Agadir-Allgäu: Auch so kann Mi(Inte)gration
Von Gerd Wenninger
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Über dieses E-Book
Die Geschichte ist gleichermaßen informativ, streift die Religion und die Kultur, und beschreibt in lockerer Art, ohne Beschönigungen, den mühsamen Weg in die "Freiheit".
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Buchvorschau
Agadir-Allgäu - Gerd Wenninger
„Agadir - Allgäu, einfacher Flug, bitte ! "
1
chapter1Image1.gifAuch so kann
MI(INTE)GRATION
Gerd Wenninger
2
Meine tragikomische Erzählung handelt von jungen hoffnungs- frohen, marokkanischen Leuten, die versuchen, seit nunmehr 15 Jahren ihre Würde zurück zu erlangen. Ahmed, der Hauptak- teur, ist von seinem Vater, von Imamen und rücksichtslosen Arbeitgebern ausgebeutet worden. Die Mädchen waren in Ma- rokko dem ständigen Druck der Familie, der Sittenwächter und der rigiden muslimischen Gesellschaft ausgesetzt.
Sie kommen als Au - Pairs nach Deutschland, ohne die Absicht zu haben, unser schönes Land je wieder zu verlassen.
Zum besseren Verständnis habe ich immer wieder Informati- onen eingeflochten, die es Ihnen, liebe Leserin und Leser, er- leichtern, die manchmal unverständlichen Aktionen der Ak- teure zu verstehen.
Bert und Zippi, das Diplomatenehepaar, helfen ihnen in kurio- ser Weise, und immer schön am Rande der Legalität, Ehepart- ner zu finden. Dass dabei die kaum wiedererlangte Würde zum Teufel gehen könnte, haben sie nicht bedacht.
„ Ende gut, Alles gut " ? Nach nunmehr zehn Jahren, und zur Hälfte in zweiter Ehe, haben sich alle Kandidaten frei gestram- pelt, und leben so gut oder so schlecht, wie jedes deutsche Paar auch. Mit der Würde ist das so eine Sache. Wenn ich mich abends noch im Spiegel, ohne Scham, betrachten kann, sollte dies in Ordnung gehen.
4
Wenninger Eigenverlag 2016
Satz: Amend & Linder GbR, Oberstaufen Bildbearbeitung: Dietmar Roth, Taunusstein Sekretariat: GürHöl, Oberstaufen
Umschlag: Wenninger, Amend & Linder GbR ISBN: 978-3-00-046613-7
Meine Geschichte habe ich jenen 3.800 marokkanischen Men- schen gewidmet, die in den letzten Jahren ihr Leben in der Stra- ße von Gibraltar verloren haben, bei dem Versuch, ein würdige- res Leben in Europa zu führen.
Bert
chapter1Image2.pngEinwanderung als Chance
Der Autor des Sachbuches „ Das Methusalem-Komplott ", Frank Schirrmacher, beschreibt mit eindringlichen Worten das Hor- rorszenario der allernächsten Zukunft:
„ Während die Alten leben und nicht sterben, werden die Jungen, die wir für die Zukunft benötigen, niemals geboren.
Alle Weigerung wird uns auf Dauer nichts nützen. Wir brauchen junges Blut von außen. Rückläufige Geburtenzahlen, selbst in ka- tholisch geprägten Südländern und die Tatsache, dass wir stän- dig älter werden, zwingt uns zum Handeln.
Die neun Mittelmeer-Anrainerstaaten von Marokko bis zur Tür- kei werden weiter wachsen, so dass der Einwanderungsdruck stark ansteigen wird. Aber umgekehrt wächst die Nachfrage nach jungen Menschen, die von außen in unsere alternden Milieus ein- wandern. Deutschland wird faktisch zu einem Zuwanderungs- land. Ohne diese Zuwanderung würde sich die Bevölkerungs- zahl bis 2080 um die Hälfte vermindern. Die Integrationsaufgabe ist außerordentlich: Wir müssen die Vielzahl der vermutlich überwiegend muslimischen Einwanderer integrieren . . .
es m u s s uns gelingen, die zukünftigen, jährlich 200 Tausend Zuwanderer auf westliche Werte, die Landessprache und einen westlichen Patriotismus zu verpflichten . . .
. . . die alternden Gesellschaften des Westens werden mit jungen Gesellschaften in muslimischen Ländern konfrontiert werden. " Eine reale Chance für beide Seiten ?
Zweifel sind angebracht . . .
Ein Happy End ?
"Man gibt sich viel Mühe mit dem Studium dessen, was die Men- schen, Völker und Zeiten voneinander trennt. Achten wir auch auf das, was alle Menschen verbindet."
Hermann Hesse
Mit diesem klugen Gedanken rutschte Bert Wenner langsam aber sicher in seinem Ohrensessel tiefer und tiefer. Der geschniegelte Nachrichtensprecher in seinem Button-down-Hemd verlas zum x-ten Mal wenig erbauliche Zahlen zur allgemeinen Lage.
Das Fernsehbild löste sich schleichend in seine hundertneun- undneunzigtausend Bildpunkte auf.
Da schreckte ihn eine Meldung hoch: . . .ist, wie schon wieder- holt in den letzten Monaten, ein marokkanisches Flüchtlings- boot im Sturm vor Spaniens Küste gesunken. Nahezu 30 hoff- nungsvolle, junge Menschen haben dabei ihr Leben verloren.
Zu sehr war Bert in den letzten Jahren mit dieser Misere kon- frontiert gewesen, als dass es ihn kalt gelassen hätte.
Der schnarrende Summer an der Eingangstür nervte ihn. Hat Zippi, meine allerbeste Frau der Welt, wieder mal ihren Schlüs- sel vergessen ?
, dachte er sich ungeduldig und schlurfte ver- schlafen zur Tür.
Hallo Baba, Salam Aleikum. Wie geht’s ? Denk dir, S I E ist endlich angekommen.
Plötzlich hellwach geworden, erfuhr Bert, dass die „ Neue " am Nachmittag eingetroffen war.
Die Neue war die, kürzlich geehelichte marokkanische Frau sei-
nes Ziehsohnes Hamid. Letzterer stammt aus einem lausigen Dörfchen im südlichen Atlas Marokkos.
Wie er nach Deutschland, dem Traumland, gekommen war, dazu später mehr.
Der magere junge Mann war mittelgroß, das sympathische Gesicht schmal und des Öfteren durch einen stoppeligen, har- ten Dreitagebart verfinstert. Sicherlich hätte er Schwierigkei- ten gehabt, die amerikanischen Grenzkontrollen in New York zu passieren. Sein manchmal verlegenes Lächeln bügelte die martialischen Züge wieder aus. Trotz seiner 29 Jahre kleidete er sich häufig etwas zu salopp. Hamid versuchte, einfach da- zuzugehören. Dazu heißt, zu dem Umfeld der nahen Vorarl- berger Gemeinde.
Als die beiden Männer von I H R sprachen, verzog sich Ha- mids olivfarbenes Gesicht zu einem dicken Grinsen.
Nach einer großen Enttäuschung in erster Ehe war er zu sei- nen Wurzeln zurückgekehrt und hatte eine Landsfrau, eine Kusine zweiten Grades, genommen. Schuster, bleib bei dei- nen Leisten !
Aller Anfang. . .
Bert Wenner, ein pensionierter Beamter mit reichlich Auslands- erfahrung, und seine israelische Frau Zippi, saßen im Jahre 2016 gemütlich in einem blau-weiß gekachelten Restaurant in der Touristenhochburg Agadir.
Das in Marokko übliche Tajine mit Huhn und Pflaumen mun- dete ihnen sichtlich.
Zippi (das kommt vom hebräischen „ Vögelchen ), machte ih- ren Mann auf einen freundlichen Jungen von circa 18 Jahren aufmerksam. Mehrfach schlurfte dieser mit einem scheuen Lä- cheln an ihnen vorbei. „All o.k., Mister?
, fragte er dienstbeflis- sen. Alles war o.k.
Hamid (eine Abkürzung von Ahmed), war nicht orientalisch auf- dringlich. Er schilderte ihnen in einem rudimentären Gespräch, mit einem Gemisch aus Englisch und Französisch, seine missli- che Lage. Eine Lage, die heute fast die gesamte Jugend Marokkos und Afrikas im Allgemeinen betrifft.
Der König versucht immer noch mit großem Elan, eine Verän- derung der prekären Situation herbeizuführen, scheitert aber am verkrusteten, patriarchalischen System. Und das Geld bleibt dort, wo es immer schon war! Auf das Jahr 2013 übertragen ist Marokko - noch - eine friedliche Oase in dieser, von Gewalt geprägten, arabischen Welt.
Hamid jedenfalls ist in jener ärmlichen Berber-Ansiedlung am Fuße des Atlasgebirges aufgewachsen. Sein dominanter Vater ist Fellah, ein armer Kleinbauer, der oft vergeblich versucht,
seine Großfamilie durchzubringen. Seine Mutter ist nach 14 Ge- burten eine gebrochene Frau.
Der aufgeweckte, immer schon etwas „ andere Junge hatte 3 oder 4 Jahre die Grundschule besucht, um dann in einer Ko- ranschule seinen religiösen Schliff zu bekommen. Er habe „stu- diert
, wie er es immer noch nennt. Nicht wenige Male gelang dem gestrengen Lehrer nur unter Zuhilfenahme eines elasti- schen Rohrstockes die Aufmerksamkeit zu erhalten.
Dort brachte man Hamid die arabische Sprache bei,