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Flarrow, der Chief – Teil 3: Ein Schiffsingenieur erzählt – Band 46 in der maritimen gelben Buchreihe
Flarrow, der Chief – Teil 3: Ein Schiffsingenieur erzählt – Band 46 in der maritimen gelben Buchreihe
Flarrow, der Chief – Teil 3: Ein Schiffsingenieur erzählt – Band 46 in der maritimen gelben Buchreihe
eBook431 Seiten5 Stunden

Flarrow, der Chief – Teil 3: Ein Schiffsingenieur erzählt – Band 46 in der maritimen gelben Buchreihe

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Über dieses E-Book

Lothar Rüdiger, Seemann aus Berufung, berichtet in diesem Band 46 – wiederum in Romanform – meisterhaft und kompetent über seine Fahrzeit als Leitender Ingenieur (Chief) auf verschiedenen Schiffen ("HILDEGARD", "POLARSTERN", "CAP SAN ANTONIO", "BIRK", "SATSUMACORE") bis zu seinem Ausscheiden aus der deutschen Handelsmarine 1973. – Seinen Werdegang vom Maschinen-Assistent auf dem Kombilogger "RUDOLF BREITSCHEID" des Fischkombinats Rostock über seine Fahrzeiten als Ing.-Assi auf dem Atlantikliner "BERLIN" und als Wachingenieur auf "CAP VALIENTE" und "CAP SAN LORENZO" schildert er in Band 44 und 45 dieser Trilogie.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum16. Mai 2014
ISBN9783847690146
Flarrow, der Chief – Teil 3: Ein Schiffsingenieur erzählt – Band 46 in der maritimen gelben Buchreihe

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    Buchvorschau

    Flarrow, der Chief – Teil 3 - Lothar Rüdiger

    Vorwort des Herausgebers

    Grafik 54

    Von 1970 bis 1997 leitete ich das größte Seemannsheim in Deutschland am Krayenkamp am Fuße der Hamburger Michaeliskirche, ein Hotel für Fahrensleute mit zeitweilig 140 Betten.

    Grafik 55

    In dieser Arbeit lernte ich Tausende Seeleute aus aller Welt kennen.

    Im Februar 1992 begann ich, meine Erlebnisse bei der Begegnung mit den Seeleuten und deren Berichte aus ihrem Leben in einem Buch zusammenzutragen, dem ersten Band meiner maritimen gelben Reihe „Zeitzeugen des Alltags":

    Seemannsschicksale.

    Insgesamt brachte ich bisher über 3.800 Exemplare davon an maritim interessierte Leser und erhielt etliche Zuschriften zu meinem Buch. Ein Schifffahrtsjournalist urteilte über Band 1:  „...heute kam Ihr Buch per Post an - und ich habe es gleich in einem Rutsch komplett durchgelesen. Einfach toll! In der Sprache des Seemannes, abenteuerlich und engagiert. Storys von der Backschaftskiste und voll von Lebenslust, Leid und Tragik. Dieses Buch sollte man den Politikern und Reedern um die Ohren klatschen. Menschenschicksale voll von Hochs und Tiefs. Ich hoffe, dass das Buch eine große Verbreitung findet und mit Vorurteilen aufräumt. Da ich in der Schifffahrtsjournalistikbranche ganz gut engagiert bin, ...werde ich gerne dazu beitragen, dass Ihr Buch eine große Verbreitung findet... Ich bestelle hiermit noch fünf weitere Exemplare... Ich wünsche Ihnen viel Erfolg mit dem Buch, - das wirklich Seinesgleichen sucht..." Uwe V.

    Diese Rezension findet man bei Amazon: Ich bin immer wieder begeistert von der „Gelben Buchreihe". Die Bände reißen einen einfach mit und vermitteln einem das Gefühl, mitten in den Besatzungen der Schiffe zu sein. Inzwischen habe ich ca. 20 Bände erworben und freue mich immer wieder, wenn ein neues Buch erscheint. Danke, Herr Ruszkowski.

    Diese positiven Reaktionen auf den ersten Band und die Nachfrage ermutigen mich, in weiteren Bänden noch mehr Menschen vorzustellen, die einige Wochen, Jahre oder ihr ganzes Leben der Seefahrt verschrieben haben. Diese Zeitzeugen-Buchreihe umfasst inzwischen über 120 maritime Bände.

    In den Bänden 44e bis 46e können Sie wieder Erlebnisberichte, Erinnerungen und Reflexionen eines Seemanns in Romanform kennen lernen. Im Band 44e lasen Sie seine Erlebnisse als Assi, der ab 1956 zunächst als Maschinen-Assistent auf einem Kombi-Logger von Rostock aus in Nord- und Ostsee fischte und später in großer Fahrt auf dem Atlantikliner „BERLIN" nach Nordamerika und auf einem Tanker unterwegs war, sowie über seine Studienzeit in Flensburg. Im Band 45 erzählte der Autor von seinen weltweiten Reisen als Technischer Wachoffizier und seinem zweiten Studiengang in Flensburg. Dieser Band 46e bringt die Fortsetzung seiner Erzählungen über seine Tätigkeit als Chief auf mehreren Kühlmotorschiffen.

    Hamburg, im April 2020 Jürgen Ruszkowski

    * * *

    Überleitung

    Sie lasen im Band 44e dieser maritimen gelben Buchreihe:

    …Flarrow setzte den schweren Koffer ab. Schweißperlen tropften von seiner Stirn, brannten in seinen Augen und liefen von seinem Kinn den Hals hinunter in den offenen Hemdkragen. Mit zusammengekniffenen Augen starrte er zu dem Logger am Eispier hinüber. An seinem Heck stand in großen weißen Buchstaben:

    RUDOLF BREITSCHEID – ROSTOCK

    Er wischte sich den Schweiß ab und atmete auf. Dort lag es - sein Schiff. Nach all den Tagen des Wartens, war er vor einer Stunde ins Heuerbüro gerufen worden. Man hatte ihm Seefahrtsbuch und Heuerschein in die Hand gedrückt, er war damit angemustert. Der Logger sei klar zum Auslaufen, er solle sich gefälligst beeilen…

    …„Sie sollen sich sofort beim Lloyd in der Personalabteilung melden. Man will Sie einstellen, und es wäre sehr eilig."

    Und nun ging alles ganz schnell. Tauglichkeitsuntersuchung bei der Seeberufsgenossenschaft, Seefahrtbuch beim Seemannsamt und aus seiner Pension die Sachen holen. Nirgends brauchte er zu warten. Das lag an dem Fahrer vom Lloyd, der ihn von einer Station zur anderen fuhr und in den Vorzimmern bekannt war.

    Zurück in der Personalabteilung, besah sich der Personalchef noch einmal Flarrows Unterlagen. „Ach Sie haben ja gar nicht auf der Lloydwerft gelernt. Na dann muss es eben dieses Mal so gehen." Flarrow unterschrieb den Heuerschein und bekam eine Fahrkarte nach Bremerhaven in die Hand gedrückt…

    Grafik 56

    …Nach zehn Tagen kam sein Patent per Einschreiben. Der Empfang war zu bestätigen. Er betrachtete es lange, denn das war nun die Eintrittskarte in seinen Traumberuf. Zwei Jahre musste er mit C4 als Wachingenieur fahren, dann konnte er C5 bekommen. Und damit konnte er auf den C6–Lehrgang gehen! Es war doch eine Lust zu leben…

    * * *

    Sie lasen im Band 45 zuletzt:

    Grafik 57

    Alle haben bestanden

    Pelle Jöns verteilte die Zeugnisse, und Flarrow bekam dazu, zusammen mit einigen anderen Absolventen, ein Buch über die Entwicklung des Hochdruckdampfes in Deutschland. Der Verein Deutscher Ingenieure erlaubte sich, auf diese Weise „anlässlich seines besonders erfolgreich abgeschlossenen Studiums und der Ernennung zum Ingenieur für Schiffsbetriebstechnik zu gratulieren."

    Immerhin, dachte Flarrow und begann zu rechnen. Bereits in dreizehn Monaten würde er sein Patent ausgefahren haben, und dann war er, was er immer gewollt und angestrebt hatte: Schiffsingenieur mit großem Patent und hoffentlich auch Leitender Ingenieur.

    * * *

    Chief auf KMS „HILDEGARD"

    Chief auf KMS HILDEGARD"

    Als Chief wird der Chef der Maschinenanlage bezeichnet, sei er nun Erster Maschinist, Erster Ingenieur oder Leitender Ingenieur. Das Wort kommt aus dem Englischen und bedeutet Häuptling oder Oberster. Oberingenieur oder Chefingenieur lautet die deutsche Übersetzung für Chief-Engineer. Der Heuertarif kennt nur den Ersten Ingenieur, der in aller Regel Wache geht (Chiefwache: 08–12 / 20-24 Uhr) und drei Streifen trägt, wie der Erste Offizier auch. Der Vergleich mit dem Ersten Offizier hinkt, weil der auch fachlich dem Kapitän unterstellt ist. Das ist bei dem Ersten Ingenieur nicht der Fall. Er hat keinen Fachvorgesetzten und ist für seinen Bereich allein verantwortlich; dies natürlich auch als Disziplinarvorgesetzter der Maschinencrew. In der britischen und amerikanischen Handelsmarine tragen die Chiefs vier Streifen wie der Kapitän, dem sie nur disziplinarisch unterstellt sind. Bei der Hamburg-Süd tragen die Chiefs, wenn sie Leitende Ingenieure sind, drei und einen halben Streifen. Im Spannungsfeld Deck / Maschine spielt das natürlich eine Rolle. Da der Kapitän nämlich nicht Mitglied der Besatzung ist, ist klar, dass der Erste Ingenieur als höchster Dienstgrad die Besatzungsliste anführt. Das sehen die Ersten Offiziere als Stellvertreter des Kapitäns gerne anders als die Chiefs.

    Wenn das Verhältnis zwischen Deck und Maschine stimmt, ist das alles nicht so wichtig. Wenn nicht, sind bekanntlich klare Regeln immer die beste Lösung.

    * * *

    Grafik 59

    „Mit Wirkung vom 10. Januar 1967 befördern wir Sie zum Leitenden Ingenieur. Wir bitten Sie, diese Beförderung als Anerkennung für Ihre bisher geleisteten Dienste zu betrachten und hoffen auf eine weitere erfolgreiche Zusammenarbeit."

    Flarrow las die Zeilen noch einmal und begriff, dass er nun sein Berufsziel erreicht hatte. Er würde diese Anerkennung unter Beweis stellen müssen, aber davor war ihm nicht bang. Bei der Hamburg-Südamerikanischen Dampfschifffahrts-Gesellschaft, auch kurz Hamburg-Süd genannt, als Chief, das war doch etwas, und das machte ihn stolz!

    Kurz vor Weihnachten, auf dem Heimweg von Flensburg nach Kassel, hatte er sich in der Nautisch-Technischen Abteilung der Reederei gemeldet, wo man ihn bereits erwartet hatte.

    Sie hatten ihm sofort angedeutet, dass man ihn als Leitenden Ingenieur einsetzen würde. Ja, er könnte unter drei Schiffen wählen. Das waren die Motorschiffe „CAP DELGADO, „CAP COLORADO und „HILDEGARD".

    Die beiden CAP-Schiffe fuhren derzeit im Liniendienst der Columbus-Line Ostküste Nordamerika / Ostküste Südamerika und Südost-Asien / Papua Neuguinea, eine vor allem bei Junggesellen sehr begehrte Route im Südseeraum. Die „HILDEGARD lief als Tiefkühlschiff in weltweiter Tramp- und Charterfahrt. Sie war das kleinste und am wenigsten reizvolle Schiff des Angebotes. Gegenüber den beiden CAP–Schiffen, mit knapp 5.000 BRT, war „HILDEGARD mit gerade einmal 1.352,1 BRT und 72 m Länge eher ein fett gemachtes Küstenmotorschiff.

    Für keines der ihm angebotenen Schiffe war ein C6-Patent erforderlich, das Flarrow ja auch noch nicht besaß, weil deren Maschinenleistungen unter 6.000 PS lagen. Allerdings waren die 1.350 PS der „HILDEGARD für ein ausgefahrenes C5-Patent auch schon beinahe etwas peinlich, wenn man von der geltenden gesetzlichen Regelung der Schiffsbesetzungsordnung ausging. Man gab ihm Bedenkzeit. Er sollte sich in Ruhe entscheiden, aber Flarrow kapierte sofort. Die Angebote passten nicht zueinander, also hatte das mit KMS „HILDEGARD einen besonderen Grund, und deshalb entschied er sich für dieses Schiff, das derzeit in einem jugoslawischen Hafen Schweineschmalz für London lud.

    KMS „Hildegard gehörte der Nord-Ost-Reederei Konsul Westphal, war auf der Elsflether Werft gebaut und 1958 in Dienst gestellt worden. Von 1962 an lief sie in Bareboat-Charter der Reederei H. C. Horn, dem „Kleinen Horn, wie sie an der Küste sagten. H. C. Horn wiederum gehörte der Hamburg-Süd und betrieb eine Reihe kleiner, hoch moderner Kühlschiffe, die meisten in der weltweiten Trampfahrt.

    In Charter der spanischen Firma PESCANOVA S. A. / Vigo sollte HILDEGARD Fisch von spanischen Trawlern, die in der Antarktis fischten, übernehmen und nach Spanien transportieren.

    Langfristig wäre daran gedacht, auch von deutschen Trawlern in der Antarktis, Fisch nach Deutschland zu bringen. Dazu müsste allerdings die Kühlanlage besser laufen als jetzt, sagte man ihm in der Nautisch-Technischen Abteilung (NTA).

    Losgehen sollte es Mitte Januar 1967. Weihnachten und Silvester würde er also dieses Jahr zu Hause verbringen können.

    Anfang Februar war es soweit, Flarrow fuhr nach Hamburg, bekam ein paar Informationen über den technischen Zustand des Schiffes, die nicht überraschten und flog nach London.

    KMS „HILDEGARD" lag am Themse-Kai, gleich hinter der Tower Bridge, und als Flarrow aus dem Taxi stieg, reckte sie ihm ihren eher plumpen Bug entgegen, den ein Zwölf-Knoten-Schiff hatte, wenn es bei einer Länge von 72 Metern einen Laderauminhalt von 62.000 Kubikfuß besaß. Da keine Ladung mehr an Bord war, lag sie hoch heraus, was von der Flut, die gerade lief, noch unterstützt wurde.

    Ein fett gemachter Kümo, dachte Flarrow, nahm seinen Koffer auf und ging über die Gangway an Bord. Dort begegnete ihm ein Steward, den er an einer ehemals weißen Jacke erkannte. „Wo wohnt der Chief? fragte er, und der Steward antwortete, indem er schweigend mit der Hand nach oben zeigte. Ein Deck höher klopfte er an die Tür mit dem Schild „Ltd. Ingenieur und öffnete sie, als er ein geknurrtes „Herein hörte. Im abgedunkelten Wohnraum saß ein schon etwas älterer Mann in der Sofaecke, der sich sofort erhob und auf ihn zukam, als er eintrat. „Sie sind meine Ablösung, nicht wahr? und Sie sind von der Süd, nicht wahr? Flarrow nickte. „Bestimmt Ihr erstes Schiff als Chief, nicht wahr?" Flarrow nickte abermals.

    „Also hier ist soweit alles o. k. Wir haben den Laden in Schuss, wollen ja euch jungen Leuten nicht die Karriere versauen, nicht wahr? Als Flarrow nun etwas sagen wollte, unterbrach ihn der Chief. „Haben Sie gerade C5- oder den C6-Lehrgang gemacht? - „Den C6-Lehrgang habe ich gemacht. – „Na dann wird ja die Personallage langsam besser, nicht wahr? Flarrow erklärte ihm, dass die Arbeitslosigkeit in Deutschland zugenommen hätte und die Leute sich um Arbeit mehr bemühen müssten, als bisher.

    Dann hörte man Lärm auf dem Niedergang zum Hauptdeck, und der Chief fragte, ob das eventuell der neue Kapitän wäre. Es würde sowieso Zeit, dass der alte abgelöst würde. Der wäre ja überhaupt nicht mehr zeitgemäß, man könnte sich gar nicht mehr richtig mit dem unterhalten. Er hätte ja auch bloß immer seine Briefmarkensammlung im Kopf. „Gehen wir doch gleich mal rüber zum Alten, damit ich Sie vorstellen kann, nicht wahr?" Flarrow nickte abermals.

    Zwischen den Wohnräumen von Chief und Kapitän lag der Salon. Im Hafen wurden hier die Behörden und Agenten empfangen, außerdem war der Salon auch der Speiseraum für die leitenden Offiziere.

    Im Salon war viel Betrieb, die Ablösung für den Kapitän und einen Steuermann war zusammen mit einigen Matrosen eingetroffen. Die Matrosen schickte der Erste Offizier schon bald nach Entgegennahme ihrer Seefahrtsbücher nach unten. Flarrow erregte Aufsehen, als bekannt wurde, dass er von der Hamburg-Süd kam. „So, so, von der Süd kommt der und nicht von H. C. Horn, da haben die wohl zu viel Leute?", wurde gesagt.

    Später erfuhr er, dass das Personal der verschiedenen Reedereien innerhalb der Hamburg-Süd-Gruppe unterschiedlich behandelt wurde. So mussten die Leute von H. C. Horn beispielsweise ihre Uniform selbst kaufen und bezahlen, während die Hamburg-Südamerikanische Dampfschifffahrts-Gesellschaft die Uniformen stellte. Deshalb waren Offiziere von der Hamburg-Süd für die Leute von den Horn-Schiffen so etwas wie „feine Pinkel".

    Nach dem Abendessen saß man noch im Salon zusammen. Die Besatzung von ursprünglich neunzehn Mann war in den letzten Monaten auf vierzehn reduziert worden, darunter waren auch der Funker und der Dritte Offizier. Darüber wurde nun lange und lauthals gemeckert.

    Der Zweite Offizier kam ebenfalls aus Kassel, und der neue Kapitän sagte nicht viel, hörte sich das Geschwafel seines Vorgängers an, das sich schon bald um seine Briefmarkensammlung drehte. Der Chief betonte immer wieder, wie sehr sie gearbeitet hätten, um den Laden in Schuss zu bringen. Vor der Jugoslawienreise war das Schiff bereits in Charter für Pescanova S. A. gewesen. Sie hätten vier Wochen vor Walvis Bay auf Reede gelegen und auf die Trawler gewartet. Da wäre gut Zeit gewesen, alles auf Vordermann zu bringen.

    „Sie werden gut zurechtkommen und können bei der Reederei einen guten Eindruck machen, nicht wahr?"

    Flarrow, dem das „Nicht wahr" bereits auf die Nerven ging, nickte nur noch. Am nächsten Morgen verschwanden die Urlauber. Zwei überholte Generatoren wurden angeliefert, mit eigenem Geschirr an Bord genommen und vom Dritten und dem Elektriker montiert.

    Flarrow betrat den Maschinenraum und glaubte zunächst nicht, was er da sah. Im Kopf hatte er immer den Maschinenraum des Hornschiffes, das sie damals in Leixöes getroffen hatten, als er noch Zweiter auf der „LORENZO" war. Der war klar aufgebaut, klein aber gediegen und vor allem blitzsauber. Hier dagegen gab es das nicht. Dieser Maschinenraum war völlig verbaut, als ob man ihn nachgerüstet hätte, wozu man den vorhandenen Raum völlig wahllos genutzt hatte. Es herrschte eine Enge, so dass viele Maschinen kaum zugänglich waren. Ungepflegt war der gesamte Maschinenraum auch. Schmierige Geländer, Öl und Dreck auf den Flurplatten, sogar vor dem Fahrstand!

    Als Flarrow den Zweiten kennen lernte, der exakt das vorstellte, was man als „Schmierpäckchen bezeichnete, war ihm alles klar. Der Elektriker, ein bulliger Typ, sah Flarrow schief an, weil der in Uniform auftrat. Er ließ ihn deshalb sogleich wissen, dass sie hier genug zu tun hätten und keinen Hamburg-Süd-Chief bräuchten. Flarrow lächelte nur und verlangte vom Zweiten Meldung, wenn die Generatormontage beendet wäre, da er bei der Inbetriebsetzung dabei sein wollte. Der wachhabende Assistent, rein äußerlich zu den beiden vorgenannten passend, stand am Fahrstand und hatte Mühe, die Hände aus den Taschen zu bekommen, als sich Flarrow vorstellte. Die Ablehnung die ihm hier entgegen gebracht wurde, konnte man förmlich greifen. Als er an Deck kam, torkelte einer über die Gangway an Bord. Der Betrunkene, den niemand sonst wahrnahm, verschwand im Deckshaus. An Deck wurde aufgeklart und seeklar gemacht. Der Zweite Offizier spielte den Bootsmann. Flarrow war kaum in seiner Kabine, als der Alte kam und ihn fragte, wie es denn so aussehen würde mit der Maschine. Er grinste nur und fragte zurück, wann es denn losgehen sollte. „Sobald Sie mit der Maschinenreparatur fertig sind. Schaffen Sie das bis heute Nachmittag? Ab vierzehn Uhr ablaufendes Wasser, das wäre der richtige Zeitpunkt. Flarrow nickte dazu und prüfte auf die Schnelle noch die wichtigsten Papiere auf Vollzähligkeit.

    Gegen Mittag kam der Zweite und meldete die beiden Generatoren klar. Sie wären in Ordnung, und der Elektriker hätte jetzt beide Aggregate am Bordnetz. Flarrow sagte dazu nichts. Der Zweite hatte nämlich die gegebene Weisung, vor der Inbetriebnahme der Generatoren Bescheid zu sagen, einfach nicht beachtet. „Können wir um vierzehn Uhr auslaufen?, fragte er den Zweiten, der das bestätigte. „Also, dann um vierzehn Uhr Maschine klar.

    In der Kabine des Kapitäns saß auch der Erste Offizier, ein sympathischer junger Mann, der Flarrow darauf aufmerksam machte, dass Uniformen auf diesem Schiff abgelehnt würden. „Von wegen feine Pinkel, die Streifenträger oder so?, antwortete Flarrow. „Genauso, ich sage das nur, um zu informieren. Mir persönlich ist das egal. – „Na, da bin ich aber beruhigt, sagte der Kapitän. Und zu Flarrow gewandt: „Chief, die mögen uns hier also nicht, was halten Sie davon? – „Warten wir es ab", meinte Flarrow. Nach den Erlebnissen des Vormittags konnte es ja eh nur besser werden.

    Flarrow war nicht in der Maschine, als es losging. Er überließ alles dem Zweiten, der das gewöhnt war. Sollten sie glauben, was sie sahen. Einen uniformgeilen Hamburg-Süd-Chief, der natürlich keine Ahnung hatte und schon gar nicht mit anpacken würde.

    Deshalb hatte Flarrow Zeit, den Tower zu betrachten, als „HILDEGARD" die extra für sie geöffnete Tower Bridge passierte.

    Bei der ersten Hartruderlage, die das Schiff überholen ließ, war aus der Maschine ein Alarm zu hören, und die Hauptmaschine stotterte etwas. Flarrow gab sich alle Mühe gelassen zu wirken, wohl wissend, dass der Alte ihn aus den Augenwinkeln beobachtete. Als sie dann die nächste Flussbiegung erreichten, wiederholte sich der Vorgang, und die Hauptmaschine stoppte. Da gab es kein Halten mehr, der Lotse wurde nervös, und Flarrow stürzte in den Maschinenraum, wo der Zweite inzwischen die Hauptmaschine wieder gestartet hatte und lächelnd erklärte: „Wir fahren so wenig Schmieröl wie möglich, denn das spart ja bekanntlich. Wir setzen jetzt aber Schmieröl zu."

    Flarrow ließ Öl peilen und sah, dass der Ölstand unter dem Minimum lag. Außerdem war das Öl ziemlich trüb und dunkel, also stark verunreinigt. „Füllen Sie sofort Schmieröl auf, bis zum mittleren Ölstand. Was ist mit dem Schmierölseparator, ist der in Ordnung? – „Ja. – „Das Öl ist sehr dreckig, sehen Sie das nicht. Wir müssen, glaube ich, über Verschiedenes reden, sobald wir auf See sind."

    Gegen achtzehn Uhr ging der Lotse von Bord, und die Seereise begann. Flarrow erregte großes Staunen, als er im Kesselpäckchen zur Übernahme seiner Abendwache erschien. Das waren sie also nicht gewöhnt, dachte er. Der Zweite hatte gerade auf Schweröl umgestellt, und weil die Temperatur des Brennstoffs viel zu niedrig war, lief die Maschine hart. Nach ein paar Minuten bekamen zwei Zylinder nicht mehr genug Treibstoff, und die Drehzahl fiel. Der Zweite war nicht überrascht und sagte der Brücke Bescheid, dass sie stoppen müssten. Das geschah dann auch, und nach dem Wechsel von zwei kleinen Rückschlagventilen im Brennstoffpumpenblock lief endlich alles rund. Die Vier-Acht-Wache ging nach oben, während Flarrow in seinem Wachgänger den betrunkenen Mann vom Vormittag erkannte. „Ich bin Jan van Thaden und Schmierer hier an Bord." Jan hatte ein niederländisches Seemaschinistenpatent, das auf deutschen Schiffen nicht galt. Deshalb fuhr er hier nur als Schmierer. Man konnte natürlich den Verdacht haben, dass Jan nur auf deutschen Schiffen fuhr, weil er, aus welchen Gründen auch immer, in den Niederlanden keine Heuer mehr bekam. Jan war hier immer die Chiefwache allein gegangen, was nicht unüblich war, und er hatte den Laden im Griff. Flarrow begann sich in die Anlage einzuarbeiten und fragte dieses und jenes. Dabei entdeckte er zunächst, dass es in der Werkstatt kein Werkzeug gab. Das würde der Zweite unter seiner Koje fahren, weil das angeblich immer geklaut würde, sagte Jan. Es gab also noch eine Menge Merkwürdigkeiten hier an Bord. Kaum zu glauben, aber trotzdem wahr, leider.

    Der Schmierölseparator, der normalerweise ein Reinigungsintervall von vierundzwanzig Stunden hatte, war bereits nach zwei Stunden reif für die Reinigung. Das interessierte aber augenscheinlich niemanden. Eine Peilung der Ölreserven ergab Überbestände von rund zwanzig Prozent, aber warum so wenig Schmieröl im Hauptmotor gefahren wurde, wusste auch Jan nicht. Das hatte der Chief so gewollt, war die lakonische Antwort.

    Gegen zweiundzwanzig Uhr rief der Alte an und fragte, ob Flarrow wohl ein paar Minuten Zeit hätte, die Nachrichten der Deutschen Welle zu hören. Das tat Flarrow auch. Nach den Nachrichten fragte der Kapitän, wie es denn so ginge im Maschinenraum. Flarrow sagte ihm seine Meinung und beschönigte nichts. So etwas haben sie mir in Hamburg auch angedeutet, meinte der Alte. An Deck sähe es nicht viel besser aus, nur die Steuerleute wären o. k. Dafür gäbe es aber nur zwei, so dass er als Kapitän gegebenenfalls auch Wache gehen müsste.

    Er erzählte nun Flarrow, was er von seinem Vorgänger gehört hatte. Der hatte den Chief wegen irgendeiner Geschichte zu Hause verpetzt. Der Chief wiederum hatte sich diesbezüglich revanchiert, und so hatten die beiden vor den Augen der ganzen Besatzung einen offenen Kleinkrieg geführt. Flarrow kapierte, das hier nicht nur in der Maschinenanlage einiges zu richten war. Der Kapitän erwähnte auch die Kühlmaschine, daran wären sie in Hamburg besonders interessiert. Wegen einer zukünftigen Charter müsste die Anlage viel besser laufen. Dazu konnte Flarrow allerdings noch nichts sagen. Dessen Hauptsorge waren zunächst die Dieselmotoren. Neben dem Hauptmotor gab es auch die vier Hilfsdiesel. Das waren Lkw-Motoren der Firma Büssing, für die kaum Ersatzteile vorhanden waren. Die gemeinsam gehörten Nachrichten der Deutschen Welle wurden schon bald zur guten Gewohnheit.

    Um Mitternacht übergab Flarrow seine Wache einem Dritten, der darüber staunte, dass der Chief um diese Zeit in der Maschine war. Von ihm erfuhr Flarrow auch, wie die Geschichte mit dem Schmieröl lief. Öl aus der Hauptmaschine wurde in den Hilfsdieseln weiter verwendet! Flarrow sträubten sich die Haare. „Machen Sie sofort bei allen Hilfsdieseln Ölwechsel. Fangen sie das Altöl auf, ich möchte sehen, ob wir Wasser im Öl haben und wie viel." Der Dritte strahlte. Endlich konnte er seinen Dieseln etwas Gutes tun.

    Als Flarrow am nächsten Morgen wieder im Kesselpäckchen zur Wachablösung erschien, fehlte der Elektriker, der noch in der Koje lag. Es hatte nämlich in der vergangenen Nacht ein Besäufnis gegeben, und da schlief man eben seinen Rausch aus. Er wurde unsanft geweckt und erhielt sofort eine Menge Aufträge, so dass er gar nicht dazu kam, nach einer Entschuldigung zu suchen. Der Assistent von der Null-Vier-Wache wurde zum Zutörnen geweckt und zwar vom Chief persönlich. Flarrow musste wissen, wie es um die Hilfsdiesel stand. Der Zweite hatte den Vormittag über dafür zu sorgen, dass das Werkzeug, welches er in seiner Backskiste gestaut hatte, wieder in die Werkstatt kam. Dagegen protestierte er zwar, aber das rührte Flarrow nicht. Der neue Style erzeugte aber auch Respekt, denn auf einem so kleinen Schiff gibt es kaum Geheimnisse.

    Als Flarrow beim Koch auftauchte, wurde er sehr zuvorkommend behandelt. „Eine Tasse Kaffee vielleicht? Flarrow sagte nicht nein und fragte so nebenbei, ob der Koch irgendwelche Probleme hätte. „Herd o. k? Wie sieht es in den Proviantkühlräumen aus? Temperaturen zufriedenstellend?

    Sie sollten Dakar anlaufen, um zu bunkern und dann weiter nach Kapstadt gehen. Bis Dakar waren es zehn Reisetage, bis dahin wollte Flarrow einen Zustandsbericht über die gesamte Maschinenanlage fertig haben. Deshalb gab es jede Menge Überstunden für die Maschinencrew.

    Sie waren sieben Mann in der Maschine; drei Ingenieure, zwei Assistenten, ein Schmierer und ein Elektriker. Damit war nur der Elektriker auf Tageswache, alle andern gingen Seewache und mussten deshalb auch in ihrer Freiwache zwei bis drei Stunden arbeiten. Flarrow hatte auf einem Fischdampfer und auf der „BERLIN gelernt, was er seinen Leuten zumuten durfte und ging mit gutem Beispiel voran. Das wirkte bei allen, bis auf den Elektriker. Als Flarrow jedoch bei einer Inspektion der Schalttafel eine mit einem Nagel überbrückte 160 Ampere-Schmelzsicherung entdeckte, gab auch der seinen Widerstand auf. Es wurde ihm nämlich klar gemacht, dass das ein schwerer Verstoß gegen die Schiffsicherheit war, die ihn nicht nur seinen Job, sondern auch seinen Facharbeiterbrief kosten könnte. „Wenn Sie hier nicht mitspielen, sagte Flarrow, „fliegen Sie. Von mir aus auch von Kapstadt. Vergessen Sie das niemals, so lange Sie bei mir fahren."

    Jan van Thaden zeigte, was er konnte, nahm die Gelegenheit wahr, mit Überstunden einiges dazu zu verdienen und wurde eine große Hilfe für Flarrow, weil er sehr zuverlässig war. Der Kapitän fragte an, ob Flarrow für eine Inspektion der beiden Ladeluken Zeit hätte. Flarrow freute das, weil das nach guter Zusammenarbeit aussah. Die Laderäume waren inzwischen gereinigt und klar zum Laden von Lebensmitteln. Der Kapitän, der schon länger bei H. C. Horn fuhr und deshalb Tiefkühlschiffe kannte, meinte, dass hier wohl vieles nachgerüstet worden wäre. So war das auch. Bestellt war das Schiff ursprünglich als Trockenfrachter für kleine und mittlere Fahrt. Allerdings hatte man sich kurz vor der Indienststellung entschlossen, ein Kühlschiff daraus zu machen. Die gesamte Kühlmaschinenanlage und ein Hilfsdiesel waren deshalb in den Laderaum II hineingebaut worden. Weil Laderaum dem Reeder lieb und teuer ist, war es im Kühlmaschinenraum entsprechend eng. In den Laderäumen gab es ein paar kleine Reparaturen, die der Zweite Ingenieur zusammen mit einem Matrosen während seiner Freiwache erledigte. Das war ein damals durchaus nicht übliches Teamwork von Deck und Maschine.

    Inzwischen hatten sie die Kanarischen Inseln passiert, der Nordostpassat wurde spürbar und hilfreich. Und der Kanarenstrom sorgte ebenfalls für gute Etmale. Am zehnten Reisetag kam Kap Verde in Sicht. Flarrow saß hinter seiner Schreibmaschine und tippte seinen Zustandsbericht, dem er eine ausführliche Ersatzteilbestellung beifügte.

    Am nächsten Morgen gingen sie in Dakar an die Bunkerpier. Der französische Agent mahnte zur Vorsicht, es gab Spannungen mit der schwarzen Bevölkerung. Die würden den Leuten von der Besatzung Waffen anbieten, und wenn die dann gekauft hätten, würde die Polizei das Schiff auf den Kopf stellen, bis die Waffen gefunden wären. Daraus würde dann eine saftige Strafe für das Schiff werden, das so lange aufgehalten würde, bis die Reederei gezahlt hätte.

    Dementsprechend wurden alle Leute vergattert und Landgang untersagt, was nicht zur allgemeinen Fröhlichkeit beitrug.

    Aufgrund der Erfahrung des Zweiten wurden alle Auslassventile der Hauptmaschine gewechselt. Flarrow stimmte zu, obwohl diese Ventile gerade einmal zweihundertfünfzig Betriebsstunden gelaufen hatten. Der Schwerölbetrieb wäre daran schuld, die Auslassventile wären dafür völlig ungeeignet. So sah es zumindest der Zweite Ingenieur. Das Bunkern verzögerte sich, weil es den schwarzen Bunkerleuten am Tag dafür zu heiß war. Flarrow nutzte die Gelegenheit, einen Kolben zu ziehen, bei dem sich vermutete Risse bestätigten. Die Post nach Hamburg wurde noch einmal geöffnet und zusätzlich zwei neue Kolben für die Hauptmaschine bestellt. Am späten Abend begann das Bunkern endlich, und es sollte die Nacht über dauern. Gegen zwanzig Uhr kamen zwei blonde Damen weißer Hautfarbe an Bord. Sie erregten natürlich Aufsehen und fragten ziemlich ungeniert nach Hering in Dosen und Schwarzbrot. Sie wären Mitglieder eines deutschen Sinfonieorchesters, welches im Zuge eines Entwicklungshilfeprogramms den Eingeborenen in Stadt und Land klassische Musik zu Gehör bringen sollte. Das löste natürlich großes Staunen, aber auch Entrüstung bei der Schiffsleitung aus. Man konnte das einfach nicht glauben. Die Ladies zogen dann auch bald mit einer großen Dose Rollmops und Graubrot, das an Bord gebacken worden war, ab. Am Morgen mussten sie noch auf das Schmieröl, das in Fässern geliefert wurde, warten. Die durften nämlich während des Bunkerns nicht geliefert werden. Eine reine Schikane, um die Liegegebühr zu erhöhen. Aber der französische Agent zuckte nur mit den Achseln. Der Schwarze Mann hatte hier in der Republik Senegal das Sagen, und die abziehende französische Kolonialmacht hatte nur in einem sehr beschränkten Umfang für eine gute Verwaltung gesorgt. Es wurde Mittag, bis sie endlich loswerfen konnten und nach dem obligatorischen Stopp beim Umstellen auf Schweröl ging Flarrow endlich in die Koje, die ihn zwei Nächte lang nicht gesehen hatte. Am nächsten Tag wurde die Ladekühlanlage in Betrieb genommen. Im Kühlmaschinenraum standen vier Kompressoren so eng beieinander, dass man zwischen ihnen kaum stehen konnte. Der Antriebsmotor des Kompressors I war nicht ganz in Ordnung. Das lag an zwei Kühlwasserpumpen, die genau über dem Motor direkt an der Bordwand auf einem Podest montiert waren. Bei Leckagen an den Pumpen oder den Rohrleitungsanschlüssen lief dann das Kühlwasser auf den nur gegen Spritzwasser geschützten Elektromotor, was dem natürlich nicht bekam. Offensichtlich waren die Pumpen bei der hastigen Planung völlig vergessen und im letzten Moment dann eben wegen Platzmangels so unglücklich platziert worden. Der Elektromotor, der nicht durch den Zugang zum Kühlmaschinenraum passte, war auf der Reise von London nach Dakar zerlegt und im Herd der Kombüse getrocknet worden. Die Kühlwasserpumpen hatten Leckbleche bekommen, und ihre Stopfbüchsen waren so gut es ging neu verpackt worden. Das war deshalb schwierig, weil die Pumpenwellen starke Riefen aufwiesen und Ersatz nicht vorhanden war.

    Außerdem gab es im Kühlmaschinenraum noch ein Dieselaggregat, das auf einem Podest montiert war. Der Dieselmotor stand direkt am Schott zum Maschinenraum, seine Abgasleitung wurde aber noch über zwei Meter im Kühlmaschinenraum geführt und das nicht schwingungsfreie Podest sorgte dafür, dass die Abgasleitung stark vibrierte. Das Ganze war konstruktiv eine Zumutung, ganz zu schweigen von der Brandgefahr, die von der vibrierenden Abgasleitung ausging. Ändern konnte man das jedoch nicht mehr.

    Unter den misstrauischen Augen des Zweiten wurden nun die einzelnen Kompressoren gestartet. Das ging auch bei Kompressor I ganz gut. Nachdem alle Kompressoren gelaufen hatten, blieb ein Kompressor in Betrieb, um die Laderäume vorzukühlen. Die Lufttemperaturen im Laderaum begannen sofort zu sinken, was ein gutes Zeichen war. Am Abend erreichten sie null Grad Celsius, und Flarrow widmete sich beruhigt seinem Bürokram. Zum Wachwechsel um Mitternacht zeigten die Fernthermometer minus fünf Grad. Alle anderen Temperatur- und Druckanzeigen lagen im normalen Bereich. Nach einem kurzen Schwätzchen mit dem zweiten Offizier, der die Null-Vier-Wache auf der Brücke ging, machte Flarrow seine Kojenlampe aus. Gegen sechs Uhr tauchte er unerwartet im Maschinenraum auf. Der Zweite stand in der Werkstatt an der Drehmaschine. Flarrow warf zunächst einen Blick auf die Laderaumtemperaturen. Die Fernthermometer zeigten nur minus fünf Grad!

    Nun ging er zum Zweiten in die Werkstatt und sah, dass der die Sitze von neuen Auslassventikegeln abdrehte. Der Zweite erklärte ihm, dass er die neuen Kegel überdrehen würde, damit die Sitze dann auch passen würden, viel einzuschleifen wäre da dann nicht mehr. Das hätte Flarrows Vorgänger herausgefunden. Flarrow fragte zurück, ob er denn die Lieferscheine nicht lesen würde, denn dann wüsste er, dass die Sitze mit Stellit beschichtet wären, wie das für Schweröl erforderlich sei. Die dürfte man natürlich nicht überdrehen, höchstens schleifen. Der Zweite schwieg dazu. Flarrow wurde nun einiges klar. Durch das Abdrehen der Stellitsitze war die Oberfläche beschädigt worden, und das führte schon nach kurzer Standzeit zu diesen merkwürdigen Auskohlungen, die er in Dakar gesehen hatte. Der Zweite hatte mit seiner Abdreherei genau das Gegenteil von dem erreicht, was durch die Beschichtung vermieden werden sollte!

    Die Geschichte mit den stellitisierten Ventilkegeln konnte man ja noch verzeihen. Es war nicht üblich, dass von der Reederei solches Wissen mitgeteilt wurde; ein ganz schlechtes Zeugnis lieferte der Zweite aber damit, dass er das Abdrehen auf einer völlig „ausgeleierten" Drehmaschine vornahm, mit der die erforderliche Präzision gar nicht mehr erreicht werden konnte. Es ging also offenbar darum, das mühevolle Einschleifen von

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