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In meinem Bügeleisen ist beinahe Vollmond: Die philosophischen Betrachtungen des Jeremias Coster und andere Geschichten
In meinem Bügeleisen ist beinahe Vollmond: Die philosophischen Betrachtungen des Jeremias Coster und andere Geschichten
In meinem Bügeleisen ist beinahe Vollmond: Die philosophischen Betrachtungen des Jeremias Coster und andere Geschichten
eBook171 Seiten2 Stunden

In meinem Bügeleisen ist beinahe Vollmond: Die philosophischen Betrachtungen des Jeremias Coster und andere Geschichten

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Über dieses E-Book

Eines Nachts, ich liege wach im Bett, da landet etwas mit leisem Sirren auf meiner Brust, schlägt genau auf dem Brustbein auf. Ich habe sogleich hingelangt, doch was da gelandet war, hatte sich schon verzogen. Augenblicklich begannen in meiner rechten Brust die Muskeln zu zucken und es fühlte sich an, als wären an den Sehnen und Strängen Wartungsarbeiten zugange. Klar, dachte ich, das war ein außerirdisches Flugboot, hat winzige Humantechniker abgesetzt, und die haben sogleich angefangen, mich neu zu verdrahten. Aber man will in solchen Angelegenheiten gefragt werden, ich war sogar ein bisschen unwillig und habe die unwillkürlichen Zuckungen durch willkürliche Muskelanspannungen gestört. Die außerirdischen Humantechniker sind vielleicht dadurch herumgewirbelt worden, aber sobald ich aufhörte, ihnen Stress zu machen, gingen die Neuverdrahtungsarbeiten unverdrossen weiter, eine ganze Weile.
Ob die Humantechniker wegen meiner Störmanöver falsche Anschlüsse gelegt haben oder ob es böse Absicht war, aber seither kann ich nur Texte wie diesen hier schreiben. Darin ist kein Wort wahr. Sie sind quasi komplett gelogen. Falls die neue Verdrahtung meiner Schreibhand weitere Lügengeschichten hervorbringen sollte, werde ich selbstverständlich nichts mehr schreiben und Bleistift und Tastatur bei der Polizei abgeben.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum12. März 2014
ISBN9783847676850
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    Buchvorschau

    In meinem Bügeleisen ist beinahe Vollmond - Jules van der Ley

    Außerirdische zwingen mich zu lügen

    Eines Nachts, ich liege wach im Bett, da landet etwas mit leisem Sirren auf meiner Brust, schlägt genau auf dem Brustbein auf. Ich habe sogleich hingelangt, doch was da gelandet war, hatte sich schon verzogen. Augenblicklich begannen in meiner rechten Brust die Muskeln zu zucken und es fühlte sich an, als wären an den Sehnen und Strängen Wartungsarbeiten zugange. Klar, dachte ich, das war ein außerirdisches Flugboot, hat winzige Humantechniker abgesetzt, und die haben sogleich angefangen, mich neu zu verdrahten. Aber man will in solchen Angelegenheiten gefragt werden, ich war sogar ein bisschen unwillig und habe die unwillkürlichen Zuckungen durch willkürliche Muskelanspannungen gestört. Die außerirdischen Humantechniker sind vielleicht dadurch herumgewirbelt worden, aber sobald ich aufhörte, ihnen Stress zu machen, gingen die Neuverdrahtungsarbeiten unverdrossen weiter, eine ganze Weile.

    Ob die Humantechniker wegen meiner Störmanöver falsche Anschlüsse gelegt haben oder ob es böse Absicht war, aber seither kann ich nur Texte wie diesen hier schreiben. Darin ist kein Wort wahr. Sie sind quasi komplett gelogen. Falls die neue Verdrahtung meiner Schreibhand weitere Lügengeschichten hervorbringen sollte, werde ich selbstverständlich nichts mehr schreiben und Bleistift und Tastatur bei der Polizei abgeben.

    Du und dein Verein Leben

    In China gibt es manches, was es bei uns nicht. Umgekehrt ist es natürlich genauso. In China gibt es zum Beispiel den Spruch nicht, „was kümmert mich, ob in China ein Sack Reis umfällt". Jedenfalls habe ich gehört, dass man sich in China die Kopfhaare Kopf zählen lassen kann. Das ist ja von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Rothaarige haben etwa 90.000 Haare, Blonde bis 140.000. Täglich fallen etwa 60 bis 100 Haare aus. Wenn du dir also in China die Haare zählen ließest, wäre es grad mal eine verlässliche Zahl für den einen Tag.

    Dass Haare eine Wurzel haben, weiß man. Doch was eine Wurzel genau ist, habe ich eigentlich erst gemerkt, als mir einmal ein Zahnarzt eine Wurzelbehandlung verpasst hat. Wie der da mit einer Sonde in meinem Zahn rumgebohrt, das hatte etwas ziemlich Brutales. Ich konnte ihn förmlich keuchen hörten, weil es offenbar anstrengend ist, so eine Wurzel zu ermorden oder immerhin abzutöten. Der hat nicht locker gelassen, bis die Wurzel mausetot war. Und mittendrin in diesem Mordgeschehen, das der Arzt unbedingt hat durchziehen wollen und für das ich mein Einverständnis gegeben hatte, indem ich das Maul aufgemacht hab, jedenfalls mitten in diesem durchaus unerfreulichen Akt, da dachte ich: eine Zahnwurzel lebt. Sonst müsste sie ja nicht behandelt werden, was ja nur der Euphemismus für abtöten ist. Jede Wurzel an deinem Körper lebt. Sie führt ein Eigenleben, schiebt ein Haar oder einen Fingernagel aus deinem Körper, hält einen Zahn bei Laune … Und wenn du weiter nachdenkst, so in den Bereich des Mikroskopischen, da lebt noch viel mehr in dir. Eigentlich bestehst du ja komplett aus Zellen, und diese Zellen leben, teilen sich, sterben ab usw.

    Da denkst du, du weißt, wer du bist, hast Arme, Beine, einen Kopf - und in der Mitte was, wo alles dran montiert ist, und du denkst, das bin ich. Du stehst morgens auf, versorgst dich, fährst vielleicht wohin und arbeitest, triffst mal die und den, kaufst dir nach Feierabend Arbeitshandschuhe und hantierst damit im Garten rum, freust oder ärgerst dich, und wenn du alles zusammen nimmst, kannst du sagen: Das ist mein Leben.

    Nur, eigentlich bist du ein ganzer brodelnder Verein von Leben. Voller Leben sein, so betrachtet, kriegt es eine ganz andere Bedeutung, findest du nicht?

    Wunschlos wünschen

    Beinah wunschlos zu sein, ist ein schöner Zustand. Er umfing mich, als ich mich nach längerem Sonntagsbummel an der belebten Limmerstraße auf einen Milchkaffee niedergelassen hatte. Ich fand es hübsch, etwas in mein Notizbuch zu schreiben. Bald guckten die Leute verstohlen. Dachten wunders, was ich da schreibe, vielleicht Poesie vom Edelsten und Feinsten, etwas Heiter–ironisch-feuilletonistisches, etwas Philosophisches oder sogar eine Straßenreportage, in der sie vorkommen. Aber nichts davon, hehe! Ich schreibe so gut wie über gar nichts, finde es nur hübsch, etwas ins Notizbuch zu schreiben und ab und zu an meinem Kaffee zu nippen.

    Höchstens eins hätte ich mitzuteilen. Von ferne nähert sich ein Rollen, ähnlich dem Geräusch, das ein Bobbycar macht. Es erscheint eine junge Frau, aber nicht auf einem Bobbycar. Sie schiebt vielmehr einen weinroten Plüschsessel vor sich her. Seine Rollen sind versteckt hinter einer Fransenbordüre. Der ist noch gut, lächelt sie entschuldigend.

    Prima! Bis eben wusste ich nicht einmal, dass ich das Wort Bordüre kenne, und jetzt purzelt es mir einfach aus dem Kopf ins Notizbuch. Der Mensch verfügt ja über einen aktiven und einen passiven Wortschatz. Letzterer ist wesentlich größer als der aktive und besteht aus Wörtern, die der Mensch versteht, aber noch nie benutzt hat. Vielen Dank, junge Frau, Sie haben gerade „Bordüre" aus meinem passiven in meinen aktiven Wortschatz verschoben. Ich hoffe, Sie haben viel Freude an Ihrem weinroten Plüschsessel, dessen Rollen zwar über den Bürgersteig holpern und ein wenig die Sonntagsruhe stören, aber immerhin hinter einer schönen Fransenbordüre verborgen sind.

    Ach, wie ärgerlich, jetzt ertappe ich mich doch bei einem Wunsch, obwohl ich vorher so schön wunschlos war: Ich wünschte, die Rollen würden in die Gleisspur der Straßenbahn passen. Da könnte der rote Plüschsessel elegant vor ihr her gleiten, und die Fransenbordüre würde gleichzeitig die Schienen putzen. U N D ! Die junge Frau sollte eine Uniform mit Dienstmütze tragen, damit sie wegen der Schienenbenutzung kein Billet lösen müsste!

    Nächtlicher Besucher

    Der, mit dem ich die Kammer teilte, der Kamerad war nicht da. Überhaupt, so schien mir, den fehlenden Geräuschen nach zu urteilen, war ich allein auf der obersten Etage unterm Dach. Ausgeflogen war das ganze Volk, geflohen vor der Hitze. Die hatte sich dagegen im stillen Haus festgesetzt und mich mürbe gemacht. Ohne Licht zu machen warf ich mich nackt aufs klamme Bett. Die Tür zum Balkon stand weit offen in Erwartung des Gewitters, das Abkühlung bringen sollte. Bevor ich mich hinlegte, hatte ich fern am Himmel schon Wetterleuchten und zuckende Blitze gesehen.

    Ein heftiges Krachen ließ mich erwachen. Das Gewitter war jetzt genau über mir. Ich fröstelte im Sturmwind, der durch die Balkontür hereinfegte und von innen an der Zimmertür rappelte. Noch im Halbschlaf kroch ich unter die Decke. Und plötzlich war mir, als würde der Herr des Sturms persönlich in der Balkontür stehen. Er war eine einzige Sturmböe, ganz aus Luft gemacht. Und stand einfach da, schien niemanden zu sehen. Mein Bett war direkt beim Fenster und das Bett in Blickrichtung verwaist. Vielleicht war er gar nicht meinetwegen gekommen, sondern suchte den Kameraden. Was wusste ich schon über ihn? Ein Schnauben ging wie eine Stoßwelle durch die ganze Kammer, dann trat der Sturm zurück und war weg. Der erlösende Gewitterregen ging nieder.

    Augenblicklich schlief ich wieder ein.

    Orbs verschmähen modische Krawatten

    Vorsorglich bitte ich um Entschuldigung, wenn ich den geneigten Leser an einen kalten Winterabend im Jahre 2008 entführe. Ja, muss das denn sein, haben wir nicht die Nase voll von Dunkelheit und Kälte? Könnte der Autor nicht ein bisschen dichterische Freiheit walten lassen und seinen Bericht an einen lauen Frühlingsabend verlegen? Leider nicht, denn bei der Sache ist absolute Wahrhaftigkeit erforderlich. Wir brauchen sicheren Grund; die Fakten müssen stimmen, sonst verlieren wir uns Hand in Hand im Spekulativen.

    Es ist also dunkel und nicht kalt, sondern saukalt. Eisiger Dunst hängt in der Luft. Ich atme in meinen Schal und schreite wacker aus, denn ich will meine neue Digitalkamera ausprobieren. Vor mir ragte der riesige Klotz der ehemaligen Hanomag-Fabrik in den Nachthimmel. Vom Baumarkt drüben fällt ein wenig Licht auf die Front, das spiegelt sich in den matten Fenstern. Bin gespannt, ob meine Kamera das einzufangen versteht. Die ersten Versuche sind enttäuschend, das kann ich sogar ohne Brille auf dem Display sehen. Ob der Blitz bis zum Gebäude reicht? Das tut er nicht. Stattdessen zeigt das Foto unzählige Schneeflocken. Ich vergleiche das Bild auf dem Display mit der Wirklichkeit, aber da ist kein Schnee, nicht ein Flöckchen fällt aus dem eisigen Himmel. Auch das Säubern der Linse hilft nicht. Sobald ich blitze, tauchen die Flocken auf. Meine neue Kamera muss eine Flockenmacke haben, denke ich und mache auf dem Nachhauseweg noch ein paar Mackenbilder.

    Zurück in die Gegenwart. Ich bekam eine E-Mail von Jeremias Coster, dem Professor für Pataphysik an der Technischen Hochschule Aachen. Coster fragte mich, ob ich schon einmal von Orbs gehört hätte. Er sei ganz begeistert von diesen geisterhaften Erscheinungen. Die Allwissende Maschine Internet (DAMI) klärte mich auf. Orbs sind seltsame Lichtflecken auf Digitalfotos. Und ich las, das Orb-Phänomen werde schon längst von Grenzwissenschaftlern und Kornkreisforschern untersucht, denn Orbs sind vielleicht oder sogar höchstwahrscheinlich, zumindest aber eventuell verirrte Geister aus der Zwischenwelt, ggf. sogar die astralen Ausscheidungen von Engeln.

    Als Skeptiker schrecke ich sogleich zurück, wenn es heißt, eine Sache werde in Korntrinkerkreisen erforscht. Von Coster weiß ich allerdings, dass er sich an die Fastenzeit hält und derzeit dem Alkohol entsagt. Ich rief ihn also an und fragte ihn, was er von diesen Theorien hält. „Ich bin völlig überzeugt, dass Orbs die Abbilder von Engeln sind!, sagte Coster. Er habe sie sogar auf Fotos von Familienfesten entdeckt. Das erlaube nur einen Schluss, ja, beweise zwingend: „Die Verstorbenen wollen mit ihren Lieben feiern.

    Ratlos legte ich den Hörer auf. Wie zum Teufel gießen die feiernden Engel sich die geistigen Getränke hinter die Binde, wenn sie gar keine haben?

    Wundern hoch drei

    Wie ich auf meiner Couch liege und ein bisschen aus dem Fenster hinaus in den Himmel träume, wundere ich mich plötzlich über so viele Dinge, über die Form meiner Zimmerdecke, über die kahlen Zweige draußen, die gegen den Himmel wie Gestrüpp aussehen, das ich gerne kämmen wollte, über meine Couchlehne, die links von mir aufragt wie die chinesische Mauer, dass vom Computer her die Musik, die Jingles und das flämische Gerede von Studio Brussel sinnlos weitertönen, weil eine Totmanntaste fehlt, obwohl ich längst nur Ruhe will, aber zu faul bin aufzustehen.

    Vor allem wundere ich mich über die Form der Wahrnehmung und überhaupt über meine Existenz als Mensch mit ulkigen Extremitäten wie Händen und Füßen und seltsam geformten Ohren, dass man die knorpeligen Schneckenwindungen der Ohren überhaupt schön finden kann, dass man Kategorien hat und schöne von hässlichen Beinen beispielsweise unterscheiden kann. Und ich wundere mich darüber, dass sadistische Modemacher beschließen können, die Oberschenkellücke bei Frauen (thigh gap) zum Schönheitsideal zu erheben. In der Stadt hatte ich mich gewundert, wie viele junge

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