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Michaela. Erzählungen & Gedichte
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eBook463 Seiten6 Stunden

Michaela. Erzählungen & Gedichte

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Über dieses E-Book

Wie gestaltet sich die Partnersuche, wenn man die Hälfte des Lebens hinter sich gebracht hat? Scheidung auf deutsch oder wie teuer ist der Satz: "Ich liebe dich nicht". Liebe, Sex und Segelflug ... Geschichten aus dem Knast. Geld ist nicht alles, oder doch? Das und vieles andere mehr erwartet den Leser, wenn er dieses Buch aufschlägt.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum25. Okt. 2012
ISBN9783844236972
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    Buchvorschau

    Michaela. Erzählungen & Gedichte - Olaf Zeidler

    Belinda Grasnick Normal Belinda Grasnick 2 2012-10-24T09:12:00Z 2012-10-24T09:16:00Z 107 104794 574915 4790 1356 678353 14.00

    Olaf Zeidler

    Michaela

    Belinda Grasnick Normal Belinda Grasnick 2 2012-10-24T09:12:00Z 2012-10-24T09:16:00Z 107 104794 574915 4790 1356 678353 14.00

    Olaf Zeidler, Jahrgang 1961, ist als Justizvollzugsbeamter tätig und betrachtet das Schreiben als ein schönes Hobby. Wenn das Thema stimmt und der Einstieg da ist — also ein wichtiges Ereignis —, ob privat oder gesellschaftlich, dann greift er zur Feder und schreibt das auf, was eine unsichtbare Stimme in seinem Inneren diktiert. Einfach so.

    Inzwischen ist sein drittes dickeres Manuskript fertig geworden und wieder geht es ganz aktuell quer durch den Gemüsegarten des Lebens; diesmal in Form von Erzählungen und Gedichten. Während sich der erste Roman („Tagebuch für Friederike) hauptsächlich mit der Wende aus der Sicht eines Ostdeutschen beschäftigte, ging es im zweiten größeren Schreibversuch („Abschied und was danach kommt ...) um die Arbeit im Knast aus der Sicht derjenigen, die die Gitter auf und zu machen. Nun wartet Michaela. Erzählungen & Gedichte nach sieben Jahren Schreibzeit darauf, irgendwann als neues Buch vom Leser entdeckt zu werden.

    Belinda Grasnick Normal Belinda Grasnick 2 2012-10-24T09:12:00Z 2012-10-24T09:16:00Z 107 104794 574915 4790 1356 678353 14.00

    ISBN 978-3-8442-2776-5

    © 2012 OlafZeidler

    Alle Rechte Vorbehalten

    Gesetzt aus der Bembo

    Published by: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

    Belinda Grasnick Normal Belinda Grasnick 2 2012-10-24T09:12:00Z 2012-10-24T09:16:00Z 107 104794 574915 4790 1356 678353 14.00

    Für Sabine

    Belinda Grasnick Normal Belinda Grasnick 2 2012-10-24T09:12:00Z 2012-10-24T09:16:00Z 107 104794 574915 4790 1356 678353 14.00

    Lena

    Es passierte knapp vier Wochen vor Weihnachten an einem Mittwochmorgen kurz nach dem Aufstehen. Der Kaffee stand dampfend rechts neben mir auf dem Computertisch und vor meinen Augen hob gerade Lufthansaflug 333 von der Bahn 7 rechts des Airport Schönefeld ab. Rot leuchtete der kleine Überziehwarnbalken auf und signalisierte mir, dass die Landeklappen noch nicht eingefahren werden durften. Erst musste die Geschwindigkeit stimmen. Da hörte ich es zum ersten mal trotz der relativ lauten Triebwerksgeräusche, die der Lautsprecher gerade im Originalsound wiedergab. Es klang wie ein leises, von weiter Ferne herkommendes, ja fast klägliches Miau ... Ich drehte den Kopf in Richtung Fenster und ... Sie saß im klirrenden Frost auf dem Sims; schaute mich durch die Scheibe an und miaute wieder.

    Zuerst zuckte ich kurz mit der Schulter, denn es kam schon ab und zu vor, dass eine draußen herumstreunende Katze bei mir Rast machte, meist nur wenige Minuten lang. Aber irgendetwas war diesmal anders. Sie hob ihre Pfote und es sah fast so aus, als wenn das Tier absichtlich an das Fensterglas „klopfte. Dann saß sie wieder still und schaute mich weiter an. Nun — in dem Augenblick gab es viel zu tun: Das Flugzeug wurde eben an Center Berlin „weitergereicht — die entsprechende Meldung musste abgesetzt werden; der Autopilot stand noch im IAS-Modus und auch der Kurs stimmte aktuell nicht mit den Vorgaben überein. Als alles wie gefordert eingestellt war und ich mich zurücklehnen konnte, saß die Katze immer noch da und mauzte leise ... Da war mein Interesse geweckt. Warum rannte sie nicht los, so wie die anderen, die mich schon besucht hatten?

    Irgendwann nach einer Stunde beschloss ich, das Fenster zu öffnen — sie war ja immer noch da. Entweder suchte sie jetzt das Weite, oder ... Vorsichtig drehte ich den Hebel auf und war gespannt darauf, wie sie reagiert. Der Spalt reichte nun um durch zukommen und sie stand zögernd auf. Ein schönes Tier. Mittelgroß mit einem schwarzweißbraungestreiftem Fell und die grüne Augen beobachteten mich aufmerksam ...

    Sie war darauf gefasst, sofort mit einem Satz zu verschwinden, wenn ich eine hastige oder verdächtige Bewegung gemacht hätte. Taps taps — zuerst lugte sie vorsichtig herein und schnupperte neugierig. Ich setzte mich einfach wieder an den Computer und wartete ab, was nun geschehen würde. Mit dem Flugzeug war alles in Ordnung — es erreichte gleich Flight Level Drei Zwei Null und düste dann mit Nullkommaachtzwei Mach in Richtung Athen weiter. Schwups — die Katze war drin und begann sofort mit kleinen Schritten meine Einraumwohnung zu erkunden. Bitte schön — da war nichts, was zu Bruch gehen könnte und ich ließ sie einfach machen. Miau miau. Das Fenster stand offen — sie hätte also wieder gehen können ... Aber sie dachte nicht daran und mauzte weiter. Na klar — das Tier hatte bestimmt Hunger ... Mein Kühlschrank war aber leer. Wasser? Ich holte ein Schälchen und stellte es gefüllt auf den Wohnzimmerteppich.

    Sie beäugte es zögernd, aber das war es wohl nicht, was die Katze im Moment wollte ... Miau ... Ihre Augen sahen mich an. Ja o. k. Dann musste ich eben ins „Kaufland" fahren und etwas holen. Und der Flug? Kurz entschlossen beendete ich die Simulation.

    Es würde noch so oft möglich sein, im Cockpit eines Airbus A319 einfach mal von Berlin nach Griechenland zu fliegen ... Jetzt gab es Wichtigeres zu tun. Also zog ich mich an und machte mich auf den Weg.

    Das Fenster blieb offen — vielleicht war sie ja gar nicht mehr da, wenn ich zurückkam? Na und — die paar Cent für die Whiskasbüchse hatte ich schon noch zusätzlich im Portemonnaie ... Als ich die Wohnungstür ins Schloss zog, klopfte mein Herz doch schneller: wartet sie tatsächlich auf mich? Ist das vielleicht der Anfang einer schönen Freundschaft? Können Menschen und Tiere überhaupt miteinander befreundet sein?

    Auf dem Weg zum Markt erinnerte ich mich plötzlich an eine Szene, die sich mal vor vielen Jahren abgespielt hatte. Ich weiß — beim Autofahren sollte man auf den Straßenverkehr achten, aber die Bilder waren einfach da vor meinen Augen — ein Film mit leise gedrehtem Ton. Im Polizeibericht hätte vielleicht das Wort Sekundenschlaf gestanden, aber es passierte zum Glück nichts.

    Damals brachte mein Vater abends nach der Arbeit eine kleine, ganz scheue Katze mit, die auf den Fußboden sprang, als er seine Jacke geöffnet hatte. Wir drei Jungs im Alter von fünf bis acht Jahren standen dicht gedrängt im Korridor und beobachteten mit großen Kulleraugen, was da geschah. Das winzige Wollknäuel mauzte und tapste unbeholfen hin und her. Selbst die hingestellte Schale mit frischer Milch wurde zunächst einfach ignoriert. Miau, Miau hörten wir immer wieder. Geht in euer Zimmer, hieß es dann. Das Tier hatte natürlich Angst, wenn so viele Menschen in der Nähe waren. Die ungewohnte Umgebung. Laute Stimmen. Jedenfalls gehorchten wir und versuchten heimlich weiter zuzuschauen. Jeder war mal dran und durfte einen kurzen Blick in die Küche werfen ... Leider musste unser neues Familienmitglied schon wenige Tage später die Wohnung wieder verlassen. Warum das so war und wohin die kleine Mieze gebracht wurde, erfuhren wir nie ... Schade ...

    Nach dem Einkauf beschloss ich kurz bei Ina vorbeizuschauen. Auf dem Beifahrersitz lag eine fertig ausgefüllte Rätselzeitung, die ich meiner Freundin zurückgeben wollte. Falls sie gerade nicht zu Hause gewesen wäre, hätten wir uns — wie ab-gesprochen — aufjeden Fall zum Mittagessen getroffen. Aber ihre Tochter Anna Lena antwortete an der Sprechanlage und ließ mich rein ...

    „Ich habe vielleicht eine richtig schöne — ja, so kann man es eigentlich fast schon sagen — Weihnachtsüberraschung . Die Augen des Kindes leuchteten neugierig auf. Auch Ina lächelte ... „Aber im Moment kann ich noch nichts verraten . Klar — wenn die Katze doch das Weite gesucht hatte, wäre die Geschichte gleich wieder zu Ende gewesen und es gäbe nicht mehr viel zu erzählen ...

    Also spannte ich beide Mädchen ein bisschen auf die Folter und verabschiedete mich nach wenigen Minuten ... Jetzt nahte der entscheidende Moment. War meine kleine „Besucherin" noch da oder hatte ich das Whiskas doch umsonst gekauft? Ich sprang ins Auto und gab Gas. Nach wenigen Minuten stand der Wagen bei mir auf dem Parkplatz ...

    An der Wohnungstür war nichts zu hören und ich schloss leise auf. Zuerst sah es so aus, als wenn die Katze tatsächlich weg war. Aber es gab hier genügend Versteckmöglichkeiten und vielleicht tauchte sie ja auf, wenn ich das Futter neben den Wassernapf stellte ...

    Als ich mich hinhockte und den Inhalt der Büchse mit einem Esslöffel auf dem kleinen Teller verteilte, mauzte es leise hinter mir. Sie war doch noch da.

    Mich durchrieselte es warm. Schön ... „Miau" (ich wusste ja noch nicht, wie sie heißen sollte; den Namen wollte ich später gemeinsam mit Anna Lena aussuchen) hatte ihre Entscheidung getroffen. Ich verriegelte das Wohnzimmerfenster und schaute zu, wie sie sich über die frischen Fleischstückchen hermachte. Von nun an würden wir beide — hoffentlich sehr lange; wer wusste das vorher schon so genau — miteinander zu tun haben und ich freute mich schon jetzt richtig darauf. Nach dem Mittagessen wollte Anna Lena gleich mitkommen. Na klar — die Katze ...

    Deshalb verzichtete ich auf den Kaffee und wir fuhren so-fort los. Das Mädchen war hellauf begeistert und gleichzeitig ein bisschen skeptisch:

    „Du, Gert — vielleicht ist sie ja irgendwo ausgebüchst und möchte bald wieder zu ihrer Familie zurück?"

    „Ja ... antwortete ich nachdenklich, „... sie hat kein Halsband auf dem der Name steht und ... (mit ernster Miene) „... ich habe sie bereits gefragt. Das Tier hat immer nur Miau gesagt, doch im Telefonbuch gibt es keine Leute die Miau heißen ... Außerdem ist die Katze freiwillig zu mir gekommen und kann jederzeit wieder gehen, wenn sie das möchte ." Anna Lena schmunzelte leise — offensichtlich gefiel ihr diese Regelung ganz gut ... Nun mussten wir nur noch einen Namen für das Tier finden und waren uns recht schnell einig. Warum? Keine Ahnung ... Lena passte einfach irgendwie. Ein kurzes weiches Wort. Wuschelfell wäre ja auch nicht schlecht gewesen, aber wer sagt — bitte schön — den ganzen Tag „Wuschelfell" zu seiner Katze?

    Das Kind erklärte mir dann, dass so schnell wie möglich ein Klo und die richtigen Futternäpfe besorgt werden müssten und nun war ich derjenige, der still vor sich hinlächelte und nickte. Selbstverständlich, kleine Dame ... dachte ich, ohne dies laut zu offenbaren. Kurz gesagt: ab diesen Moment gehörte Lena natürlich zu uns und ich malte mir schon aus, was mein Sohn Oliver dazu sagen wird, wenn er mich das nächste Mal übers Wochenende besucht ...

    31. Dezember 2005. Vormittag. Es steht genügend Katzenfutter für Lena in der Küche; auch das Klo ist gereinigt und frisch aufgefüllt. Die süße Mieze sitzt gerade auf dem Fensterbrett und schaut nach draußen. Inzwischen hat sie auch ihre ersten „Entdeckungstouren" absolviert und kehrte spätestens nach dreißig Minuten zurück. Jedes mal.

    Deshalb gehe ich nun nach fast einem Monat davon aus, dass diese Geschichte zwar jetzt zu Ende geschrieben wird, aber eigentlich fängt sie gerade erst an ... Wenn Anna Lena und Oliver hier sind, faucht die Katze manchmal. Wahrscheinlich hat sie in ihrem früheren Leben schlechte Erfahrungen mit Kindern gemacht?

    Das wird sich — im Laufe der Zeit — hoffentlich noch ändern ... Mit ein bisschen Zurückhaltung und liebevoller Zuwendung lässt sich da bestimmt eine Menge machen, oder?

    Nun liegt die Süße — wie oft tagsüber — auf der kuscheligen Pferdebettdecke und schlummert friedlich vor sich hin ... Ich mache mir eine Tasse Kaffee und genieße den Anblick. In zwei Stunden gibt es Mittag bei Ina ... Das neue Jahr kann kommen — ich freue mich darauf ...

    Eisenhüttenstadt, 31. 12. 2005. Für Anna Lena und Oliver.

    Belinda Grasnick Normal Belinda Grasnick 2 2012-10-24T09:12:00Z 2012-10-24T09:16:00Z 107 104794 574915 4790 1356 678353 14.00

    Zum Valentinstag

    Liebe? Was ist das eigentlich? Ganz am Anfang war es ein heißes Kribbeln im Bauch, wenn ich dich sah. Und auch

    — manchmal — wie bei einer Fahrt mit der Achterbahn. Meist himmelhochjauchzend ... Dann wieder — viel seltener — zu Tode betrübt, wenn ich allein und einsam in meiner Räuberhöhle saß und mit zuviel Bier im Bauch eifrig auf der Suche nach etwas war, was es gar nicht gab ...

    Das alles ist auf jeden Fall ein Teil dessen, was man Liebe nennt. Liebe ist auch das Eindringen in deinen Leib, das Spüren deiner zärtlichen Hände. Oh Gott — ja. Das laute Stöhnen, wenn es nicht mehr anders geht. Dieses Übergeben eines Teiles von mir in dir. Deine Enge, die mich sanft umhüllt und im Augenblick der Explosion behutsam beschützt. Meine Liebkosungen, die wir zusammen genießen. Genau das ist — glaube ich — auch ein Teil dessen, was man Liebe nennt ...

    Liebe ist aber auch, wenn unsere Gedanken füreinander inniger werden. Wenn man immer mehr vom anderen weiß und es einem plötzlich warm durchflutet. Einfach so. Nur weil man gerade an den anderen denkt. Ich schließe meine Augen, sehe dich vor mir und lächle. Ja — auch das ist wohl ein Teil dessen, was man Liebe nennt ...

    Aber Liebe ist ja noch viel mehr. Hilfe in der Not, die man gemeinsam und mit hochgerecktem Kopf übersteht. Ein leises Dankeschön an den anderen, das viel wertvoller ist als alles Geld der Welt ...

    Dein Duft, die weiche Haut. Noch heute kann ich mich ganz genau erinnern: Wir beide kannten uns damals zwei Monate und saßen nackt auf der Couch in der Wohnung deiner Schwester. Rauchten eine Zigarette. Die Lichter der fremden Stadt funkelten in der Nacht zu uns hinauf und ich hatte plötzlich das Gefühl, mit dir vollkommen vertraut zu sein — so, als wenn wir schon ewig zusammen wären. Auch das muss tatsächlich ein Teil dessen sein, was man Liebe nennt ...

    Dein Lächeln hoch über den Wolken auf dem Weg in den Urlaub. Unter uns ein mit Watte überzogenes Märchenland. Die braunen und weißen Bergspitzen der Alpen, die im Sonnenlicht funkelten und allmählich hinten am Horizont verschwanden. Weißer Strand. Salzwasser. Unsere Kinder, die herumtollten und lachten. Die dritte Nacht . Schöne gemeinsame Erinnerungen — auch ein Teil dessen, was man Liebe nennt? Ja — ich glaube schon ... Das gehört aufjeden Fall dazu ...

    Liebe heißt auch, sich für den anderen verantwortlich zu fühlen und seine Sorgen zu teilen. Miteinander Hand in Hand durch die Stadt gehen. Alle sollen sehen, dass wir beide zusammengehören. Ein schönes Gefühl, das mich stolz macht — dieses Wissen, dass du an meiner Seite bist ... Ja, genau du. Dich meine ich. Nur dich ...

    Sehnsucht nach dir zu haben, wenn du ein paar Tage verreist. In der stillen Wohnung liegen und an dich denken, nachdem du am Telefon gesagt hast, dass du gut angekommen bist ... Auch das ist sicherlich ein Teil dessen, das man Liebe nennt ... Weißt du was? Mach jetzt einfach mal die Augen zu und genieße den Duft der roten Rose, die ich dir mitgebracht habe. Schau dir in Ruhe an, wie sie blüht ...

    Cottbus, 12. 02. 2006 Für I. F.

    Belinda Grasnick Normal Belinda Grasnick 2 2012-10-24T09:12:00Z 2012-10-24T09:16:00Z 107 104794 574915 4790 1356 678353 14.00

    Das Parteidokument

    (Aus dem Roman „Tagebuch für Friederike")

    Da flattern die Schnipsel im stürmenden Wind. Nicht einer hält sie auf. Man reißt ganz eilig und geschwind die Maske lieber rauf. Und drückt sie rasend ins Gesicht, damit niemand erkennt, dass drunter ist ein kleiner Wicht, der nur für Wohlstand brennt ...

    Genossen! Schließt eilig euer Haus! Lasst niemanden hinein und trauert weiter hier in Saus und Braus mit Schnaps bei Kerzenschein ... So wird dann euer Blick hingleiten zur Wand an der noch immer hängt — der „Honni" wie in besten Zeiten ... Ob alles mal von vorn anfängt .?

    Ich stehe auf nem’ morschen Rand, weiß leider weder aus noch ein. Halt fest mich an der Rettungswand und fluche leis im grauen Schein. Verronnen ist die Jugend; zerstört mein Ideal. Es bleibt ein Fünkchen Tugend und Angst dem Prinzipal ...

    Nun frage ich: was soll geschehn? Wer hilft mir da heraus? Muss jetzt wohl neue Wege gehn. Das Allerbeste machen draus ...

    Übrigens: Wenn es keine dummen Menschen geben würde, bräche mit einem Schlag die Welt zusammen. Woher wüssten dann die Klugen, dass sie klug sind?

    Belinda Grasnick Normal Belinda Grasnick 2 2012-10-24T09:12:00Z 2012-10-24T09:16:00Z 107 104794 574915 4790 1356 678353 14.00

    Das Parteidokument

    (Noch einmal - fünfzehn Jahre später)

    Da flattern die Schnipsel im stürmenden Wind. Nicht einer hält sie auf ... Man reißt ganz eilig und geschwind die Maske lieber rauf. Und drückt sie rasend ins Gesicht, damit niemand erkennt, dass drunter ist ein kleiner Wicht, der nur für Wohlstand brennt ...

    Genossen! Schließt eilig euer Haus! Lasst niemanden hinein und trauert weiter hier in Saus und Braus mit Schnaps bei Kerzenschein. So wird dann euer Blick hingleiten zur Wand an der noch immer hängt — der „Willi" wie in besten Zeiten ... Ob alles mal von vorn anfängt .?

    Verronnen ist die Jugend; zerstört das Ideal. Es bleibt ein Fünkchen Tugend und Angst vorm Kapital ... Ich stehe nun am Wegesrand; schau in das Morgenrot. Nach links der Pfad ist „abgesperrt und rechts liegt „brauner Kot ...

    Erschlichener Reichtum und sozialer Verrat; das bringt ihn zum Wanken — den Vater Staat. Die Arbeit und Wohlstand — sie fließen dahin und mit ihnen auch des Lebens Sinn .Wenn niemand mehr weiß, wofür und warum, dann wird es gefährlich, denn dann bleibt man dumm ...

    Übrigens: Sollte es tatsächlich irgendwann keine klugen Menschen mehr geben, bräche die Welt vielleicht doch nicht gleich zusammen. Weil wir ohne sie wahrscheinlich ganz schnell aussterben würden ...

    Rinteln, 15. 04. 2006

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    Persönlicher Nachruf

    Teil I (1990)

    Wo ist Genosse Schimmelhecht

    geblieben wohl mit meiner Frau?

    Wer’s weiß, der gebe mir zu Recht

    nun Antwort bitte ganz genau...

    In einem großen Schulungshaus

    verlief sich heiß die letzte Spur.

    Dort brach man ständig mit Applaus

    fast jeden alten Eheschwur.

    Denn was des Bonzen Gier und Glück

    im Wege stand, wurd’ „weggedacht ".

    Man hat den Frauen Stück für Stück

    angeblich Freiheit leicht gemacht.

    Sie gaben hin sich — oh Moral,

    mit ungeahnter Leidenschaft.

    Im freien Sex, da hat fatal

    gewirkt die „Überzeugungs"kraft...

    Und nun ich grüße jene Frau,

    an der mal hing mein ganzes Herz.

    Die damals glaubte — sie sei schlau.

    Vorbei ist fast in mir der Schmerz.

    Es gibt kein Weg zu ihr zurück.

    Die Dunkelheit verschluckt den Schrei.

    Werd’ suchen jetzt das richt’ge Glück

    und fühl’ mich heute endlichfrei...

    Teil II (2006)

    Die Wende kam — verdammt — zu früh;

    dem ach so herzensguten Mann,

    um abzusahnen ohne Müh’

    wie’s mancher Chef noch immer kann.

    Sein Weib wollt’ nicht zufrieden sein

    mit einem Kerl im „Heizer"stand,

    denn Liebe hat den schönsten Schein

    für sie nur im Schlaraffenland...

    Der Ärmste sucht heut klagend Trost

    an jenem Punkt, wo ich mal stand.

    Wie trotzig klingt sein lautes „Prost!"-

    schallt hin und her von Wand zu Wand.

    Was früher er ganz leis belacht,

    das holt ihn endlich rauschend ein.

    Sich deutlich nun bemerkbar macht,

    die Wirklichkeit getrennt vom Schein.

    Noch einmal grüß’ ich jene Frau -

    und das soll sein kein übler Scherz -

    die immer glaubte, sie sei schlau.

    Vorbei ist längst der tiefe Schmerz.

    Ich geh’ nie mehr zu ihr zurück.

    Das Morgenrot; da dämmert’s hin.

    Wo ist sie nur — mein neues Glück?

    Und nimmt mich mit, so wie ich bin ...

    Frankfurt/Oder 31.05.2006

    Belinda Grasnick Normal Belinda Grasnick 2 2012-10-24T09:12:00Z 2012-10-24T09:16:00Z 107 104794 574915 4790 1356 678353 14.00

    Die Katze und der Vogel

    Ich saß am Computertisch und war gerade mit einer Tupolev 134 auf dem Weg von Nadi (Fidschi-Inseln) nach Sydney. In vier Stunden musste der Flug beendet sein, weil ich um dreizehn Uhr fünfzehn mit einer Kollegin verabredet war — wir wollten zusammen zum Spätdienst fahren.

    Das GPS-Display zeigte knapp eintausenddreihundert Meilen an, die noch zu fliegen waren. Da blieb mir nach der Landung genug Zeit, um das Mittagessen warm zu machen und die Arbeitsbrötchen zu schmieren. Der Autopilot steuerte wie in der Wirklichkeit das Flugzeug und ich genoss den warmen Sommermorgen. Lena streunte irgendwo da draußen herum; deshalb stand das Fenster offen.

    Ab und zu kam sie herein und fraß ein bisschen vom hingestellten Teller. Oder sie sagte einfach nur Miau, sah mich mit ihren grünen Augen an und verschwand dann wieder. Irgendwann würde sie müde sein und sich auf der Couch einrollen. So war das jeden Morgen wenn ich frei hatte oder nachmittags arbeiten ging.

    Träge grübelte ich vor mich hin, hatte im Ohr das gleichmäßige, monotone Triebwerksgeräusch und plötzlich machte es Taps. Meine Lena sprang in die Wohnung und lief ziemlich schnell an mir vorbei. Ungewöhnlich schnell. Ich schaute in ihre Richtung und sah, dass sie irgendetwas im Maul hatte. Mein erster Gedanke war: sie schleppt mir eine tote Maus ins Zimmer. Eine Kollegin aus der JVA ... erzählte mal vor Monaten, dass Katzen so was machen und so ihre Dankbarkeit zeigen wollen. Für das Futter, das man ihnen täglich gibt ...

    Wie elektrisiert stand ich auf und folgte dem Tier. Sie saß inzwischen in der Küche unter der Spüle und das, was sie eben noch zwischen den Zähnen hatte, lag vor ihr und rührte sich nicht. Es war aber keine Maus. Es war ein Vogel ...

    Ein Spatz? Das konnte ich nicht erkennen — oder um ehrlich zu sein — ich wusste nicht, wie so ein Spatz aus der Nähe betrachtet aussah. Jedenfalls blieb es mucksmäuschenstill. Kein einziges Tschiep Tschiep drang aus dem winzigen Kehlchen. Entweder war der kleine Kerl bereits tot oder seine Muskeln waren wegen der panischen Angst wie gelähmt. Gleich würde der letzte Biss seinem Leben ein Ende bereiten. Aber Lena dachte nicht daran, den Vogel zu fressen. Ihr Magen war voll und sie wollte einfach nur ein bisschen spielen. In dem Augenblick ging mir durch den Kopf, wie sinnlos doch manchmal der Tod sein konnte. War auf einmal da — völlig unerwartet — und schlug erbarmungslos zu. Mit samtigen Tatzen und scharfen Krallen ...

    Aufmerksam beobachtete die Katze ihre Beute und tippte sie ganz vorsichtig mit der Pfote an. Los — beweg dich! Flüchte vor mir, damit ich dich einfangen kann. Doch der Piepmatz rührte sich nicht. Ich wollte schon eine Kehrschaufel holen und ihn nach draußen bringen — da flatterte er auf einmal fast wie ein Blitz ganz dicht an mir vorbei hoch und stieß leicht mit dem Kopf an die Decke, weil er die eigene Steiggeschwindigkeit nicht rechtzeitig abbremsen konnte. Wir beide erschraken heftig. Lena versuchte noch, den kleinen Kerl mit der Pfote zu erwischen, doch er war einfach schneller. Flog mit wilden Flügelbewegungen ins Wohnzimmer bis zur Schrankwand und verschwand dahinter. Zwischen deren Rückwand und der Tapete waren höchstens zehn Zentimeter Platz und ich dachte: jetzt sitzt der arme Vogel in der Falle. Da konnte er nicht mehr entkommen ...

    Lena schaffte es irgendwie, in den Spalt zu kriechen und nun hörte ich wieder das laute Flügelschlagen. Der Piepmatz tauchte tatsächlich oben auf (kaum zu glauben, aber ich sah es mit eigenen Augen. Wie er das gemacht hatte? Keine Ahnung .) und irrte anschließend im Raum hin und her. Das Fenster stand immer noch offen. Warum flog er nicht einfach hinaus ins Freie — in die rettende Freiheit?

    Offensichtlich war das kleine Wesen wegen der davor hängenden Gardine irritiert und wusste deshalb nicht, wie es rauskommen sollte. Einige Sekunden später befand sich der Vogel wieder hinter der Schrankwand (für ihn war das wohl so, als säße er dort in einer sicheren „Baumhöhle") und die Katze dachte erst, ihre Beute sei diesmal in die Küche geflohen.

    Nun beschloss ich, in das Geschehen einzugreifen. Unser „Besucher" konnte da nicht ewig bleiben, also schaute ich nach und in dem Moment flatterte der kleine Kerl noch einmal mit kurzen, ruckartigen Bewegungen hoch in Richtung Decke. Jetzt flog er aber zum Fenster und landete oben auf dem geöffneten Flügel. Lena sprang zwar noch hinterher, aber sie kam nicht an den Vogel ran. Das war ein Bild — der ängstliche Piepmatz auf dem weiß gestrichenen Holzrahmen und etwa ein Meter darunter wartete die lauernde Katze. Sie ließ ihn nicht aus den Augen ...

    Und dann segelte er mutig über Lena hinweg nach draußen und mir fiel ein Stein vom Herzen. Die Katze schaute regungslos hinterher und schien sich zunächst nicht damit abfinden zu wollen, dass das „Spiel" nun zu Ende war. Langsam lief sie über den Teppich, sah dann in der Küche und hinter der Schrankwand nach. Aber der Vogel war weg und ich freute mich im Stillen für ihn. So ein tapferes, kleines Wesen ... Das nächste Mal würde es bestimmt besser aufpassen und rechtzeitig verschwinden, wenn Lena oder einer ihrer Artgenossen in seine Nähe kam ...

    Übrigens: Heute endete der Flug pünktlich und planmäßig aufder Bahn 34 links des Kingford-Smith Airport von Sydney ...

    Eisenhüttenstadt, 22. 06. 2006

    Belinda Grasnick Normal Belinda Grasnick 2 2012-10-24T09:12:00Z 2012-10-24T09:16:00Z 107 104794 574915 4790 1356 678353 14.00

    Rinteln Info

    15. Juli 2006, zehn Uhr zwanzig. Wir hatten gerade die Stadt verlassen und würden in fünf Minuten den Flugplatz erreichen. Ich war ein bisschen skeptisch: Vor sechs Tagen scheiterte hier schon einmal der Versuch, mit den Kindern einen Gastflug zu machen und es gab eigentlich keinen Grund anzunehmen, dass wir heute mehr Glück haben würden.

    Am vergangenen Sonntag saßen Anna Lena, Oliver und ich fast drei Stunden vor dem Tower auf der kleinen Veranda und sahen in der Zeit gerade mal zwei Starts. Eine „Morane flog ab in Richtung Osten und etwas später verabschiedete sich eine blauweiß bemalte „Cessna mit lauten Motorgeräuschen und verschwand bald im Dunst der Wolken, die sich mehr und mehr ringsum über den Bergen aufbauten.

    Ich war ein bisschen sauer, denn wir hatten uns vorher beim Flugleiter gemeldet. Er wollte seine Piloten fragen, ob von ihnen jemand Lust darauf hatte, mit uns eine Runde über Rinteln zu drehen. Aber offensichtlich war keiner mehr da. Der Mann hätte wenigstens Bescheid sagen können. Als ich noch einmal die Treppe hinaufstieg, um nachzufragen, war die mit einem Knauf versehene Eingangstür zu und ließ sich von außen nicht öffnen. Kurz entschlossen drehte ich mich um und forderte die Kinder auf, mir zum Auto zu folgen. Der Flug hätte dreiundneunzig Euro gekostet und es gab natürlich tausend andere Möglichkeiten, das Geld im Urlaub auszugeben ...

    Da tauchte endlich die Abfahrt zum Flugplatz auf. Ich bog

    von der Hauptstraße ab und fuhr zügig auf dem schmalen bi-tumierten Weg entlang. Diesmal würden wir nicht so lange warten. Heute Nachmittag lagen vierhundert Autobahnkilometer vor uns und ich wollte die verbleibende Zeit bis zur Heimfahrt keinesfalls sinnlos vergeuden.

    Das Wetter war ja wirklich fantastisch. Ein paar Wolken hingen seidig glänzend am strahlend blauen Himmel und die Sicht schien sehr gut zu sein — nirgendwo gab es Dunstschleier. Ich parkte meinen Renault Twingo im Schatten des Hangars und betrat mit den Kindern das Fluggelände. Zwei Männer saßen auf der Veranda und unterhielten sich angeregt. Rechts auf der Wiese standen mehrere Motorflugzeuge — eine gelb weiß lackierte Maschine mit dem Kennzeichen D-EEIM, die irgendwann einmal in Frankreich gebaut worden war (ich hatte keine Ahnung, wie die Typenbezeichnung hieß) und dahinter blinkte im Sonnenlicht die bereits oben beschriebene „Cessna" ...

    Bei dem Anblick lachte das Fliegerherz in mir. Ob es heute funktioniert? Anna Lena war zwar schon in Verkehrsflugzeugen mitgeflogen, aber das hier würde für sie eine ganz neue Erfahrung sein. Mit Oliver hatte ich schon zwei Flüge in der Eisenhüttenstädter „Morane" absolviert — er wusste deshalb, was gleich auf uns zukommen würde.

    „Entschuldigen Sie bitte — wir möchten einen Gastflug machen."

    Der ältere Herr unterbrach das Gespräch, sah mich an und antwortete dann freundlich:

    „Sie wissen, was das kostet?"

    „Klar — ich habe hundert Euro im Portemonnaie ."

    „Gut — willst du?" Sein Gegenüber zögerte kurz:

    „Na klar — von mir aus und stand auf. Ich übergab beide Geldscheine. Jetzt war die Sache perfekt. Es konnte losgehen. Vor der französischen „Motormühle blieben wir stehen und der Pilot meinte, dass wir mit diesem Flugzeug fliegen würden, weil es bereits ordnungsgemäß gecheckt war.

    Ich half den Kindern beim Einsteigen und ermahnte sie, nicht auf die Landeklappe zu treten. Dann setzte ich mich auf den rechten vorderen Platz, schnallte Anna Lena, Oliver und mich selbst an und überprüfte gleich, ob die Gurte fest genug angezogen waren. Auch der Pilot stieg nun ein und startete mit einem Schlüssel die Zündung des Motors. Der sprang sofort an. Wir waren bereit und meldeten uns über Funk:

    „Delta Mike rollt mit drei Fluggästen zur Startbahn elf." Vom Tower kam prompt die Bestätigung. Ein letzter Kon-trollblick — der Mann neben mir gab Gas und wir setzten uns in Bewegung. Die Kinder wirkten ein wenig angespannt. Angst? Und wenn schon — gleich würden wir in der Luft sein und alle irdischen Sorgen hinter uns lassen. In wenigen Minuten tauchen wir in das azurfarbene Blau der Atmosphäre und sind eins mit der Maschine, die uns hoch über die Berge zu den Wolken trägt ...

    Wie oft hatte ich das schon im Segelflugzeug erlebt und es war jedes mal dasselbe: Sobald die „Kiste" abhob, fühlte ich mich seltsam frei und unbeschwert glücklich wie ein Kind, dass gerade zum ersten Mal das vorher heiß begehrte Spielzeug in den Händen hielt.

    Inzwischen erreichten wir die Startbahn und bewegten uns zum Endpunkt. Aus Sicherheitsgründen war vorgeschrieben, dass man die ganze Piste für den Abflug nutzte. Wenn der Motor versagte, musste genügend Rollfläche bleiben, um rechtzeitig zum Stehen zu kommen ...

    „Oliver — schau mal. Die Funkfrequenz von Rinteln Info ist eingestellt. 122.92."

    Er nickte und sah weiter nach draußen. Wir drehten uns am Ende der Bahn in Startrichtung und der Pilot wandte sich nach hinten zu den Kindern.

    „Was ist? Woll’n wir .?"

    Beide nickten. Der Tower bestätigte die Erlaubnis zum Abheben. Volllast. Unser Motor brüllte auf und Anna Lena krümmte sich ein wenig zusammen. Nun fürchtete sie sich doch ... Eine Minute später flog die Maschine, das Kind beru-higte sich und wirkte dann noch etwas entspannter, als wir in einer Höhe von achthundert Fuß die erste Linkskurve einleiteten.

    Jetzt nahm der Pilot die Leistung auf Dreiviertel zurück und wir sackten ein paar Meter ab. Es kribbelte zwei, drei Sekunden im Bauch und dann ging der Flug ganz normal weiter. Was für ein Panorama lag plötzlich vor uns: Die Weser schlängelte sich wie ein silbriges Band durch die Landschaft; dahinter standen dichtgedrängt viele Häuser und auf den beiden Brücken rollten Spielzeugautos hin und her. Wir flogen in Richtung Klippenturm, der einhundertachtzig Meter über der Stadt auf einem Berg thronte. Von dort hatte man den besten Ausblick über das ganze Tal, wenn die Wetterbedingungen so waren wie heute.

    Der Pilot sprach mich an:

    „Geh mal in die Seitenruderpedalen und halte das Flugzeug im Geradeausflug".

    Klar — warum nicht. Die „Kiste" reagierte aufjede Bewegung, die ich nun mit dem Steuerknüppel machte. War das ein irres Gefühl. Der Mann neben mir hatte seine Hände auf die Schenkel gelegt und ließ mich einfach machen. Natürlich würde er sofort eingreifen, wenn es gefährlich wird.

    Der Motor arbeitete mit gleichbleibender Leistung und schon nach wenigen Minuten wusste unser Pilot, dass dies nicht mein erster Flug war. Die Kinder beobachteten aufmerksam das Gelände.

    „Papa — hinter dem Berg ist die A2", riefOliver und ich nickte.

    „Wir müssen jetzt links abkurven, sonst wird die Sicherheitshöhe unterschritten."

    Fast unter uns befand sich nun der von mir angesteuerte Turm und ich betätigte gleichzeitig den Knüppel und die Pedalen. Oh — was war das? Die Maschine hatte plötzlich zu viel Schräglage und „rutschte über den hängenden Flügel einige Meter in die Tiefe. Ich versuchte mit dem Querruder gegenzuhalten und atmete erleichtert auf, als sie sich „gehorsam in die Normalfluglage zurückdrehte. Der Pilot riet mir mit einem Lächeln auf den Lippen, bei der nächsten Kurve das Sei-tenruder nur kurz anzutippen. Das hier war eben doch kein Segelflugzeug ...

    „Papa — guck mal nach rechts — da fliegt noch jemand herum."

    Stimmt, der Junge hatte recht. Etwa fünfhundert Meter von uns entfernt kurvte ein weiß lackierter Segler und versuchte, thermische Aufwinde auszunutzen. Was für ein schöner Anblick . Man konnte sehen, wie er immer weiter nach oben stieg. Herrlich — wir waren nicht allein unter den Wolken und mussten darauf achten, dass der Mindestabstand zwischen den Flugzeugen eingehalten wird.

    „Kinder — wo ist der Flugplatz?"

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