Haller 18 - Weihnachten
Von p.machinery
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Über dieses E-Book
Gleich zu Anfang taucht Jesus auf, es entstehen Dissonanzen, es werden ganz unterschiedliche Konzerte gegeben.
Es wird von Weihnachten zu Kriegszeiten erzählt und es gibt mehr Alkohol als sonst – in diesem Fall Whisky – und unter der Blautanne erscheinen nicht all diejenigen, mit denen man gerechnet hat.
Ein bisschen in die galaktische Zukunft wird auch geblickt, es gibt tragische, todtraurige Erzählungen und ein bisschen Kitsch. Die eine oder andere wahre Episode, ein kleiner Diebstahl, und schließlich wird klar, dass uralte Traditionen irgendwann nicht mehr fortgeführt werden, dass neue, überraschende Begegnungen an Weihnachten etwas Zauber in ein tristes Treppenhaus bringen können.
Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern eine wunderbare Zeit, lassen Sie sich von den verschiedensten Charakteren Gesellschaft leisten, die die folgenden Geschichten zum Leben erwecken. Frohe Weihnachten!
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Buchvorschau
Haller 18 - Weihnachten - p.machinery
Corinna Griesbach (Hrsg.): WEIHNACHTEN
Haller 18
Corinna Griesbach (Hrsg.)
WEIHNACHTEN
Haller 18
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© dieser Ausgabe: November 2021
p.machinery Michael Haitel
Titelbild: Neue Photographische Gesellschaft (npg), 1900–1920 (Ausschnitt), aus der Sammlung C. Griesbach
Layout & Umschlaggestaltung: global:epropaganda
Lektorat: Corinna Griesbach
Korrektorat: Michael Haitel
Herstellung: Bookwire GmbH, Frankfurt (Main)
Verlag: p.machinery Michael Haitel
Norderweg 31, 25887 Winnert
www.pmachinery.de
ISBN der Printausgabe: 978 3 95765 264 5
ISBN dieses E-Books: 978 3 95765 833 3
Vorwort
Weihnachten ist für viele Menschen eine besondere Zeit. Die Geburt Jesu Christi, dem »Licht der Welt«, ist für Christen ein hoher Feiertag, der seit Jahrhunderten am 25. Dezember begangen wird.
Auch für Menschen, für die der religiöse Ursprung des Festes in den Hintergrund tritt, ist Weihnachten oft die wichtigste Zeit des Jahres, geprägt von Vorfreude, Erwartungen, Erinnerungen. Wen werden wir besuchen? Wer kommt zu uns? Möchten wir ganz allein für uns sein oder mit ein paar aufrechten Freunden dem Trubel trotzen?
Was sollen wir kochen? Ein Festmahl voller Überfluss, mit oder ohne Rücksicht auf Laktose-Intolerante, Veganer oder Fleischesser?
Wird es perfekt sein? Auf den Handyfotos und Filmchen lustig rüberkommen?
Hat man genug Geld für Geschenke ausgegeben oder zu viel? Hat man mehr Weihnachtskarten verschickt als bekommen? Checkt man kurz vor der Bescherung die WhatsApps und verdrückt eine Träne der Rührung, weil der Ex ein animiertes Christkind verschickt hat? (Soll man ihn kurz mal anrufen?)
In der vorliegenden Weihnachtsausgabe taucht gleich zu Anfang Jesus auf, es entstehen Dissonanzen, es werden ganz unterschiedliche Konzerte gegeben.
Es wird von Weihnachten zu Kriegszeiten erzählt und es gibt mehr Alkohol als sonst – in diesem Fall Whisky – und unter der Blautanne erscheinen nicht all diejenigen, mit denen man gerechnet hat.
Ein bisschen in die galaktische Zukunft wird auch geblickt, es gibt tragische, todtraurige Erzählungen und ein bisschen Kitsch. Die eine oder andere wahre Episode, hier ein kleiner Diebstahl, und schließlich wird klar, dass uralte Traditionen irgendwann nicht mehr fortgeführt werden, dass neue, überraschende Begegnungen an Weihnachten etwas Zauber in ein tristes Treppenhaus bringen können.
Ich bekenne: Ich gehöre zur Fraktion Pro-Weihnachten, ich freue mich auf den Gefühlscocktail und erinnere mich oft an vergangene Feste. Jede der HALLER-Weihnachtsgeschichten geht mir zu Herzen, ich habe gelacht, kurz den Atem angehalten, war berührt.
Dieses Vorwort schreibe ich im September 2021 in dem Wissen, dass meine Nachbarn wissen, was ich tue: Bei geöffnetem Fenster singe ich Feliz Navidad.
Für Maria durch ein Dornwald ging ist es noch zu früh. Alles hat seine Zeit.
Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern eine wunderbare Zeit, lassen Sie sich Gesellschaft leisten von den verschiedensten Charakteren, die die folgenden Geschichten zum Leben erwecken.
Corinna Griesbach
01Sonja Crone, Creating Christmas
Maiken Brathe: Den Weihnachtsmann gibt es doch gar nicht!
Wäre Luzifer bei Instagram angemeldet gewesen, er hätte an diesem Tag jede Menge neue virtuelle Abonnenten gewonnen. Böse Zungen würden behaupten, der Teufel habe bereits Freunde genug, aber wer das Christkind vor dem Tod bewahrt, der hat auch ein bisschen mediale Aufmerksamkeit verdient.
Dabei weiß heutzutage kaum noch ein Mensch, wer das Christkind überhaupt war, nachdem es erwachsen wurde. Niemand sprach mehr von der frühkindlichen Vergangenheit des Mannes aus Nazareth, dem Sohn des Zimmermanns oder (das hat sich bis heute durchgesetzt), von Jesus Christus.
Die Ewigkeit kann eine verdammt lange Angelegenheit sein und so beschloss eines Tages das Christkind, alias Jesus, seinen alten Wirkungsort, die Erde, zu besuchen. Er wollte sehen, wofür er seinerzeit gestorben war. Ambivalente Gefühle quälten ihn, schließlich waren seine Erlebnisse mit den Menschen durch Hochs und Tiefs geprägt, auch wenn sein letztes Tief hoch am Kreuz endete.
Anstatt Gott um Rat zu fragen, tat Jesus das, was fast alle Söhne tun, die nicht immer mit dem für sie väterlich vorgedachten Lebensweg einverstanden sind: Er ging einfach fort, ohne zu wissen, wo er die Welt erneut betreten würde. Vielleicht lag es an den unzähligen Lichtern der Weihnachtsdekoration, die wie eine Landebahn Signale in den Himmel strahlten, oder es war eine Nebenwirkung des Elektrosmogs, aber vielleicht war es auch einfach Gottes Fügung, dass Jesus an einem kalten Dezembertag, als noch niemand das Wort Lockdown kannte, mitten in einem großstädtischen Einkaufszentrum auf der Erde landete und noch dazu zur allerbesten Stoßzeit der Einkaufswütigen.
Die Menschen eilten an ihm vorbei, die Arme und Hände voller Taschen und Tüten. Die Luft war stickig heiß und Jesus froh, sein Leinenhemd zu tragen, das ihm um die blanken Knöchel eine kühlende Brise bescherte. Er betrachtete die Ware in den dekorierten Verkaufsregalen, die meist frohlockende Sonderkonditionen zu engelsgleichen Preisen versprach, und Jesus fragte sich, ob ein preisender Engel sich gerne mit einer Espressomaschine vergleichen ließe, die doch eher röchelte als frohlockte.
Die Rolltreppe brachte den Sohn Gottes in eine andere Abteilung, und er musste aufpassen, dass er mit seinen Sandalenriemchen nicht an den Metallschienen der Stufen hängen blieb. Oben angekommen zog jemand an seinem Leinenkleid. Ein kleiner Junge ließ seine Hand sinken und sah von unten zu ihm auf.
»Bist du ein Terrorist?«, fragte er und steckte seine Finger in den Mund. Die Haut unter seiner Nase glänzte von dem herunterlaufenden Rotz.
»Was meinst du mit ›Terrorist‹?«, wollte Jesus wissen, beugte sich zu dem Kind hinunter und legte eine Hand auf sein Haar.
»Du sollst nicht mit Fremden reden!«, schimpfte eine Frau, die herbeilief, während Einkaufstaschen an ihre Hüften stießen und die Trageriemen in ihren Ellenbogen scheuerten. Sie schnappte sich den Jungen und zerrte ihn in Richtung einer Reihe wartender Frauen mit Kindern, die sich wie eine Schlange zwischen den Regalen der Spielzeugabteilung wandte. Jesus sah noch, wie die erzürnte Mutter sich nach ihm umschaute, während sie ein Taschentuch aus der Manteltasche zog, erst die Nase des Kindes und dann seine Hand abwischte und ihm dabei versehentlich die Taschen an die Seite klatschte. Jesus folgte den beiden langsam, wurde überholt von lachenden Kindern, die ihre atemlosen Mütter hinter sich herzogen und von atemlosen Müttern, die ihre weinenden Kinder hinter sich herzogen. Alle wurden Teil der Schlange, deren Ende Jesus erreichte und von der er sich ebenfalls einverleiben ließ. Die Schlange wuchs stetig. Getuschel hörte er vor und hinter sich, und während die Mädchen und Jungen ihn neugierig betrachteten, schauten die Mütter bewusst in die Ferne, oder unbewusst auf ihre Mobiltelefone. Durch Jesus sah die Menschenschlange nun eher wie ein geteilter Regenwurm aus, denn die nachfolgende Frau mit ihrer Tochter bemühte sich um einen Meter Abstand zu dem Mann im Nachthemd.
»Oh, du Fröhliche«, beschallten die Lautsprecher des Kaufhauses das Treiben und endlich sah Gottessohn, warum sie alle gemeinsam hier anstanden. Inmitten der Abteilung befand sich ein goldener Sessel auf einem Podest. Dort thronte ein großer Mann mit langem weißem Bart, dessen rot-weiße Kleidung den Körper darunter vermutlich in Schweiß baden ließ. Neben ihm stand eine Pyramide aus eingepackten Geschenken, fast so groß wie der Sitzende. Hinter dem Stuhl wippte auf den Zehenspitzen eine junge Frau, schön anzusehen, wie Jesus fand, mit blondem welligem Haar und zwei gebastelten Flügeln am Rücken klebend. Die Frau lächelte unentwegt und trug wie Jesus ein weißes Leinenkleid, allerdings ließ ihres an Dekolleté und Beinen wesentlich mehr frische Brise zu als bei Jesus.
Die Mutter, die vor dem Gottessohn stand, schob ihr Kind die Stufen zum Thron hinauf. Der kleine Junge knetete an gestreckten Armen den Saum seines Mantels und ließ den Stoff auch nicht los, als der bärtige Mann ihn unter die Achseln griff und auf seinem Schoß platzierte. Jesus bemerkte, dass der Kleine weinen wollte und den Blick seiner Mutter suchte. Jesus trat vor und suchte ebenfalls den Augenkontakt zu ihr. Die Mutter fuchtelte mit der Hand vor ihrem Gesicht herum und begann die Mundwinkel nach oben zu ziehen und ihre Zähne zu zeigen, als wäre ihr ausgestreckter Zeigefinger ein Stift, der ihr ein Lächeln auf das Antlitz malen könnte. Der Junge versuchte, die Befehle zu befolgen. Seine Wangen zuckten, und Jesus bemühte sich gleich mit, sah abwechselnd zu Mutter und Kind und probte mit einem verzogenen Gesicht ein Lächeln, während er wetteiferte, die Anweisungen der Mutter schneller umzusetzen als ihr Kind. Die Frau ließ abrupt ihre Hand