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WAS SAGEN WIR DER WITWE?: Ein Kriminal-Roman aus Norddeutschland
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eBook230 Seiten3 Stunden

WAS SAGEN WIR DER WITWE?: Ein Kriminal-Roman aus Norddeutschland

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Über dieses E-Book

Er öffnete den Brief mit einem energischen Schnitt.
Der zweimal gefaltete weiße Bogen war mit einer eckigen, technoid wirkenden Type geschrieben worden. Die wenigen Zeilen lauteten:
Professor Kamphuut, in Ihrer Klinik ereignen sich Unregelmäßigkeiten, die in den Bereich des Kriminellen gehören. Dafür sind Sie verantwortlich. Sie stellen falsche Totenscheine aus. Das Todesdatum stimmt nicht. Muss ich deutlicher werden? Sie wissen, worauf ich mich beziehe. Ich fordere Sie deshalb auf, vorerst eine halbe Million bereitzuhalten. Sonst haben die Dinge unangenehme Folgen für Sie.

WAS SAGEN WIR DER WITWE? war der elfte Kriminal-Roman deutschen Schriftstellers Detlef Wolff (* 30. Oktober 1934 in Thale; † 2004 in Bremen) und erschien erstmals im Jahr 1986.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum30. Jan. 2020
ISBN9783750223110
WAS SAGEN WIR DER WITWE?: Ein Kriminal-Roman aus Norddeutschland

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    Buchvorschau

    WAS SAGEN WIR DER WITWE? - Detlef Wolff

    Impressum

    Copyright © by Detlef Wolff/Apex-Verlag/Successor of Detlef Wolff.

    Lektorat: Dr. Birgit Rehberg.

    Cover: Christian Dörge/Apex-Graphixx.

    Satz: Apex-Verlag.

    Verlag: Apex-Verlag, Winthirstraße 11, 80639 München.

    Verlags-Homepage: www.apex-verlag.de

    E-Mail: webmaster@apex-verlag.de

    Alle Rechte vorbehalten.

    Inhaltsverzeichnis

    Impressum

    Das Buch

    WAS SAGEN WIR DER WITWE?

    Erstes Kapitel

    Zweites Kapitel

    Drittes Kapitel

    Viertes Kapitel

    Fünftes Kapitel

    Sechstes Kapitel

    Das Buch

    Er öffnete den Brief mit einem energischen Schnitt.

    Der zweimal gefaltete weiße Bogen war mit einer eckigen, technoid wirkenden Type geschrieben worden. Die wenigen Zeilen lauteten:

    Professor Kamphuut, in Ihrer Klinik ereignen sich Unregelmäßigkeiten, die in den Bereich des Kriminellen gehören. Dafür sind Sie verantwortlich. Sie stellen falsche Totenscheine aus. Das Todesdatum stimmt nicht. Muss ich deutlicher werden? Sie wissen, worauf ich mich beziehe. Ich fordere Sie deshalb auf, vorerst eine halbe Million bereitzuhalten. Sonst haben die Dinge unangenehme Folgen für Sie.

    Was sagen wir der Witwe? war der elfte Kriminal-Roman deutschen Schriftstellers Detlef Wolff (* 30. Oktober 1934 in Thale; † 2004 in Bremen) und erschien erstmals im Jahr 1986.

    WAS SAGEN WIR DER WITWE?

    Erstes Kapitel

    »Wollen Sie, dass ich das so zu Protokoll nehme?«, fragte der junge Wachtmeister. »Sie müssen’s ja wissen. Ich war nicht dabei.« Misstrauisch sah er auf den Mann in dem Krankenbett. »Oder stehen Sie unter Medikamenteneinfluss? Wir können noch mal wiederkommen. Es wäre uns aber schon lieber, wenn Sie Ihre Aussage gleich machen könnten. Je früher die Ermittlung anläuft, desto besser. Andererseits...« Er zuckte die Achseln. »Es war Ihr Unfall. Wir sind nur für die Strafverfolgung zuständig. Aber dafür brauchen wir nun mal handfeste Angaben von Ihnen, sonst sehen wir alt aus.«

    »Sie können das so zu Protokoll nehmen.« Hermann Lurrup fasste mit der linken Hand an den bandagierten Arm. Sein hageres Gesicht legte sich in Schmerzfalten. Er biss sich auf die schmalen Lippen. »Ich kann Ihnen keine anderen Angaben machen. Geben Sie sich damit zufrieden«, sagte er dann ungehalten.

    »Gut. Ich fasse also zusammen. Sie befuhren die Schlossstraße in Richtung Ferdinandplatz...«

    »Das habe ich Ihnen alles gesagt.« Unwillkürlich bewegte Lurrup den Kopf. Die Bewegung kam abrupt zum Stillstand. Seine Lippen öffneten sich zu einem lautlosen Fluch.

    »Halswirbel, was?«, fragte der Wachtmeister. »Sie hätten einen Genickbruch haben können. Unfälle wie Ihrer enden meist tödlich.«

    »Kommen Sie zum Schluss«, sagte Lurrup.

    »Ja. Ich brauche das jetzt zum Mitschreiben. Oder wollen Sie diktieren? Sie als Fabrikant...«

    »Diktieren ist nicht meine Stärke. Ich bin Techniker. Fragen Sie mich lieber aus. Es scheint ja nicht anders zu gehen.«

    »Also... Schlossstraße in Richtung Ferdinandplatz.« Der Wachtmeister machte sich Notizen. »Bei der Einmündung Höckerstraße wurden Sie und Ihr Wagen von einem aus besagter Straße herausschießenden Kraftfahrzeug unbekannter Bauart förmlich gerammt.«

    Lurrup versuchte zu nicken. »Gerammt ist übertrieben. Sagen wir angefahren.«

    »Wie Sie wollen. Sie fuhren einen Kleinwagen.« Der Wachtmeister stellte dies mit einem verwunderten Blick fest.

    »Den Zweitwagen meiner Frau. Sie liegt zurzeit in den Städtischen Krankenanstalten. Normalerweise darf ich den gar nicht benutzen. Naja, jetzt kann ich ihr gleich das neue Modell kommen lassen. Die Reparatur lohnt bestimmt nicht.«

    »Kaum. Der ist schrottreif. Hatte Ihre Frau auch einen Unfall?«

    »Nein. Schwangerschaftskomplikationen. Ich werde Vater. Und das in meinem Alter. Übrigens zum ersten Mal. Sie können das auch zu Protokoll nehmen.« Lurrup lag still und lächelte stolz. »Oder tut das nichts zur Sache?«

    »Wenn Sie schwanger wären, dann vielleicht. Da ist manchmal verändertes Fahrverhalten zu beobachten. So kann man Ihnen nur gratulieren. Wie alt sind Sie?«

    »Zweiundsechzig. Chaplin war älter, als er zum ersten Mal Vater geworden ist.«

    »Stark«, sagte der Wachtmeister. »Sie trugen bei dem Unfall folgende Verletzungen davon... Nein, die genauen Angaben zu Ihren Verletzungen lasse ich mir vom medizinischen Personal geben.«

    »Professor Kamphuut ist ein alter Schulfreund von mir«, warf Lurrup ein.

    »Weiter. Fahrzeugtyp unbekannt. Über die Farbe können Sie auch keine Angaben machen...«

    »Nein.«

    »Es muss ein schwerer Wagen gewesen sein.«

    »Die Höckerstraße ist abschüssig. Vielleicht haben seine Bremsen versagt.«

    »Das ist kein Grund, Fahrerflucht zu begehen. War es ein Fahrer oder eine Fahrerin?«

    »Wie oft muss ich Ihnen noch sagen, dass ich nichts wahrgenommen habe. Ich kann mich an nichts erinnern. Ich hatte mich auf andere Dinge konzentriert. Natürlich auch auf den Straßenverkehr«, setzte Lurrup hinzu. »Kann sein, dass mein Gedächtnis später wieder einsetzt. Im Augenblick weiß ich jedenfalls nichts. Vielleicht hat Professor Kamphuut dafür eine Erklärung.«

    »Ich werde mal fragen.« Der Wachtmeister kritzelte in seinem Notizbuch herum. »Sie befahren die Schlossstraße regelmäßig und fast immer um die gleiche Uhrzeit?«

    »Täglich«, antwortete Lurrup. »Ich bin meist noch sehr spät im Labor. Meine Erfindungen sind mein bestes Kapital.«

    »Man könnte sich also darauf einstellen, dass Sie in den späten Abendstunden durch die Schlossstraße kommen. Wenn dann jemand die Absicht hätte...«

    Lurrup unterbrach den Wachtmeister. »Wollen Sie den Unfall als Mordversuch hinstellen?« Er atmete schnell und griff sich an die graubehaarte Brust. »Lassen Sie sich zur Kriminalpolizei versetzen. Ich habe keine Feinde. Und die ich habe, mit denen werde ich allein fertig. Ich bin mein ganzes Leben lang alleine fertig geworden.«

    Der Wachtmeister machte eine beschwichtigende Handbewegung. »Das glaube ich Ihnen ja. Es ist nur merkwürdig, dass Sie gar nichts wahrgenommen haben wollen.«

    »Der andere Wagen muss ohne Licht gefahren sein.«

    »Ist er auch. Das ist das einzige, was uns Zeugen bestätigen können. Nach dem Unfall hat sich das Fahrzeug mit hoher Geschwindigkeit entfernt. Schade. Die Schlossstraße ist eine reine Geschäftsstraße. Da herrscht um die Zeit kaum noch Verkehr, und Fußgänger sind erst recht nicht unterwegs.«

    »Deshalb nehme ich ja den Weg. Die kürzeste Entfernung zwischen der Firma und meiner Wohnung ist das nicht. Trotzdem spare ich am Ende etwa fünf Minuten.«

    »Sie beschäftigen keinen Fahrer?«

    »Auf dem Papier schon. Aber der ist bei mir mehr Mädchen für alles. Ich kann dem Mann nicht zumuten, immer bis gegen Mitternacht auf mich zu warten. Abends fahre ich deshalb meist selbst. Und im Übrigen... Kleinwagen mit Chauffeur. Wie sieht das denn aus?«

    Der Wachtmeister lächelte. »Wir haben den Wagen sichergestellt. Vielleicht lässt sich ja noch was ermitteln.«

    »Wieso sichergestellt? Ich lasse den sofort verschrotten. Wenn ich hier rauskomme, will ich an den Vorfall nicht mehr erinnert werden. Vielleicht können Sie das verstehen?«

    »So einfach können wir uns das nicht machen«, sagte der Wachtmeister. »Wir müssen das im Auge behalten. Manchmal ergeben sich im Zusammenhang mit anderen Straftaten noch Hinweise. Es kann ja sein, dass der gerade von einem Einbruch gekommen ist und deshalb kein Licht anhatte.«

    »Das wäre eine Erklärung«, sagte Lurrup. »Daran habe ich noch gar nicht gedacht. Versuchen Sie mal festzustellen, ob da in der Nähe ein Einbruch war.«

    »In der Gegend wird häufiger eingebrochen, und die Aufklärungsquote ist leider nicht sehr hoch. Manchmal hilft der Zufall. Auf den werden wir bei Ihnen wohl besonders angewiesen sein.« Der Wachtmeister klappte sein Notizbuch zu. »Sollte Ihnen noch was einfallen...«

    »Dann lasse ich Sie das umgehend wissen«, sagte Lurrup.

    »Vorläufig mal gute Besserung. Auf Wiedersehen.«

    Lurrup antwortete nicht. Er sah zur Decke des Krankenzimmers hinauf und schloss die Augen, als er allein war. Zischend atmete er durch die Zähne. Dann wälzte er sich stöhnend halb auf die Seite. Mit der unverletzten Hand zog er das grüne Telefon an die Kante des Nachttischs. Er hob den Hörer ab und legte ihn neben sich auf das Kopfkissen. Langsam wählte er eine siebenstellige Nummer.

    »Lurrup. Verbinden Sie mich mit der Wohnung von Bertram. - Ja, das weiß ich auch, dass der jetzt vermutlich schläft. Lassen Sie’s läuten, bis er wach ist. - Hören Sie, Bertram, ich hatte einen Unfall und liege in der Klinik von Professor Kamphuut. - Unterbrechen Sie mich nicht. Ich weiß auch, dass das mit Ihnen nicht passiert wäre. Weshalb ich anrufe: Sie gehen jetzt rüber in die Villa. In meinem Schreibtisch, oben in der rechten Schublade, liegt ein Band Grundwissen der Metallurgie, den bringen Sie mir sofort her. - Dann nehmen Sie eben ein Taxi, wenn der Wagen in der Inspektion ist. - Das Buch ist innen ausgehöhlt. Erschrecken Sie nicht, falls Sie’s aufschlagen. Da liegt eine Pistole drin. Prüfen Sie am besten mal nach, ob die überhaupt geladen ist. Ich habe das Ding nie gebraucht. - Ja, jetzt könnte ich sie gebrauchen. Legen Sie zur Tarnung ein paar andere Bücher dazu. Nehmen Sie einfach was aus dem Regal. - Es kontrolliert Sie keiner. Ich sage Bescheid, dass ich meinen Fahrer erwarte. Und Maria soll Ihnen zusammenpacken, was man im Krankenhaus so braucht. Dass mir übrigens keiner auf die Idee kommt, meine Frau zu benachrichtigen. Das mache ich selber. Immerhin lebe ich ja noch. - Danke.«

    »Sind Sie die behandelnde Ärztin?«, erkundigte sich der Wachtmeister. »Sonst müsste ich mal jemand sprechen, der...«

    »Nein, ich bin die Ärztin«, sagte Elke Riegella. »Ich wüsste allerdings nicht, wie ich Ihnen behilflich sein kann. Herr Lurrup ist bei Bewusstsein und kann Ihnen alle Fragen beantworten.« Sie strich sich über die kurzgeschnittenen blonden Haare, dann schob sie die Hände in die Taschen des Ärztekittels.

    »Er ist nicht sehr mitteilsam«, meinte der Wachtmeister. »Wie sind denn die Verletzungen?«

    »Er hat relativ viel Glück gehabt. Im Wesentlichen handelt es sich um mehr oder weniger schwere Prellungen und ein paar Schnittwunden. Alles in allem nichts Ernsthaftes. Der ist bald wieder draußen.«

    »Sie brauchen also nicht zu operieren?«

    »Prellungen kann man nicht operieren. Es sind auch keine Komplikationen zu befürchten.«

    »Schade.« Der Wachtmeister sah die überschlanke Ärztin enttäuscht an.    

    Elke Riegella lächelte zu dem Wachtmeister hinauf. »Medizinisch wäre jede Operation sinnlos.«

    »Polizeilich nicht.«

    »Aus polizeilichen Gründen operieren wir aber nicht. Was sollte denn das bringen?«

    »Manche Leute sollen ja unter Narkose anfangen zu reden.«

    »Das kommt seltener vor, als Laien meinen. Und wenn, dann unterliegen wir der ärztlichen Schweigepflicht.« Sie nahm die randlose Brille ab und blinzelte kurzsichtig. Ohne die Brille machte sie einen weniger strengen Eindruck. »Was sollte er denn in der Narkose verraten?«

    »Wer ihn angefahren hat.«

    »Vielleicht weiß er es ja wirklich nicht.«

    »Das nehme ich ihm nicht ab. Ich habe meine Erfahrung mit Unfallopfern. Die verhalten sich anders. Meist wollen sie mehr gesehen haben, als überhaupt passiert ist. Der da drin stellt sich einfach dumm.« Der Wachtmeister deutete mit dem Daumen auf die Tür des Zimmers, in dem Hermann Lurrup lag. »Aber da kann man eben nichts machen. Wenn er denn nicht will... Wissen Sie übrigens, dass er Vater wird?«

    »Nein. Wir sind hier keine Frauenklinik.«

    »Ich meine nur... Ist das nicht ein bisschen ungewöhnlich in seinem Alter?«

    »Als Wunder kann man das nicht bezeichnen«, sagte Elke Riegella.

    »Ich dachte nur, dass das Kind vielleicht nicht von ihm ist und der werte Liebhaber...«

    »Ich dachte immer, Polizisten haben keine Phantasie«, unterbrach ihn Elke Riegella. »Aber überlegen Sie mal. Dann hätte er ja eher Grund gehabt, den Liebhaber überzumangeln.«

    »Stimmt eigentlich, Frau Doktor«, sagte der Wachtmeister. »Nichts für ungut. Vielleicht sehen wir uns ja noch mal.«

    »Das glaube ich nicht. Ich habe dauernd Nachtdienst.«

      Zweites Kapitel

    »Wo hast du dich denn so lange rumgetrieben?«

    »Auf der Station. Wo denn sonst schon?« Schwester Brigitte schnippte eine Zigarette aus der Packung.

    Elke Riegella nahm ihr das Feuerzeug aus der Hand und ließ es mit ausgestrecktem Arm aufflammen. »Komm mal ein bisschen näher. Noch näher.« Sie bewegte die Flamme auf sich zu.

    Schwester Brigitte folgte ihr mit der Zigarette im Mund. »So wird das nichts«, murmelte sie.

    »Soll es auch nicht. Du mit diesen albernen Damenzigaretten. Für Männerhände zu schade, oder wie die Reklame heißt.« Elke Riegella nahm der Nachtschwester die Zigarette aus dem Mund. »Küss mich, bevor du nach Rauch schmeckst.«

    »Was meinst du denn, wie du nach deinem französischen Männerkraut schmeckst?« Mit gelangweilter Miene hielt Schwester Brigitte der Ärztin den Mund hin. - »Au! Du hast mich gebissen! Meine Lippe blutet. Sadistin!«

    Elke Riegella reichte ihr die Zigarette. »Das ist die Strafe fürs Wartenlassen.« Sie hielt Schwester Brigittes Hand fest. »Wisch nicht mit dem Ärmel drüber, du kriegst sonst Blut an den Kittel. Der Chef sieht das nicht gern.«

    »Der Chef sieht bestimmt auch nicht gern, dass die Stationsärztin was mit der Nachtschwester hat.« Schwester Brigitte lächelte kokett. »Der hätte dich gar nicht einstellen dürfen. Du bist eine sittliche Gefahr für unschuldige Mädchen«, sagte sie kichernd.

    »Ich lasse wenigstens die männlichen Patienten in Ruhe. Und du? Du wimmelst ständig um diesen Lurrup von Nummer Siebzehn rum. Ich möchte nur wissen, was du an dem alten Kerl findest.«

    »Eifersüchtig?« Schwester Brigitte stieß den Rauch durch die Nase.

    »Habe ich etwa keinen Grund?« Elke Riegella spielte nervös an den Knöpfen ihres Kittels.

    »Ich finde, dass er ein sehr interessanter Mann ist. Außerdem ist immer einer der Lieblingspatient.« Schwester Brigitte sah auf die Armbanduhr. »Bald Mitternacht. Ich muss nach ihm sehen. Außerdem kannst du dir ruhig angewöhnen, statt Nummer Siebzehn mal Intensivstation zu sagen.«

    »Was bei uns so Intensivstation heißt. Die ist man ziemlich dürftig ausgestattet.«

    »Wann brauchen wir sie denn auch mal? Wir haben ja keine schweren Fälle. Der Infarkt von Lurrup war nicht vorherzusehen.«

    »Hoffentlich hast du den nicht verursacht«, sagte Elke Riegella. »Wenn ältere Herren sich noch mal verausgaben...«

    »Du spinnst! Als ob ich mit dem was hätte. Der ist viel zu alt für mich.«

    »Zum Befummeln reicht’s immer noch.«

    »Wo bei dir das Fummeln anfängt.« Schwester Brigitte drückte die Zigarette aus.

    »Du gibst es also zu?«

    »Ich gebe gar nichts zu. Du bist ja krankhaft eifersüchtig. Man kann direkt Angst vor dir kriegen.«

    Das Telefon im Schwesternzimmer läutete dreimal.

    »Bestimmt wieder die Alte drüben im anderen Flügel«, sagte Schwester Brigitte. »Das höre ich förmlich am Klingeln. Die besteht nur aus Sonderwünschen. - Im Übrigen ist es reine Berechnung, dass ich mich um ihn kümmere. Vielleicht beruhigt dich das ein bisschen, du lesbische Ziege.«

    »Selber lesbisch«, sagte Elke Riegella. »Tu nicht so.«

    »Nicht so wie du. Für mich sind Männer noch Menschen.«

    »Du wirst schon deinen Grund haben. Ich jedenfalls finde das schon widerlich, wie du dich bei dem aufführst.«

    »Ich führe mich nicht auf. Ich kümmere mich ein bisschen um ihn.«

    Elke Riegella hüstelte ironisch. »Das merkt man«, sagte sie. »Dabei möchte ich mal wissen, was der an dir findet. Du wirst jeden Tag dicker, und deine Frisur ist unmöglich. Setz bloß nicht mal die Haube ab, sonst kriegt der ’n Schock. Man kann sich mit dir kaum noch sehen lassen.«

    »Brauchst du ja auch nicht. Du weißt doch, dass ich keinen großen Wert drauf lege. Lass mich am besten in Ruhe. Du hast dein Erfolgserlebnis gehabt.«

    »Das habe ich noch. Könnte nämlich sein, dass ich dich liebe.

    Aber das verstehst du nicht. Ich gebe sogar zu, dass ich eifersüchtig bin. Das bist du zum Beispiel nie.«

    »Ich habe ja auch keinen Grund«, sagte Schwester Brigitte schnippisch. »Ich warte immer noch, dass du mir mal einen lieferst. Dann wirst du ja erleben, was passiert.«

    Wieder läutete das Telefon.

    »Ich bin schon unterwegs«, sagte Schwester Brigitte in den Hörer und legte auf. Sie wandte sich an die Ärztin. »Nun sag mal ehrlich: Meinst du wirklich, dass ich mit ihm was habe?«

    »Dir traue ich alles zu. Und was nicht ist, kann ja noch werden. Patienten verlieben sich manchmal in die Schwestern. Bis dahin ist das ganz normal. Aber was dann kommt, das ist entscheidend. Und da bin ich mir bei dir nicht sicher. Er kommt ja von unserer sogenannten Intensivstation auch mal wieder runter. So schwer hat es ihn zum Glück nicht erwischt. Und ich bin gespannt, wie er sich dann anstellt. Manchmal sind die

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