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Champagner zum Brunch: Kriminalroman
Champagner zum Brunch: Kriminalroman
Champagner zum Brunch: Kriminalroman
eBook267 Seiten3 Stunden

Champagner zum Brunch: Kriminalroman

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Über dieses E-Book

Eine gewaltige Explosion zerreißt die Stille der Nacht. Der Inhaber eines Geschäftsimperiums kommt auf grausame Weise ums Leben. Die Kleinstadt im idyllischen Voralpenland hat ihre große Sensation. Vier Kommissare, die eigens für diesen Fall eine SOKO bilden, müssen sich durch einen Wust von Habgier und Anmaßung, Überheblichkeit, Neid und Eifersucht kämpfen. Ihre Ermittlungen führen sie unter anderem in die Welt der Reichen und Schönen, und bescheren ihnen bald mehr Verdächtige, als ihnen lieb ist.
Die Personen und Handlungen in diesem Roman sind frei erfunden.
Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum28. Juli 2017
ISBN9783742779359
Champagner zum Brunch: Kriminalroman

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    Buchvorschau

    Champagner zum Brunch - Petra S. Korn

    1

    Samstagnacht. Der See war spiegelglatt. Es war eine milde, sternenklare Sommernacht und der Vollmond glänzte schimmernd auf der Wasseroberfläche. Nach diesem heißen Sommertag hatte sich der Badestrand rasch geleert. Die erholungssuchenden Gäste, die Einheimischen mit ihren lärmenden Kindern und die tobenden Jugendlichen vom Beach-Volleyballplatz, alle waren nach Hause gegangen. Am See war nun mit der Dunkelheit auch die Ruhe eingekehrt.

    Weit und breit war kein Laut zu hören, nur eine leichte Brise ließ das hohe Schilf in der einsamen Bucht leise rascheln. Aus der Segeljacht, die sanft schaukelnd in der Bucht vor Anker lag, fiel ein matter Lichtschein durch die Kabinenfenster. Es sah alles ruhig und friedlich aus. In der Ferne schlug eine Kirchturmuhr. Es war Mitternacht.

    Plötzlich ertönte ein dumpfer Laut im Inneren des Bootes. Sekunden später zerriss ein ohrenbetäubender Knall die Stille am See. Eine meterhohe Stichflamme schoss empor und ließ die gespenstische Szenerie für einen kurzen Moment in grellem Licht erscheinen. Brennende Teile, die durch die Luft geschleudert worden waren, fielen klatschend ins Wasser. Die Jacht wurde durch die Wucht der Detonation förmlich in tausend Stücke gerissen.

    2

    Auf dem Campingplatz, nicht weit von der Bucht entfernt, saßen zwei junge Pärchen vor einem Wohnwagen. Die vier Studenten aus Norddeutschland waren erst am Nachmittag angekommen um hier, im schönen Oberbayern, ihren gemeinsamen Urlaub zu verbringen. Der Wohnwagen stand das ganze Jahr über hier am Dauercampingplatz, er gehörte Herberts Eltern. Mit seiner Freundin Lisa bewohnte Herbert nun für eine Woche das elterliche Feriendomizil. Ihre beiden Freunde Svenja und Jörg bezogen ein kleines Zelt, das sie gleich nach ihrer Ankunft neben dem Wohnwagen aufgeschlagen hatten. Nach dem Abendessen, es gab Currywurst mit Pommes in der Imbissbude, besorgten sie sich noch ein paar Flaschen Bier am Campingplatz-Kiosk, stellten Klappstühle und einen Klapptisch unter das Vorzelt des Wohnwagens und genossen den lauen Abend.

    Zu später Stunde, es herrschte bereits Nachtruhe auf dem Platz, saßen sie immer noch da und planten ihre Urlaubstage. Herbert hatte sich bereits zu Hause im Internet informiert, was sie alles unternehmen könnten. Er breitete seine Wanderkarte auf den Knien aus und suchte, im schwachen Lichtschein einer Taschenlampe, die Route zu der Sommerrodelbahn, die Morgen ihr erstes Ziel werden sollte, als sich die gewaltige Explosion ereignete. Erschrocken sprangen die vier von ihren Stühlen.

    »Himmel, was war das denn«, sagte Jörg.

    »Mist, ich hab nichts gesehen, was ist passiert?«, fragte Herbert.

    »Ein Begrüßungsfeuerwerk für uns war das sicher nicht«, bemerkte seine Freundin flapsig. Svenja lief näher ans Ufer.

    »Das war eine Explosion, ich hab´s gesehen. Schaut mal, da drüben, sieht aus als würde es brennen«, rief sie den anderen zu. Die drei Freunde folgten ihr ans Ufer.

    »Tatsächlich, da brennt´s auf dem See. Oder an Land?«

    Alle versuchten, in der Dunkelheit irgendetwas zu erkennen, was aber unmöglich war.

    Der laute Knall hatte auch die anderen Urlauber in ihren Wohnwägen geweckt, überall gingen die Lichter an und Köpfe erschienen an den Fenstern. Einige Leute kamen heraus, liefen durcheinander und fragten sich gegenseitig, was passiert war.

    Auch Richy Gebauer, der übergewichtige Eigentümer des Campingplatzes, kam eilig angerannt. Er war gerade nach dem Genuss von zwei Flaschen Bier eingenickt, als er bei dem Getöse vor Schreck aus seinem Fernsehsessel fiel. Zielgerichtet wandte er sich direkt an die vier Neuankömmlinge.

    »Was habt ihr angestellt«, schrie er die jungen Leute an. Die Studenten protestierten, sie hätten gar nichts angestellt. Sie beteuerten ihre Unschuld und erzählten ihm von ihren Beobachtungen. Als Gebauer sich davon überzeugt hatte, dass der ohrenbetäubende Lärm tatsächlich nicht von ihnen verursacht worden war, lief er zu den anderen Feriengästen, die am Ufer standen und gebannt über den See schauten. Alle redeten und gestikulierten wild durcheinander.

    »Was ist da los?«, fragte er einen dicken Mann, der auf den See zeigte und immer rief: »Es brennt, es brennt!«

    Eine Frau schrie hysterisch: »Ein Bombenanschlag, Terroristen, sie wollen uns alle umbringen.«

    Ihr Mann schimpfte: »Blödsinn, du siehst zu viel fern. Da ist nichts, los wir gehen wieder ins Bett.«

    Ein älterer Mann versuchte die anderen zu beruhigen: »Das kam bestimmt vom Dorffest. Die haben da heute Böllerschützen. Das Krachen von den Böllern hört man meilenweit über das Wasser. Jetzt ist ja wieder Ruhe. Gute Nacht.«

    Als nichts mehr zu hören und zu sehen war, verstummten die Neugierigen langsam und gingen wieder in ihre Wohnwägen zurück. Nur die vier Studenten standen noch diskutierend da. Richy Gebauer kam zu ihnen.

    »Außer euch hat wohl keiner was gesehen. Könnt ihr euch erklären, was da los war?«

    Jörg spekulierte: »Es war bestimmt eine Explosion und da war auch Feuer zu sehen, aber jetzt sieht man gar nichts mehr.«

    »Tja«, meinte Gebauer, »da alarmiere ich am besten die Polizei. Sollen die schauen, was da los ist.«

    Er stapfte zu seiner Baracke zurück. Dort befand sich neben seiner Wohnung auch das Büro des Campingplatzes. ›Nicht zu fassen‹, dachte er verdrießlich, ›was fällt den Leuten ein, mich mitten in der Nacht zu stören.‹

    Seehausen, die nächstliegende und zugleich auch größte Ortschaft am See, mit ca. 8000 Einwohnern, verfügte über eine eigene Polizeidienststelle. Herzhaft gähnend wählte Gebauer die Nummer.

    Eine halbe Stunde nach dem Anruf fuhren zwei Polizisten in ihrem Dienstwagen vor. Gebauer erwartete sie, leicht fröstelnd, nur mit Shorts und Unterhemd bekleidet, an der Schranke zum Campingplatz.

    »Guten Abend Richy«, begrüßte Polizeiobermeister Rudi Schillinger seinen alten Schulfreund Gebauer, »jetzt erzähl nochmal in aller Ruhe, was da vorhin passiert ist. Aus deinem Gestammel am Telefon bin ich nämlich nicht schlau geworden.«

    »Da fragst du am besten gleich meine neuen Gäste«, murrte Gebauer gereizt, »ich selbst hab ja nichts gesehen, bin nur durch den Riesenknall aus dem Stuhl gefallen.«

    Sie gingen gemeinsam zum Wohnwagen der Studenten, die noch immer im Vorzelt saßen und auf die Polizisten warteten. Während Schillinger die Vier zu dem Vorfall befragte, nahm sein Kollege, Polizeiobermeister Anton Griesmaier, schon mal die Personalien auf. Die Zeugen konnten natürlich nur vage beschreiben, wo sich die Explosion ereignet hatte.

    »Hm, das könnte in der Altwalchener-Bucht gewesen sein, was meinst du, Toni?«, überlegte Schillinger.

    »Ja, könnte, oder auch nicht. Hilft nichts, da müssen wir rüberfahren und nachschauen«, antwortete Griesmaier griesgrämig. »Die anderen Gäste befragen wir morgen. Die haben ja offensichtlich nichts gesehen und schlafen sicher alle schon wieder.«

    Damit verabschiedeten sich die Beamten. Die jungen Leute waren todmüde und froh, endlich ins Bett zu kommen. Genauso wie Richy Gebauer.

    Der Polizeiwagen bog in die schmale, geschotterte Zufahrtstraße ein, die zur Altwalchener-Bucht führte. Die Landstraße war wenigstens mit Straßenlaternen beleuchtet gewesen, aber hier konnten sich die Polizeibeamten nur durch ihr Scheinwerferlicht und den Vollmond orientieren. An der Bucht angekommen, stiegen die beiden aus und schlichen, mit ihren Taschenlampen ausgerüstet, in Richtung Ufer.

    »Da vorne glänzt irgendwas, da liegt etwas im Schilf. Siehst du es?«, fragte Schillinger seinen Kollegen.

    »Ja, richtig«, antwortete Griesmaier, »das schauen wir uns mal näher an. Hoffentlich kommen wir trockenen Fußes dort hin«, gab er noch zu bedenken. Als die beiden näher kamen, stellten sie fest, dass der glänzende Gegenstand ein Teil einer abgerissenen Schiffsreling war. Verdutzt schauten sie sich an und versuchten weiter in das dichte Schilf vorzudringen.

    »Es riecht hier irgendwie brenzlig oder verkohlt, findest du nicht?«, murmelte Schillinger.

    »Ich würde sagen, hier stinkt´s gewaltig. Wir sind jedenfalls an der richtigen Stelle. Ich glaub, da im Schilf liegt noch so ein metallenes Teil.«

    Nach zwei weiteren Schritten fluchte Griesmaier: »Oh, verdammt, jetzt krieg ich nasse Füße«, und hüpfte zurück.

    »Wie sollen wir denn dahin kommen? Es gibt keinen Steg und es ist unmöglich, von hier aus mehr zu sehen. Außerdem ist es zu dunkel. Glaubst du, dass da tatsächlich ein Schiff explodiert ist?«

    »Ja, das glaube ich, auch wenn es ziemlich unglaublich klingt. Ich kann mir jedenfalls nichts anderes vorstellen..., allerdings kann ich mir auch nicht vorstellen, wie so etwas passieren kann. Object1

    Es schien aussichtslos, einen Überblick zu bekommen und abzuschätzen, was eigentlich genau passiert war.

    »Wir verständigen am besten gleich die Kollegen von der Kriminalpolizei und die Spurensicherung. Das heißt allerdings auch, dass wir hier warten müssen, bis die ankommen. Und das kann dauern.«

    »Okay, ich sag in der Dienststelle Bescheid.« Griesmaier ging zum Auto, »und dann machen wir´s uns hier so richtig gemütlich. Hast du deine Spielkarten dabei?«

    Als die Kripobeamten und ihre Kollegen von der Spurensicherung aus der 30 Kilometer entfernten Kreisstadt endlich an der Bucht eintrafen und ihre Arbeit aufnahmen, dämmerte schon der Morgen. Die Bergungsarbeiten dauerten bis zum Nachmittag. Es wurden jede Menge Einzelteile der zerfetzten Jacht aus dem Wasser gefischt und auch vom Grund des Sees geborgen.

    Vom Schiffseigner aber fehlte jede Spur.

    3

    In ›Karlshöhe‹, dem Prominenten-Viertel der Kreisstadt Lindenburg, reihten sich die Villen der Reichen und Privilegierten aneinander. Hier residierte der Geldadel. Unternehmer, Schauspieler, Politiker und sonstige Promis wohnten dort Tür an Tür.

    In ihrer Villa saßen Helmuth Pfortsheimer und seine Frau Verena beim Brunch. Es war am späten Sonntagvormittag. Die beiden nahmen gewöhnlich ihren Brunch um diese Tageszeit ein, man konnte es sich ja leisten. Genauso wie das Glas Champagner, das natürlich dazu gehörte. Von der windgeschützten Terrasse mit der schattenspendenden Markise hatten sie einen herrlichen Blick auf ihren wunderschönen Garten. Am Ende der Terrasse führten drei Stufen auf einen gepflasterten Weg. Rechts und links davon hatte der Gärtner, der zweimal wöchentlich kam, bunte Blumenrabatten angelegt. Im hinteren Teil des Gartens, hinter einer sorgfältig geschnittenen Buchshecke, befand sich der standesgemäße Swimmingpool nebst Liegewiese und Gartenpavillon. Das große Grundstück war außerdem von einer Zweimeter hohen Thujen-Hecke umgeben, so dass die Bewohner vor neugierigen Blicken geschützt waren.

    Pfortsheimer, ein untersetzter Mittfünfziger mit leichtem Bauchansatz und beginnender Glatze, war hauptberuflich Politiker und teilte sich seine Zeit ein, wie es ihm gefiel. Dank seiner Stellung und der Protektion seines Schwiegervaters war es ihm ein Leichtes, nützliche Bekanntschaften und einträgliche Kontakte aufzubauen und zu pflegen. Deshalb liebte er seinen Beruf. Weniger der Politik wegen, eher des Einflusses wegen, den er auch durch die Mitarbeit in verschiedenen Ausschüssen erlangte. Der Gedanke an die Möglichkeiten, die sich ihm boten, jagte ihm stets einen wohligen Schauer über den Rücken. Die Aussicht Macht, Einfluss und Reichtum zu vermehren war für ihn erregender als eine nackte Schönheit in seinem Bett.

    Man verkehrte mit seinesgleichen im elitären Golfclub, traf sich im Jachtclub, begegnete sich bei Vernissagen, auf Charity-Partys oder bei Benefiz-Konzerten. Bei diesen Treffen ging es freilich nicht nur um Wohltätigkeit und Freizeitgestaltung. Dort lernte man die wichtigen Leute kennen, knüpfte neue Verbindungen und erhoffte sich, natürlich so ganz nebenbei und auf Gegenseitigkeit, Begünstigungen und Bevorzugungen geschäftlicher oder gesellschaftlicher Art.

    Pfortzheimer hatte die Möglichkeiten und den Einfluss die Anliegen seiner neuen Freunde zu verwirklichen, und er nutzte jede Gelegenheit. Ganz nach dem Motto: ›Wer kann, der kann.‹ Als Gegenleistung dafür flossen reichlich Spendengelder, die man durch geschickte Buchungen auf geheime Konten umleitete. Auch mit ›kleinen Aufmerksamkeiten‹, wie Urlaubsreisen, prozentualen Beteiligungen oder mittelgroßen Aktienpaketen drückte man seine Dankbarkeit aus. Es war für alle Seiten ein einträgliches Geben und Nehmen, leben und leben lassen. So war sein monatliches Einkommen durch die ›außerordentlichen Zuwendungen‹ mit der Zeit enorm gestiegen.

    Unter diesen Voraussetzungen ließ sich das Leben auf angenehmste Weise genießen.

    Gut gelaunt bestrich der Hausherr sein Croissant dick mit Butter und Marmelade. Seine Frau Verena saß ihm mit einem grimmigen Gesichtsausdruck gegenüber.

    »Was ist los?«, fragte der Hausherr.

    »Wie kannst du nur so gelassen sein!«, warf sie ihm verärgert vor.

    Verena war mit Ende Vierzig noch eine sehr schöne Frau. Sie ging dreimal die Woche zu ihrer Kosmetikerin und ins Fitnessstudio, um sich ihr makelloses Aussehen und die schlanke, straffe Figur möglichst lange zu erhalten. Da sie aus reichem Hause kam hatte sie es noch nie nötig gehabt zu arbeiten.

    »Ich habe genau gehört, wie du mit diesem Kerl gestritten hast. Er hat gesagt, er hätte dich wegen irgendwelcher Unterlagen in der Hand und kann uns ruinieren«, sagte sie gereizt, »was hat er damit gemeint, was sind das für Unterlagen?«

    »Sei unbesorgt«, erwiderte ihr Mann ruhig und lächelte siegessicher, »ich habe bereits Schritte in die Wege geleitet. Glaub mir, der Fall hat sich bald erledigt. Uns wird gar nichts passieren, ich hab mich nämlich abgesichert. Sollte er tatsächlich versuchen uns hinzuhängen, ist er selbst dran. Das weiß er und das kann er sich nicht leisten.«

    »Ich mag diesen Mann nicht. Er ist mir zu überheblich. Und jetzt bedroht er uns auch noch. Sag mir gefälligst, was das für Unterlagen sind. Womit hat er dich in der Hand? Macht ihr etwa illegale Geschäfte?«

    »Schluss jetzt!«, sein Lächeln erstarb und er wurde ungehalten, »ich hab gesagt, dass ich alles im Griff habe, mehr brauchst du nicht zu wissen und damit basta.«

    Sie sah ihn gekränkt an. Nach einer Weile lenkte er ein und sagte lächelnd zu ihr: »Komm schon, mach nicht so ein Gesicht«, er wusste genau, wie er sie von ernsten Themen ablenken konnte, »fahr lieber in die Stadt, kauf dir ein schönes Kleid und freu dich auf die Party heute Abend.«

    4

    Am Montagmorgen strahlte die Sonne bereits am Himmel, als Hauptkommissar Korbinian Kronfeld in die Dienststelle fuhr. Der übliche Stau, den der morgendliche Berufsverkehr täglich mit sich brachte, konnte ihn heute nicht im Mindesten aufregen. Erst gestern war der sportliche Endvierziger von einem wohlverdienten Urlaub in die Stadt zurückgekommen. Er verbrachte seine freien Tage stets in den nahegelegenen Bergen. Ein Bekannter besaß dort eine kleine Hütte, die er dem Freund zur Verfügung stellte. Dort streifte Kronfeld den ganzen Tag in freier Natur umher und ging seinem Hobby, der Fotografie, nach. Er liebte die Einsamkeit in den Bergen. Er liebte aber auch den gemütlichen Dorfgasthof mit seinem schattigen Biergarten. Dort pflegte er abends einzukehren. Die einheimischen Stammgäste des Gasthofs zählten schon seit langem zu seinen Freunden und er saß oft mit ihnen bis in die Nacht hinein am Stammtisch.

    Gut gelaunt vor sich hin pfeifend und voller Tatendrang ging Kronfeld durch die breite Eingangstür des Polizeipräsidiums. Im Flur begegnete er seinem Freund und Kollegen Werner Deininger vom Einbruchsdezernat.

    »Na, alter Bergfex, wieder zurückgefunden ins Tal?«, begrüßte ihn dieser.

    »Hallo Störtebeker«, erwiderte Kronfeld lachend. Deininger war begeisterter Segler und wurde von allen nur Störtebeker genannt. »Ich find immer zurück in die Stadt, das weißt du doch, aber irgendwann kauf ich mir selbst eine Hütte und bleib oben am Berg, darauf geb´ ich dir mein Wort. Wie sieht´s aus? Heute Abend Stammtisch im Biergarten?«

    »Sowieso«, sagte Deininger, winkte und ging davon.

    Auch wenn sie ihre Freizeit mit gegensätzlichen sportlichen Aktivitäten verbrachten, war der Besuch des Biergartens eine Leidenschaft, die sie gern gemeinsam genossen.

    Als Kronfeld seine abgewetzte Aktentasche auf den Schreibtisch in seinem Büro legte, fiel sein Blick auf einen handgeschriebenen Zettel, darauf stand ›Erwarte Sie sofort bei mir, Lackner‹.

    Kriminalrat Lackner war Kronfelds Vorgesetzter. ›Naja, das Verbrechen macht halt keinen Urlaub‹, dachte Kronfeld. Er verzichtete auf seinen obligatorischen Dienstantrittskaffee und machte sich auf dem Weg zum Chef.

    »Guten Morgen, gut dass Sie zurück sind Kronfeld, ich habe gleich einen neuen Fall für Sie«, begrüßte der Chef den Kommissar. »Wie war übrigens der Urlaub?«, fragte Lackner noch der Höflichkeit halber.

    Da Kronfeld wusste, dass der Chef sicher keine Einzelheiten hören wollte, sagte er nur knapp: »Schön, friedlich und zu kurz.«

    »Na dann kann´s ja wieder mit voller Kraft losgehen. Der Fall ereignete sich vorletzte Nacht am Wiedsee. Die Jacht von Dieter Haingruber, dem Tabakgroßhändler, ist in die Luft gejagt worden. Auf den ersten Blick sieht es nach Versicherungsbetrug aus. Allerdings könnten wir es auch mit Mord zu tun haben. Laut Aussage der Ehefrau hat Haingruber am Samstagmorgen das Haus verlassen und ist seither nicht mehr aufgetaucht. Andererseits haben wir noch keine Leiche gefunden«, erzählte Lackner, »die Berichte der Aussagen von den Leuten am Campingplatz und von einer ersten Befragung im Jachtclub habe ich hier.« Er überreichte Kronfeld die Handakte. »Die ersten Ermittlungsergebnisse von der KTU sind auch schon dabei.«

    »Der Haingruber?«, fragte Korbinian Kronfeld. Er nahm die Akte in Empfang und schaute seinen Chef erstaunt an, »Multimillionär und Großkotz?«

    Lackner schaute ihn mit einem leichten Lächeln von der Seite an. Als Chef der Kriminalpolizei genoss er ein hohes Ansehen und wegen dieser Stellung erhielt auch er gelegentlich Einladungen zu den Veranstaltungen der sogenannten ›High Society‹. Allerdings machte er sich nicht viel aus dieser Gesellschaft. Die Herrschaften waren ihm zu versnobt.

    »Über seine Charaktereigenschaften möchte ich mich nicht äußern, aber vielleicht spielen die bei dem Fall sogar eine Rolle?«, meinte Lackner lakonisch, »finden Sie raus, womit wir es hier zu tun haben. Ich erwarte morgen Ihren ersten Bericht.«

    Das Unternehmen Haingruber kannte jeder in der Stadt. Es war vom Vater des jetzigen Inhabers gegründet worden. Den Anfang hatte der Geschäftsmann mit einem Bahnhofskiosk gemacht, den er mit seiner Frau betrieb. Es dauerte nicht lange, da eröffnete er seine erste Filiale, ein kleines Geschäft mit Tabakwaren und Zeitungen. Die zweite Filiale war schon ein etwas größerer Laden, dann kamen die dritte, vierte und fünfte Filiale. Schließlich gründete er sein Großhandelsunternehmen. Der ehrgeizige Aufsteiger erwarb im Gewerbegebiet der Stadt ein großes Grundstück, baute dort ein riesiges Lagerhaus und ein eigenes Bürogebäude.

    Als er schließlich vor Jahren seinem Sohn Dieter die Firma übergab, war durch seine außergewöhnliche Geschäftstüchtigkeit und hervorragenden geschäftlichen Verbindungen ein

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