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Der lange Arm meiner Mutter: Ich will nicht werden wie meine Eltern
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Der lange Arm meiner Mutter: Ich will nicht werden wie meine Eltern
eBook143 Seiten1 Stunde

Der lange Arm meiner Mutter: Ich will nicht werden wie meine Eltern

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Über dieses E-Book

Manche platt daher gesagten Sätze erleichtern keinesfalls das Leben: "Du redest wie deine Mutter!" oder "Deine Nase ist unser Erbgut!" oder "Du und dein Vater, ihr seid aus dem gleichen Holz geschnitzt!"
Nach diesen oder ähnlichen Sätzen fragen sich viele ob das starre Korsett der Gene gesprengt werden kann und wie das soziale Umfeld und die regionale Umwelt unser Leben beeinflußt.
Vielleicht stellen sich Frauen diese Fragen intensiver als Männer, suchen konzentrierter, manchmal selbstzerstörerisch, nach Antworten.
Der Roman "Der lange Arm meiner Mutter" behandelt diese Themen anhand einer Familie mit einem zwinkernden Auge und zum Schluss mit einer Erläuterung der Terminologie, mit Fachbegriffen wie "Urbindung" oder "Matrophobie".
Das Seelenleben der Protagonisten gestaltet den Roman stets abwechslungsreich, fundiert und dennoch unterhaltsam.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum3. Nov. 2015
ISBN9783738045741
Der lange Arm meiner Mutter: Ich will nicht werden wie meine Eltern

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    Buchvorschau

    Der lange Arm meiner Mutter - Gerhard Gröner

    Prolog

    Lustlose Gleichgültigkeit langer Tage ohne fordernde Aufgabe hing prägend über diesem Abend. Der kleine Garten war längst angelegt, Beet für Beet akkurat eingeteilt und den Jahreszeiten zugeordnet. Das gelegentlich aufkommende Verlangen nach einer größeren Familie mit Kindern war Wunsch geblieben. Erlerntes berufliches Wissen, Routine und langjährige Berufserfahrung verhinderten jede Vorbereitung auf den nächsten Arbeitstag.

    Vor der Tür, seit Stunden, ein alle Kleider durchdringender Nieselregen. Er unterband einen gemeinsamen Spaziergang.

    Elvira und Frank Cramer saßen wie fast jeden Abend im Wohnzimmer. Nicht nebeneinander sondern mit weitem Abstand über Eck. Mitten auf dem Tisch, einer Mischung aus Esstisch und Couchtisch, lag in einer Edelstahlschale aufgereiht geschältes Gemüse. Daneben, links und rechts, muschelförmige Dipschalen aus weißem Porzellan.

    Frank Cramer favorisierte Dip mit frisch gepresstem Knoblauch, dazu einem Hauch Chili. Seine Frau dippte in pure Joghurtsauce, schob ihre bunte Lesebrille zurecht und blätterte mit der linken Hand abwechselnd in Programmvorschau und Modejournal.

    Links von Elvira Cramer stand in zartem japanischen Stil bemalt, ein klassisches Stövchen mit bauchiger Teekanne. In einer geflochtenen Bambusschale lag grober Kandiszucker aufgehäuft und davor duckte sich eine transparent wirkende Tasse im Stil der Kanne. Bedächtig rührte sie ihren schwarzen Tee in immergleichen Kreisen.

    Der Schaum in Frank Cramer's Bierglas hatte sich bereits gesetzt.

    Elvira Cramer beobachte aus den Augenwinkeln ihren Mann,

    der sich in ein Magazin mit den neuesten Ergebnissen vom Sport vertieft hatte.

    „Frank, Elvira Cramer schaute über die Lesebrille und sagte fast belanglos, „du wackelst wieder mit dem Kopf. Bemerkst du das nicht? Dein Vater hatte gelegentlich auch so gesessen und mit dem Kopf gewackelt.

    Frank Cramer legte die Selleriestange zur Seite und klappte das Sportmagazin zu: „Mag sein. Elvira."

    Er sagte Elvira und nannte sie nicht wie üblich beim Kosenamen Elvi, „ich jedenfalls habe nichts bemerkt. Doch schau dich zuerst selbst an. Deine Mutter hatte immer und überall die Beine übereinander geschlagen. So sitzt nun auch du. Immer. Egal ob im Sessel, auf der Couch oder auf einem Stuhl, gleichgültig ob beim Lesen oder Essen."

    „Ist ja für andere Leute nicht wichtig, wie ich sitze. Für mich ist es eben bequem, so wie ich sitze."

    Frank Cramer legte nach: „Es ist nicht nur wie du sitzt, du hältst auch die Teetasse wie deine Mutter und spreizt genauso den kleinen Finger ab. Und deine Vorwürfe kommen genauso überfallartig wie die deiner Mutter, die ständig und überall deinen Vater rügte."

    „Frank, Elvira Cramer schaute eine längere Kunstpause zur Decke und legte ihre Lesebrille auf den Tisch, „glaube mir, ich will dich nicht ärgern aber du wackelst wirklich mit dem Kopf. Ich möchte dir nur helfen. Wenn man etwas realisiert hat, kann man es leichter abstellen. Und nun reagierst auch du genau so grummelig wie dein Vater, wenn deine Mutter ihm helfen wollte.

    Missmutig schweigend schauten beide in ihre Leselektüren ohne diese zu lesen. Frank Cramer fragte sich kurz und ergebnislos, weshalb sie in den letzten Jahren oft über ähnliche Themen stritten.

    Elvira Cramer legte die Programmzeitschrift zur Seite und vergrub ihre Händen in den Schoss. Sie dachte mit geschlossenen Augen an ihr über alle Ehejahre eisern gehütetes Geheimnis, der tief eingenisteten Angst, zu werden wie ihre Mutter.

    Heimlich hatte sie im Internet recherchiert und sogar einen Namen für diese wohl weit verbreitete Angst von Frauen entdeckt: Matrophobie* nennen Wissenschaftler diesen aufgewühlten Seelenzustand.

    Elvira Cramer nahm einen Schluck Tee und dachte, ich schaue in den Spiegel, entdecke meine Mutter darin und empfinde sogleich undefinierbare Schuld. Auch Traurigkeit, dass meine Augen, meine Haare, nein, mein ganzes Ich ihr ähnelt.

    Gibt es denn Schuld, fragte sie sich weiter, wenn meine Gene über mich bestimmen? Mir vorgeben wie ich sitze, gehe, rede oder aussehe?

    Frank Cramer unterbrach die Stille, ohne die gefährlich glitschige Schiene der Vorwürfe zu verlassen:

    „Ich habe keine Lust, mit dir darüber zu debattieren, warum ich die Marotten meines Vaters annehme, wenn du mit zunehmenden Alter eine volle Breitseite der kuriosen Angewohnheiten deiner Mutter abbekommst."

    Dann stand er auf, schob die Hände in die Hosentaschen und schaute durchs Fenster in die Weite. Nach einer kleinen Ewigkeit sagte er in die Scheibe: „Findest du nicht, dass sich deine Vorwürfe unüberlegt und pauschal anhören?"

    „Nein, mein lieber Schatz, das finde ich nicht. Es ist nun mal eine Tatsache, dass Menschen sich verändern, jeder Mensch. Und gerade du hast in jungen Jahren immer betont: Ich will niemals werden wie mein Vater. Frank, hör zu, ich will dir nur helfen."

    „Was ist daran Hilfe wenn du mich ständig kritisierst. Es ist ja nicht das erste Mal. Gestern erst waren meine Socken zu kurz und meine Schienbeine behaart wie die meines Vaters. Mir wäre Ruhe am Feierabend wesentlich lieber als unergiebige Diskussionen über Ähnlichkeit mit meinem Vater."

    „Frank, beruhige dich. Ich möchte dich nicht kritisieren. Doch es ist nun mal so, du wackelst mit zunehmendem Alter, wenn du dich unbeobachtet wähnst, mit dem Kopf. Fühle in dich selbst und überlege, ob ich in diesem Fall, nur in diesem Fall, nicht recht habe."

    Frank Cramer legte seine Stirn in tiefe Falten. Er sprach weiter ins Fenster: „Ich sage dir was, Elvira, wenn du nicht mit einem Mann zusammen leben kannst der mal mit dem Kopf wackelt, dann müssen wir uns eben trennen."

    Nun stand auch Elvira Cramer auf: „Das ist unfair, sehr unfair sogar. Hast du dir diesen Satz überhaupt überlegt? Du solltest nicht gleich mit Scheidung drohen."

    „Aber du fingst doch mit diesem Blödsinn an. Mitten in einen entspannten Abend hast du Gift gesprüht: Genau wie dein Vater wackelst du mit dem Kopf. Ich fasse es nicht", schimpfte Frank Cramer laut. Er stapfte, wild mit den Armen rudernd, aus dem Wohnzimmer und schlug wütend die Tür hinter sich zu.

    1. Kapitel

    Rosarot pur, ohne jegliche Abwechslung, umrahmte die noch kleine Welt des vor zwei Wochen geborenen Babys. Rosarot, wie Erwachsene die Kinderwelt sehen.

    Rosa lackiert glänzte die aus Weiden geflochtene Babywiege, darin ein mit rosa Blüten besticktes Kissen und dazu passend die rosa Zierdecke. Rosa Handschuhe mit Bändchen und Bommeln lagen bewegungslos auf der Zierdecke und das aus rosa Wolle gestrickte Mützchen spendete Ton in Ton wohlige Wärme.

    In einer Farbmischung aus hellem Rosa und dunklerem Pink gehalten war auch der ausladende Wickeltisch. Er zeigte Status, mittig im frisch tapezierten Mädchenzimmer.

    Die Auswahl der Tapeten aus drei dicken Tapetenbüchern war ebenfalls auf einen rosaroten Ton gefallen. An der breiten Fensterwand in dezentem Muster, flogen kreuz und quer aufgedruckte beige Clowns.

    „Wie heißt nun eure Kleine endgültig? Ihr hattet doch lange genug Zeit, darüber nach zu denken. Habt ihr einen schönen Mädchennamen gefunden?" Fast alle Gäste formulierten, kaum zur Tür herein und oberflächlich die Begrüßungsformel dahin gesagt, als ersten vollständigen Satz diese Frage.

    „Tja, das war keine einfache Übung. Wir schrieben mit unzähligen Vornamen beinahe ein Merkheft voll. Doch ihr wisst selbst, je größer die Auswahl um so schwieriger wird die Entscheidung. Schlussendlich blieben wir bei Elvira", sagte Anne Kestig und streichelte behutsam, mit tastenden Fingerspitzen, über die zarte Haut der Wangen, die vom üppigen Rosa ausgespart blieben.

    „Wir wollten keinen dieser weit verbreiteten Modenamen, blieben etwas konservativ und hoffen nun, den richtigen Namen für unsere Kleine gefunden zu haben", ergänzte der Vater, Herbert Kestig.

    „Ihr habt es heute wesentlich leichter als wir früher, sagte Elisabeth, die Mutter von Anne Kestig in leicht vorwurfsvoller Stimmlage, „ihr kennt das Geschlecht bereits vor der Geburt, und schob den prallen Karton mit Windeln, in leuchtend rosa

    Geschenkpapier verpackt, in der Flur. Sie zog ihren Mantel aus und sagte dann: „Allerdings, wir durften ein paar Tage länger im Krankenhaus bleiben, das brachte mehr Ruhe. Dich schickten sie bereits am nach dem dritten Tag nach Hause."

    „Ist gut, Mama, antwortete Anne Kestig, „nicht die Ärzte schickten mich nach Hause, ich wollte mich keine Stunde länger in dieser sterilen Atmosphäre aufhalten. Ich wollte mit meinem Kind schnellst möglichst nach Hause.

    „Schön, dass du weiter Mama zu mir sagst, Anne. Ich bin ja stolz, nun Oma Elisabeth zu sein und eine Enkelin zu haben aber sag ruhig weiter Mama zu mir, ich bin ja nicht deine Oma, stellte Annes Mutter klar und schaute dabei in den Spiegel im Flur, ob sie nicht doch eine tiefe Omafalte" auf ihrer Stirn oder um die Augen entdecken müsse.

    Neben weiteren üppigen Geschenken in Rosa, von denen einige, weil zu kitschig, für immer in den Tiefen eines Schrankes verschwanden und nach einem entrückten Blick auf das Baby, taten alle Gäste ihre Meinung kund:

    „Ganz die Mutter, ja, ich meine ganz die Mutter, besonders Augen und Lider."

    „Obwohl, mh, Onkel Manfred wiegte gewichtig mit dem Kopf, „die Ohren könnten vom Vater sein. Ja, ich bin mir sogar ziemlich sicher, vom Vater.

    „Was ihr alles seht", Vater Herbert Kestig zog erstaunt die Augenbrauen hoch.

    „Doch, doch, die Grübchen auf den zarten Wangen sind bereits ausgeprägt wie bei Herbert", legte Onkel Manfred nach und zeigte auf die babyrunden Wangen.

    „Nein, Manfred, schau dir nur die blonden Haare an, die sind

    unverkennbar von Mutter Anne. Doch, zugegeben, auch Tante Claudias Haare sind ähnlich. Vielleicht etwas mehr ins Aschblonde."

    „Du weißt ja wohl, dass sich Haare und Augenfarben verändern können", das Stimmgewirr schwoll in Lautstärke und Tonlage kräftig an. Allein Elvira schlummerte einen ruhigen Schlaf.

    „Und erst die Fingerchen, sind die nicht süß. Wem die wohl nachkommen?"

    „Jetzt ist aber gut", Mutter Anne Kestig unterbrach das

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