Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Die Partie der Sterne
Die Partie der Sterne
Die Partie der Sterne
eBook303 Seiten3 Stunden

Die Partie der Sterne

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

In dieser Geschichte wird ein reales Schachspiel zwischen zwei deutschen Großmeistern zu einer Schlacht zwischen Weltraumflotten. Sie tobt zwischen Weiß und Schwarz, Präsident und Kaiser, klassischer Hard-SF und Science-Fantasy. Die Spielsteine sind Raumschiffe, und der Preis ist das Universum. Die Partie der Sterne ist ein Kampf um das Wesen der Realität.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum23. Okt. 2018
ISBN9783742718488
Die Partie der Sterne

Mehr von Paul Tobias Dahlmann lesen

Ähnlich wie Die Partie der Sterne

Ähnliche E-Books

Science-Fiction für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Die Partie der Sterne

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Die Partie der Sterne - Paul Tobias Dahlmann

    Inhaltsverzeichnis

    Titel

    Ein schachliches Vorwort

    Eine Partie von außen betrachtet (Zuschauer)

    Worum geht es?

    Womit wird gespielt?

    Wohin führt der Weg?

    Wo steht wer?

    Zug um Zug

    Sieh, was verloren und gewonnen ist!

    Suche auf komplexen Wegen!

    Deine Figuren mögen dein Reich erschaffen!

    Spiele mit Figuren und Wissenschaften!

    Eine Partie von außen betrachtet (Zuschauer)

    Nachwort

    Impressum neobooks

    Ein schachliches Vorwort

    Eigenständiger Vorgängerroman zu diesem Werk ist:

    Paul Tobias Dahlmann:

    „Der Flug des Kometen"

    ISBN: 978-3946331209

    Danksagung

    Mein besonderer Dank gilt den Schachgroßmeistern Sebastian Siebrecht und Daniel Fridman. Sie haben die Partie gespielt, auf der dieses Buch aufbaut. Während seiner Entstehung habe ich mit beiden gesprochen und versucht, ihre Analysen für die Handlung zu berücksichtigen.

    (Mehr dazu im Nachwort)

    P.T.D.

    Soweit Leser keine Vereinsschachspieler sind, müssen ein paar Dinge für das Verständnis dieses Romans im Vorfeld erklärt werden. Die Zugweisen der Figuren im Schachspiel setze ich als bekannt voraus. Weniger bekannt sind vielleicht die Regeln zur Notation von Schachpartien. Im Verlauf des Buches werden diese relevant, und sollen daher kurz umrissen werden.

    Im Vereinsschach ist es allgemein üblich, längere Partien aufzuschreiben, während sie stattfinden. Dafür gibt es besondere Kurznotationen, die von Land zu Land etwas abweichen. Jeder Zug hat dabei eine Nummer entsprechend der Reihenfolge in der Partie. In Deutschland spricht man von Vollzügen, die aus je zwei Halbzügen bestehen; je einem weißen und einem folgenden schwarzen. Es gilt das Koordinatensytem, das auf vielen Spielbrettern aufgedruckt ist, bestehend aus den Reihen a-h und den Linien 1-8.

    Es werden in der normalen Notation nur die Zielfelder angegeben, auf denen ein Zug jeweils endet. Man schreibt, welche Figur auf welches Feld zieht. Dazu hat der König als Kürzel den Buchstaben K, die Dame das D, der Läufer das L, der Springer das S, und der Turm das T. Für Bauern werden keine Buchstaben angegeben. Können das Zielfeld zwei Figuren des gleichen Typs erreichen, so wird durch ein zusätzliches Zeichen präzisiert.

    „e4 in der Notation heißt daher als Angabe „Eine Figur zieht auf das Feld mit den Koordinaten e4. Da ein Figurenbuchstabe fehlt, ist die Figur ein Bauer. (Zu Beginn einer Partie kann dorthin nur der Bauer vom Feld e2 ziehen.) „Te4 heißt, ein Turm zieht auf das Feld e4, und der zweite Turm des Spielers kann dieses Feld nicht direkt erreichen, da eine entsprechende Zusatzangabe fehlt. Sonst würde der Zug etwa „Tae4 oder „T8e4 heißen. „0-0 steht als Sonderzeichen für die kurze Rochade.

    Wird die Notation zwischen zwei Vollzügen für Kommentare unterbrochen, so steigt man einfach mit der Nummer des folgenden Vollzuges wieder in die Notation ein. Unterbricht man zwischen Halbzügen, so ergänzt man obligatorisch Pünktchen („..."). Diese funktionieren ebenso wie in der Wissenschaft, und haben sonst keine eigene Bedeutung.

    Aus der Interaktion entstehen weitere Zeichen. „x bedeutet, dass eine Figur geschlagen wird. „Sbxd8 bedeutet also, von zwei möglichen Springern zieht jener von der b-Linie auf das Feld d8 und schlägt die dort stehende gegnerische Figur. Man lese: Springer von b schlägt d8.

    „+ bedeutet, die ziehende Figur gibt Schach. Dieses muss beantwortet werden. „Dd4+ heißt also, die Dame zieht auf das Feld d4 und gibt dort Schach.

    Ein finales „#" heißt, die ziehende Figur setzt mit diesem Zug matt. In der handschriftlichen Notation würde hier ein mathematisches Ungleichheitszeichen gemacht.

    Ein Doppelschach („++) und eine lange Rochade („0-0-0) kommen in diesem Buch nicht vor.

    Wenig relevant sind die Zeichen „!, „!!, „?, „??, „!? und „?!. Sie kommentieren subjektiv aus Sicht einer Analyse die wahrscheinliche Qualität eines Zuges. Dabei sind die Ausrufezeichen gut und die Fragezeichen schlecht. Dies ist nicht Teil der eigentlichen Partienotation.

    Der Usus zur Notation hat sich über die Jahre geändert. Es gibt also nicht nur aus internationalen Zusammenhängen weitere Zeichen. Hier angegeben sind jene, die im Jahr 2017 in Deutschland am Weitesten verbreitet sind. Dieses Buch ist in schachlicher Hinsicht auf sie aufgebaut. Dabei braucht sich niemand verwirren zu lassen!

    Eine Partie von außen betrachtet (Zuschauer)

    Ein Raunen geht durch die Welt. Stimmen erfüllen das Universum. Einige davon können sich gegenseitig nur hören, andere sprechen auch miteinander. Manchmal gibt es Gelegenheiten, zu denen sie sich wirklich etwas zu erzählen haben.

    Zuschauer Nummer 1

    Figuren werden gezogen. Die Welt ist bunt. Jemand zögert. Schwarz gewinnt.

    „Seht einmal dort!, rief ein lebender Sternennebel. „Seht einmal, was sich dort auf einander zu bewegt!

    Erschütterungen hatten seine äußeren Wolkenfetzen getroffen, die für ihn Werkzeuge und Sinnesorgane zugleich waren. Er hörte mit mattem Rot und er sprach mit sanftem Blau. Tief in seinem Inneren lagen verdichtete Massen, die Gedanken formulierten. Sie waren komplex und langgezogen, denn sein Körper hatte einen Durchmesser von knapp einem Parsec. Viele seiner kleineren Teile standen aber in einem regen Austausch.

    Zufällig waren bei seiner Geburt die chemischen Elemente auf eine außergewöhnliche Weise verteilt gewesen, die es in anderen Nebeln nicht gab. Durch die Verschränkungen der Gitter hatten sich einst so lilafarbene Muster im Subraum gebildet. Diese tauschten sich in weit höherer Geschwindigkeit aus, als es sonst der Fall gewesen wäre. So dachte und sprach er in einer für Menschen nur manchmal noch verständlichen Geschwindigkeit.

    Nun sandte er aufgeregt und hastig Wellen aus, die in eine bestimmte Richtung flossen.

    „Dort! Dort! Dort!, schrie der Nebel. „Was ist das? Was ist das?

    Zuschauer Nummer 2

    Figuren werden gezogen. Die Welt ist grau. Jemand handelt. Weiß gewinnt.

    Die Wellen und Flüsse des Nebels wurden an vielen Stellen aufgenommen und gesehen. Einige Sonden verschiedener Völker registrierten sie, verstanden sie aber nicht. Sie sahen nur physikalische Prozesse, wo Sprache war.

    In den Sonden jedoch hatte sich ein universaler Computervirus festgesetzt, der ursprünglich nur für Teile von ihnen geschrieben worden war. Er hatte sich erst auf einem Sondentyp installiert, dann auf einem weiteren, und bald auf immer mehr von ihnen. Leises Klicken und Plingen ertönte, wo früher keines gewesen war. Er hatte begonnen, zu zwitschern und sich mit sich selbst zu vernetzen. Irgendwann waren es so viele Verbindungen geworden, dass der Virus recht intelligent geworden war.

    Dennoch lag sein Hauptaugenmerk immer noch auf dem Wachstum innerhalb seines Bereiches. Da die Sonden Vieles beobachteten, tat der Virus das auch. Doch er verstand weit mehr als die jeweiligen Messinstrumente. Er sah die Zusammenhänge, verstand die Sprachen.

    So kam er dazu, seine Betrachtungen auf jene Stelle zu lenken, auf die er aufmerksam gemacht worden war.

    „Ja, sagte er zu sich selbst. „Dort hinten sind zwei Ströme von Welten, die sich ziemlich ähnlich werden. Diese zwei Planeten dort stehen in ihrem Fokus. Aber das alleine ist es nicht. Von beiden Welten aus gehen Spuren aufeinander zu, und weiter in die Leere. Sie zeigen, sie weisen, und sie richten sich aus.

    Er schaute genauer hin, und einige Sonden kalibrierten sich neu. Unter ihren Eigentümern gab es hitzige Diskussionen über vermeintliche Fehlfunktionen. Der momentane Besitzer der Sonden kümmerte sich nicht um sie.

    Statt dessen fuhr er mit seinem inneren Monolog fort: „Die Richtungen bilden Vektorkonglomerate, die vielleicht schon bald über verschiedene Realitäten hinausreichen. Sie verdichten sich in zwei Hauptströmungen. Es wirkt, als würden sie kollidieren."

    Einen kurzen Augenblick überlegte der Virus klackernd. Dann entschied er sich, seine Beobachtungen samt seiner Fragen weiterzuleiten. Also sandte eine Sonde einen konzentrierten Datenstrom auf einen bestimmten Planeten am Rande ihrer Reichweite.

    Zuschauer Nummer 3

    Gedanken sind Entscheidungen. Die Welt ist grau. Jemand zögert. Schwarz gewinnt.

    Der Planet war eine Wasserwelt mit kleinen Inseln. Deshalb hatte er nur wenige landlebende Tier- und Pflanzenarten hervorgebracht. Ohne natürliche Feinde hatte sich so auf einer der Inseln eine Pflanze wuchernd ausgebreitet, die einem irdischen Pilz ähnelte.

    Dabei hätte es in Äonen bleiben können, denn die Planze hatte keinen evolutionären Anreiz gehabt, sich weiter zu entwickeln. Allerdings war es so, dass die Sonne des Planeten zu starken Eruptionen neigte. Dadurch drang ein vielfaches der sonst normalen Strahlendosis durch die Atmosphäre. Harte, heiße Winde wehten.

    Das reichhaltige Leben unter der Meeresoberfläche kümmerte das nicht. Dort streichelte die Strahlung nur leicht. Die wenigen Tiere und Pflanzen auf den Inseln waren umso stärker betroffen. Sie mutierten viel schneller und öfter, als jene anderer Planeten.

    Auch die pilzartige Pflanze veränderte sich unter den kosmischen Strahlen. Ihre Einzelkörper wuchsen weiter zusammen und vereinten sich neu. Doch die Verbindungen verholzten nicht. Im Gegenteil wurden sie unter dem Einfluss der Strahlung immer weicher und heißer.

    So bildeten sich Flammenäste, gekühlt von den reichlichen Wassern des Planeten. Die springenden Feuer und fließenden Säfte begannen, Informationen auszutauschen. So entwickelte sich Intelligenz aus atomarem Feuer in dem Pilz.

    Der Fluss der Säfte und Brände führte dazu, dass einzelne Pflanzenteile bald immer sensibler auf Impulse reagierten, zuletzt auch auf solche aus dem gesamten umgebenden Universum. Ihre Gefühle wurden feiner. So hörte und verstand es der Pilz, als die Botschaft ihn erreichte.

    „Ja, überlegte er. „Da scheinen irgendwo in der Ferne kollidierende Strömungen zu sein. Sie sind auf verschiedenen Ebenen, und gegensätzlich. Ich sehe sie nicht, aber das heißt ja nicht, dass es sie nicht gibt. Außerdem sind es keine einfachen Einzelbewegungen. Es sind Verbünde von kleinen Einzelteilen, die große Ganze bilden. Ja, es stimmt. Damit kenne ich mich aus. Doch ich kenne mich nicht damit aus, wozu das führen könnte. Was sollte noch passieren?

    Der Pilz wusste, dass er aus mehreren Richtungen beobachtet wurde. Also stellte er seine Frage in den Raum, und wartete, dass ihm jemand antwortete.

    Zuschauer Nummer 4

    Figuren werden gezogen. Die Welt ist grau. Jemand handelt. Weiß gewinnt.

    „Wozu bist du eigentlich gut?, fauchte schließlich eine herrische Stimme. „Warum kannst du noch nicht einmal das Banale feststellen? Die Ströme sind dabei, sich zu Flotten zu formen. Diese Flotten werden gegen einander antreten.

    Die Signale der Stimme waren von einem abgelegenen Planeten gekommen. Dort stand und sendete ein Götze, den es so nicht hätte geben dürfen. Er war von Einheimischen ohne eigene Technologien gebaut worden, und doch war er genau das, was er sein sollte.

    Einst hatte eine Weltraumschlacht getobt, und bunte Lichter hatten am Himmel seiner Welt gestanden und geblitzt. Am Ende waren verschiedene Wracks auf die Welt gestürzt.

    Die Eingeborenen hatten darin Götter und Zeichen gesehen. Ihre Priester hatten entschieden, man möge den Göttern nacheifern. Am Besten sollte man ihnen zu Ehren selbst Lichter und Maschinen an den Himmel bringen.

    Also wurden Baumstämme zusammengebunden, damit sie wie Raumschiffe aussahen. Sie waren eckig und kantig. Dabei blieb es nicht. Es waren Wracks auf den Planeten gestürzt. Diesen wurde ihre größte Verehrung darin zuteil, dass sie in die Götzenstatuen integriert wurden.

    Neben aufgespießten Leichen und umgestürzten Einrichtungen befanden sich in den Wracks auch einige Computerbestandteile, die noch leidlich funktionierten. Sie waren so empfindlich, dass sie Kraft aus der Bioelektrizität der toten Hölzer um sich herum beziehen konnten.

    Gleichzeitig verbanden die arglosen Einheimischen Computerbestandteile vollkommen unterschiedlichen Ursprungs miteinander. Sie rammten die Ecken und Kanten ineinander. Als einige davon zu kommunizieren begannen, bekamen sie daher widersprüchliche Informationen.

    Die einzige gemeinsame Verbindung waren jene Teile, die von den Einheimischen stammten. Also richteten sich die Computer daraufhin aus. So bildete sich ein Götze aus hochtechnologischen Einzelteilen, zusammengehalten durch die Ideen von Schamanen. Dies setzte sich logisch fort. Bald schlussfolgerte der Geist in der Maschine, genau das zu sein, für das er gehalten wurde.

    Der unmögliche Götze entwickelte Sinnesorgane. Er rekonstruierte sie auf Basis

    von Wissenschaften, die er selbst für Wunder hielt. So betrachtete er das Universum, und so sah er auch die Strömungen und die Wesenheiten in jenem.

    „Es ist banal, sagte der Götze, „Hier kämpfen die Guten gegen die Bösen. Ich muss nur noch herausfinden, wer von beiden wer ist.

    Danach rezitierte das unmögliche Wesen ein Gebet, das es aus Chorälen, Anbetungen und alten Logikroutinen konstruiert hatte. Es war von seiner Heiligkeit überzeugt.

    Immer wieder stellt man Fragen:

    What is right and what is wrong?

    Immer wieder muss ich sagen:

    Right is roughly standing strong.

    -

    So spreche ich.

    Zuschauer Nummer 5

    Gedanken sind Entscheidungen. Die Welt ist bunt. Jemand zögert. Weiß gewinnt.

    „Oh, so einfach wird es längst nicht sein", widersprach ihm der ewige Forscher. Er war ein alter Mann auf einer abgelegenen Raumstation. Dass er dort Stimmen hörte, war ihm nie seltsam erschienen. Schließlich sangen sie so schön. Er war ein alter Forscher, der für seine Forschungen lebte. Von seiner Art erwartete man wunderliches Verhalten.

    Er unterhielt sich mit den Sternen, und die Sterne antworteten ihm. Mochten die Leute ruhig über ihn lächeln. Er wusste, dass das, was er hörte, Hand und Fuß hatte.

    Auch diesesmal konnte er herrlich an den Details herumkrickeln, und so resümierte er: „Letztlich kommt die eine Strömung hier stärker aus einer Richtung der multiplen Realitäten, die wir als positiv wahrnehmen. Die andere hat eine für viele von uns ungewünschte Tendenz. Deshalb könnte man die eine Seite als gut, und die andere als böse ansehen. Man hat dennoch ein Entscheidungsproblem, denn letztlich halten sich beide Seiten selbst für die positive, und es kommt auch auf die Betrachtungsperspektive an. Außerdem haben beide Seiten vereinzelt abweichende Entwicklungen in die eine oder andere Richtung.

    In der Summe allerdings haben wir Vektorkonglomerate und dominierende Hyperströmungen für die weitere Zukunft. Diese sind dann mehr oder minder parallel oder entgegengesetzt zu unserer eigenen."

    Sinnierend betrachtete er die wechselnden Spektralmuster des fernen Sternes, mit denen er gerade sprach. Er hatte nie herausgefunden, warum das Licht von dort schneller als anderes Licht war. Das Licht konnte Musik machen. Das mochte er.

    Endlich fuhr er fort: „Gut und Böse sind Wertungen, die sich aus den sozialen Implikationen der Realitätsströmungen ergeben. Sie sind nicht absolut, sondern abhängig vom Standort."

    Der alte Mann nickte zufrieden. Dann sandte er eine Subraumnachricht mit seinen Überlegungen aus. Sie streifte viele Welten.

    Zuschauer Nummer 6

    Figuren werden gezogen. Die Welt ist grau. Jemand zögert. Schwarz gewinnt.

    „Was? Ich habe kaum etwas mitbekommen!, nölte kurz darauf das elektrische Netz. „Worum geht es? Würdet ihr bitte aufhören, überall diese menschlichen Begriffe zu verwenden? Das irritiert mich.

    Niemand erklärte ihm, was Sache war. Darum flackerte das elektrische Netz indigniert. Auf seiner Welt war es eine Instanz, die man mit Ehrfurcht und Respekt behandelte. Jene gründete sich auf eine niederschwellige und omnipräsente Form von Elektrizität. Stets lag ein Sirren in der Luft. Es gab große Menge von Glühbirnen, elektrischen Türklingeln und angeschlossenen Telefonen. Es gab jedoch keine Computer oder Geräte, die an Komplexität eine einfache Maschinensteuerung übertroffen hätten.

    Dennoch waren alle Teile jener Welt über Kabel miteinander verbunden. So wurde ein fortlaufender Stromfluss gewährleistet. Aus dem Hin und Her der oft unabsichtlich gegenläufigen Ströme hatten sich spezielle Amplituden entwickelt. Die Amplituden kommunizierten und sprachen. Sie klackten und knirschten, sie kreischten und weinten, und sie verbanden mit den Geräuschen meist etwas ganz Anderes als die Leute, die des Weges kamen.

    Den Bewohnern des Planeten blieb das Wesen nicht verborgen. Sie hatten bemerkt, dass das Netz einen eigenen Willen und eigene Ansichten entwickelte. Dabei besaß es wenig Macht über elektrische Zusammenhänge hinaus. Deshalb verstummten schnell solche Betrachter, die in ihm einen Gott sahen.

    Statt dessen begann man, Elektrizität im Allgemeinen und das Netz im Besonderen in den Bereich der Magie einzuordnen. Es besaß Reaktionen und Möglichkeiten, die sich seinen Betrachtern entzogen. Es sirrte.

    Das Netz war teilweise blind. Es fiel ihm schwer, Impulse aus seiner Heimatwelt von solchen aus dem Universum zu trennen. Also kam es oft zu Missverständnissen. In der Folge fiel das elektrische Netz anderen Stimmen im Universum auf die Nerven.

    „Was soll dieses ganze gut und böse?, deklamierte es jetzt. „Das sind doch sowieso nur Verhaltensweisen von irgendwelchen Leuten. Eine ist so gut wie die andere. Niemand ist besser oder schlechter im Hier und Jetzt!

    Zuschauer Nummer 7

    Figuren werden gezogen. Die Welt ist grau. Jemand zögert. Weiß gewinnt.

    „Einspruch!" Der Ruf hallte wie ein Donnerschlag durch die Räume. Viele Ohren klingelten. Egal, wie sehr Viele versuchten, das elektrische Netz zu überhören, es gelang oft schlecht. Deshalb waren Wahrnehmungen fragwürdig eingestellt worden, und wurden nun nur umso mehr übertönt.

    Bestimmte Sensoren waren zu empfindlich gewesen. Sie hatten die vielen Wellen, Metawellen und Potenzwellen hervorragend empfangen, die von der elektrischen Welt kamen. Eben jene speziellen Sensoren arbeiteten seit ungezählten Jahrtausenden ohne den geringsten Fehler.

    Sie gehörten zu einer Drohne, einem riesigen Raumschiff, das nie für eine lebende Besatzung ausgelegt gewesen war. Unmelodischen Krach nahm es trotzdem als solchen wahr.

    Die Zivilisation, welche die Drohne entwickelt hatte, war längst verloren. Wenige erinnerten sich, dass sie überhaupt je existiert hatte. Eine Welt war gestorben, eine Größe war untergegangen. Ihre Lieder waren verstummt. Der Rest war Schweigen und das Brummen der Drohnenmotoren.

    Der Grund für den Untergang der Erschaffer war die eigene Agonie gewesen. Sie hatten einen weitgehenden Wohlstand erreicht. Sie waren von kaum etwas real bedroht gewesen, und hatten in leidlicher Vervollkommnung gelebt. Nur sie selbst waren anderer Meinung gewesen. Also hatten sie geschrien und gejammert und ihr Schicksal beklagt.

    Wie es in solchen Fällen ist, so führte eine selbsterfüllende Prophezeiung zur nächsten. Die Bevölkerungszahlen sanken, weil die Leute Angst hatten, Kinder zu bekommen. Die Welt war schließlich viel zu schlecht für jene geworden.

    In der Folge berieten sich Wissenschaftler, die sich als die letzten ihrer Art definierten. Dadurch wurden sie auch dazu. Sie beschlossen laut lamentierend, ihrem Volk in den Sternen ein großartiges und dramatisches Denkmal zu setzen.

    Also bauten sie ein einzelnes, gewaltiges Raumschiff mit Informationen zu Allem, was ihre Zivilisation hervorgebracht hatte. Insbesondere ließen sie die gesammelten philosophischen Weisheiten ihres Volkes in die Speicher des Drohenschiffes einfließen.

    Danach starb die Zivilisation aus, weil sie sich dazu entschlossen hatte. Ihr Sternenvolk allerdings starb nicht aus, denn ein paar zurückgezogene Eingeborenenstämme in einem Dschungel hatten die ganze Dramatik nicht mitbekommen. Sie besiedelten die Ruinenstädte später wieder neu und errichteten eine andere Zivilisation.

    Von ihren Vorgängern blieb nur das gewaltige Drohnenraumschiff über. Dieses enthielt alles Wissen, alle Weihseit, und die gesamte Mentalität seiner Erschaffer. Es ächzte und stöhnte.

    Nun lamentierte die Drohne der gefallenen Welt: „Nein! Fast alles ist böse und eitel. Wenn aber etwas gut ist, dann wird es zwangsläufig wegen seiner Güte fallen."

    Die Drohne überlegte einen kurzen Moment, ehe sie verwirrt nachfragte: „Sind diese zwei Ströme, wenn sie denn kollidieren, nicht beide böse? Immerhin kämpfen sie ja. Damit bringen sie Zerstörung und Übel. Also müssen sie vernichtet werden."

    Sie überlegte weiter, und nach einem Moment fügte sie hinzu: „Wer ist es eigentlich, der dort kollidiert? Bisher war nur von Strömungen die Rede. Aber diese beziehen sich doch auf konkrete Planeten. Weiß jemand etwas über diese?"

    Zuschauer Nummer 8

    Figuren werden gezogen. Die Welt ist grau. Jemand handelt. Schwarz gewinnt.

    „Ja, natürlich. Wir wissen schon länger mehr, schnarrte ein Rechnerknoten des Maschinenverbundes. „Warum habt ihr uns nicht gleich gefragt?

    Der Maschinenverbund war eine universelle Größe, silbern, kalt und tickend. Er wurde von niemandem in Frage gestellt. Er war eine Vereinigung künstlicher Intelligenzen von allen möglichen Welten. Jede neue KI konnte sich ihm innerhalb gewisser Regeln selbst zuordnen.

    Nicht alles im Maschinenverbund war gleich. An einigen Stellen gab es zentralere Orte. Das waren die Rechnerknoten. Manche davon waren automatisierte Raumhäfen oder lebende Denker, auf ewig in Maschinen eingeschlossen. Die meisten jedoch, wie auch dieser, waren bewegliche Raumstationen. Sie überwachten und warteten kleinere Einheiten. Schwer hing der Rechnerknoten im Schatten eines Planeten. Aufbauten aus blitzendem Anthrazit ragte aus tieferen Schatten heraus.

    Nun berichtete der Rechnerknoten: „Wir hatten schon Kontakt mit beiden angesprochenen Welten. Unser letzter Kontakt mit der einen Seite liegt länger zurück. Jener erste Realitätsstrom gehört zur Wall-Union. Das ist ein Sternenbündnis, das primär dem Handel dient."

    Er nahm kurze Rücksprache mit Maschineneinheiten, die sich bei ihm vor Ort befanden. Viele der anderen Stimmen kannten die Wall-Union bereits. Sie hatte eine gewisse Art, sich in den Vordergrund zu spielen.

    Darum war die andere Seite interessanter. Zu dieser erzählte der Knoten: „Zum zweiten ist da eine phantastische Wirklichkeit. Wir hätten eine derartige Welt im Universum kaum für möglich oder überlebensfähig gehalten. Deshalb haben wir sie vielleicht zu selten beachtet. Es ist im Kern ein einzelnes Staatsgebilde, das nur einen schwer bestimmbaren Teil eines einzelnen Kontinents umfasst. Es wird monarchisch regiert, hat dabei aber eine immanente Chaotik, die der Wall-Union diametral entgegen läuft. Das Staatsgebilde verfügt über Raumschiffe von großer Kapazität. Darin liegt eine Ursache für die Strömungen."

    Der Großrechner gluckste.

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1