegung und ihre Akteure Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenKreativität: bei Menschen, Teams und Organisationen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenBewegungsbilder: Politische Videos in Sozialen Medien Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenKunst und Wirklichkeit heute: Affirmation - Kritik - Transformation Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenPEGIDA - Rechtspopulismus zwischen Fremdenangst und »Wende«-Enttäuschung?: Analysen im Überblick Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungenre:publica Reader 2015 – Tag 3: #rp15 #rdr15 - Die Highlights der re:publica 2015 Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungenre:publica Reader 2014 – Tag 3: #rp14rdr - Die Highlights der re:publica 2014 Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenBewegte Gesellschaft: Deutsche Protestgeschichte seit 1945 Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer »Deutsche Herbst« und die RAF in Politik, Medien und Kunst: Nationale und internationale Perspektiven Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie im Dunkeln sieht man nicht: 70 Zeitzeugen zu den missachteten Folgen der Corona-Politik Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenHerrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft oder: Anti-Dühring Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSoziale Arbeit und Rechtsextremismus: Ausgabe 2/2020 - Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenStuttgart 21 - eine Rekonstruktion der Proteste: Soziale Bewegungen in Zeiten der Postdemokratie Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenZerreißproben: Leitmedien, Liberalismus und Liberalität Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen
Sozialwissenschaften für Sie
Warum lernst du kein Deutsch ?! Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Systemische Fragetechniken für Fach- und Führungskräfte, Berater und Coaches: Die Bedeutung von Fragen im Beruf Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenLexikon der Symbole und Archetypen für die Traumdeutung Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Griechische Mythologie für Anfänger: Gesamtausgabe Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Psychologie der Massen Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Die Vagina-Monologe Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Schlagfertigkeitstechniken für Anfänger: Grundlagen und Techniken der Schlagfertigkeit lernen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenUnverfügbarkeit Bewertung: 4 von 5 Sternen4/5Der Zufall, das Universum und du: Die Wissenschaft des Glücks Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenPsychologie der Massen (Grundlagenwerk der Sozialpsychologie) Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDer Münchner Parkhausmord: Ein spektakulärer und umstrittener Indizienprozess Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenTheorien der Sozialen Arbeit: Eine Einführung Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenGender: Eine neue Ideologie zerstört die Familie Bewertung: 2 von 5 Sternen2/5Das ist Deutschland!: Eine Landeskunde für alle Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Resonanzen und Dissonanzen: Hartmut Rosas kritische Theorie in der Diskussion Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenAnglizismen und andere "Fremdwords" deutsch erklärt: Über 1000 aktuelle Begriffe Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Welt der Commons: Muster gemeinsamen Handelns Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenZusammenfassung: Gefühle lesen: Wie Sie Emotionen erkennen und richtig interpretieren: Kernaussagen und Analyse des Buchs von Paul Ekman: Zusammenfassung Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenOrganisationsentwicklung und Konfliktmanagement: Innovative Konzepte und Methoden Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Erfindung der Hausfrau – Geschichte einer Entwertung Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenDie Erotik Bewertung: 2 von 5 Sternen2/5Krypto-Kunst: Digitale Bildkulturen Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenWir informieren uns zu Tode: Ein Befreiungsversuch für verwickelte Gehirne Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenNachgelassene Schriften / Philosophie und Psychoanalyse Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen...Als die Noten laufen lernten...Band 2: Kabarett-Operette-Revue-Film-Exil. Unterhaltungsmusik bis 1945 Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenSand Talk: Das Wissen der Aborigines und die Krisen der modernen Welt Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5Zwangsgedanken besiegen und loswerden Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenAlles über Liebe. Neue Sichtweisen: New York Times-BESTSELLER | Deutsche Erstausgabe von TikTok-Liebling »All About Love« Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen200 Duas für Muslim Bewertung: 5 von 5 Sternen5/5
Rezensionen für BürgerProtest – aber mit System!
0 Bewertungen0 Rezensionen
Buchvorschau
BürgerProtest – aber mit System! - Helmar Lang
Bernhard Niedernhöfer skasberg 2 34451 2012-11-23T11:44:00Z 2012-11-23T11:44:00Z 83 30756 193768 myphotobook GmbH 1614 448 224076 12.00
BürgerProtest – aber mit System!
Bernhard Niedernhöfer skasberg 2 34451 2012-11-23T11:44:00Z 2012-11-23T11:44:00Z 83 30756 193768 myphotobook GmbH 1614 448 224076 12.00
Helmar Lang
Bürger
Protest
– aber mit System!
Praktisch.
Theoretisch.
Politisch.
Bernhard Niedernhöfer skasberg 2 34451 2012-11-23T11:44:00Z 2012-11-23T11:44:00Z 83 30756 193768 myphotobook GmbH 1614 448 224076 12.00
Imprint
BürgerProtest – aber mit System!
Helmar Lang
Published by: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de
Copyright: © 2012 Helmar Lang
ISBN 978-3-8442-3926-3
Bernhard Niedernhöfer skasberg 2 34451 2012-11-23T11:44:00Z 2012-11-23T11:44:00Z 83 30756 193768 myphotobook GmbH 1614 448 224076 12.00
INHALT
Einführung
TEIL I
Bürgerprotest als soziales System:
Beispiel und Analyse
Erster Abschnitt: Ein soziales System entsteht
1 Eine Landschaft am Niederrhein
2 Im Kanu- und Yachtclub
3 Ein System erzeugt sich selbst
4 Das Bündnis im Odeon
5 Soziales System und Mensch
6 Eine Unterschriftensammlung
7 Kommunikation (I)
8 Sturm im Wasserglas
9 Kommunikation (II)
10 Olympische Hochhäuser
11 Kommunikation (III)
Zweiter Abschnitt: Der Protest nimmt Fahrt auf
12 Eine Protestwelle
13 Geschlossenheit sozialer Systeme
14 Olympische Schmusetour
15 David gegen Goliath
16 Der Stadtrat sagt Ja
17 Kommunikation und Bewusstsein
18 Trecker-Treck nach Frankfurt
19 System und Umwelt
20 Scheinkommunikation
Dritter Abschnitt: Finale furioso
21 Frontalopposition
22 „Staatsbesuch"
23 Ein Potemkin’sches Dorf
24 Ein Bürgerbegehren
25 Offenheit sozialer Systeme
26 Finale
TEIL II
Ratschläge für die Protest-Praxis
Erster Abschnitt: Systemarten trennen
27 Kommunikation von Bewusstsein unterscheiden
Zweiter Abschnitt: Intern kommunizieren
28 Erfolgreich protestieren heißt: Durchhalten!
29 Den „richtigen" Protestgegner identifizieren
30 Wie einen Protest in Gang bringen?
31 Eine erste Versammlung abhalten
32 Verein oder loses Bündnis?
33 Anschlusskommunikation erzeugen
34 Was tun, wenn Mitglieder ausscheiden?
Dritter Abschnitt: Extern kommunizieren
35 Die Öffentlichkeit informieren
36 Mit der „Geschlossenheit" gegnerischer Systeme rechnen
37 Die Protestsprache an der Umwelt orientieren
38 Aktionen sagen mehr als Worte
39 Negative Erwartungen wecken
Vierter Abschnitt: Angriffe abwehren
40 Nicht vereinnahmen lassen
41 Vorsicht vor förmlichen Verfahren
42 Abstimmungen meiden
43 Emotional bleiben
44 Falsche Bezeichnungen entlarven
Fünfter Abschnitt: Politisch protestieren
45 Protest politisch verstehen
46 Bürgerprotest als demokratische Teilhabe
Bernhard Niedernhöfer skasberg 2 34451 2012-11-23T11:44:00Z 2012-11-23T11:44:00Z 83 30756 193768 myphotobook GmbH 1614 448 224076 12.00
Einführung
Auf dem Umschlagphoto, liebe Leserinnen und Leser, sehen Sie einen Mann, der per Megaphon zu einer unsichtbaren Menge spricht. Bevor Sie sich nun fragen, wen das Bild wohl zeigt, lüfte ich das kleine Geheimnis am besten schon hier: Es zeigt den Verfasser. Ich will Ihnen damit signalisieren, dass ich selber ein Protestler bin, der ziemlich viel Erfahrung mit dem hat, worüber er schreibt. Und um auch Ihrer weiteren Frage zuvorzukommen, was ich denn außerdem sei: Von Beruf bin ich Rechtanwalt, genauer Wirtschaftsanwalt mit internationaler Ausrichtung und mit Promotion in einem aktienrechtlichen Thema.
Wie Sie sehen, empfinde ich beides nicht als Gegensatz – berufliche Nähe zur Wirtschaft einerseits und Widerstand gegen politisch-ökonomisch motivierte Vorhaben andererseits, die auf schädliche Nebenfolgen für die Allgemeinheit keine Rücksicht nehmen. Mein Motiv? Ich halte Bürgerprotest grundsätzlich und aus eigenem Erleben für gesellschaftlich und politisch notwendig, soweit er sich, am einzelnen Beispiel, gesellschaftlichen Fehlentwicklungen widersetzt. Im Idealfall macht Protest die „Kehrseite der Medaille" von Projekten sichtbar, die deren Betreiber gerne im Dunkeln lassen. So gesehen kann er Alternativen zu politisch-ökonomischen Entscheidungen aufzeigen. Damit trägt er sein Teil zur politisch-demokratischen Willensbildung der Gesellschaft bei. Mit diesem Buch möchte ich deshalb zu Protest ermutigen, anschaulich machen, wie er sich behaupten kann und ihn gegen Vorwürfe verteidigen.
Um die „Kehrseite der Medaille" ging es buchstäblich bei dem Ereignis, das ich im ersten Teil dieses Buches als Beispiel für einen langdauernden, großen Bürgerprotest schildere, den ich aktiv miterlebt habe.
Das erwähnte Photo schoss ein Freund an einem dunkel-diesigen Novemberabend des Jahres 2002 vor den Toren der Düsseldorfer Böhlerwerke. Drinnen, im modernisierten Alten Kesselhaus, sollten fünf internationale Architektenteams ihre Entwürfe für ein Olympiadorf präsentieren, die sie zwei Wochen lang in einer öffentlichen „Entwurfswerkstatt erarbeitet hatten. Dieses „Dorf
für 20 000 Menschen wurde gebraucht, weil die Stadt sich ein Jahr zuvor beim Nationalen Olympischen Komitee um die Ausrichtung der Olympischen Sommerspiele 2012 beworben hatte. Mit „Spielen am Rhein" wollte sie, zunächst auf nationaler Ebene, Hamburg, Leipzig, Frankfurt und Stuttgart ausstechen, ehe es dann in der internationalen Bewerbungsphase gegen Kleinstädte wie Paris oder London gehen würde. Jedenfalls sollten Athleten und Betreuer unbedingt am Fluss, im Grünen wohnen dürfen.
Der Protest dagegen war an jenem Abend fast schon so alt wie die Pläne der Olympiabewerber. Diesen hatte er mächtig zugesetzt. Das öffentliche „Werkstattverfahren" sollte nun das Blatt zugunsten des Großprojektes wenden, und in der Tat lockte es viel Publikum an. Die Protestler empfingen es mit Plakaten und Trillerpfeifen, und einige von ihnen befeuerten die Demonstrantenschar vom Anhänger eines Traktors herab per Megaphon. Sie befürchteten, dass der Bau einer Olympiastadt schönste Niederrheinlandschaft zerstören und mehrere bäuerliche Betriebe ruinieren werde. Mehr dazu im Buchtext.
„Gegen so etwas kann man ja doch nichts machen", war zu Beginn des Protestes zum Teil auch von Protestlern zu hören. Auf den Straßen, beim Sammeln von Unterschriften gegen das Vorhaben sagten die Leute uns oft das gleiche. Und in der Tat: Es schien damals aussichtslos, das Großprojekt zu stoppen, aber – der Protest war am Ende erfolgreich.
Weil er das war, wollte ich über das erstaunliche Geschehen in Buchform berichten und dabei einige allgemeine „Lehren aus ihm ziehen, um anderen Bürgerinitiativen Ratschläge für die Protestpraxis geben zu können. Ich versuchte zu zeigen, wie man protestieren muss, um Erfolg zu haben. Doch außer ein paar strategischen und taktischen Hinweisen kam nichts dabei heraus, was eine Veröffentlichung gerechtfertigt hätte. Heute weiß ich, warum: Ich sah noch nicht, was einen solchen Protest „im Innersten zusammenhält
, so dass er sich auch gegen heftigste Widerstände von außen längere Zeit am Leben halten kann.
Zum Glück stieß ich dann auf ein Werk des Soziologen Niklas Luhmann über „Soziale Systeme. Als ich das Gelesene mit meinen Erlebnissen und Erfahrungen aus jenem Protest verglich, wurde mir klar, dass Bürgerproteste als soziale Systeme im Sinne der Luhmann’schen Theorie verstanden werden sollten – dann nämlich lässt sich ihnen ihr Geheimnis entlocken: ihr „Innenleben
. Kern jener Theorie ist die These, dass soziale Systeme aus menschlicher Kommunikation bestehen und, entgegen der damaligen Lehrmeinung, nicht aus Personen und deren aufeinander bezogenen Handlungen. Dem wiederum liegt ein anderer Begriff von Kommunikation zugrunde als der gängige, der darin nur Informationsübertragung sieht.
Bevor Sie nun im Text Genaueres darüber lesen, will ich Ihnen eine mögliche Scheu vor dem Systembegriff nehmen, aber auch Ihre Neugier wecken, indem ich einige wesentliche Eigenheiten sozialer Systeme, wie Luhmann sie versteht, anhand eines Bildes zu beleuchten versuche.
Vielleicht haben Sie am Fernseher schon einmal miterlebt, wie Abertausende von Heringen von ihren Laichplätzen in jene Meeresgegenden ziehen, in denen sie ihre Nahrung finden; wie sich der lange Zug plötzlich in eine riesige, in sich rotierende Kugel aus glitzernden Fischleibern zusammenballt, in die hinein jagende Delphine schießen; wie sich der Heringsschwarm dann blitzschnell in immer neue Knäuel teilt und die Jäger ins Leere stoßen lässt; und wie, je länger die Jagd dauert, die Schwärme der Gejagten immer kleiner und zahlreicher werden und die Angreifer immer reichere Beute machen, bis sie irgendwann genug haben und weiterziehen.
Sie ahnen schon: Der Heringsschwarm steht für ein „soziales System". Als erstes fällt auf, was er nicht ist: Nichts Zusammengefügtes (dies aber die übliche Definition eines Systems!), nichts Gemachtes also, nichts, was einen äußeren Urheber hätte. Mit einem Wort: Der Schwarm – das System – erzeugt sich selbst.
Das geschieht, indem er eine Grenze zwischen sich und seinen Freßfeinden bildet und laufend erneuert – die „Außenhaut" jener Kugel aus Fischleibern. In einem Satz: Der Schwarm – das System – bildet sich, indem er sich von einer Umwelt abgrenzt, die er selbst identifiziert.
Wie kann er das leisten? Offenbar nur durch ein Netz aus Kommunikationen, das sich im selben Bruchteil jener Sekunde aktiviert, in der sich die Delphine zum Angriff „verabreden (denn angeblich können die Heringe derlei Verabredungen „mithören
). Wie die Heringskommunikation abläuft – ob biochemisch, elektrisch oder sonstwie – kann dahinstehen. Entscheidend für den Erhalt des Systems ist jedenfalls, dass die Kommunikation weiterläuft und alle Veränderungen in der Umwelt – die wechselnden Richtungen, aus denen die Delphine angreifen – erfasst und verarbeitet; nur so kann der Schwarm flexibel reagieren, sich aufteilen und immer neu Gestalt annehmen. Erst wenn es für das System keinen „Sinn" mehr macht, noch kleinere Schwärme zu bilden, weil die Tiere sich dann immer mehr vereinzeln und geschnappt werden können, bricht es zusammen.
Das Besondere, das sich Ihnen in diesem Bild zeigt, liebe Leser, ist der Heringsschwarm, der sich formiert – es sind nicht die einzelnen Fische, deren Aussehen Ihnen bereits geläufig ist. Nicht sie als Einzelwesen konnten sich vor den Delphinen schützen, sondern nur ihr schneller Zusammenschluss. Deshalb machte nicht ihre Summe den Schwarm zum System, sondern die Art und Weise, in der sie sich immer wieder von neuem zu lebendigen Kugeln formierten. Dies konnte nur dank perfekter Kommunikation geschehen. Von daher ist es gerechtfertigt, den Heringsschwarm und seine Abwandlungen als ein Kommunikationssystem zu kennzeichnen. Die einzelnen Tiere waren nur die Voraussetzung dafür, dass sich das System bilden konnte; sie waren nicht dessen Urheber.
Damit drängt sich eine Analogie zu menschlichen Kommunikationssystemen auf. Ebenso wenig wie nach dem gebrauchten Bild Heringe die Elemente sind, aus denen Heringsschwarmsysteme bestehen, sollte man in Personen die Elemente und Urheber sozialer menschlicher sozialer Systeme sehen. In beiden Fällen ist das Element des Systems Kommunikation. Was dabei nach Luhmann die Besonderheit menschlicher Kommunikation ausmacht, dazu werden Sie