Die Tränen der Schatten: Erstes Buch: Der verwaiste Thron
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Zeitgleich droht eine Serie von Attentaten auf die Nachkommen anderer Herrscherdynastien rund um die Weite See, die Welt vollends ins Chaos zu stürzen. Dahinter steht ein alter, längst vergessener Feind, der die Reiche vernichten will und Zwietracht säht. Nur eine Handvoll Kämpfer, Angehörige eines einst mächtigen Ordens, stehen ihm entgegen. Doch sie sind nur wenige und ihr Gegner ist ihnen bereits einige Schritte voraus. Und wenn das Königliche Blut versiegt wird die Welt im Dunkel versinken...
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Buchvorschau
Die Tränen der Schatten - Nicolas von Szadkowski
Impressum
Die Tränen der Schatten
Buch 1: Der verwaiste Thron
Nicolas von Szadkowski
Texte: © Copyright by N. von Szadkowski
Umschlag: © Copyright by N. von Szadkowski
Verlag: N. von Szadkowski
Danziger Str. 5
55606 Kirn
nicolas@von-szadkowski.de
Druck: epubli, ein Service der
neopubli GmbH, Berlin
Printed in Germany
I Prolog Garten der Wasser, Hoshnaipur
Es war ein milder Frühlingstag. Ein kühler, leichter Wind bewegte die jungen Triebe etlicher Bäume und Sträucher, die erst vor wenigen Tagen begonnen hatten auszutreiben. Die Gärten des Wassers waren ein friedlicher Ort, benannt nach den künstlich angelegten Bachläufen, welche ihn in geschwungenen Mustern durchzogen. Und auch nach der Vielzahl mit Statuen gesäumter Springbrunnen überall in den weitläufigen Anlagen. Kein Ort in den Gärten, an dem man das Wasser nicht rauschen oder plätschern hörte.
Vom Alter der Gärten zeugten die nicht in Hoshnaipur beheimateten Quabi-Bäume. Sie hatten bereits eine Höhe von etwa sechzig Schritten erreicht. Dafür brauchten die Urwaldriesen, die man sonst nur auf der Halbinsel Somsa weit im Süden fand, etwa zwei Jahrhunderte. Ihre raue, fliederfarbene Rinde leuchtete im Licht der Sonnenstrahlen und ihre weißen, sich im Wind kräuselnden Blätter ähnelten Gänsefedern.
In den Gärten des Wassers gab es mehrere Pfahlbauten, errichtet inmitten künstlicher Teiche. Um sie herum waren Holzterrassen angeordnet, welche durch Stege miteinander verbunden waren. Dort spielten an diesem Nachmittag, wie meist, wenn das Wetter es zuließ, die Kinder Eshanmogis, des Raja über Hoshnaipur und die Lande von Yshis. Sieben waren es an der Zahl, vier Mädchen und drei Jungen, die mit Bällen, großen, bunten Tüchern oder kleinen Schiffsmodellen spielten, die sie auf dem Wasser fahren ließen. Noch hatte keines von ihnen das zehnte Lebensjahr erreicht. Mehrere Kinderfrauen und einige Bewaffnete sorgten in der näheren Umgebung für die Sicherheit des Thronfolgers und seiner Geschwister. Auch die Zugänge zu den Gärten wurden streng bewacht und einige Soldaten patrouillierten entlang der Mauern.
Keiner davon bemerkte jedoch die dunkel gekleidete Gestalt, die mit fließenden Bewegungen über das aus gebrannten Ziegeln errichtete Hindernis kletterte, auf den Boden hinab sprang und sich dort abrollte, ohne dabei mehr als ein leises Rascheln zu verursachen. Ihr Gesicht war von einer Maske verhüllt. Sie glich einer dämonischen, zähnebleckenden Fratze. Hinter den tränenförmigen Sehschlitzen war nur Schwarz zu erkennen, als hätte sie sich den Stoffwickel, der ihren Hals und Kopf umschloss, auch über die Augen geschoben.
Weiter huschte die Gestalt, nahezu lautlos, zwischen Büschen hindurch und entlang einer Reihe hölzerner Rankgitter, an denen eine exotische Blumenart gerade die ersten rötlichen Blütenblätter entfaltete. Als ihr zwei Wächter entgegen kamen, verbarg sich die Gestalt hinter einem Baum. Dann hastete sie weiter, über eine nur von knöchelhohem Kraut bewachsene Freifläche und in die Deckung in Form geschnittener Hecken.
Ein Diener trug sein Tablett, auf dem eine silberne Teekanne mit dampfendem Inhalt und eine Schale mit süßem Gebäck standen, direkt an der Gestalt vorbei, die sich tief in die Schatten zwischen den hohen Pflanzen drückte.
Erst ein paar Augenblicke später, als sie in Sichtweite des Pfahlbaus kam, neben dem die Kinder des Rajas spielten, blieb die Gestalt einen Moment stehen. Nicht um zu verschnaufen, sondern um die beiden unterarmlangen Klingen zu ziehen, die von ihrem Gürtel hingen.
Das metallische Schaben, das sie dabei verursachte, erregte die Aufmerksamkeit eines der Wächter. Der Mann griff reflexartig nach seiner Waffe und stieß einen Warnruf aus, doch da war die Gestalt schon heran und rammte eine ihrer Waffen von unten in seinen Helm. Blut schoss hervor und der unglückliche Soldat ging gurgelnd zu Boden.
Einer seiner Kameraden eilte herbei und stach mit dem Speer nach dem Angreifer, doch der wich blitzschnell zur Seite aus. Geschickt hieb er die Spitze der Stangenwaffe ab und schickte sie dann mit einem gezielten Tritt in Richtung ihres Besitzers. Sie traf den Wächter mit solcher Wucht mitten in die Brust, dass sie sein feingliedriges Kettenhemd durchstieß. Der Mann war tot, ehe sein Körper den Boden berührte.
Alarmrufe gellten durch die Gärten und mehrere der verbliebenen Wächter formierten sich nun vor den erschrockenen Kindern und ihren Betreuerinnen. Doch der Vermummte ließ sich auch von einer Wand aus Speeren nicht einschüchtern. Erneut stürmte er vor, wehrte mehrere Stiche der Wächter ab und wich anderen aus, während er die Männer auf den Steg zurückdrängte. Eine der Wachen fiel ins Wasser, eine andere wurde von einer der Klingen des Unbekannten getroffen. Schließlich fand doch einer der Speere sein Ziel im rechten Oberschenkel der Gestalt. Doch die schien sich daran kaum zu stören und reagierte nicht einmal groß darauf, bevor sie den Speer, wie den anderen kurz zuvor, in zwei Teile schlug und seinen Träger tödlich verletzte. Den letzten verbliebenen Wächter aus der Gruppe durchbohrte sie auf Brusthöhe, entrang ihm seine Waffe und warf sie dann nach einem anderen, der sich ihr von hinten genähert hatte. Auch dieser Mann ging zu Boden.
Nun wandte sich die Gestalt den Kinderfrauen zu, die sich vor die Sprösslinge des Rajas gestellt hatten. Auf ihren Gesichtern stand blankes Entsetzen. Die Gestalt zögerte keine Sekunde, sondern ging leicht humpelnd, die Speerspitze noch im Oberschenkel, auf sie zu, um ihr Werk zu vollenden…
II Ankartho, Kloster von Isilanthe, Groß-Gormoryn
Der dumpfe, durchdringende Klang des großen schwarzen Gongs riss Ankartho aus seiner tiefen Meditation. Der junge Mann blinzelte und versuchte, das Geräusch zu ignorieren. Doch es erklang erneut. Er spürte, wie eine Mischung aus Ärger und Neugier in ihm aufstieg. Wieso, bei den Ahnen, rief Ogas Nim ausgerechnet jetzt die Klostergemeinschaft zusammen? Es war früher Nachmittag, die Zeit, in der sich jeder im Tempel zurückzog, um etwas Zeit mit sich selbst zu verbringen, seine Gedanken zu ordnen oder etwas zu schlafen. Ankarthos Muskeln brannten noch immer. Die langen Vormittage, die die Bewohner des Klosters mit Waffenübungen verbrachten, waren recht anstrengend, besonders für die Novizen des Ordens, die in endlosen Wiederholungen ihre Kampftechniken, ihre Ausdauer und ihre Balance und Beweglichkeit trainierten. Sechsundvierzig Brüder und Schwestern lebten in Isilanthe, von denen viele bereits graue oder sogar weiße Haare hatten. Mit seinen vierundzwanzig Sommern war Ankartho einer der Jüngeren hier.
Er blickte auf seine Hände herab. In einem davon lag ein junges, grünes Wabeeki-Blatt, das er von einem der Bäume im Klostergarten abgerissen hatte. Er seufzte, schloss die Hand darum und konzentrierte sich. Sofort durchströmte neue Kraft seinen Körper. Es war nicht viel, doch das Gefühl brachte ihn dennoch zum Lächeln. Als er sich erhob, rieb er seine Hände aneinander und etwas Trockenes, Bräunliches rieselte auf den Boden.
Ankartho trat vor den Spiegel und betrachtete sich. Den schüchternen, stillen Jungen, der vor sechs Jahren nach Isilanthe gekommen war, erkannte er darin nicht mehr. Stattdessen blickte ihm ein durchtrainierter, hochgewachsener junger Mann mit schulterlangem, schwarzem Haar entgegen. Sein linkes Auge war vollkommen schwarz, die Iris des rechten hatte die Farbe von Moos auf feuchtem Stein. Unwillkürlich musste Ankartho lächeln.
Er erinnerte sich noch allzu gut daran, wie ihn sein Vater hatte rufen lassen. Damals, in der Fackelhalle von Borshera, hatte er Ogas Nim zum ersten Mal gesehen. Einen breitschultrigen, untersetzten Ishiden, der sein Haupthaar bis auf einen einzelnen, geflochtenen Zopf ausrasiert hatte. In einem einfachen Wickelgewand hatte er vor seinem Vater gestanden, dem mächtigen Flusskönig des Mukhet und ihm von der Wichtigkeit der ehrenvollen Aufgabe erzählt, die zu erfüllen seine Söhne auserwählt worden waren.
Doch der König hatte Ogas Nim nur Ankartho mitgegeben.
Seinen vierten Sohn, den der Herrscher ohnehin hatte loswerden wollen, da er ihn dann nicht mehr durchfüttern musste. Ankartho war sicher, dass seinem Vater das Angebot des Ordens der Sheren Zay, der Tränenwächter, nur allzu gelegen gekommen war. Doch heute war ihm das egal. Er hatte seinen Platz in der Welt gefunden. Einen, den ihm niemand missgönnte, neidete oder wegnehmen wollte. Und er würde, solange Leben in ihm war, alles dafür tun, ihn zu behalten.
Der Orden der Sheren Zay war uralt. Jahrtausende, wie man den alten Schriften in den Archiven Isilanthes entnehmen konnte. Und es entsprach der Wahrheit, dass jedes Mitglied von den Obersten ausgesucht worden war. Jedoch folgte längst nicht jeder, der erwählt war, den Zielen des Ordens zu dienen, auch dessen Ruf.
In den letzten sechs Jahren hatte Ankartho in Isilanthe fünf Sprachen gelernt, sowie den Umgang mit Federschwert, Dolch und Kampfspeer. Die Lektionen begannen bei Sonnenaufgang und endeten erst bei Sonnenuntergang.